Nr.14 42. Jahrgang
Ausgabe A nr. 8
Bezugsvreis:
Böchentlich 70 Goldpfennig, monab lia 3, Goldmart voraus zahlbar. Unter Rreusband für Deutsland, Danzig , Saar- und Memelgebiet, Defterreich, Litauen , 2uremburg 4,50 Goldmart, für bas übrige Ausland 5,50 Goldmark pro Monat.
Der ,, Bormäris mit der Sonntags Beilage ,, Boll und 8eit" mit ,, Sied lung und Kleingarten" somie der Beilage Unterhaltung und Biffen" und Frauenbeilage Frauenstimme erscheint modhentäglich ameimal, Sonntags und Montags einmal
"
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Goldpfennig
Anzeigenvreise:
Die einfpaltige Nonpareillegeile 0,70 Goldmart, Reklamezeile 1- Goldmart. Kleine Anzeigen" bas fettgebrudte Wort 0,20 Goldmart( azuläffig zwei fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 0,10 Goldmart. Stellengefuche das erfte Wort 0,10 Goldmart, jedes meitere Bort 0,05 Goldmart. Worte ber 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 0,30 Goldmart. Eine Goldmart. ein Dollar geteilt burch 4,20.
-
Anzeigen für die nächste Summer müffen bis 4 Uhr nachmittags im Sauptgeschäft, Berlin SW68, Linden. ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr früh bis 5 Uhr nachm.
Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Donboff 292-293
Verlag: Dönhoff 2506-2507
Freitag, den 9. Januar 1925
Gegenminen gegen Marx.
Erschwerte Kabinettsbildung.
BIB. meldet: Die Bemühungen des Reichstanzlers Marg. gemäß dem ihm erteilten Auftrag fo rasch wie möglich eine Regierung zu bilden, haben geffern noch nicht zu einem Ergebnis geführt. Zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler fand gestern abend eine Aussprache ffatt, auf Grund derer der Reichs favzler heute die Berhandlungen fortführen wird.
Im Reichstag wurde gestern das Gerücht verbreitet, daß Marr gescheitert sei und seinen Auftrag an den Reichs präsidenten zurüdgegeben habe. Es wurde erzählt, diese Krise in der Krise sei durch die Weigerung des Finanzministers Dr. Luther und des Ernährungsministers Grafen Kanitz entstanden, eine Regierung ohne die Volkspartei mitzumachen. Ob diese Weigerung tatsächlich erfolgt und ob sie endgültig ist, fleht dahin. Unverständlich wäre es aber, wenn an derartigen Bersonenfragen die Bildung einer neuen Regierung Mary scheitern sollte.
Gegnern der Republik in der Republik ist erst recht eine innere Unmöglichkeit. Darum ist auch vor dem Verfuch zu warnen, Herrn Mary als Reichskanzler durch eine weiter rechts gerichtete Persönlichkeit zu ersetzen.( Als solche wurde gestern im Reichstag Herr Dr. Luther genannt.)
Was die Rechte will, ist vollkommen flar. Sie will das Zentrum in ihre Gefolgschaft zwingen. Gelingt ihr das nicht, so will sie hohnlachend zusehen, wie alles sich in Brei auflöst Will das Zentrum nicht Bürgerblockpolitit machen, so muß es 3entrums politit machen. Das heißt, es muß sich dafür start mechen, eine Regierung auf die Beine zu stellen, die den bisherigen Kurs der Mitte festhält, und muß nach dem Grundsatz handeln: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg." Die Republik und die parlamentarische Demokratie bestehen, weil es nichts gibt, wodurch sie ersetzt werden können. Darum halten sie auch manchen harten Schlag aus. Aber ihren Anhängern fann es nicht gleichgültig sein, wenn ihr Ansehen durch endlose Krisen erschüttert wird. Es muß ein Ende gemacht werden! Die Sozialdemokratie hat durch die Erklärung, die sie für die Wiederherstellung der Weimarer Koalition abgegeben hat, ihre Bereitschaft bewiesen, attiv einzugreifen und die Krise zu beendigen. Das Zentrum hat es vorgezogen, einen anderen Weg zu geben; es muß jezt zeigen, daß dieser Weg gangbar ist und nicht im Sande resultatlofer Regierungsbildungsversuche verläuft.
Es ist notwendig, die Krise endlich zu beenden. Es ist aber nicht notwendig, daß diefer oder jener Minister bleibt, und es ist nicht einmal notwendig, daß alle Refforts besetzt werden, bevor die Regierung vor den Reichstag tritt. In Der bisherigen Regierung waren zwei Ressorts, die der Justiz und des Berkehrs, unbesetzt, ohne daß sich jemand viel darum gefümmert hätte. Minister, die nicht begreifen, daß die Not des Landes ihr Berbleiben im Amt erfordert, find für die Rete bieler
gierung nur eine Kugel am Bein: bleiben sie heute, so werden ste morgen Schwierigkeiten machen. Und ohne diesen Herren zu nahe zu treten, fann man fagen: es find doch nicht so überragende Bersönlichkeiten unter ihnen, daß es unmöglich fein follte, für fie gleichwertigen Erjah zu finden.
Es muß eine Regierung geschaffen werden, und diese Regierung fann keine Bürgerblodregierung sein, weil fie teine Mehrheit hat. Eine Minderheitsregierung von
Das Diktat der Schwerindustrie. Zweischichtensystem!
Die Telegraphen- Union verbreitet folgende Aeußerung einer ungenannten führenden Persönlichkeit der deutschen Montanindustrie":
Wenn Herr Brauns glaubt, daß er auf dem einfachen Berord nungsmege unter Uebergehung des Gutachtens des Reichswirtschaftsrotes die dreischichtige Arbeitszeit bzw. den Achtstundentag für Rote rei- und Hochofenarbeiter diftatorisch erzwingen fönne, so ist kaum anzunehmen, daß das Gesamtkabinett ihm auf diesem Wege Folge leisten wird. Schließlich ist der Reichswirtschaftsrat ja eine ver faffungsmäßige Institution. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß ein Rabinett, das an sich schon zurück getreten ist und dessen Regierungsbefugniffe mur provisorische sind, noch die Verantwortung für eine für unsere gesamte Bolkswirtschaft so einschneidende Maß nahme wird übernehmen wollen. Schließlich ist es überhaupt fra g lich, ob Herr Brauns wieder in das Reichsarbe its ministerium zurüdtehrt, um so mehr, als er durch sein zurückweichendes Verhalten bei den Genfer Arbeitszeitverhandlun gen sich international ziemlich festgelegt hat, was für die Erfüllung des Dawes- Gutachtens von geradezu katastropha len Folgen wäre. Welches Berständnis Herr Brauns überhaupt den Belangen der deutschen Wirtschaft entgegenbringt, geht aus seiner Aeußerung zu Vertretern der deutschen Industrie hervor:„ Ich habe la schon manches im Interesse der deutschen Industrie getan, troßdem ich Arbeitsminister bin."
Im Reichsrat hat gestern abend Herr Jarres erklärt, daß er das Amt des Reichsinnenministers niederlege, um als Oberbürgermeister nach Duisburg zurückzukehren. Herr Stresemann wird heute im Auswärtigen Ausschuß des Reichstags voraussichtlich feine letzte Rede als Minister in Demission halten. Auch der Reichspostminister Dr. Hoefle fcheidet aus. Sollten auch Hamm , Luther und Ranik gehen, so wären sechs Portefeuilles neu zu besetzen.
Dorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3
-
Bosticheckkonto: Berlin 375 36 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depoütenkaffe Lindenstraße 3
Mussolinis Gegenangriff.
Die Nuhe des Friedhofs.
Rom , 5. Januar. Wahrscheinlich ist man über die Einzelheiten der italienischen Ereignisse im Auslande besser unterrichtet als bei uns. Seit dem 30. Dezember erscheinen feine Zeitungen mehr, außer den faschistischen, die nur das bringen, was die Regierung bekannt geben will. Trozdem dürfte sich aber die große Linie, der heutigen Lage beffer hier in Rom ertennen lassen, wo man zwar in völligem Dunkel ist über die Ereignisse in der Provinz, aber immerhin über das Spiel hinter den Kulissen mehr erfährt als die Telegraphenbureaus ins Ausland berichten können.
Mussolini hat einmal den faschistischen Staat, im Gegenfah zum liberalen, dahin definiert, daß er sich nicht nur verteidigt, wie dieser letzte, sondern angreift. Was wir heute in Italien erleben ist der Angriff einer Partei gegen ihre Widersacher, der sich in den Formen eines Angriffs des Staates gegen Staatsfeinde darstellt, eben, weil die angreifende Partei fich aller Machtmittel des Staates hat bemächtigen können und sich ihrer gegen die Nation bedient.
-
Das erbarmungslose Häufen von Anflagen gegen das faschistische Regime, dessen zeitlich- letter Ausdruck die Veröffentlichung der Dentschrift Roffis war, hatte aunächst zwei Folgen gehabt: es hatte die Rechtsliberalen um Salandra zum Abrücken vom Faschismus bewogen und hatte die Börse beunruhigt, mit recht fühlbarem Rüdgang der Lira, besonders gegenüber dem englischen Pfund. Darauf der außerordentliche Ministerrat vom 30. Dezember, für den der Rücktritt der beiden rechtsliberalen Minister Casati ( Unterricht) und Sarochhi( öffentliche Arbeiten) in Ausficht gestellt worden war. Statt dessen erfolgte nach mehrstündiger Beratung das Kommuniqué, in dem der Ministerrat einstimmig beschließt, die materiellen und moralischen Intereffen des Landes" energisch zu schüßen. Die Borgeschichte dieser Einstimmigkeit soll die folgende gewesen sein. Ein Individuum hatte den Abgeordneten Gen. Turati von der Eristenz eines in Chiffreschrift verfaßten Rundschreibens der faschistischen Partei informiert, das von der Silvesternacht an eine Wiederaufnahme der Gewalttätigteiten gegen die fezessionistischen Parlamentarier anordnete. Angeblich sollte die Information eine Warnung sein. Die Sache wurde, nach einen für uns unkontrollierbarem Gerücht, auf dem Umweg über Giolitti anhängig gemacht. Der Ministerpräsident soll darauf zu dem von ihm so beliebten Werkzeug der Expreffung gegriffen haben, indem er sagte: Ich kann den Grimm der faschistischen Massen zügeln, fo= lange ich ministerpräsident bin und mein Kabinett ge schlossen hinter mir habe; im anderen Falle stehe ich für nichts. Also, das alte Klischee: Nach mir der Bürgerkrieg". Bir
In den Bereinigten Staaten ist die Schwerindustrie freiwillig zum Dreischichtensystem übergegangen, obwohl auch dort die Schwerindustriellen so ziemlich die brutalste Arbeitgebergruppe ist. In England, in Frankreich , in Belgien , in Schweden , in der ganzen zivilisierten Welt, in allen Ländern, die als Konkurrenzländer in Betracht kommen, ist das barbarische Zweifchichtensystem in der Schwerindustrie be feitigt. Während in den Berufen, wo die Arbeitsweise eine im Verhältnis zur Schwerindustrie leichte und gefunde ist, der Achtstundentag für die große Mehrheit der deutschen Arbeiter in Kraft ist, sollen Reichswirtschaftsrat und Reichsregierung auf Befehl der Schwerindustrie die Arbeiter vor den Hochöfen zur Zwölfftundenschicht vertung ganz nach Wunsch. dammen.
So wurde die erste Phase des Angriffs gegen die Wenn die Volkspartei, die parlamentarische Vertretung Oppofition eingeleitet, offiziell als scharfe Handhabung der Schwerindustrie, hartnäckig auf der Bildung einer Re- der Julidefrete. Böllige Unterdrückung der nicht gierung aus Deutschnationalen, Volksparteilern und Zentrum faschistischen Presse. Auf Grund einer phantastischen Aus bestand, fo deshalb, weil sie von ihren Auftrag und Geld- legung des Gefeges über die Verwaltung der Gemeinden und gebern in der Frage des Dreischichtensystems in der Schwer Provinzen wurde das einheitssozialistische Lavoro" in industrie eine gebundene Marshroute hat. Die Genua dauernd verboten. Die Giustizia", unser in MaiSchwerindustrie mutet den Mitgliedern des Sozialpolitischen land erscheinendes 3entralorgan, erschien am zweiten Ausschusses des RWR. zu, diese Marschroute gleichfalls ein- Tage ganz ohne Text: nur der Titel des Blattes und die Anzuhalten. Sie besteht darauf, daß, entgegen den klaren Be- zeigen: trotzdem wurde das Blatt beschlagnahmt. Die ftimmungen der Arbeitszeitverordnung, entgegen aller fozial- fommunistische ,, ll nità" tam am gleichen Tage nur eine politischen Einsicht, das schmachvolle 3wei Seite start heraus und brachte nur Ausschnitte aus faschistifchichten system aufrecht erhalten wird, das schen Blättern, mit Quellenangabe: der Beschlagnahme ent Deutschland der Verachtung der Kulturmelt preisgibt. Die Ar- ging sie nicht. In Rom gefiel sich der herrschende Pöbel Der Sinn dieser Verlautbarung der Schwerindustrie ist beiter der Schwerindustrie würden sich in einem Stampfe, der darin, junge Leute auszusenden, die den oppofitionellen von aller nur wünschenswerten Deutlichkeit. Die Schwer bei der Brutalität der Schwerindustriellen nur erbittert und Mondo" ausriefen. Natürlich drängte sich das Publikum, industrie fordert die Ausschiffung des Reichs- hatnädig fein tönnte, so oder so den Achtstundentag zurüd das Blatt zu kaufen; nachdem sie bezahlt hatten, drückte man arbeitsministers, der sich in der Frage der Wiederholen. Bir glauben jedoch nicht, daß der RWR., die ihnen aber ein faschistisches Revolverblatt, das herstellung des Dreischichtensystems in der Schwerindustrie an Reichsregierung und der Reichstag der Schwerindustrie so zu" Impero" in die Hände. Wer, aus instinktivem Ekel oder Prinzip, den Lappen die Bestimmungen der Arbeitszeitverordnung für gebundent Diensten stehen, daß die Arbeiter die Respektierung des Ges aus zurücwies, wurde hält. Die zweite Forderung der Schwerindustrie richtet sich fezes erst erfämpfen müssen. Rnüppeln bearbeitet! den fozialpolitischen Ausschuß des Reichswirtschaftsrates, der morgen zur Rückkehr zum Dreischichtenfnstem Stellung nehmen wird. Man fann eigentlich nicht sagen, daß die Schwerindustrie mit dieser Berlautbarung vom sozialpolitischen Ausschuß des Reichswirt schaftsrates verlangt, im Sinne der Schwerindustriellen zu beschließen. Diese halten es für selbstverständlich, daß der sozialpolitische Ausschuß des Reichswirtschaftsrates in feiner Mehrheit unbedingt den Befehlen der Schwer industrie gefügig ist.
an
Der Borwärts" dürfte faum in den Verdacht tommen, für den Reichsarbeitsminister Dr. Brauns besondere Sym pathien zu hegen. Ob die Aeußerung, die ,, die führende Perfönlichkeit der Schwerindustrie dem Reichsarbeitsminister in den Mund legt, richtig ist, wissen wir nicht. Jedenfalls ist sie charakteristisch. Nicht minder charakteristisch ist es, daß die Smerindustrie es unerhört findet, daß ein Reichsarbeitsminister fich bemußt ist, daß er schließlich auch an die Intereffen der Arbeitnehmer denken muß.
Kabinett Braun und Landtag.
Der Aeltestenrat des Landtags beriet am Donnerstag vor der Plenarsizung über die Geschäftsiage. Am Freitag foll die Plenarfigung des Landtags um 11 Uhr mit einer Regierungs erklärung zur Nichtraumung Kolns stattfinden. Die Komunisten wollen zu dieser Erklärung besonders Stellung nehmen. Es wurde eine Redezeit von zehn Minuten bestimmt, die aber vor, cussichtlich nur von dem fommunistischen Redner ausgenutzt werden wird, während die übrigen Parteien das Wort nicht nehmen wollen. Die nächste Sigung soll dann am Mittwoch stattfinden. Man erwartet, daß an diesem Tage das Rumpffabinett mit einer Regierungserklärung vor den Landtag treten wird
mif
In diese Zeit fallen die Gewalttaten von Florenz . wo die Bureaus mehrerer Advokaten verwüstet und geplün dert wurden, zwei Siße des Freimaurerordens verwüstet und die ganze Redaktion und Druckerei des„ Nuovo Giorna le" zerstört wurde, mit einem Sachschaden von zwei Millionen. Interessant ist, daß in Florenz die Truppen und die Polizei untätig dem Vandalismus zusahen, bis sich die fasichistische Rotte dem Gefängnis zumendete, wo sie einige der lautersten Vertreter ihres Ideals in Verpfle qung wußte. Nun wendete sich der Präfeft telephonisch nach Rom , um anzufragen, ob das System der gefreuzten Arme der Polizei weiter durchzuführen fei und erhielt die Antwort, daß jezt gewaltsame Zurückweisung zulässig war.
.In Pisa , Lucca , Livorno , Prato und fleineren Orten der Tostana ift ähnliches geschehen, immer im Anschluß an große Faschistenaufgebote, die ungeachtet des Berbotes jedweder Versammlung stattfanden.
Der Geschäftsordnungsausschuß des Reichstags beschloß gestern im Fall des tommunistischen Abg. Rosenbaum Haftentlaffung, Dann tam am 3. Januar die Kammereröffnung, mit der über den Fall Höllein wurde die Entscheidung auf heute vertagt i die faschistische Offensive in die zweite Phase tritt. Man