größere Nothwendigkeit für die breiten VoNSmnssen als damalS�Wenn ich von Preußen bisher nicht gesprochen habe, so solldamit nicht gesagt sein, daß es hier besser steht. In Barmen hatman die Lehrervereine unter das Vereinsgesetz gestellt; in Breslauhat man die Versammlung des Arbeiter-Scingerbundes aufgelöst,weil dieselbe nicht als politisch angemeldet war; in Westfalensind verschiedene Versammlungen in den letzten Monaten auf-gelöst worden wegen der Anwesenheit von Frauen, in denenFrauen Referate abhielten. Man hat die Berliner Frauen-Agi-tationskommission als politischen Verein geschlossen. Von anderenkleinen Chikanen will ich garnicht reden.Wir verlangen etwas, was in anderen Staaten längst be-steht, ein natürliches Recht, welches jedem Staatsbürger, gleich-viel welchen Geschlechts, zukommt und das nicht länger hintenau-geHallen, verpfuscht, ruinrrt und mißhandelt werden soll. SpätereGenerationen werden sich billig wundern, wie am Ende des19. Jahrhunderts es noch nothwendig war, im deutschenReichstage eine solche Rede halten zu müssen. In W ü r t t e m-b e r g können politische Vereine gebildet werden, ohne daß eineAnzeige erfolgt; Versammlungen können stattfinden, ohne daßsie angezeigt zu werden brauchen, wenn sie öffentlichausgeschrieben worden sind. Auch in Hessen besteht ein eigent-liches Vereinsgesetz nicht; die Bundesakte, durch welche Arbeiter-vereine, insbesondere sozialistische Verbindungen eo ixso verbotensind, stehen nur auf dem Papier.Ist nun etwa in Württemberg die Sozial-demolratie mächtiger als in anderen Staatenund ist es dort zu sozialdeni akratischen Aus-schreit ungen gekommen? Niemals. Und inSachsen sind wir trotz der Chikanen mächtigerals in anderen Staaten. Ziehen Sie daraus die Lehre,daß mit solchen kleinlichen Waffen gegen eine Kultur-bewegung, wie sie die Sozialdemokratie nun einmal ist,nichts ausgerichtet werden kann. Schaffen Sie mit Annahmeunseres Antrages Zustände in Deutschland, wie sie eineswahrhaft zivilisirten Volkes würdig sind. Die gegenwärtigenZustände sind einer zivilisirten Nation nicht würdig!(Beiiallbei den Sozialdemokraten.)Sächsischer Bundesrathsbcvollmächtigter Graf Hohenthal:Die Handhabung des sächsischen Vereinsgejetzes gehört nicht vordieses Haus, sondern vor den sächsischen Landtag. Wenn ichtrotzdem auf die Angriffe des Vorredners eingehe, so geschiehtdas, um einen Punkt zu widerlegen. Der Vorredner hat be-hauptet, daß der Minister des Innern v. Mctzsch eine Verfügungerlaffen habe, daß die Sozialdemokraten anders behandelt werdensollen als die anderen Parteien.(Sehr richtig! bei den Sozial-demokraten.) Das ist nicht der Fall. Der Minister v. Metzschhat in der zweiten Kammer folgendes ausgesprochen: Ich mußder Ansicht gegenübertreten, wonach der sozialdemokratischenPartei gegenüber das Vereinsgesetz in anderer Weise gehandhabtwerde als gegenüber den Vertretern der Ordnungsparteien. DieRegierung hat Veranlassung genonimen, es in einer allgemeinenVerordnung auszusprechen, daß die Bestimmungen des Vereins-gesetzes gleichmäßig zu handhaben sind ohne Rücksicht auf diepolitische Färbung der Parteien. Wir halten darauf, daß auchseitens der Polizeibehörden mit völlig gleichem Maße gemessenwird. Neben den präzeptiven Bestimmungen des Vereinsgesetzcsgiebt es aber noch andere gesetzliche Bestimmungen, die mehr einendispositiven Charakter haben gegenüber dem Aufsichtsrecht derPolizeiund das Genehmigungsrecht zu Vereinen und Versammlungen.In dieser Richtung muß selbstverständlich dem diskretionärenErmessen der Polizeibehörden ein gewisser Spielraum gestattetsein und wenn vom Standpunkte derPolizei die sozialdemokratischenVereine und Versammlungen mit etwas schärferem Maße ge-messen werden, so entspricht das auch den Intentionen der Re-giernng.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die sozialdemo-kratische Partei hat überhaupt erst Veranlassung gegeben, daßdas Vereinsgesetz etwas schärfer gehandhabt wird dadurch, daßsie in den bisher ruhigen Gang der ArbeiterversammlungenAgitation hineingetragen hat. Heißt das, die Regierung wolle diepositive Bestimmung des Gesetzes den Sozialdemokraten gegenüberanders anwenden, als den anderen Parteien gegenüber?(Heiterkeit.) Die Vorschriften werden gleichmäßig gegen-über den Parteien, welche die bestehenden Verhältnisse umstürzenwollen, schärfer angewendet. Das ist ganz selbstverständlich.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Daß die Gewerkschaftenauf Anstiften der Unternehmer verfolgt werden, ist nicht richtig.Redner wendet sich dann gegen die einzeln angeführten Fälle.Ein Sängertag in Mittweida ist verboten worden, weil mitdemselben zusammen eine sozialdemokratische Versammlung ab-gehalten werden sollte. Nicht alle Fälle sind bekannt geworden;in vielen Fällen ist auch Remedur geschaffen. Aber es ist selbst-verständlich, daß, wie überall, auch einmal eine Polizei-behörde über die Stränge geschlagen hat.Die Auflösung von Gewerkschaften ist zum theil von den Ge<richten bestätigt worden, z. B. der Berghüttenarbeiter- und derTextilarbeiterverein, weil sie sich mit politischen Dinge» beschäftigthaben. Die sächsische Regierung würde glaube», ihre Pflichtgegenüber den friedliebenden Bewohnern zu verletzen, wenn sievon den Waffen, die sie in der Hand hat, nicht Gebrauch machenwollte. Die Regierung wird bei der Anwendung dieser Gesetz-gebung, die ich als ein Juwel der Gesetzgebung(GroßesGelächter bei den Sozialdemokraten) in der jetzigen Zeit be-zeichnen möchte, an ihren jetzigen Grundsätzen fest-halten, so lange sie die beiden Kammern hinter sich hat. Dervorgeschlagene Gesetzentwurf ist eine Sanktio-n i r u n g des Anarchismus.(Große Heiterkeit bei denSozialdemokraten.) Wenn der so viel gerühmte Zuknnstsstaateingeführt würde, so würden Sie(zu den Sozialdemokraten) mitsolchen Gesetzen nicht kommen, denn Sie würden Vereine, indenen das Christenthum gepredigt wird, nicht dulden.(Leb-hafte Zustimmung rechts, Widerspruch bei den Sozialdemo-kraten.)Bayerischer Ministerialrath v. Hermann: Ich habe diebayerische Regierung gegen die Beschwerden und Angriffe zu ver-wahren, welche der Abg. Grillenberger gegen die Handhabungdes Vereinsgesetzcs erhoben hat. Herr Grillenberger hat dieHandhabung als widerrechtlich und ungesetzlich bezeichnetund behauptet, daß Bayern sich gerade durch dieAusschließung der Frauen und Minderjährigen aus denVersammlungen berüchtigt gemacht habe. Er hat aberselbst zugegeben, daß das Verfahren der Behördengerichtlich und zwar durch das oberste bayerische Landesgerichlin Strafsachen gebilligt worden ist. Der Streit in Bayer» drehtsich darum, in welchen Beziehungen der 8 kb des bayerische»Vereinsgesetzes zum Z 152 der Gewerbe-Ordnung steht. HerrGrillenberger ist vollständig im Unrecht, wenn er der Regierungvorwirst, daß von derselben gewerkschaftliche Versamm-lungen mit scheelen Augen angeschen werden. Dasist in der That nicht der Fall. Die bayerische Sie-gierung duldet und unterstützt alle Bestrebungen, welcheDazu dienen, die Lage der Arbeiter zu verbessern, abernicht solche, welche unter sozialdemokratischer Führungsiehe». Vereinigungen für Frauen und Minderjährige bestehen,sie sind sogar für Minderjährige begründet.(Widerspruch desAbg. Grillenberger: Das ist nicht wahrl) Es bestehen Zahl-stellen der Schneiderinnen und Schneider in München, bei denenFrauen Mitglieder sind.(Zurus Grillenberger's: Aber aus denVersammlungen werden sie ausgewiesen!) Vereinigungen undVersammlungen aber, welche politische Zwecke verfolgen, könnenden Schutz des Gesetzes nicht genießen. Das hat auch das Ge-rieht anerkannt, indem es sich dagegen erklärte, daß alles, was milder wirthschaftlichen Lage der Arbeiter in Verbindung ge-bracht werden könnte, als wirthschastliche Frage behandelt würde.Die Regierung hat also vollkommen recht, wenn sie nicht zuallen Versammlungen die Frauen zuläßt, zumal nicht zusolchen, die von Sozialdemokraten einberufensind und augenscheinlich xpljtische Zwecke verfolgen. Irgend-welche generelle Anordnung über diese Frage ist aber von feitender bayerischen Regierung nicht erlassen worden. Die Magistrate,welche solche Versammlungen verboten oder aufgelöst haben, habennach eigenem Ermessen gehandelt, aber sie sind vollständig inihrem Rechte gewesen.Die Kritik, welche der Abg. Grillenberger an dem gericht-lichen Erkenntnisse geübt hat, erweist sich bei näherer Prüfungdesselben als unzutreffend. Die Thatsache, daß ein Sozialdemokratdie Versammlung einberufen hat, ist für das Gerichtnur ein mit entscheidendes Moment gewesen. Die Hauptsacheist, ob öffentliche Angelegenheiten erörtert werden; das Vereins-gesetz besagt, daß Frauen und Minderjährige politischen Ver-einen nicht augehören und Versammlungen derselben nicht bei-wohnen dürfen. Wenn eine Gewerkschaft nur auf dem Bodengewerkschaftlicher Beiregungen steht, so unterliegt sie den Be-ftimmungen für politische Vereine nicht. Aber in dem fraglichenFalle lag eben diese Beschränkung nicht vor.(Heiterkeit bei de»Sozialdemokraten.) In der bayerischen Kammer ist ein Referaterstattet worden über die Beschwerde wegen Handhahungdes Vereinsgesetzes. Aber dieses Referat ist überholtworden durch die späteren gerichtlichen Erkenntnisse.Der damalige Referent Herr Pichler dürfte wohl heute nach dengesetzlichen Erkenntnisse» von seiner damaligen Ansicht erheblichabweichen, und der Landtag wird die eingegangenen Beschwerdennunmehr kaum als begründet anerkennen. Die bayerische Re-gierung steht vollständig auf dem Boden des rechtlichen Er-kenntniffes. Die Gewerkschaften sind zum großen Theil Organi-salionen der sozialdemokratischen Partei, mit deren Hilfe sie neueAnhänger wirbt. Wenn die Behörden dieser Agitation entgegen-treten, so thun sie nur ihre Pflicht und werden dabei sich derUnterstützung der bayerischen Regierung erfreuen.(Zustimmungrechls.)Abg. Bachem(Z.) bedauert, daß nicht gleichmäßige Grund-sähe bezüglich des Vereins- und Versammlungsrechts bestehen;es habe auch Zeiten gegeben, wo in Preußen die Verhältnissenicht gut waren; der Kulturkamps ist in verschiedenen Gegendendurch die Anwendung des Vereinsgesctzes verschärft worden. Ausdiesen Gründen und aus den sächsischen, bayerischen und loth-ringischen Erfahrungen, die besonders unliebsam sind, ist derAntrag zu verstehen. Die Reichsverfassung enthält nur eineKompetenzbestimmung über das Vereinsrecht; es liegt aber darinauch ein gewisses Versprechen. Man hat das Preßwesen undandere Dinge einheitlich geregelt, aber das Vereinswesen ist nichteinheitlich geregelt; ebenso gut wie einheitliches Preßgesetzkann man auch ein einheitliches Vereinsgesetz zu stände bringen.Ein solches Gefetz wäre erwünscht, aber es würde nicht zweck-mäßig sein, unsere Wünsche auszudrücken in der Form des An-träges. Derselbe erscheint mir allerdings nicht als Paladiumder Anarchie, aber gegenüber den bestehenden Verhältnissen, wiesie namentlich durch die Schuld der Sozialdemokraten gewordensind, geht der Antrag zu weit, weil er keinen Unterschied machtzwischen politischen und sonstigen Vereinigungen, zwischenMännern und Frauen und unerwachsenen Personen. Ter An-trag entspricht durchaus der nivellirenden Gleichmacherei dersozialdemokratischen Partei; auf diesem Standpunkt stehenwir nicht. Wir wollen die Rechtssphäre des Weibesnicht zu gunsten des Mannes alteriren lassen, undumgekehrt. Ein gewisses Koalitionsrecht muß auch demWeibe zugebilligt werden auf dem wirthschaftlichen Ge-biet. Die Zulassung des Weibes zu politischenDingen würde Anarchismus sein. Das entsprichtnicht der Natur. Älulier taosat in foro.(Zuruf links: inecclesia!) Das ist keine Beeinträchtigung desweiblichen Geschlechtes, sondern eine Bevor-rechtig ung, ein Schutz desselben. Der Antrag ent-ßält auch Slrasvorschriflen gegen Beamte, welche tendenziös dasVersammlungsrecht stören. Ader dann müßte man auch Strafvor-schriften gegen diejenigen haben, welche störend in dieVersammlungenanderer eindringen.(Zuruf der Sozialdemokraten: Sind vorhanden!)Deshalb halten wir den Antrag nicht für zweckmäßig. Wirhaben erwogen, ob man nicht die Regierung im Wege einerResolution auffordern sollte, zur Ausführung der Verfassungs-bestimmung ein Vereinsgesetz auszuarbeiten und dem Reichstagevorzulegen. Wir sind aber nicht davon überzeugt, daß ein solchesGesetz die Zustimmung des Bnndesraths finden wird. EineZeit, in welcher der Konflikt, der Staats-st reich, so offen vertheidigt wird, in welcherdie Grilndlage des Reichstages, das all-gemeine Wahlrecht, bekäinpft wird, ist nichtgeeignet für ein solches Gesetz. Auch wir sind derAnsicht, daß man mit einer engherzigen Vereins-und �Versammlungs-Gesetz gebung am aller-, venig st en gegenüber der sozialdeni akratischenAgitation etwas zu Wege bringt. Gerade dieErsahrungen in Sachsen nnd Bayern beweisenuns das.(Hört, hört! links.) Wo ist die Kluft zwischen denRegierungen nnd der breiten Masse des Volkes, zwischen Ar-beitgebern und Arbeitnehmern so groß, wie gerade in Sachsen!Der Grund liegt darin, daß man sich nicht entschließenkann in öffentlichen Verhältnissen der Sozial-demolratie zu geben, was ihr gebührt. Wennman in Sachsen diese Gesetzgebung als ein Juwel betrachtet, sokann ich diese Anschauung nicht verstehen. Ebenso liegt es inBayern. Wleine Freunde stehen auf deni Boden des Referatsdes Abg. Pichler. Beschwerden derSozialdemokratiem ü s s e» a u ch als berechtigt anerkannt werden.Wenn die Regierung etwas vorlegen würde, so würde das wahr-scheinlich eine Verschlechterung sein. Deshalb können wir unsnicht entschließen, für den Antrag einzutreten, so sehr wir auchei» freiheitliches Vereinsgesetz wünschen, weil ein solches Vorgehennicht fruchtbar würde gegenüber der jetzigen Zersplitterung derpolitischen Arbeit.(Zustimmung im Zentrum.)Abg. Bcckh(frs. Vp.) weist den Vorwurf gegen die Frei-sinnigen in Bayern als unbegründet zurück. ES wäre erwünscht,ein Reichsvereinsgesetz zn haben, welches die Mißbräuche dereinzelstaatlichen Gesetzgebung beseitigt; aber das Gesetz dürftenicht gleichmäßig für Männer und Frauen sein. DieSozialdemokraten haben das Vorgehen des Magistrats zu Nürn-berg heftig getadelt; Herr Grillenberger ist wegen dieser Angriffe,für die er den Wahrheitsbeweis nicht erbringen konnte, ver-nrtheilt worden und daher rührt sein Aerger gegen den Nürn-berger Magistrat, der lediglich die Gesetze so angewendet hat, wiedie Gerichte es für richtig halten. Das bestehende Gesetz hat vieleLücken und Mängel; aber vorläufig muß es so gehandhabtwerden, wie es ist, sonst kommt für die städtische» Behörden dieRemedur von oben. Als ein Juwel betrachte ich das Gesetznicht, aber so lange es besteht, muß es befolgt werden.Für die Tendenz des Antrages kann ich mich aussprechen, aberauf die Einzeheiten einzugehen, muß ich mir vorbehalten bis zurzweiten Lesung.Abg. Marquardsen(natl) dankt zunächst den Vorrednerfür seine Verlheidigung der bayrischen Behörden. Herr Grillen-berger hat wohl seinen Hauptzweck erreicht, daß er die langestlede hat halten und seine Beschwerde hier vorbringen können.Unsere Stellung zum Antrage ist eine sehr wesentlich verschiedene,je nachdem es sich nur um eine einseitige Regelung des Vereins-und Versammlungsrechls handelt— dabei braucht man nicht ausdas Sündenregister der einzelstaatlichen Verwaltungen einzugehen—oder um die Annahme des vorliegenden Antrages. Es isteigentlich verwunderlich, daß i» der langenZeit so wenig Versuche gemacht sind, ein ein-h e i t l i ch e s Vereins- und V e r s a m m l li» g s r e ch tfür das Li e i ch zu schaffen. Aber der vorgelegteAntrag hat keine Aussicht auf Annahme, wieüberhaupt kein Gesetzentwurf über ein Ver-eins- und Versammlungsrecht jetzt Aussicht ansZustandekommen hätte. ES ist also unnütz, uns znplagen mit der weiteren Berathung dieses Antrage?, das würdenur heißen, Wasser in ein Sieb gießen.Abg. Grillenberger(Soz.): Die juristische Weisheit desHerrn Beckh reicht nur bis zum selig entschlafenen KommentatorPölzl; er sollte aber wissen, daß auch noch andere Kommentatorenvorhanden sind; der Minister von Feilitzsch hat das auch an-erkannt, aber er hält sich an den Kommentator, der seinenAnschauungen huldigt. Ter Nürnberger Magistrat hatdie Gesetze fortgesetzt mißbräuchlich angewendet, allein gegen dieSozialdemokratie als freisinnige Stadtbehörde, aber nicht gegen-über dem freisinnigen Vereine, der dasselbe that, was uns ver-boten wurde.(Vizepräsident Schmidt- Bingen ersucht denRedner, den Nürnberger Magistrat, der sich hier ni cht vertheidigenkönne, nichtZUngesetzlichkeiten vorzuwerfen.) Ich habe daraufbingewiesen und bin wegen Beleidigung verklagt und. zu 200 M.Geldstrafe vcrurtheilt worden. Darin liegt der Beweis, daß ichdie Wahrheit gesagt habe(Große Heiterkeit); denn sonst hätteman mich wohl zu Gefängnißstrafe verurtheilt. Wenn es nachder Nürnberger Polizei gegangen wäre, dann hätte man unterdem Sozialistengesetz die„Fränkische Tagespost" verboten undüber Nürnberg den kleinen Belagerungszustand verhängt. Aberdas Bezirksamt freute sich, wenn das Blatt den Magistrat, undder Magistrat freute sich, wenn es das Bezirksanit angriff.Daß der Nürnberger Magistrat gegen die Sozialdemokratie vor-ging, war nicht nothwendig; denn nach der Ausführung desBundesrathsbevollmächtigten für Bayern besteht eine generelleVerfügung darüber nicht. Ter frühere Bürgermeister hat auchanders verfahren; es sind unter ihm Frauen zu Versaiinnlungen,auch zu politischen, zugelaffen worden. Der Nürnberger Magistratist schlimmer als eine Polizeibehörde und wenn ihm die Polizeiabgenommen würde, so wurden wir damit gar nicht unzufriedensein. Herr Beckh ist noch viel weiter gegangen, als ein frei-sinniger Regierungskommissar. Mein Vorgänger im Reichstage.der freisinnige Abg. Günther hat früher einmal offen und mitBedauern erklärt, daß die Nürnberger Polizeiverhältnissenicht angenehm seien. Herr Richter wird auch wohl die Ver-lheidigung der Nürnberger Polizei durch Herrn Beckh nicht billigen.Weshalb unser Antrag nicht Aussicht auf Annahme habe, istgar nicht einzusehen. Wenn nur der Reichstag sich seiner an-nehmen wollte, aber freilich, man hat anderes zu thun;man muß neue Schiffe bewilligen, das werden wir uns merken.Abg. Beckh: Ich kenne die anderen Kommentatoren auch,aber das Gericht hat sie nicht anerkannt, sondern vielmehr er-klärt, daß deren Auslegungen den, Geiste des Gesetzes widersprechen.Es ist nur vom Gesetz Gebrauch gemacht worden,.da kann voneiner tendenziösen Verfolgung der Sozialdemokratie nicht dieRede sein. Als Parteibehörde ist der Magistrat nicht vor-gegangen; denn die Hälfte des Magistrats ist ja garnicht frei-sinnig. Das Gericht hat Herrn Grillenberger durchaus nichtrecht gegeben, sondern hat seine Behauptung, daß der MagistratMißbrauch treibe, als eine ungewisse Verdächtigung bezeichnet.Die Parteitage in Halle und Köln haben gezeigt, daß die gewerk-schaflliche Bewegung in den Händen der Sozialdemokratie sich be-findet, da kann man den Behörden keinen Vorwurf daraus machen»daß sie so vorgehen, wie geschehen.Abg. Hilpert(b. k. F.) erklärt sich für den Antrag, wenner auch die Zulassung der Frauen nicht billigen könne; bei denReichstagswahlen hätten seine Freunde mehrfach über die Hand-habung des Vereinsgesetzes in Bayern zu klagen gehabt.Abg. Blieb(Soz.)(der Redner spricht von seinem Platzaus, der Tribüne voll den Rücken zukehrend; dieser Umstanderschwert die Berichterstattung bei den ohnehin schon schwierigenakustischen Verhältnissen fast bis zur Unmöglichkeit): Ich binzwar überzeugt, daß wir ein freies Gesetz, wie wir es wünschen,von der Regierung nicht erhalten. Das kann mich nicht hindern,trotzdem für unsere» Antrag einzutreten. Der Abg. Bachem hatschon auf die Verhältnisse in Elsaß-Lothringen hingewiesen. Diebei uns bestehenden Gesetze, welche entsprechend der Zeit,aus welcher sie stammen, der Verwaltungsbehörde eineganz gewaltige Macht geben, sind bis in die jüngsteZeit auf die Partei angewendet, welche er als seinerPartei nahestehend bezeichnet hat. Aber sie sind noch lange nichtin dem Maße gegen sie angewendet, wie gegen die Sozial-demolratie. Für diese meine Behauptung kann ich eine ganzeReihe von Beweisen, die von den Behörden selbst erbracht sind,liefern. Was unser Versammlungsgesetz angeht, so bedürfen wirfür die Abhaltung von politischen Versammlungen der behörd-lichen Genehmigung. Daß diese Bestimmung in der Hand derRegierung ihr Anlaß giebt, eine politische Partei gegenüber deranderen zu bevorzugen, ist selbstverständlich und daßdas auch geschieht, sehen wir überall bestätigt. Ich wollteeinmal über die Thätigkeit des Landesausschuffes sprechen.Das wurde mir selbstverständlich verboten. Daß nursogar die Berichterstattung über die Thätigkeit der sozialdemo-kratischen Partei im Reichstag untersagt wurde und schließlichmir nur geslaltet wurde, über meine eigene Thätigkeit im Reiche-tag zu sprechen, das habe ich Ihnen ja schon früher mitgetheilt.In Mühlhausen wurde sogar einer Versammlung die Genehmigungversagt, in welcher gesprochen werden sollte über: Die wirth-schaftlichen Forderungen der Sozialdemokratie. Ueber: Diewirthschastliche Lage der Arbeiter" zu sprechen, wurdeebenfalls verboten. Bei einer anderen Gelegenheit wurdemir der Bescheid, daß aus den Unterschriften eines Gesuches umGenehmigung einer Versammlung gefolgert werden müsse, daßpolitische Angelegenheiten besprochen werden sollten!(Rednerzitirt nunmehr sehr zahlreiche Entscheidungen der Behörden ansahnlichen Anlässen, welche die Willkür derselben und die absichl-liche Zurücksetzung der Sozialdemokratie beweisen sollen.) DenArbeitern ist durch die Gewerbe-Ordnung das Recht der Koalitionzugestanden. Was nützt ihnen aber dieses Recht, wenn sie ver-hindert werden, gerade dann es zu gebrauchen, wenn sie esam nöthigsten haben, nämlich bei Streiks. Es istauch für unsere elsaß- lothringischen Arbeiter derselbe Sayanzuwenden, den vorhin mein Fraktionsgenosse Grillenbergerausstellte: es besteht das Koalitionsrecht, aber die Arbeiter habenkein Recht, davon GebrPlch zu machen. Redner führt auch hier-für zahlreiche Beispiele an. Es sind Fälle vorgekommen. woVereinen die Genehmigung von Statuten versagt worden ist.nachdem ihnen zuvor die Fassung der Statuten in einem derRegierung genehmen Sinne vorgeschlagen war, nachdem die Leuteviel Arbeit und auch viel Geld hierfür hatten aufwenden müssen;denn nach den elsaß- lothringischen Vorschriften müssen jedes-mal Stempelbogen für diese Zwecke verwendet werden.Mit seinerer Ironie kann das unglückliche Verhältniß Elsaß-Lothringens gar nicht ausgedrückt werden, als durch jenesOrnament am Reichstag. Es ist der Löive, welcher mit feinererPranke den Schwachen niederdrückt. Fahren Sie nur in dieserWeise fort, den Nutzen davon werden wir haben.Abg. v. Hodcnbcrg(Welfe) meint, daß ein Unterschied be-steht zwischen dem Antrage und den vorgcbrachlen Beschwerden.Beschwerden bestehen nicht blos bei den Sozialdemokrale»; inHannover werden die Vereinsgesetze strenger angewendet gegendie Deutsch- Hannoveraner als gegen andere Parteien.Ich verweise nur auf die bekannten Erlasse desjetzigen Oberpräsidenten von Ostpreußen, welche die Rundedurch die Presse gemacht haben. Wir Deutsch-Hannoverancr sindgewohnt, die Gesetze zu achten; wir fügen uns. wenn die Gesetzeso angewendet werden können, wie sie angewendet werden.Wir bitten nur die Regierung, die Gesetze gegen alle Parteienebenso anzuwenden, wie uns gegenüber, damit der Satz;„Gleiches Recht für alle" zur Anwendung kommt.Damit schließt die Debatte. Der Abg. v. Elm(Soz.), derdas Schlußwort als Mitantragsteller erhält, behält sich seineAusführungen für die zweite Lesung vor und verzichtet für heuteauf das Wort.Schluß 5'/z Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Ubr.(Dritte Berathung der Novelle zum Zolltarif nnd erste Be-rathung der Vorlage über die kommmmU Weinbisteuerung.)