Dienstag
13. Januar 1925
Unterhaltung und Wissen
Die Nadel.
Wer schuf die erste Nadel? Bielleicht war es eine tluge Frau, die den Strahl einer Fischgräte durchbohrte, um den Faden einer Pflanzenfaser oder Darmſeite
durchzuführen!
Heute ist die Nadel das Symbol der Zivilisation. Denn wo immer du diesseits der Barbarei menschlichen Wesen begegnest, begegnest du auf Kleidern, und wo es Kleider gibt, gibt es auch Nadeln. Der Mensch ist ein werkzeugbenutzendes Tier, und die Nadel ist das kleinste und gebräuchlichste aller Wertzeuge.
Die Spinne spinnt ihr Neß, die Raupe ihre Puppe. Der Mensch, nadt von Natur aus, webt seine äußerste Haut mit diesem scharfen, glänzenden Stahlschaft.
Ich habe niemals Nadelfabriken gesehen, doch erscheinen die dem Auge meines Geistes als riesenhafte, vielsenstrige Baraden. Und aus diesen Baracken marschieren Tag für Tag in filberglänzender Rüstung und mit goldenen Helmen die kleinen Soldaten der Zivilisation rd Rapstadt, nach Tokio und New York . Sie kommen in die Hände von Mutter und Schwester, in die Eaffiantaffette auf dem Hände von Muter und Schwester, in die Saffiantafette auf dem Mahagonitoilettentisch eines Lieblings des Wohlstands, in die ArbeitsSchachtel einer Frau aus dem Volke in die finsteren Räume der Stlaven eines Arbeitshauses, in das Nabeltissen des Junggesellen, in den Tornister des Soldaten, in das Bündel der Schanzengräben, in den Pack des Matrosen. Wo immer die Tiere, die Menschen genannt werden, hinwandern, dort tanzt die Nadel im Gefolge mit.
Das Schwert ist das Werkzeug des Ruhmes. Der erfinderische Geist hat es vervielfacht, er hat es in Kugel und Bombe verwandelt und so bewirkt, daß es als donnernder Hagel niederfällt, um das scheußliche Geschäft des Mordens zu verherrlichen.
Die Feder ist das Werkzeug des Gedankens. Sie ist zur Type geworden, und ihre gedruckten Worte regnen dicht aus den Pressen in die Zeitungen, Zeitschriften und Bücher.
Messer und Löffel sind zu den mannigfaltigsten Werkzeugen ausgearbeitet worden, die der Küchenchef benötigt, um die erlesenen Leckerbissen für den Feinschmecker herzustellen.
Der rohe Feuerstein des Affenmenschen ist zum Meißel eines Rodin geworden, der grobe Haarflumpen des Höhlenbewohners zum Binfel eines Böcklin .
Und so hat sich auch die Nadel entwickelt. Elias Howe träumte cinst, daß er von Wilden verfolgt wurde, deren Speere nahe der Spize Löcher hatten. Er erwachte und erfann die Nabel mit dem Ohr am stechenden Ende. Es entstand die Nähmaschine, welche die Arbeit von zwanzig Näherinnen verrichtet und mit der Schnelligkeit des elektrischen Funkens dahinjagt.
Unser Zeitalter ist das Zeitalter des Automaten, der Maschine und des Kraftantriebs die furrende Nabel ist immer dabei.
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Als die Näherin Mimi Pinson, Gustav Charpentier, dem Mufiter und Komponisten der Louise" im Namen der arbeitenden Mädchen von Paris das Schwert der Akademie überreichte, fagte Charpentier : „ Das Schwert, der Pinsel und die Feder haben auf der Welt fchon großen Ruhm gewannen. Aber hat die Nadel nicht auch ihren Seil daran? Eine Statue, eine Partitur, eine politische Rede fie Tönnen die Zier eines Landes ſein aber ist das Kleid der Dame nicht auch ein Wert der Kunst, einer wunderbaren Kunst fogar, ciner umfo foftbareren Kunst, als sie bloß von furzer Dauer ist?"
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nach Whitechapel im Osten. Der Bau der Fahrtunnels machte feine Schwierigkeiten, trotzdem sie in einer Tiefe von etwa 25 Meter unter der Erde, zum Teil unterhalb der Londoner Untergrundbahn, ausgeführt werden mußten. Es sind im ganzen sechs Zwischenstationen vorgesehen. Die Fahrtunnels zwischen den Stationen haben 2,75 Meter lichten Durchmesser. Die Bahn ist zweigleisig ausgeführt und hat eine Spurweite von etwa 0,60 Meter.
7% Meter Breite ausgebaut, zwischen denen eine Aufsichtskabine, Auf den Hauptstationen sind zwei Plattformen von etwa Aufzüge und andere automatische Transportmittel angeordnet find. Die Wagen dieser Bostbahn, von welchen vorläufig 90 bestellt sind, fönnen entweder einzeln oder in Zügen zu zweien oder zu dreien laufen, und jeder fann 10 Zentner tragen. Sie sind etwa 4 Meter lang, 1½ Meter hoch und etwa 0,85 Meter breit. Jeder Wagen hat zwei Gleichstrommotore, welche von einer dritten Laufschiene gespeist werden. Diese Laufschienen sind in einzelne Sektionen auf der Strecke eingeteilt, welche mit zwei verschiedenen Spannungen
Gustav, der ewige Wiederkehrer.
Das Fräulein ftand am Meere Und feufzte lang und bang, Es rührte fie so sehre Der Sonnenuntergang.
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OROESTER
Mein Fräulein sei'n Sie munter, Das ift ein altes Städ: Hier vorne geht sie unter Und fehrt von hinten zurüd. ( S. Seine.)
gespeist werden, um den Zügen jeweils eine Geschwindigkeit von 13 bzw. 56 Kilometern pro Stunde zu geben. Der Zug wird in Bewegung gefeßt, indem die Zentrale den Strom für die betreffende Leitungsschiene einschaltet. Er fann dann entweder durchgehend laufen aber auch an einer bestimmten Station angehalten werden. Die durchgehenden Züge laufen in den Zwischenstationen über ein Gleis, welches mit der niedrigeren Stromstärke gespeist ist, so daß der Zug mit 13 Kilometer Geschwindigkeit durch die Station fährt. Zwischen den Staionen fahren fie jedoch mit der höheren Geschwindigkeit von 56 Kilometer. Auf der Strede werden die einzelnen
Unterirdische Postbeförderung in London Gettionen der Baufſchienen automatisch ausgeschaltet. Sobald ein
In London geht jetzt die Post dazu über, einen großen Teil ihrer Transporte in einer eigenen Untergrundbahn zu bewerkstelligen, welche als besondere Neuerung mit Zügen und Triebwagen aus: gerüstet wird, welche ohne Führer von einer Zentralstation aus auf cleftrischem Wege geführt werden. Diese Art der Führung hatte man schon vor zehn Jahren, als der Plan zuerst auftauchte, in Aussicht genommen. In der Zwischenzeit wurden viele Experimente cusgeführt, um dieselbe praktisch zu erproben. Die Fahrtunnels wurden schon vor einigen Jahren fertiggestellt und die Aufträge für die elektrischen Einrichtungen und die Wagen find fürzlich vergeben worden. Die gesamte Länge der bereits fertiggestellten Bahn geht über eine Strede von etwa 10 Kilometer von Paddington im Westen
Zug eine Seltion verlassen hat, wird dieselbe automatisch unter brochen und ebenso wieder eingeschaltet, wenn er die übernächst folgende erreicht hat, so daß hinter jedem fahrenden Zuge eine ftromlofe Geftion ist. Die Sicherheit des Verkehrs wird auf diese Weise ohne die dauernde Aufmerksamkeit der Zentrale gewährleistet. Die Postfachen werden auf den einzelnen Stationen fast vollständig auf mechanischem Wege bewegt und die Bahn ist imstande, 900 Zentner in jeder Richtung pro Stunde zu bewältigen. Sie ist so gebaut, daß fie nicht nur für die augenblicklichen Bedürfnisse, sondern auch noch für die Vergrößerung des Verkehrs in zufünftigen Jahren ausreicht. Das Herausnehmen der Postbeförderung aus der Straße bedeutet nicht nur eine Erleichterung für den Straßenverkehr, der gerade in der City äußerst gedrängt und während der
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Beilage des Vorwärts
Hauptverkehrszeit vielen Stockungen ausgesezt ist, sondern gewähr= leistet auch die notwendige Pünktlichkeit und Sicherheit der Beförderung. Bei der rapiden Entwicklung des Berliner Verkehrs wird die unterirdische Postbeförderung hier zweifellos in einigen Jahren ebenfalls akut werden. Br.
Der größte Geigenbauer. Antonio Stradivari ist un sterblich geworden durch die Wundergeigen, die er geschaffen und die auch durch die größten Fortschritte der Technik nicht übertroffen werden konnten. Für seine Instrumente werden heute die höchsten Preise gezahlt, und es liegt etwas Geheimnisvolles in dem unbegreiflichen Wohllaut, den er seinen Geigen einzuflößen wußte. Bon der Persönlichkeit dieses größten Geigenbauers und seiner Art der Arbeit berichtet anschaulich W. L. von Bütgendorff in seinem bei der Frankfurter Verlagsanstalt erschienenen Werk ,, Die Geigen- und Lautenmacher", in dem er den Nachweis vom deutschen Ursprung der Geigenmacherei der Gegenwart erbracht hat. Wir befizen kein Bildmis von Stradivari, aber wir wissen aus Schilderungen, daß er ein großer hagerer Mann war, der bei der Arbeit stets eine weiße Wollmütze und weiße Lederschürze trug. Bei dem Meister des Geigenbauers Nicolas Amati war er in die Lehre gegangen und war selbst ein vortrefflicher Geiger, der erkannte, was den Amati- Geigen noch fehlte. Er stellte darüber Versuche an und probierte 30 Jahre, bis er endlich gefunden hatte, was er wollte. Aus der Werdezeit feiner Runft gibt es nur verhältnismäßig wenige Geigen. Bei seinem fabelhaften Fleiß wird er aber auch schon damals viele verfertigt haben, und man muß annehmen, daß er alle, die ihm nicht völlig genügten, wieder vernichtete. Wenn man die Tätigkeit Stradiparis überblidt," sagt Lütgendorff, und auch davon ausgeht, daß Runstwerte nicht auf wissenschaftlichem Wege hervorzubringen sind, fo muß man doch bezweifeln, daß er zu seinen Ergebnissen rein empirisch gekommen sei und sich lediglich von Erfahrungstatsachen und Schönheitsgefühl leiten ließ. Die Geigenmacher in Cremona wurden als Künstler von ihren Zeitgenossen betrachtet und gewisse, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende, geheimgehaltene Werkstatt- Traditionen hat es zweifellos gegeben, die einem denkenden Künstler die Richtung für seine Versuche wiesen. Nur dadurch wird es erklärlich, daß es den neueren Geigenmachern, unter denen doch gewiß viele fünstlerisch hochbegabte Meister waren oder sind, denen weder Erfahrung, noch Verständnis, noch Schönheitsfinn fehlte, noch nie gelang, eine Geige herzustellen, die einer tadellosen Stradivari wirklich gleichfäme". Der Meister hat, nachdem er das Geheimnis der Vollendung gefunden, eine unglaubliche Fruchtbarkeit entwickelt. Selbst wenn er jede Woche nur eine Geige verfertigt hätte, so ergibt das bei seiner 60jährigen Arbeitsdauer immerhin etwa 3000 Geigen. Seine Kunst wurde bereits zu seinen Lebzeiten anerkannt.
In welchem Kalenderjahre leben wir? Natürlich im Jahre 1925! Nein, durchaus nicht natürlich, da wir, wenn man es recht erwägt. bereits beim Jahre 1930 angelangt sind. Rechnen wir nach! Unsere Zeitrechnung, die von Christi Geburt an rechnet, verdanken wir dem römischen Abt Dionyfius Eriguus( der Geringe", wie er sich aus Bescheidenheit nannte). Dionyfius, der um 530 n. Chr. lebte, hatte irrtümlich das Jahr 753 der Stadt Rom als Gebrisjahr Christi angenommen. Spätere Forschungen haben jedoch einwandfrei ergeben, daß Jesus vor 753 geboren wurde, und zwar wahrscheinlich im Jahre 748 der Stadt Rom . Die sog. Dionyfische Zeitrechnung ist also irrig, da das historische Ereignis, das ihren Ausgangspunkt bildet, weiter zurückliegt als fie angenommen hatte. Dieser Irrtum ist als solcher schon zu Beginn des 8. Jahrhunderts festgestellt worden, aber es ist vernünftigerweise niemand auf den Gedanken gekommen, den Fehler nachträglich zu verbessern. Im Grunde ist es ja vollſtändig gleichgültig, welches Jahr als Ausgangspunti einer neuen Zeitred)- nung angenommen wird; es fommt nur darauf an, daß das einmal angenommene Jahr für immer beibehalten wird, weil eine spätere Verbesserung des Fehlers eine ungeheure Konfusion hervorrufen und noch weit größere Irrtümer zur Folge haben würde. Unsere Zeitrechnung wurde daher, seitdem sie von Dionysius festgesetzt worden ist, nie geändert. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß wir in Wirklichkeit um ein paar Jahre zurück sind, wenn man das historische Faktum der Geburt Christi als Ausgangspunkt der Zeitrechnung annimmt: wenn wir, wie es immer angenommen wurde, als feststehend erachten, daß Jesus im Jahre 748 der Stadt Rom geboren wurde, müßte das Jahr, in das wir soeben eingetreten sind, nicht 1925, sondern 1930 heißen.
Das Glück des Brüller- Lagers. Wahl, und Stumpy war flug genug, fich der Majorität zu unter. mütterlichen Umständen war eine Efelin. Man mißtraute ein wenig
Im Brüller- Lager herrschte Erregung. Es fonnte sich nicht um eine Schlägerei handeln, denn 1850 war so etwas nicht neu genug, 1: n die ganze Ansiedlung in Aufruhr zu bringen. Nicht nur die Gruben und Goldwäschereien waren verlassen, sondern auch„ Tuttles Schente" hatte ihre Spieler ausgesandt, die ruhig an jenem Tage ihr Spiel fortsetzten, als French Pete und Kanata Joe einander über den Schenktisch im Vorderzimmer totschossen. Das ganze Lager war vor einer rohen Hütte am äußersten Saume der Rodung verfammelt. Man unterhielt sich in leisem Ton, aber der Name eines Weibes wurde häufig wiederholt. Es war ein dem Lager hinlänglich vertrauter Name Tscherotesen- Sarah.
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Je weniger man von ihr spricht, desto besser vielleicht. Sie war ein plumpes und, wie ich fürchten muß, sehr sündiges Weib. Aber zu dieser Zeit war sie das einzige Weib im Brüller- Lager und lag im Augenblick, da sie den Beistand ihres eigenen Geschlechts sehr nötig gehabt hätte, in heftigen Schmerzen danieder. Liederlich; verworfen und unverbesserlich, mußte sie doch ein Martyrium er leiden, das schwer genug zu ertragen ist, wenn es durch teilneh. mende Frauenhände gemildert wird, das aber jetzt in ihrer Berlassenheit schrecklich war. Sandy Tipton meinte, es wäre hart für die Sarah", und in der Erwägung ihrer Lage wurde er sogar für einen Augenblick über die Tatsache erhaben, daß er ein Aß und zwei Trümpfe in seinem Aermel hatte.
Man wird auch einsehen, daß die Situation neuartig war. Todesfälle waren feineswegs ungewöhnlich im Brüller- Lager, aber eine Geburt war eine neue Sache. Leute genug hatten das Lager endgültig, nachdrücklich und ohne die Möglichkeit einer Rückkehr verlassen müssen; aber dies war das erstemal, daß irgend jemand wirklich neu wurde. Daher die Aufregung.
Geh hinein da, Stumpy," sagte ein hervorragender Bürger, ter unter dem Namen„ Rentud" bekannt war, zu einem der Herum lungernden.„ Geh hinein da und schau, was du tun kannst. Du haft Erfahrung in solchen Dingen."
Stumpy war unter
Bielleicht war diese Wahl nicht übel. einem anderen Himmelssirich das mutmaßliche Haupt zweier Familien gewesen; in der Tat war es eine gesetzliche Formwidrigkeit in dieser Hinsicht, der das Brüller- Lager- eine Freistätte und Zueine Freistätte und Zu*) Wir bringen diese klassische Erzählung des literarischen Entdeckers von Kalifornien aus einer Neuausgabe seiner„ aliforniichen Erzählungen", die gut gewählt und trefflich übersetzt von Baul Baudisch in einem handlichen, hübsch illustrierten Bande bei Gustav Kiepenheuer in Potsdam erschienen sind.
flucht seine Gesellschaft verdankte. Die Menge genehmigte die, fiedlung vom Geschlecht der Tscherokefen- Sarah und in denselben werfen. Die Tür schloß sich hinter der improvisierten Hebamme ihrer Eignung, aber der Versuch wurde gemacht. und das Brüller- Lager ließ sich draußen nieder, rauchte seine Pfeifen und harrte der kommenden Dinge.
Die Gesellschaft zählte ungefähr hundert Männer. Ein oder zwei von diesen waren tatsächlich Flüchtlinge vor der Justiz, einige Berbrecher, aber alle strupellos. In ihrem Aussehen zeigte sich fein Hinweis auf ihren Charakter und ihr früheres Leben. Der größte Gauner hatte ein Raffaelsgesicht mit einer Fülle blonden Haares, Dathurst, der Spieler, trug die melancholische Miene und tieffinnige Zerstreutheit eines Hamlet zur Schau. Der kaltblütigste und mutigste Mann war faum über fünf Fuß hoch, hatte eine sanfte Stimme und verlegene, schüchterne Manieren. Der Ausdruck Rowdy", den man auf sie anwandte, war mehr eine Bezeichnung Ohren und so weiter, mag das Lager vielleicht mangelhaft gewesen als eine Definition In kleineren Einzelheiten, wie Finger, Zehen, fein, aber diese geringfügigen Defekte schadeten keineswegs ihrer gemeinsamen Kraft. Der stärkste Mann hatte nur drei Finger an seiner rechten Hand und der beste Schüße nur ein Auge. So war das physische Aussehen der Männer, die um die Hütte herumfaßen. Das Lager lag in einem dreieckigen Tal zwischen zwei Hügeln und einem Fluß. Ein Feuer dürrer Fichtenzweige verlieh der Versammlung Gemütlichkeit. Nach und nach kehrte der natürliche Leichtsinn des Brüller- Lagers zurück. Wetten auf das Resultat wurden häufig angeboten und akzeptiert. Drei gegen fünf, daß Sarah durchkommen würde; gleich gegen gleich, daß das Kind am Leben bleibe; daneben noch Wetten auf das Geschlecht und die Farbe des fremden Anfömmlings. Inmitten einer erregten Diskussion fam ein Ausruf von jenen, die zunächst der Tür saßen, und das Lager hielt inne, um zu lauschen. Ueber das Wiegen und Aechzen der Fichten, über das schnelle Rauschen des Flusses und das Brasseln des Feuers erhob sich ein scharfer, flagender Schrei- ein Schrei, wie ihn das Lager bisher noch nie gehört hatte.
Das Lager sprang wie ein Mann auf die Füße. Es wurde vorgeschlagen, ein Faß Pulver loszubrennen, aber in Erwägung des Zustandes der Mutter siegten bessere Ratschläge, und es wurden nur einige Revolver abgefeuert. Denn entweder zufolge der ungeschickten Geburtshilfe, die das Lager bot, oder aus irgend welchen anderen Gründen mit der Tscherokesen- Sarah ging es rasch zu Ende. Nach einer Stunde hatte sie gleichsam jenen steilen Pfad erflommen, der zu den Sternen führt, und so das Brüller- Lager mit seiner Sünde und Schande für immer verlassen. Ich glaube nicht, daß diese Nachricht das Lager sehr beunruhigte, außer im Hinblick auf das Schicksal des Kindes.
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Kann's nun am Leben bleiben?" wurde Stumpy gefragt. Die Antwort war unbestimmt. Das einzige Wesen in der An
Als diese Einzelheiten erledigt waren, was wieder eine Stunde dauerte, öffnete sich die Tür, und die neugierige Menge trat im Gänsemarsch ein. Neben dem niedrigen Lager oder Gestell, auf dem fich die Gestalt der Mutter unter den Decken deutlich abzeichnete, stand ein Tisch aus Fichtenholz. Auf diesen war eine Lichterschachtel gestellt und in ihr lag, in grellroten Flanell gehüllt, der jüngste Anfömmling im Brüller- Lager. Neben der Lichterschachtel stand ein Hut, dessen Zwed sich bald herausstellte.
,, Die Gentlemen," sagte Stumpy mit einer feltsamen Mischung von Autorität und offizieller Selbstgefälligkeit, die Gentlemen wollen gefälligst zur Bordertür eintreten, den Tisch passieren und zur Hintertür hinausgehen. Die etwas für die Maiſe beisteuern wollen, werden da einen Hut zur Hand finden."
„ Ist es das?" Farbe bekommen."
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Der erste, der eintrat, hatte den Hut auf. Als er sich jedoch umschaute, entblößte er den Kopf und gab so unbewußt dem Näch ſten ein Beispiel. In solchen Gemeinschaften wirten gute und schlechte Handlungen ansteckend. Während die Prozession vorbeimarschierte, wurden Kommentare laut Kritiken, die vielleicht mehr an Stumpy in seiner Eigenschaft als Aussteller gerichtet waren. „ Enorm fleines Exemplar." ,, Hat nicht die Ist nicht größer als' n Revolver ." Ebenso charakteristisch waren die Gaben: eine silberne Tabaks= dose, eine Dublone, ein Matrosenrevolver mit silbernem Beschlag, eine Probe Gold, ein sehr schön gesticktes Damentaschentuch( von Dathurst, dem Spieler), eine diamantene Busennadel, ein Diamantring angeregt durch die Nadel, wobei der Spender bemerkte, daß er die Nadel halte und zwei Diamanten mehr biete"), eine Schleuder, eine Bibel( der Spender nicht zu entdeden), ein goldener Sporn, ein filberner Teelöffel( die Initialen waren, wie ich mit Bedauern sagen muß, nicht die des Spenders), eine Chirurgenschere, eine Lanzette, eine Fünfpfundnote der Bank von England und ungefähr zweihundert Dollar in einzelnen Gold- und Silbermünzen. Während dieser Vorgänge verharrte Stumpy in einem Schwei gen, so unbeweglich wie das der Toten zu seiner Linken, und in
einem Ernst, so unerforschlich wie der des Neugeborenen zu seiner Rechten. Nur ein Zwischenfall unterbrach die Eintönigkeit dieser furiosen Prozession. Als Kentuck sich halb neugierig über die Lich terschachtel beugte, drehte sich das Kind um und ergriff mit einem schmerzlichen Zucken seinen tappenden Finger und hielt ihn einen Augenblick fest. Kentuck sah einfältig und verlegen drein. Etwas wie ein Erröten suchte sich auf seinen wettergebräunten Wangen bemerkbar zu machen.
( Fortsetzung folgt.),