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fTr. 4S 44. Jahrgang

1. Seilage öes vorwärts

Sonaabenö, 24. Januar 1425

Die neue Staöt vor öen Toren.

Ts yibt tdmn Sirort, her den Setlment so unbekonni fein türtle mie das t u r z l i ch Stadt geWordene Dorf Nowa- w ß s. das felbü auch wieder erst im Jahre 1307 aus den beiden dicht bei einander gelegenen Dorfern Neuendorf und Nowawes ent- standen ist. Die Potsdamer Vorortzüge, die von Berlin durchfahren, halten zwar in Neubabelsberg , lassen aber Nowawes aus, so dag die Nowawescr eine fpottschlechte Verbindung mit Berk» haben. Nach Babelsbcrg und Potsdam fahren also die Leute, Nowawes sieht man sich nur von der Bahn an und dekommt von dort eigentlich gor keinen Eindruck von dem Ort, wie das oft so tft. Man muh sich also einmal näher mit ihm befassen. das alte Neuenöorf. Dieser Ort. der mit seinen 28000 Einwohner» jetzt endlich nach langen harten Kämpfen Stadt geworden ist, ohne die Absicht zu haben, aus dem Teltvwer Kreisverband auszuscheiden, hat nicht nur eine interessante Vergangenheit, sondern auck> bereits die Geschichts­schreiber dieser Veraangeuheit. Aus diesen Quellen entnimmt man mit Interesse, daß dos alte Neuendorf durch seine Nachbarschaft zu Potsdam stets auch m eugster Beziehung zu feinem angestammten hohenzollernschen Herrscherhaus� gestanden hat. Die ewig geld- bedürsllge» hohenzollernschen kursürsleu haben ihr getreues Zlcuen- dorf in ihrer Art geliebt und geschätzt. Besonders der Kurfürst .Friedrich II. hat das Dörfchen mchreremal verpfändet und sogar weiter verpfänden lassen Dieser Wackere hat sogar Schloß und Stadt Potsdam mit dem Äieg verpfändet. Aus dem Wortlaut der Urkunden ist zu entnehmen, daß d,e Kurfürsten es immer als Beweis besonderer Gnade ansahen, wenn sie von ihren getreuen Adeligen oder Bürgern LeiHgeld annahmen. Dieses alte auf d>ese Art zwischen dern� Landesherr» und seinen Gläubigern hin und hergeschvbene Dörflein Neueirdorf ist auch heut« noch fkdlungsgeschichtlich sehr inte» «stallt. Es liegt von Berlin cms links der Bahn und gruppiert sich um die Bethlehemkirche, deren Turm von der Bahn aus sichtbar ist. In prächtiger Klarheit der Dorflage präsentiert sich uns heute noch ein richtiges altes Runddorf, dessen Häuser allerdings teilweise ihren

auch nur Neuendors heißt, so hießen beide Dörfer eigentlich so. Nowawes wurde 1750 von dem großen preußischen Diktator Friedrich II. einfach gegründet und mit proteskanlischeo tschechischen Webern besiedelt. In der sogenannten alten Kirche, die heute noch

Alte Weberbäoser io yowawes alten anheimelnden Charakter eingebüßt haben. Bon dem Stand- nunki des Heimatia'nrxes au? bedeutet die sogenanntealte Kirche". aus dem Jahre 1«Z0, ein entsetzlich kitschiger und stilloser Bau, und mich die neuere Bethlehemkirche kerne Verschönerung des alten Dorf- bildes. eher das Gegenteil. Merkwürdig genug, daß in unmittel. barster Nähe dieses alten Dorfes Friedrich II. ein neues Dorf an- legen ließ und dieses neue Ncucndorf zum Unterschied von dem allen �Nowawes" tmrste-. Da dieses tschechische Wort aber auf deutsch

Am Friedriebkirchplatx

steht, wurde lange Zell tatsächlich auch tschechisch gepredigt. Und dieser preußische König, den heute die echt Deutschvölkischen für sich mit Beschlag belegen, fand durchaus nichts dabei, daß dieses dicht bei seiner Nesidenz gelegene Dorf den tschechischen Namen Nowawes und ein Kirchensiegel mit dem preußischen Adler und der tschechischen Unterschrift: pock rvan c>ebr»nau... cxricvre w Nowtwsy erhielt, d. h.unter deinem(des Adlers) Schutz'.Kirch« von Nowawes ". Dieses Nowawes liegt von Berlin rechts der Bahn. keine Metskoferaen. Ks gibt in ganz Groß-Berlin kaum etwas Ueberraschenderes als dieses Nowawes : Etwa ein Dutzend sehr brell angelegter Straßen. mll prächtigen Bäumen bepflanzt,' oft in vierfacher Reche, dazu gut gepflastert. Hinter den Baumen die Häuser. Richtiger Häuschen. Hunderte von Häuschen. Ganze Skraßenzesten haben ihren allen Charakter nach vollkomme» bewahrt, wenn auch an viele Stelle» die neue Zell nicht gerade geschmackvoll sich dazwischen gedrängt hat. Es sind die alten Weberhäuser, die heule noch stehen wie emst, olles Zweifamilrerchäuser. Die darin wohnen, sind keine Mieter, sondern arundbuchlich eingetragene Besitzer. Nur unter dem Drang der Wohnungsnot sind auch Bodenzimmer oermietet worden. Unter der Einwirkung dieses Wohnsystems hat sich bis heute ein eigentliches ZMetskasernecwejea hier nicht entfallen können. Etwas so Anheimelndes, Beruhigendes wie hier an einem schönen Sommer- abend scraßauf, straßab flanieren gibt es um ganz Berlin nicht wieder. Die Leute stehen und fitzen vor de« Häusern. Em e,nz«g- artiges städtebauliches Idyll ist der dreieckige weiträumige Frledrichs- kirchploh das.Forum" de? Ortes im wahrsten Sinn. Hier stnb während der staatlichen Umwälzung die großen Versammlungen vonsiatten gegangen. Friedlich liegt der Platz da. Traulicher noch als an den Straßen wirken hier die Häuser. Muten drin die alte hübsche Kirche. Folgt man von hier aus der P r i e st e r st r a ß e. so ge- langt man in mäßigem Steigen ans die höhe des Babelsberger Barles. Hier stt eine der schönsten Aussichten des Berliner Westens. Der ganze Ort, keineswegs verunziert durch viele Schornsteine, siegt im Grund. Darüber hinaus das schöne Nuthetal. der Brauhaus- berg und die Ravensbergs. Man wellt gern hier oben und trennt sich schwer. W-Nowawes sieht durchaus romantisch aus, aber die Menschen find Menschen unserer Zeit, in der großen Mehrzahl

Zudustricnrbeiler. die genau misten, was kos ist, dos zeigt sich auch bei den Wahlen. Die Gemeindewahlen brachten 131.3 eine loz'a kistische Mehrheit, gm Mai 1321 hatten die Sozialdemokraten nur noch 3600 Stimmen, bei der letzten Reichsiagswah! jedoch schon wieder 5470. Da in der gleichen Zell die demschnalionolen Stimmen von 4300 auf 3700 und die völkischen gar von 1300 auf ZOO zurück­gegangen sind, so kann man sich an den Fingern abzählen, wie die erste«tadtoerordnetenwahl. die am 2 2. Februar d. I., noch dazu unter der glorreich am politischen Horizont aufgeliiegeneit nationalen Reichs- und Staatsregierung ausgehen wird. Doch das ist ein besonderes Kapitel. So angenehm es die Einwohner auch empfinden mögen, daß sie nicht in Mietskasernen wohnen brauchen, zu romantischen Geschichten haben sie wenig Zeit. Entblöden sich dom die Rowaweser Jndustrieherren nicht, ihren verheirateten Arveitern heute im Jahre ISiS Wochcnlöhne von IS bis IS Mark z» zahlen i Die weberstaöt. Was Normlwes heute ist und bedeutet, wurde es natürlich durch seine Industrie. Die Weber haben seit Friedrichs II. Zellen hier wie überall und zu allen Zelten ein erbarmungswürdiges Hunger- dasein gefuhrt. Erst das Erscheinen der modernen politischen Arbelle» sowie der Gewcrkschafts- und Genostenlchaftsbewegung hat auch hier bewirkt, daß sie sich nicht der Verzweiflung hingaben und unter­gingen, sondern ihr und ihrer Familien Schicksal selbst kraftvoll m die Hand nahmen. In bielcm Städtchen haben die Texlil- wie die Meiallarbciter ihr eigenes Gewcrkschastssekretnrial. Und die kraftvoll sich ausdehnend« Äonsumyenossenschaft Potsdam und Umgebung hat in Nowawes nicht weniger als sechs Filialen, und dann links der Bahn chr Zentrallager und die Zentralbäckerei. Die kulturelle Selbsthilfe der Arbeiterschaft zeigt sich m dem Bestreben der Ortskrankenkaste, sich demnächst ein eigene? PerwoltiingsuebSube mit eigener Zahnklinik und Bad und hoffentlich auch einem Lustbad anzugliedern. Ein Weberdors war Nowawes , eine Texkilstadl ist es heute. Die von Geschlecht zu Geschlecht vererbten Fertigkeiten wurden von dem Handwebstuhl aus die Fabrik übergeleitet. Die bekannteste Fabrik ist die Tuch- und Trikotageweberei von Adosi P i t s ch mll etwa 800 Arbeitern. Die Belegschaft besteht nur zu 10 Proz. aus Männern, alles andere sind Frauen und Mädchen. Dann gibt es

Das Altersheim dort die Norddeutsche Wollkämmerei und Kamm- garnspinnerei mit etwa 600 Arbeitern. Ferner eine Jute-, eine Netze-, eine Plan- und Zeltcfabrik und eine Teppichweberei. Die Zehlendorfer Spinnstosfabrik hat hier ihre Spinnerei. Bekannt und sogar berühmt wurde vor etwa 1)4 Jahrzehnt dieästhetische tabrik. die Seidenweberei der Berliner Firma Michels, deren abnkbau Peter Behrens ausführte und damit den Beweis er- brachte, daß auch ein Fabrikgebäude außen und innen schön fem

Der Apfel der Elisabekh Hoff. Sf von Wilhelm hegeler. Seit dieser Zeit hatten die Schwestern sich immer nur harz gesehen, da Margret durch ihre Stellung als Auslands. korrefpondentin bei einem größeren Unternchmen gebunden war. eine Stellung übrigens, die ihr Vergnügen machte und für die sie sich vorzüglich eignete. Gerade dieser letzte Besuch war nach einer mehrjährigen Trennung erfolgt, und jetzt in der Stunde vor dem Abschied drängte sich Margret wieder dieselbe Empfindung auf. die sie schon gleich nach dem ersten Wiedersehen gehabt» daß in ihrer Schwester eine große, lchmerzliche Veränderung vorgegangen fei. Ihre Erinnerung hatte Clifobech immer als eine festliche Erscheinung gesehen. strah'end und umstrahlt. Die Erscheinung selbst war noch dieselbe, nur das Strahlende war nicht mehr da. Sie. die einstmals jeder Eesellschost, in der sie erschien, Belebung. Ent- zücken und Mittelpunkt gewesen war, hatte sich selbst fast ausgelöscht, ging ganz auf in der Sorge für Mann und Kinder. Zu ungleich waren bei den beiden die Schalen belastet: zu schwer die ihre, zu leicht die seine So also sah in Wirt- lichkeit eine Ehe aus, die aller Welt als eme besonders gluck- Immer wieder schüttelt« Margret den Kopf, und ihre Zähne nagten an der Unterlippe, als ob sie da etwas zwir- belte und gänzlich zerpflückte.., Sie war zu klug, hatte zu viel Lebenserfahrung gefam- melt. um romantischen Iungmäd�nschwärmereien nachzu- hängen. Aber Liebesverlangen und Sehnsucht nach dem Mann gab es auch in ihrem Herzen. Um diesem Wunsch bald Ge- stalt und sichtbare Züge zu geben, dazu war chre Phantasie zu sehr gefesselt, und was das Leben dazu tzatte ge�n iLnnen. waren nur negative Züge. Der Mann, rn den sie sich ver­lieben wurde, mußte anders sein, als alle Männer, die sie bisher gekannt. Gr mochte arm oder reich, baßlich oder schon, a't oder jung sein, nur langweilig durfte er mchi senr D,es TUchtlangweilig aber umschloß alles, was an farbiger Lebens- sehnsilcht. an Lust sich zu geben, en* äuftfiauen und auch an entgegengesetzten Regungen, zu leiten, sorgen und ein Halt zu sein, umschloß alles, was an un- bewußt Sehnsüchtigem und schmerzlich Unerfülltem m dem Her-en dieses klugen und früh aut«elbständigkett gestellten Mädchens lebte..,,,, Unten schellte es. Na. Gott fei Dank, dachte Margret. ha hatte der Herr Kafferträger, wenn auch mit reuhitcher Berf pitung, sich doch»och herbemüht... u,.

Nachdem sie ihm die nötigen Anweisungen gegeben, ging sie noch einmal hinaus, suchte ihre Sachen zusammen und wollte nun, da sie im Hause nichts mehr zu tun hatte, zum Bahnhof schlendern, als es wieder schellte und das Mädchen atemlos hereinlief: ein Herr wäre da. Ein Herr im Auto! Aus Amerika !! »Der soll nur schnell mache», daß er dahin wieder zurück- kommt!" erwiderte Margret und ging die Treppe hinunter, um den Besucher, der es eigentlich aut ihren Schwager ab- gesehen hatte und der nun dummerweise sie noch im letzten Augenblick überfiel, zwischen Tür und Angel abzufertigen. Aber das Mädchen hatte ihn schon ins Wohnzimmer geführt, wo er gerade vor dem Spiegel stand und sein Aeußeres musterte, das ihn, irgendwie zu mißfallen schien, nach seiner unruhigen und umwölkten Miene zu schließen. Sobald sich die Türe öffnete, drehte er sich rasch um.» Der Fremde hatte, wie Margret auf den ersten Blick fest- stellte, eigentlich nicht das Aussehen eines typischen Ameri- kaners und wirkte trotz dem untadeligen Zusammenklang von Anzug, Wäsche und Schuhwerk nur die zu große Perle in der Krawatte fand Margrets Rüge eigentlich wenig elegant. Es gibt Köpfe von so charakteristischer Regellosig- keit. daß sie jedem Versuch einer Anpassung an das konven­tionell Elegante widerstreben, daß im Gegenteil ein gepflegtes Aeußere nur die Folie ist, die ihre Seltsamkeit hebt. Die leicht wulstigen Lippen, das schwarze, vorn schon gelichtete Haar, dazu die knabenhafte Zierlichkeit und Gelenkigkeit seiner kaum mittelgroßen Gestalt gaben ihm etwas Südländisches, aber die breite, dicke, gutmütige Nase war offenbar in der deutschen Tiefebene gewachsen. Seine Stirn war stark ge- wölbt und, wie von innen aufgewühlt, in viele Längs- und zwei tiefe Querfalten zerschnitten. Dieser leidenschastlich un- ruhigen Stirn gegenüber war das Kinn energisch zugespitzt. Wenn diese Züge mehr widersprechend als gerade ansprechend sein mochten, die dunkelbraunen Augen, die selbst, wenn sie lebhaft blitzten, chren weichen, tiefen Gianz nicht verloren, mußten auch den oberflächlichen Beschauer für sich emnebmeu. Und doch waren es gerade diese Augen, gegen die Margret sich gleich in der ersten Sekunde hinter hochmütiger Kälte verschanzte. Das ängstsiche Mißtrauen, mit dem der Beschauer sich eben noch im Spiegel gemustert hatte, wich im Augenblick, wo Margret eintrat, einer nicht ganz natürlichen Sicherheit. Mit einen. Schwung drehte er sich um, verneigte sich kurz und richtete dann seine Augen aus Margret, mit einem Blick, daß diese dachte: der Mensch sieht stich ja an, als sollte ich ihm mn iam Hals lallen.

Herr Profesior bedauert sehr, Sie nicht empiaugen zu können. Er mußt« in die Stadt fahren," sagte sie, in der Nähe der Türe stehen bleibend, als wenn sie ihm den Weg dorthin freigeben wollte. Der Besucher verneigte sich wieder kurz und antwortete ironisch:Das ist ja äußerst bedauerlich." Darauf sah er Magret wieder an. aber im Maß wie sein Blick unruhiger wurde, verdunkelte sich auch das Braun seiner Augen. Er ließ sie wie unter einem innerlichen Zwang von neuem zum Spiegel gleiten, musterte sich mit einem nicht ganz kurzen Blick und runzelte noch tiefer die Stirn. Darauf nahm er unaufgefordert Platz, worauf auch Margret nach einem kleinen Zögern sich lächelnd setzte. Er würde Sie bitten, in sein Laboratorium zu kommen. Aber das ist schlechterdings unmöglich, da er momentan mit Pestbazillen arbeitet und der Besuch lebensgefährlich ist." Pestbazillen! Eine angenehme Beschäftigung. Macht er das öfter?" Täglich. Das heißt, er wechselt ab zwischen Typhus . Cholera-, Tuberkel- und ähnlichen Bazillen. Welche nun gerade feine besondere Passion sind." Wie von irgendeinem Gedanken gequält, trommelte der Besucher mit feiner Rechten auf die Stuhllehne und blickte dabei von Zeit zu Zeit Margret an. aber setzt nur kurz, ver- stöhlen und die Augen beobachtend zukneifend. Ja, es tut mir leid, daß der Zweck Ihres Besuches sich nicht erfüllen läßt." Was wissen Sie von dem Zweck meines Besuches! Meinen Sie, ich wäre nur eines Zweckes wegen aus Amerika herübergekommen? Ich oerfolge eine Menge Zwecke. Eine ganze Notizbuchseite voll." .Jas kann ich mir denken. Wenn man sich mal auf- macht, erledigt man gern eine Menge Geschäfte auf einmal. Ich mache das auch so. wenn ich in die Stadt fahre." Ohne die letzten Worte zu beachten, schien der merkwür- dige Besucher weiter unschlüssig mit irgend etwas zu kämpfen und betrachtete bald seine Fingernägel, bald einen Gegen- stand der ffimrichtung, jedenfalls machte er nicht die geringsten Anstalten zu gehen. .Perzeihen Sie, aber ich bin etwas in Eile. Ich«vl gleich verreisen." Sie verreisen! Wohin?" Margret nannte ihr Ziel. Wir fahren zuiammen! Dorthin will ich auch zu meinen Eltern." Sie haben dorr Ihre Eltern wohnen?" Unter der Erde. Im Grab."_.. V. Gsrchtztmg folgt.) 1