Einzelbild herunterladen
 

Se. 54 42. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Die Kampffront der Eisenbahner.

In Defterreich ist die Feftigung der Republik   in dem repu-| Herrenstandpunttes leisten. Die Klugheit der Berteidiger des blikanischen Rückgrat der Wehrmacht und der Eisenbahner Rapitalismus fann nicht bestritten werden. Um so verwunder begründet. In Deutschland   ist es möglich gewesen, Teile der lidher ist es, wenn sie immer wieder in den alten Fehler ver Reichswehr   gegen die Republik   zu mobilisieren. In Deutsch   fallen und glauben, die Wahrheit mißachten zu können, daß land ist man auf dem besten Bege, die Eisenbahn zu einem der Mensch mehr ist als nur Maschine. Inftrument der tapitalistisch orientierten Reaktion zu machen Es ist nicht fahmer, den Nachweis zu führen, daß dieser und damit die Eisenbahner zu entrepublikanisieren. Die Frage, Denkfehler im Verwaltungssystem der Steichsbahngefellschaft warum diefer Entrepublikanisierungsprozeß eingeleitet worden sich noch in anderer Form auswirkt. Nach dem schweren ist, hat zum erstenmal auf der am 27. und 28. Jamuar tagen Fehler der rücksichtslosen Entrechtung der Massen des Per­den Hauptversammlung der Reisgewerf fonais glaubt man, mit der Einführung sogenannter Lei schaft deutscher Eisenbahnbeamten und An- tungszulagen den Berwaltungsmechanismus im Gleia marter eine Antwort mit Wirtung auf die Organisations gewicht erhalten zu tönnen. Und doch muß jedem objektiven pragis gefunden. Die deutschen   Eisenbahner sind abgebaut, Beurteiler schon die Art der Berteilung der Zulagen die mit entrechtet und zu Lohn- und Gehaltsstlaven degradiert oor dieser Maßnahme verbundene Absicht enthüllen. Die Aus­den, weil die Eisenbahn von ihren neuen fapitalistisch einzahlung an die Beamten der höheren Grade erfolgt nicht durch gestellten Herren zu einem Apparat für die Abwälzung der die amtlichen Rassen. Der glückliche Empfänger erhält im Roften des verlorenen Krieges auf die Schultern der besitzlosen verfchloffenen Brief den Bantsched. So wird einmal ver Maffen geftaltet werden mußte. Die fremden Siegermächte hindert, daß der Nebenmann erfährt, wie hoch der seinem Rol­haben lediglich ein Intereffe an der Aufbringung diefer Roften, legen zugewendete Betrag ist, und zum anderen erreicht, daß nicht an der Art ihrer Beitreibung. Sie bestehen auf Zahlung, das nicht berücksichtigte Bersonal nicht vom Neid erfüllt wird. wie Shylod auf seinem Schein. Das haben auch die Gegner Sind das Methoden, würdig einem modernen Großbetrieb? der Erfüllungspolitik einsehen müssen. Bar es aber nicht mög- Stann man sich wundern, wenn dieses System dahin führt, daß lich, sich um die Begleichung der Kriegstoftenrechnung über die Leistungszulagen als Korruptionszulagen bezeichnet haupt herumzudrüden, dann wollten wenigstens nicht sie die werden? Leibtragenden fein. So argumentierten diejenigen Kreise, die jeht deutscherseits in der Reichsbahn- Gesellschaft das Heft in die Hand bekommen haben.

Und sie verstehen ihr Geschäft, das kann nie mand leugnent. Was an sozialer Entrechtung des Personals in der neuen Personalordnung der Reichsbahn geleistet worden ist, muß den Neid aller politischen Reaktionäre erregen. So müßte mm die Gesamtheit der deutschen Republikaner abhun fönnen, dann erft gäbe es wieder Ruhe in der deutschen Re­publit" und freie Bahn für die Auswirkung des schrankenlosen Egoismus der fapitalistischen Machthaber. Keine Personal vertretung im Verwaltungsrat der Reichsbahn  - alle Macht in Händen einer Berwaltungsbureaukratie, die nur noch als ausführendes Organ eines höheren politischen Willens geiten fann. Dieser Erfolg übertrifft die fühnften Träume jener Industrietapitäne, die schon 1921 die Privatisierung der Eisen­bahnen in Vorschlag brachten.

Und dennoch auch hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Möglich wurde der herrschende Zustand erst durch die organisatorischen Verhältnisse des Reichsbahnpersonals. Einsichtige Führer der Eisenbahner haben lange genug tauben Ohren gepredigt, wie notwendig die Einheitsfront der Arbeiter, Angestellten und Beamten der Reichsbahn sei, um drohende Schläge abzuwehren oder doch mildern zu können. Endlich hat nun auf der diesjährigen Hauptversammlung der Reichsbahngewerkschaft die Vernunft einen fräftigen Schritt vorwärts gedrängt. Eine starte 3wei drittelmehrheit hat einer Vereinbarung zwischen der Reichs bahngewertschaft deutscher Eisenbahnbeamten und Anwärter E. B. und dem Deutschen Eisenbahnerverband" zugestimmt 3med und Ziel dieser Vereinbarung ist die Schaffung einer Einheitsorganisation des gesamten Eisenbahnpersonals als gewerkschaftlichen Machtfaktor gegenüber der Deutschen Reichs. bahngesellschaft zur wirksamen Bertretung der Interessen der Mitglieder. Bis zur Errichtung der Einheitsorganisation werden bei der Gewinnung neuer Mitglieder grundsäglich die Lohnempfänger dem DEB. überwiesen, während die Gehalts empfänger der RG. zuzuteilen find. Bis zu diesem Zeitpunkte dürfen Uebertritte nicht stattfinden.

Mit allen Mitteln feiner glänzenden Beredsamteit hat der Führer der österreichischen Eisenbahner, der Bizepräsident der österreichischen Bundesbahnen, Smental, noch einmal die Fruchtlosigkeit der von einzelnen Beamtenverbänden immer noch für richtig gehaltenen Organisationsmethoden gefenn­zeichnet. Mit föftlichem Humor hat er die auch in der Be amtenbewegung vorhandene deutsche Gründlichkeit behandelt, die sich um teinen Preis durch Gefeße der Entwicklung beirren läßt. Nicht nur den Eisenbahnern, sondern der deutschen   Be­amtenschaft hat er fíor zu machen versucht, daß in der Politik nicht Schlagworte entscheiden, sondern Taten und Tatsachen. Und in der Welt der Tatsachen gibt es teine politische Neu­tralität". Darum find auch die Menschen, die sehr viel haben und sehr viel verlieren tönnen, besonders start politisch inter­effiert. Sollten wir, denen bas legte genommen werden foll, uns nicht auch in höherem Maße politisch einstellen und die Frage, wer die Rechnung des verlorenen Krieges zu zahlen hat, als Gewertschaftsfrage ansehen und zu lösen suchen? Wenn wir aber so verfahren, dann ist die Lösung der Organi­fo fationsfrage von entscheidender Bedeutung. Der Zustand des eigenen Heeres ist ausschlaggebend für die Maßnahmen des Gegners." Die Gewerkschaft entscheidet auf Grund ihrer Schlagkraft tausend Fragen ohne Kampf." Smentals Ar­Smentals Ar­gumente sind gewiß nicht ohne Wirfung geblieben. Sie deden fich mit den oft erläuterten Gedankengängen der deutschen  Gewerkschaftsführung.

Die politische Bedeutung des Erfolges der Reichs gewerkschaftstagung ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn es den deutschen   Eisenbahnern gelingt, mit der gewerkschaft lichen Einheitsfront das Bordringen fapitalistischer Profitfucht zu hemmen und die verlaffene Bahn sozialer Gerechtigkeit wiederzugewinnen, dann haben sie nicht nur sich selbst geholfen, nicht nur der deutschen   Beamtenschaft einen porbildlichen Dienst erwiesen, sondern auch zur Feftigung der deutschen   Republit beigetragen. Es fann nicht gleichgültig sein, ob 800 000 Eisenbahner innerlich zur Republik   stehen oder ob sie in einer Scheinrepublik widerwillig ihren Dienst verrichten. Umge­fehrt aber ist nicht zu erwarten, daß Staatsbürger auf Dauer republikanisch eingestellt bleiben, wenn man von ihnen ver­langt, daß fie ihren Dienst als Hörige der Vertreter des

SCHLEIF- PULVER

HORTAXIN für alle Industriezweige in ieder Körnung Wirkung übertrifft italienischen Bimstein. Lieferung aus eigenen Mahlwerken, Lager Berlin  

Das System der Reichsbahngesellschaft zeigt ein getreues Spiegelbild des politischen Kurses in Deutschland  , der über vor fichtige Etappenarbeit die Zustände des Obrigkeitsstaats wieder aufzurichten gedenkt. Ob die Verwirklichung dieser Abficht gelingt, ist nicht zuletzt abhängig von der inneren und äußeren Gesundung der Gewerkschaften. Ruhrbesetzung und Inflationskrise hat das Unternehmertum benußt, die Gewerk­fchaften niederzufämpfen. Auch die Beamtengewertschaften. Nur starte Gewerkschaften können die Erfüllung ihrer Forde rungen mit Hilfe der politischen Parteien erhoffen. Was haben die Gegner der Einheitsfront dieser Logit entgegen ftellen fönnen? Sie schließen die Augen vor dem unüberbrüd baren Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit. Sie wollen­oder können? nicht sehen, daß die Republik   immer noch die besten Möglichketten zur Erziehung freier Menschen bietet und daß es nicht genügt, nur mit dem Lippenbekenntnis zu ihr zu stehen, wie jede Berufspolitik nicht außer Zusammenhang mit den außenpolitischen Fragen eines Boltes erfolgreich getrieben werden kann. Und weil sie an dem inneren Zusammenhang dieser Fragen vorbeipolitisieren, glauben sie immer noch, ihre berufspolitische Arbeit allein auf das beamten politische, anstatt auf das beamten politifche Moment einstellen zu fönnen. Ihre Gedankengänge führen notwendigerweise zu einer Ablehnung systematischer Zusammenarbeit mit Arbeitern und Angestellten. Wie lange noch merden sie diese Fittion aufrechterhalten tönnen? Politik ist Handeln. Nur die ge­fchloffene Rampffront tann die Eisenbahner davor bewahren, daß fie in dem Rachen des fapitalistischen Löwen" ver schwinden. Albert Faltenberg

Die Höchstfäße der Erwerbslosenfürsorge.

Zum besseren Berständnis der letzten Reichstagsverhandlungen über die Erwerbslosenfürsorge seien bie Säge, wie sie gegenwärtig nach der Verordnung des Reichsarbeitsministers seit dem 15. Dezem ber 1924 gelten, angegeben.( Siehe Reichsarbeitsblatt" Nr. 28, vom 8. Dezember 1924.) Sie betragen für die brei Wirtschaftsgebiete Often, Mitte und Westen nach den vier Ortstlassen täglich in Pfennigen:

für männliche Bersonen

9

1. über 21 Jahre 2. unter 21 Jabren für weibliche Bersonen

1. über 21 Jahre 2. unter 21 Jahren für Familien angehörige a) Ehegatten

b) sonstige Höchstbetrag einschließlich Familienunterstügung

Dften Mitte) Westen

79-100 91-115 101-125 48-60 54-69 60-75

72-90 43-55

88-104 91-112 50-62 53-68

29-85 31-40 35-44 19-25 23-29 25-31

1. für männliche Erwerbslose 190-235 215-275 240-300 2. für weibliche Erwerbslose 160-190 175-220 195-240 *) Die fettgebrudten Zahlen gelten auch für Berlin  . Nach dem jüngst gefaßten Beschluffe des Reichstags erhöhen fich diese Säge um 25 Proz

Für weibliche Erwerbslose über 21 Jahre, die nachweisen, daß fie Familienangehörige zu ernähren haben, gelten diefelben Höchstsätze wie für Männer über 21 Jahre.

Der Reichstag   hatte im Sommer die Gleichstellung der weiblichen Erwerbslosen mit den männlichen ohne Bedingung Der Reichstag   hatte im Sommer die Gleichstellung der und Begrenzung befchloffen. Er hat dabei nicht perfannt, daß im und Begrenzung befchloffen. Er hat dabei nicht verfannt, daß im allgemeinen die Lebenshaltung des Mannes mehr Ausgaben er fordert als bie der Frau, trojdem aber von einer Berschiedenheit hier, mo taum die Dedung des notdürftigsten Lebensunterhalts er. folgt, nichts missen wollen. Die Regierung hat troß diefem unzwei deutigen Beschluß des Reichstags die Gleichstellung nur für weibliche Familienernährer verfügt und dabei fogar diefe, soweit fie unter 21 Jahren find, ausgeschlossen. Ferner ist die Gefamtunter itügung für Familien, deren Ernährer weiblichen Geschlechts ist, noch erheblich niedriger( um 30 bis 60 Pfg. pro Tag) als bort, mo der Hauptunterstützte ein Mann ist.

Zu beachten ist übrigens, daß durch diese obere Grenze der Familienunterstüßung tinderreiche Familien besonders be. Familienunterstützung tinderreiche Familien besonders be nachteiligt sind. Beträgt doch der höchstsah nicht mehr als den nachteiligt find. Beträgt doch der Höchstsatz nicht mehr als den Betrag für den Ehegatten und etwas mehr als vier Kinder oder fonftige Angehörige. Alle weiteren Rinder gehen leer aus auch ein Beitrag zu der heute in aller Mund lebenden Be völkerungspolitik und der völkerungspolitik und der in der Berfassung verheißenen Sorge für finderreiche Familien. Es wäre dringend zu wünschen, daß neben der Gleichstellung der weiblichen Unterftügten, die der Reichstag   nun zum zweitenmal beschlossen hat und hoffentlich diesmal auch durch. fegen wird, auch der Wegfall diefer Benachteiligung der finderreichen Familien erreicht würde.

-

Im übrigen ist unter Ablehnung des sozialbemotrati fchen Antrags, der eine Erhöhung um die Hälfte forderte mit Wirkung vom 8. Februar an die Erhöhung der Höchstsäge um ein Viertel vom Reichstag beschlossen worden. Sache unserer Ge noffen in den Bezirken wird es fein, dafür zu sorgen, daß wenigstens diese bescheidenen Säße, die zum mirtlichen Austommen noch weit zu

HORTAXIN- WERKE, BERLIN   u niebrig find, überall durchgefeßt und nicht als höchft fäß e-

noch unterschritten werben,

Sonntag, 1. Februar 1925

Zur Erinnerung an Luise Zieh.

Bon Bilhelm Dittmann.

Auf dem Friedhofe in   Friedrichsfelde wird heute nachmittag unt 3 Uhr der schlichte Stein enthüllt, der die Urne mit der Afche unserer & uise 3ieg tragen soll. Dieser Att der Pietät ruft uns das Bild unserer vor drei Jahren in den Sielen der Arbeit für das Proletariat jah vom Tode dahingerafften Kämpferin lebendig in die Erinnerung zurüd.

Im Inflationsfommer 1923 wurde ich durch den Genossen Löbe an mein erstes Bufammentreffen mit Luise Zieß erinnert. linfer redefroher Genoffe tam von einer Agitationstour aus meiner meer. umschlungenen Heimat und beftellte mir herzüche Grüße alter Freunde und Barteigenossen aus der oftholsteinischen Rosenstadt"  Eutin, mo to bas Licht der Welt erblickt und als junger Mensch mich der Arbeiterbewegung angeschlossen habe. Dabei berichtete mir Genoffe Love, daß Paul Schröder, der parteigenössische Wirt bes 2otals, in dem er in   Eutin gesprochen, ihm gefagt hatte, genau auf den Tag vor 25 Jahren hätte Luise Sieg zum erstenmal im selben Sofal geredet. Er. Schröder, wisse das deshalb so genau, weil seine Frau ihn in der Nacht nach der Versammlung mit der Geburt seiner beiden noch lebenden Zwillindstöchter überrascht und erfreut hätte. Luife 3ieß habe damals in der Bersammlung einen ungeheuren Ein­brud gemacht. Diese Mitteilung des Genoffen Löbe ließ vor meinen geistigen Auge, plöglich Bilder neu erftehen, die bei mir schon faft im Meer der Bergessenheit versunfen waren. Blihschnell, wie im Film, zogen die Einzelheiten meines ersten Zusammentreffens mit Luise Zieh wieder vor meinen Augen vorüber.

Es mar zur Zeit der Reichstagswahl von 1898, der Name Luife Sieg war feit emigen Jahren von der Großstadt   Hamburg in unfer dyllisches Städtchen inmitten der holsteinischen   Schweiz hinüber geftungen. Endlich war es uns gelungen, fie als Rednerin für eine Boltsversammlung zu belommen. Unser damaliger Parteivertrauens mann in Eufin, Hinnert oder hochdeutsch Heinrich Hüttmann, feit mehr als zwanzig Jahren Gauleiter des Maurerverbandes in Frank­  furt a. M. und feit 1912 gleich mir Mitglied des Reichstags, hatte mich gebeten, sie von der Bahn abzuholen. Er felbft tonnte als Maurerpolier den Bau nicht gut verlassen. Ich war damals zwar als Dreiundzwanzigjähriger selber noch nicht wahlberechtigt, mir war aber von der Provinzzentrale in   Neumünster die Wahlleitung für  Ostholstein übertragen worden, und ich hatte für ein halbes Jahr den Hobel beiseite gelegt, um für das fürftliche Gehalt von zunä hft 12, bann 15 M. pro Woche die Wahlarbeit für die Partei zu leisten. Deshalb war ich frei, um die Referenten von der Bahn abholen zu tennen.

Ich kannte von Luise Zieh nur den Namen, mußte nicht, ob sie alt oder jung, groß oder tlein fei, als ich aber auf dem Bahnhof war, ging ich sofert auf eine Frau zu, die eben das Kupee verlassen hatte, und fragie, ob sie Frau zieh aus   Hamburg set. Sie bejahte erstaunt und erfreut zugieich und fragte mich, woran ich sie denn erkannt hätte, da doch noch mehr Frauen ausgestiegen feien. Ich erwiderte, daß ich das felber nicht recht müßte, aber wie ich fie nur gesehen, fet th meiner Sache sicher gewesen. Ihr selbstbewußtes Auftreten und ihr geistig- energischer Gefidisausbrud hatte sie für meinen Blid aus der Masse der Frauen hervortreten faffen. Sie mochte damals Anfang der Dreißiger fein und machte den Eindrud einer ungemein gewedien und ganz von Begersterung für den Sozialismus erfüllten füichten Arbeiterfrau. Ste mar bereits bald nach Mittag gekommen, da fie vor der Bersammlung noch Berwandie ihres Mannes besuchen wollte, Dorfe Fissau wohnten. In angeregtem Gespräch mit ihr führte ich sie ins Dorf bis zur Wohnung der Berwandten. Auf dem Hinwege hatte ich ihr das Bersammlungslofal gezeigt. Sie war rechtzeitig zur Bersammlung zurück und hatte die Berwandten, von denen sie sich das ganze Elend der holsteinischen Landarbeiter hatte schildern laffen, .brachte, zur Versammlung mitgebracht

die als Zandarbeiter in dem eine halbe Stunde von   Eutin belegenen

bas fie dann in ihrer Rebe mit wunderbarer Plastik zur Darstellung

Die Versammlung war sehr gut besucht, aus der Stadt und den umliegenden Dörfern waren die Arbeiter gekommen, um eine Frau reben zu hören. Auch ich hatte noch keine Frau öffentlich reden hören. Und Luise Zieh redete, redete mit einem Feuer und einer Begeisterung, daß die ganze Bersammlung vom ersten bis zum Ichten Bort in ihrem Bann stand. Dabei sprach sie absolut logisch, einfach, flar, ohne jede Künftelet. Man fühlte, daß die Rednerin mit Herz und Hirn bei der Sache war. Glühender Haß gegen Ausbeutung und Unterdrüdung, proletarischer Troß und Stolz sprühten aus ihrer Rede. Sie hatte aller Hörer Herzen gepadt, und die Bersanim­lung war ein durchschlagender Erfolg für die Sozialdemokratie. Ich tann mich nicht erinnern, daß je wieder eine Rednerin in emer Ver. fammlung einen jo tiefen Eindrud auf mich gemacht hätte als Luife Zietz in jener ersten Rede, die ich von ihr hörte.

Später, als 2uise 3ieg in der Gesamtpartei sich eine führende Stellung erarbeitet hatte, bin ich sehr oft mit ihr zusammengetroffen bei Parteitagen, Konferenzen, Bersammlungen usw., und als dann im Kriege Ditern 1917 die unabhängige sozialdemokratische Bartet des Zentralverstandes der neuen Partei. Raftlos, unter Aufopferung ihrer Gefundheit, hat Luise Zieß mehr als drei Jahrzehnte lang für gegründet wurde, da wurden Luije Zietz und ich die beiden Sefretäre

das weibliche Proletariat, für das Gesamtproletariat fchier lieber­menschliches geleistet, feit der Revolution auch im Parlament, wo sie vor drei Jahren unter der freiwillig übernommenen Ueberlost der Arbeit zufammenbrach und bald darauf verschied.

Als ich Lutfe Zieß im Bürgerfaal des   Berliner Rathauses die Gebächtnisiede hielt, nannte id; sie den weiblichen Bebel", denn teine Frau proletarischer Herkunft hat soviel zur Aufrüttelung der maffen getan wie Luise Zieß, dürfte es doch kaum einen nennens werten Ort in   Deutschland geben, in dem sie nicht das Evangelium des Sozialismus gepredigt hat. Die Urne mit ihrer Asche, die ich vor brei Jahren durch den Bürgerfaal des Rathauses getragen, soll jetzt in einem schlichten Gedenkstein ein festes Fundament erhalten, das der jungen Generation und kommenden Geschlechtern den Namen unferer unvergeßlichen Lutje Zich, dieses Urbildes der proletarischen Stämpferin, zu bauernder Erinnerung wachhält. Möge ihr Kämpfer geift in unferer proletarischen Frauenbewegung, in unserer prole­tarifchen Gesamtbewegung ftets lebendig bleiben.

Togal

=

hervorragend

Tabletten bewährt bei:  Gicht, Rheuma, Ischias,

Hexenschuß, Nerven- und Kopfschmerzen

Togal stillt die Schmerzen und fcheidet die Sarnfäure aus. Fragen Sie Ihren Arzt. Ja allen Apotheken erhältlich. Best. 126% Lith., 0,46% Chinin, 74,3% Acid acet. salic., ad 100 Amylum.