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Abendausgabe

Nr. 5542. Jahrgang Ausgabe B Nr. 27

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Pfennig

Montag

2. Februar 1925

Berlag und Angetgenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Verleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin Sm. 68, Cindenstraße 3 Ferniprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Kampf dem Rechtsblock!

Kraftvolle Opposition

Breslau , 2. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Eine Bezirks. fonferenz der mittelschlesischen Sozialbem of ratie nahm am Sonntag ein Referat des Abgeordneten Wen dem uth über die politische Lage somie einen Bericht des Borshenden Ma che über die Organisationsfragen entgegen. An der Aussprache beteiligte fich auch Reichstagspräsident Paul Löbe . Einmütig bam die Ent fchloffenheit zu fraftvoller Oppofition zum Ausbrud.

Lobe pertrat die Auffassung, daß diese Opposition sich auf Iangere Dauer einrichten müsse und ihre Kraftanstrengungen darauf einzurichten habe. Auch der Fall Barmat wurde be sprochen, zu dem Genoffe Läbe die Meinung zum Ausdrud brachte, er werde zu einem Berbot der Annahme von privaten Aufsichtsrats­posten für alle Genossen führen müssen. Der Ueberblick über die Organisationsfragen ergab einen fräftigen Fortschritt der Parteibewegung. der sich leider finanziell, infolge der mirt schaftlichen Lage nicht entsprechend auswirkt.

Gegen die Sozialreaktion. Sozialdemokratische Massenversammlung im links. rheinischen Braunkohlenbezirk.

Köln , 2. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Im Iintsrhei nischen Brauntohlenbezirt fanden am Sonntag 20 von der Sozialdemokratischen Partei einberufene Massen versammlungen statt, in denen die Frage der Arbeitszett er. örtert wurde. In den Versammlungen, die erneut den Beweis dafür erbrachten, daß die Sozialdemokratie im rheinischen Braunfohien­gebiet nicht nur das früher verlorene Gebiet fängst zurückerobert hat, sondern darüber hinaus noch starte Fortschritte machte, wurde eine Entschließung angenommen, in der es heißt:

Der rücksichtslose Kampf der Scharfmacher im Bergbau raubte ter Arbeiterschaft den Achtstundentag und führte die mörderische Zwölfftundenschicht ein Maßgebend für dieses Borgehen malen nicht nur, wie behauptet wird, die Erfordernisse der Produktion und die Bedürfnisse der Wirtschaft, fondern das machtfiteben der Unternehmer. Trog Beseitigung der Micumlasten trat meder cine nennenswerte Lohnerhöhung, noch Berbilligung der Produtie ein. Alles ist in die Tasche der Unternehmer gegangen. Immer rüd fichtsloser lehren die Grubengewaltigen den Herrn- im- Hause- Stand­punkt heraus, um die alten Zustände der Borkriegszeit herbei zuführen und jedes Mitbestimmungsrecht der Arbeiter im Betrieb zu unterbinden. Lohn- und Arbeitsbedingungen einseitig festzusehen, ist das Ziel threr Bestrebungen Langere Arbeitszeit, erbärmliche Entlohnung haben: Hunger, Not, Krankheit und Vermehrung der Unglüdsfalle i Revter zum Gefolge. So fönnen im Kohlenrevier die Dinge nicht weitergehen, foll nicht eines Tages eine furchtbare Entladung des angehäuften Zündstoffes erfolgen. Die Versammelten missen, daß nur durch die gemertschaftliche und politische Organisatien die Berhältnisse dauernd gebessert werden können, und geloben, alles zum Aufbau dieser Organisation beizutragen. Mit aller Schärfe verurteilen die Versammelten das Borgehen der Rechtsparteien in Preußen und beflagen die Hilfeleistung ber Rommunisten am Werte der

Luther und der 700- Millionen- Skandal.

Eine ausweichende Antwort.

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Die Zeit" hatte vor einigen Tagen angekündigt, daß aus der Antwort des Reichstanzlers Dr Luther auf das Schreiben des Vorstandes der sozialbemo fratischen Reichstagsfrattion wegen der Ruhr entschädigung eine Aufklärung zu erwarten sei, die alle Kritifer zum Schweigen bringen werde. In zwischen ist der Brief Luthers eingegangen. Er bringt diese bringend notwendige Klärung nicht, hellt auch die von den verschiedenen amtlichen Stellen gegebenen Widersprüche in teiner Weise auf. Der Brief hat folgenden Wortlaut:

..Den Eingang des mir von Ihnen namens des Vorstandes der fozialdemokratischen Reichstagsfraktion übersandten Schreibens vom: 27. Januar 1925 bestätige ich hiermit ergebenst.

der Sozialdemokratie.

Reaktion. Eine Rechtsregierung im Reiche und in Preußen be deutet eine Bedrohung der Rheinlande in ihrer staatlichen Zugehörig. teit, neue Belastung des Bergbaues, des ganzen besetzten Gebietes und die Berzögerung der Räumung der nördlichen Zone."

Heil dir im Bürgerblock.

Der Kronprinz demonstriert. Breslau , 2. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Der frühere Kronpring hat sich am Sonnabend zum erstenmal seit seiner Rück fehr nach Dels zur Teilnahme an einer politischen Demonstra tion hinreißen lassen. Er erschien bei einer öffentlichen Kundgebung des fchlesischen Landbundes im Breslauer Zirkus Busch. wurde dort feierlich empfangen und von der Versammlung mit einer großen Dvation begrüßt. Der Hauptredner der Landbündlerver­fammlung war der deutschnationale Freiherr von Richthofen Der Inhalt der Rede und Entschließungen beschränkte sich nicht nur auf die übliche Bertretung der agrarischen Schußzollwünsche, sondern ging auch auf die Parteipolitif ein, natürlich unter fchärfften Angriffen auf Sozialismus und Demokratie.

angenommen wurde und in der es heißt, daß im Fall Kutister Bezeichnend dafür ist 3. B. eine Entschließung, die einstimmig Kredite aus sozialistischen Parteirüdsichten an die widerlichsten Bertreter des internationalen Rapitalismus gegeben morden feien, während bekanntlich die Untersuchung im Fall Kutister nur rechtsstehende Kreise belastet hat.

Beim Empfang des Kronprinzen vor dem Zirkus foll fich übrigens ein Beamter der Republik in würdelosester Form beteiligt haben, indem er dem Hohenzollern die hand tüßte. Eine Untersuchung darüber ist von sozialdemokratischer Seite fofort verlangt worden, zumal es sich anscheinend um einen republika nischen Beamten im Dienst und in voller Uniform gehandelt zu

haben scheint.

Sein idealer Lebenszwedk

Reichsminister für soziales Kaisertum".

Aus einem von Professor Georg Maaß, Bibliothefar des Reichs militärgerichts, unter Obhut des Deutschen Wohlfahrtsbundes" her ausgegebenen bei Baul Baumann in Charlottenburg erschienenen Buche: Die verfassunggeber de Deutsche Nationalversammlung , Lebensgang, Lebensarbeit, Lebensziele ihrer mit glieber nach eigenen Mitteilungen und mit Bildnissen" zitiert die Welt am Montag folgende Stelle über Martin Schiele , den heutigen Reichsminister des Innern:

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.. Lebensziel: Wiedererstehen eines deutschen sozialen Kaiserfums auf föderativer Grundlage."

Falls der jeßige Reichskanzler Dr. Luther es bei der 3u fammenseßung feines Rabinetts noch nicht gewußt haben sollte, was das Lebensziel" seines Innenministers ist, jest weiß er es ganz gewiß: Der Herr Martin Schiele wird Minister der Republik mit allen erforderlichen Treuciden, um das Kaifertum auf föderativer Grundlage" wiederherzustellen. Boraus jeder seine eigenen Schlüsse zu ziehen hat!

Ein Branntwein- Monopol- Skandal? Ein Rücktritt und eine Verhaftung. Der Präsident der Reichsmonopolverwaltung für Branntmein, Geheinirat Steintopf, ist, wie die B. 3." mit teilt, von seinem Boften zurüdgetreten und hat sich dem Finanzministerium, aus dem er hervorgegangen war, wieder zur Verfügung gestellt. Als offizieller Grund der Demiffion wird Krant heit angegeben, die sich infolge der großen Aufregung über die in letzter Zeit abgespielten Borkommnisse in der Reichs. Monopolverwaltung verschlimmert hatte. Ueber seinen Nachfolger ist noch nichts bekannt.

Herriot und die Sozialisten.

Pariser Brief.

Aus der sozialistischen Fraktion der französischen Rammer wird uns unter dem 31. Januar geschrieben:

des Nationalen Blods. Den Herren war zu Ohren ge Am Donnerstag herrschte laute Freude in den Reihen fommen, daß die sozialistische Fraftion sich bei der Abstimmung über den von mehreren radikalen Abgeordneten verlangten öffentlichen Maueranschlag der Rede Herriots enthalten würs ben, und sofort flüsterte man sich in den Wandelgängen zu, daß damit die Politit des Linksfartells ihr Ende erreicht habe, das Ministerium Herriot zur Demisson gezwungen und ans Ruder kommen würde. Was hatte zu diesen Gerüchten die von rechts heiß ersehnte Konzentrationsregierung" endlich die Veranlassung gegeben? Es war ein um Uhr nach mittags in der sozialistischen Fraktion mit 26 gegen 24 Stim men gefaßter Beschluß, sich der Abstimmung zu enthalten. Dieser Beschluß, der eine Stunde später wieder um gestoßen Lüden in der Rede Herriots und der Beifall, den die Rechte worden ist, hatte seine Ursache in den Bedenken, die gewisse ihm zollte, bei einer Reihe von sozialistischen Abgeordneten hatte entstehen lassen.

In der Tat fonnte man Herriot vorwerfen, die Gefahren der sogenannten geheimen Rüftungen" Deutschlands über Deutschlands nicht genügend hervorgehoben zu haben, trieben, die völkische Preffe allzu ergiebig zitiert und die Existenz eines demokratisch republikanischen ſo daß seiner Rede das innere Gleichgewicht fehlte und ihr dadurch ein Charakter gegeben wurde, die an gewiffe Mani feftationen Poincarés erinnern fonnte. In der sozialistischen Fraktion fam es darüber zu einer lebhaften Debatte, an der fich auch Mitglieder des Parteivorstandes beteiligten. Nie­mand bestritt, daß der Rede Herriots die nötige Ausgeglichen. heif fehlte, und es ist kein Zweifel, daß, wenn die Haltung der Fraktion teine weiteren Folgen hätte haben fönnen, man fich e in st i m mig zur Entha'tung entschloffen hätte. Aber die weittragenden politischen Fragen entstanden sofort. Ent hielt sich die sozialistische Fraflion, fo fonnte die Mehrheit für den Anschlag nur dadurch erreicht werden, daß die Rechte für ihn ftimmte. Die Krise innerhalb des Linksfartel's mare damit unvermeidlich geworden und das Berbleiben Herriots in der Regierung fast unmöglich gewesen. Bei näherer Prü fung der Rede Herriots an der Hand des offiziellen Steno­gramms wurde außerdem festgestellt, daß mit Ausnahme ge­wiffer undeutlicher Erklärungen über die Sicherheit am Rhein " nichts darin stand, was nicht auch von den Sozia liften unterschrieben werden fonnte, oder gar im Widerspruch stände zu dem, was man bisher und vor allem in der Wal fampagne, die dem 11. Mai voranging, gesagt und neschrieben hatte. Der Vorwurf, den man auch nach dieser Prüfung auf­rechterhalten mußte, beiraf vor allem das, was in der Rede fehlte oder wenigstens nicht deutlich, nicht aus ührlich genug zum Ausdrud gebracht war, da Herriot in Wirklichkeit es nicht ganz unterlassen hatte, von den gewaltigen Anstrengungen der Linksparteien in Deutsch­ land zu sprechen und dem Vertrauen, das man zu ihnen haben könne haben könne Beim Anhören der Rede war. dieser Teil faft untergegangen unter der Anhän ung des Materials, durch das der Ministerpräsident die Stärke des nationalistischen, monarchistischen Deutschland nachzuweisen suchte.

In der Det atte, die innerhalb der sozialistischen Fraktion stattfand, machte einer der Redner darauf aufmerksam, daß die Gesamttendenz der Rede, wenn man sie aufmerf sam durchlese, ohne sich von den zum größten Teil aus strate gischen Gründen gezollten Beifall der Rechten verwirren zu lassen, in schärfstem Widerspruch zu der früheren Bolitik des Nationa'en Blods ftünde. Habe boch Herriot zum Schluß der Rede, als er von Deutschland und Frankreich sprach, wörtlich ausgerufen:

,, Es gibt Bölfer, die sich ausföhnen müssen, da ihre 3ufam. menarbeit unentbehrlich ist."

Außerdem habe er doch auch als führender Staatsmann eines großen europäischen Landes den Mut gehabt, die Im Zusammenhang damit steht folgende Meldung einer Ber Bildung der Vereinigten Staaten von Europa als Ziel hin liner Bolizeiforrespondenz: zustellen, zu dessen Erreichung er im gegenwärtigen Bölker­Einen Bergiftungsversuch mit Morphium machte vor- bund nur den ersten Schritt erblicke. Die Angst um Frant gestern der 41 Jahre alte Kaufmann Martin Cohen vom Hohenreichs Sicherheit, die in der Rede einen so übermächtigen Aus­Nachdem die Angelegenheit inzwischen in voller Breite vor der zollerndamm 27. Cohen, der eine Zeitlang eine Spritmono dafür zuständigen Stelle des Reichstages erörtert worden ist, glaube polzeitung herausgab, wurde wiederhoit schon früher in der ich, mir ein näheres Eingehen auch deshalb der Deffentlichkeit genannt in Berbindung mit Spriteinfuhr lagen zu sollen, weil der Gesamtumfang der von Ihnen an erlaubnisscheinen. Als Kriminalbeamte zu seiner Fest­gefnittenen Fragen in der vom Reichsfinanzministerium in Ausnahme in der Wohnung erschienen, nahm Cohen eine so große ficht restellten und dem Haushaltsausschuß des Reichstags zugefagten Dosis Morphium, daß er nach dem Krantenhause in der Achenbach Dentschrift sehr eingehend behandelt wird und ich nicht glaube, straße gebracht werden mußte. diefen Darlegungen etwas vorwegnehmen zu sollen."

Inzwischen veröffentlicht die Bergarbeiter- Zeitung" den bereits früher in der Presse erwähnten Brief der Gemert­scha ten an das Reichsfinanzministerium, in dem um Aufklä

Reichsbannertag in Braunschweig .

Braunschweig . 2. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Am Sonn

rung wegen der Entschädigung an die Unternehmer und um tag fand eine Riefenversammlung des Reichsbanners Buziehung der Arbeiterorganisationen zu diesen Berhand- chwarz Rot Gold statt. Als Rebner war der Bundesvors lungen erjucht wird. Der Brief trägt das Datum des 17. Dipende Ramerad horsing erschienen, der stürmisch begrüßt wurde, tober 1924. Auf ihn hat der Reichsfinanzminister be zeichnenderweise erst am 13. Januar 1925, also drei Monate später, geantwortet, nachdem inzwischen alle Berhandlungen erledigt und die Gelder in voller he ausgezahlt waren.

Nach der Stinnes Preffe ist diese Geheimhaltung selbst verständlich der beste Beweis dafür, daß alles einwandfrei nor fich gegangen ist.

charf mit allen Cegnern des Reichsbanners abrechnete und u. a. die Mitteilung machen fonnte, daß jede Weche dem Reichsbanner in Deutsch and 60 neue Ortsgruppen mit 11 000 Mitgliedern durch Deutsch and 60 neue Drisgruppen mit 11 000 Mitgliedern burd smittlich beitreten. Nech ber glänzend verlaufenen ersammlung formierte fich e'n gewaltiger Bug mit schwarzrotzoldenen Fahnen, der auf dem Echloßplaz nach einer fernigen Aussprache femme Auf tofug fand. Irch ber schwarzweißroten Regierung herrscht in Braunschweig Schwarz- Not- Gold.

drud finde, habe wohl Herriot verleitet, im Zusammenhang mit der scharfen Rechtsentwicklung, die das innenpolitische Leben Deutschlands in der letzten Reit genommen habe, ge­wisse Töne anzuschlagen, die er besser vermieden hätte. Aber niemand könne doran zwei e'n, daß er entsch'offen sei, feine auf die Völkerverständigung h'n ie ende Bolitik fortaus fetzen, und deshalb würde es ein schwerer Fehler sein, der unberechenbare Folgen haben fönnte, wenn man aus Bedenken, die an sich gerechtfertigt feien eine Regierungs­frife heraufbeschwören wollte, auf die die Rechte nur warte und zu deren Provozierung man dem Ministerpräsidenten einen Beifall zollte, durch den sie das Lintstartell zu irrengen hoffte. Auch diejenigen, die sich am fritischften über die Rede Herriots ausgesprochen hatten, ließen sich durch diefes Argu­ment beein Tuffen. Deshalb fuchte man eine Gelegenheit, Dom Ministerpräsidenten enige Erärunnen erhalten über ge miffe S'ellen feiner Red?. Da die Kammer igung um 24 Uhr schon beginnen und die Abstimmung stattfinden sollte. schien es schwer, diefe Celegenheit zu finden. Eine Inter vention unseres Cenossen Alerander Barenne, der eine Geschäftsordnungsdebatte heraufbeschmor, führte zu lärmenden Senen, die dem Präsidenten Painlevé die Möglichkeit gab die Sigung auf eine halbe Stunde aufzuheben.