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Abendausgabe

Nr. 6142. Jahrgang Ausgabe B Nr. 30

= Vorwärts

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End in der Morgenausgabe angegeben

Redattion: S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Donhoff 292-295 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Berliner Volksblatt

5 Pfennig

Donnerstag

5. Februar 1925

Serleg rab ngeigenabteilungs Gefchäftszeit 9-5 Ubr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Cindenstraße 3 Ferafprecher: Dönhoff 2508-2502

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Otto Braun lehnt ab.

Ein Zentrumsmann Ministerpräsident?

Wie der Amtliche Preußische Preffedienst mitteilt, hat Minifter. präsident Braun heute nachmittag 1 Uhr dem Präsidenten des Breußischen Landtages folgendes Schreiben zugehen lassen:

Auf Ihre Mitteilung vom 30. vorigen Monats über meine Wahl zum Ministerpräsident teile ich Ihnen ergebenst mit, daß ich die Wahl nicht annehme

Die Entscheidung über die Regierungsbildung in Preußen ist heute in negativem Sinne gefallen. Der von der Weimarer Koalition wiedergewählte Minister­präsident Otto Braun hat heute die Erklärung abgegeben, daß er den Auftrag zur Regierungsbildung ablehne, da es ihm unmöglich gemacht wurde, eine parlamentarische Mehrheit zusammenzubringen.

Die Deutsche Volkspartei hat gestern und heute eingehende Beratungen gepflogen, die mit dem Beschlusse der Fraktion endeten, eine Regierung der Weimarer Roali tion, auch wenn sie von einem anderen als von Braun ge­führt werde, weder zu unterstüßen noch auch nur zu tolerieren. Unter diesen Umständen war die Mission

Brauns aussichtslos und er mußte die Barteien vor die Ent­scheidung stellen, ob sie selbst eine Regierung mit oder gegen die Sozialdemokratie zustande bringen.

Augenblicklich steht das Zentrum vor der Frage, ob es den Ministerpräsidenten stellen will. Man spricht von der Mög­lichkeit, daß der schon wiederholt genannte Landeshaupt mann Dr. Horion, der seit einigen Tagen in Berlin mit der Zentrumsführern verhandelt, vom Zentrum vorgeschlagen werde. Die sozialdemokratische Fraktion, die heute vor der Blenar fitung zusammengetreten war, hat ihre Haltung gegenüber der neuen Situation noch nicht endgültig festgelegt. Aber all­gemein war man tlar darüber, daß die Partei einem Kan­didaten des Zentrums nur dann die Stimme geben fönne, wenn die Beteiligung der Partei an der Regie: rung gesichert ist. Es wird sich also jetzt darum handeln, welche Stellung das Zentrum und sein Kandidat zu dieser Frage einimmt, ob es sich von der Volkspartei und den Deutsch­nationalen die Richtlinien vorschreiben lassen oder ob es ſeinen eigenen so oft als richtig betonten Weg weitergehen will.

Staatsanwalt gegen Barmatuntersuchung. darauf, daß das Verfahren von vornherein sehr merkwürdig

Soll etwas vertuscht werden?

Die materiellen Berhandlungen haben im Barmat- Aus­schuß des Reichstags noch nicht begonnen. Der preußische Untersuchungsausschuß verhandelt seit einiger Zeit ausschließ­lich über Beweisanträge, die von den Deutschnatio= nalen und von den Kommunist en gestellt sind.

Die Sozialdemokratie hatte teine Beranlassung, dieser Untersuchung zu widersprechen, im Gegenteil, fie ist außer ordentlich daran interessiert, daß alle Vorgänge restlos aufgeflärt werden. Die Untersuchung des Staatsan malts vollzog sich unter Ausschluß der Deffentlichkeit. Eine zuverlässige Berichterstattung gab es hier nicht. Nur eine Reihe von Korrespondenzen war merkwürdigerweise in der Lage, alarmierende Sensationsnachrichten zu bringen, deren Richtigkeit mindestens sehr ameifelhaft mar. Was zum Beispiel speziell Barmat von den Gerichtsbehörden vorge worfen wird, weiß heute eigentlich niemand. Die Berteidi gung verlangt dauernd seine Freilassung. Um so mehr ist das Verlangen der Deffentlichkeit berechtigt, authentisch über die Zusammenhänge dieser Kreditaffären aufgeklärt zu merden. Um so bedauerlicher ist es, daß jetzt auf einmal die Staatsanwaltschaft dieser Klärung Schwierigkeiten zu machen

sucht.

In einer langen Meldung der Sochaczewsti- Rorre spondenz wird die Sache so dargestellt, als ob die Berhand­lungen des Preußischen Untersuchungsausschusses die Unter­fuchung des Staatsanwalts gefährden tönnte. Eigentlich sollte man ja annehmen, daß nach fünf Wochen der Staatsanwalt mindestens im Falle Barmat zu einem Ergebnis gekommen jein könnte. Aber selbst wenn das nicht gelungen sein sollte, märe es fehr merkwürdig, wenn jetzt auf einmal wieder die Untersuchung der parlamentarischen Ausschüsse abgestoppt würde. Sollte eine folche Entwidlung gewissen Drahtziehern, die anscheinend bisher nicht auf ihre Kosten gekommen sind, angenehmer sein?

Eine neue Wendung?

gewesen sei, weil die Gebrüder Barmat nicht sofort dem Richter vorgeführt worden Jeien."

Eine Niederlage des Nationalen Blocks. Maginot als Armecausschußzvorsitzender abgesetzt. Paris , 5. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Die Geschäfts­erdnung der Kammer bestimmt, daß die Präsidenten der Rom. miffionen des Parlaments jedes Jahr neu zu wählen sind. Die Rammer zählt deren 20, jede zu 44 Mitgliedern, die von den einzelnen Graftionen nach Maßgabe ihrer Stärte belegiert werden. Bei der Präsidentenwahl im Sommer des bergangenen Jahres war dem Startell der Linken der Borsiz in allen großen politischen Kommissionen mit Ausnahme der Armeekommission zugeftanden. Tort war der Kandidat der Linken, Paul Boncour, durch ein Ueberraschungsmanöver der Opposition dem ehemaligen Kriegs minister Maginot, einem der intimsten Mitarbeiter Boincarés, unterlegen. Bei der Neuwahl am Mittwoch ift Maginot glän. end durchgefallen. Er hat nur 19 Stimmen erhalten, während der Kandidat des Kartells, der republikanisch- sozialistische Abgeordnete Offola, mit 23 Stntimen gemählt worden ist. In den übrigen Kommissionen wurden die bisherigen Borfizenden sämtlich wiedergewählt, so daß nunmehr in allen großen Rom

missionen die Linte den Vorsiz führt.

Schutzzollbewegung in England.

Ein Weißzbuch der Regierung. London , 5. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Die englische Regie­rung hat dem Unterhaus ein Weißbuch vorgelegt, das sich mit dem Shuge der englischen Industrie gegen unfairen Bett bemerb" befaßt. Es handelt sich, offen ausgedrückt, um Schuß­60lle unter gemissen Boraussetzungen. Der Zoll soll jedoch erst ein­geführt werden, nachdem eine Sachverständigentommiffion über das Berlangen der einen oder anderen Industrie nach Böllen gehört worden ist. Die Bedingungen, unter denen die Regierung einen Bettbemrb als unfair" ansehen und sich zu Schutzöllen bereit erflären würde, find: 1. Das Handelsministerium muß der Mei­nung sein, daß die Schuh suchende Industrie für England von maß­gebender Bedeutung ist, nach Umfang und Natur der Erzeugnisse; 2. muß der Beweis erbracht werden, daß der Wettbewerb durch das Ausland außergewöhnlich ist; 3. die betreffende Industrie muß be vorruft, unfair find; 4. das Gesuch einer Industrie tann zurüc gewiesen werden, wenn ihr Betrieb nicht mit größter Leistungsfähig. feit und Sparfamfeit arbeitet oder wenn ein Schuzzoll andere In­dustrien beinträchtigen sollte; 5. ein besonderer Ausschuß hat dar über zu berichten, ob der Wettbewerb ausländischer Waren unnormal ift, ob sie zu nicht billigeren Breifen an England vertauft werden tönnen, als fie in England mit Nuzen herzustellen sind, oder ob ein folcher Wettbewerb ernstlich den Arbeitsmarkt in England bedroht. 6. Der Wettbewerb wird als unfair betrachtet, wenn der niedrige Breis durch niedrigere Löhne oder längere als die in England übliche Arbeitszeit erzielt ift. 7. Ein Aus schuß wird darüber zu entscheiden haben, daß der in Frage kommende Schutzzoll so hoch bemessen fein wird, um unfairen Wettbewerb des Auslandes zu verhindern." Die liberalen Blätter nehmen entschieden gegen die Ausführungen des Weißbuches Stellung und wittern in ihm einen Borläufer zu einer umfassenden Schuh­zollpolitit Englands.

Die Berteidigung der Gebrüder Barmat schreibt uns: Die Affäre Barmat scheint eine Bendung zu nehmen, die nach dem angeblichen Vorgehen der Staatsbant die Deffentlichkeit nicht erwartet hätte. Das Verfahren gegen Barmat hat sich beweisen, daß die Bedingungen in dem Land, das den Wettbewerb her. fanntlich nicht aus Anzeigen von angeblich geschädigten Gläubigern entwickelt, sondern ist auch auf die Initiative Der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, die in den Büchern neben Michael und Kutister auch den Namen Barmat fand und feststellte, daß dieser große Kredite bekommen habe.

Der Bizepräsident der Staatsbant Rugge hat an Henri Barmat einen Brief in das Gefängnis geschrieben, worin er ihm erklärte, daß das Borgehen der Staatsanwaltschaft nicht auf die Staats bant zurückzuführen sei. Dasselbe hat er auch dem Rechtsanwolt Bahn bei der ersten Unterredung der Gläubiger mit Barmat gegen über ausgesprochen. Inzwischen ist nun heute endgültig die Liquis dation und Treuhänder G. m. b. H. zum Abschluß gelangt, indem die Gebrüder Barmat und ihre Frauen den Bertrag in Gegenwart eines Bertreters des Untersuchungsrichters unterschrieben haben. Bekanntlich haben die Barmats ihr ganzes in und aus. landisches und auch ihr persönliches Bermögen den Gläubigern dadurch zur Verfügung gestellt, und zwar darunter Bertobjefte, die noch nicht den Gläubigern als Deckung für die Krebite übertragen waren.

Der Postminister Hoefle, gegen den in der Presse die heftig ften Anschuldigungen erhoben worden sind, ist nicht als Beschuldig ter, sondern lediglich als 3euge bisher vernommen worden. Unter diesen Umständen haben es die Rechtsanwälte Bahn, Schwerfens, Justizrat Davidfohn und Dr. Klee für erforderlich gehalten, einen energilen aftentlaffungsantrag für die Gebrüder Barmat dem Untersuchungsrichter zu unterbreiten. Sie sind auch beim Justizminister vorstellig geworden, mit dem Antrage, hie Staatsanwaltschaft anzuweisen, der Haftentlaffung der Gebrüder Barmat nicht meiter zu mibersprechen. Die Berteidigung ftigt fich

Deutsch- amerikanischer Handelsvertrag.

Günftige Stimmung des Senatsausschuffes. New York , 5. Februar. Eigener Drahtbericht.) Die Mehrheit des Genatsausschusses für auswärtige Angelegenheiten steht dem handelsvertrag mit Deutschland äußerst günstig gegen Ausmerzung der Meistbegünstigungsflaufel für das nächste Jahr ab. über. Der Borsigende Borah wurde ermächtigt, den Vertrag durch

zuanbern

dem bisher vollkommen faschistischen Ort Strabella in der Brn Der Rüdrang des Faschismus. Bei den Gemeindewahlen in vinz Bavia siegte die antifalistische Liste mit 1300 gegen 800 Stimmen.

I

Der unsoziale Reichsetat.

Luthers Versprechungen und seine Taten.

Der Reichstanzler Dr. Luther und der neue Reichs finanzminiffer n. Schlieben sind die Verantwortlichen minister, der andere als sein bisheriger Etaireferent. In der für den Reichsetat. Der eine als bisheriger Reichsfinanz­Regierungserklärung hat Dr. Luther Pflege des fozialen Geistes, Förderung und Unterstügung aller sozialen Aufgaben versprochen. Wir wollen prüfen, ob die bisherigen Taten beider Herren in der früheren Regierung, soweit fie fich aus dem Etat erkennen lassen, Vertrauen zu diesen Versprechen beanspruchen dürfen. Herr Luther und Herr Schlieben find feineswegs unbeschriebene Blätter. Sie haben bereits in der Regierung Marg für den Rechtsblod vorgearbeitet, der eine als Reichsfinanzminister, der andere als Ministerial direktor. Sie gehörten beide zu den ausgeprägtesten Vertretern der Rechtstendenzen in der Regierung Marr. Benn man den Wurzeln des Rechtsblocks in der Regierung Marg nach­geht, wird man neben den Herren Jarres und Strefe mann die Herren Luther und Schlieben nicht ver gessen dürfen. An ihren Taten follt ihr sie erkennen!

allgemeinen Betrachtung des Reichsetats der Nachweis ge­Kürzlich ist an dieser Stelle( Nr. 26) bereits in einer führt worden, daß er absichtlich unflar gehalten ist, die großen Ueberschüsse aus dem Jahre 1924 perstedt, ein Defizit vor täuscht, wo ein Ueberschuß besteht, eine Anleihe verlangt, wo das Reich selbst eine geben fönnte, und daß infolgedessen der

ganze Reichsetat falsch und als Grundlage für eine Sanierung der Reichsfinanzen nicht zu gebrauchen sei. Daß dieses Verhalten weder der fachlichen Unmöglichkeit, noch der persönlichen Unfähigkeit, einen richtigen Etat aufzustellen, zu banten ist, ist flar. Wir wollen auch zur Ehre der neuen Herren nicht annehmen, daß das die Einleitung der ver sprochenen inneren Wahrhaftigkeit und Reinheit des öffent lichen Lebens" ist. Neben politischen Erwägungen, die wir im Augenblid unerörtert lassen wollen, scheint uns vielmehr in erster Linie die Abficht maßgebend gewesen zu sein, die unfoziale Politit fortzusehen, die auf Drängen des Unternehmerfums gerade von den Herren Dr. Luther und Schlieben bisher betrieben worden ist.

Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt den Etat. Er zerfällt in zwei Teile: die allgemeine Reichsverwaltung und die Kriegslasten. Die allgemeine Reichsverwaltung um faßt sämtliche Ressorts mit Ausnahme der Reichspost und der Reichsbahn, die feit Oktober 1923 finanziell selbständig sind. Der Etat der allgemeinen Reichsverwaltung für 1925 weift im ordentlichen Haushalt Einnahmen in Höhe von 5513,8 Millionen Reichsmart auf. Von dieser Summe ent­fallen auf die fortdauernden Ausgaben 5167,2 Millionen, auf den Haushalt der Kriegslaften 161,8 Millionen und für einmalige Ausgaben 1848 Millionen Reichsmart Der außerordentliche Haushalt enthält eine Ausgabe Don 433,4 Millionen Reichsmart. Davon entfallen auf die Kriegslaften 141,2, auf Ausgaben der allgemeinen Reichs­verwaltung 292,2 Millionen. Der bei der allgemeinen Reichs­verwaltung rechnerisch vorhandene ungedeckte Ausgabenbedarf Don 136,2 Millionen Marf, fomie der bei den Kriegslasten

vorhandene von 141,2 Millionen, insgesamt 277,4 Millionen Mart, sollen durch eine Anleihe aufgebracht werden. Der allergrößte Teil der Einnahmen des Reichs fließt erwartete man eine Einnahme von 5394,6 millionen Mark. aus Steuern, 3ŏllen und Abgaben. Das ist zwar nur eine Schäßung, zudem eine falsche, wie die folgende Uebersicht zeigt:

andere

Bon ihnen

Wirklicher Erfrag Schäßung b. Gist bom 1. April 1924 nabmen für das bis Ende Dez. cr. Rechnungsj.1924 Reichsmart Reichsmart

Einkommensteuer aus Lohnabaug 953 893 879) 643 393 612) 280 158 725 828 048 354 16 950 975 1858 757 808 85 205 651 19 601 630 117 262 807

Körperschaftssteuer Vermögenssteuer Erbschaftssteuer Umfassteuer, allgemeine. erböbte

Grunderwerbesteuer

0

Rapitalverfebrestener Kraftfahrzeugfteuer. Versicherungssteuer. Rennwett und Lotteriesteuer Wechselsteuer . Beförderungssteuer.

Steuer auf Schuldverschreibungen Andere Befiz- und Verkehrssteuern Rölle

Zabalsteuer

Biersteuer

Budersteuer

Branntweinmonopol

Weinsteuer.

1 344 000 000 144 000 000 876 000 000 80 000 000

1 260 000 000 180 000 000 150 000 000

45 000 000

65 000 000 230 000 000

198 000 000

41 722 087

50 000 000

9

0

21 908 757

32 000 000

40 540 864

48 749 340

241 822 816

88 126 062 82 078 697

86 000 000

230 123 366

160 000 000

365 300 441

860 000 000

146 409 419 159 269 181 89 341 415 63 707 583 19 697 628 6 976 932

Andere Verbrauchssteuern

Sonstige Einnahmen

126 000 000 231.000 000

140 000 000 48 000 000 84 700.000 47 035

Danach hat die tatsächliche Entwicklung der Einnahmen im Jahre 1924 die vorläufige Schäßung bereits nach neun Monaten überholt. Während der Voranschlag mit einer Jahres einnahme von 5243.7 Millionen rechnete, sind in neun Monaten bereits 5293 Millionen, also 50 millio. nen mehr eingegangen.

Noch interessanter aber ist die Entwicklung der Steuer­Befiges und der Belaftung des Arbeitseinkommens und einnahmen, wenn man fie trennt nach der Belastung des des Verbrauchs, also der Maffen belastung. Rechnen wir zur Massenbelastung nur Lohnsteuer, Umfagsteuer, Beförde