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Sonnabend

7. Februar 1925

Unterhaltung und

Der Papagei.

Bon Frida Erdmute Bogel.

Die albe Dame ging die Tauentienstraße entlang. Und das hätte fie nicht tun follen.

Aite Damen gehören nicht in die Tauenzienstraße!

Die ale Dame ging zwar auf der verheirateten Seite, also drüben, wo die stilleren Geschäfte fiegen, aber immerhin, das ganze Unternehmen war von vornherein verfehrt und ein Stillosigkeit von ihr. Und sie benahm sich in logischer Folge davon weiterhin verkehrt und stillos. Sie fah sich nicht die Auslagen der Geschäfte an, fie be­spiegelte sich und ihr Kostüm auch nicht in den Schaufensterscheiben, noch tastete sie die ihr Entgegenkommenden oder an ihr Vorüber­gehenden von oben bis unten mit aufdringlichen Blicken ab.

Sondern sie tat etwas ganz Sinnloses, etwas, das kein Mensch jemals in der Tauenzienstraße tut: Sie sah zu dem flaren, zart­blauen Herbsthimmel hinauf; fie musterte die Blumenfästen der Baltons und Loggien und stellte hierbei befriedigt fest, daß die meisten Pflanzen schon entfernt maren, denn es fror ja bereits hin und wieder des Nachts. Und dann blickte sie in die Kronen der Plantanenbäume und freute sich, daß sie, wenn auch sehr starf be­reits entfärbt, doch noch ziemlich dicht voller Blätter saßen und ja, jetzt ftuzte die alte Dame bei ihrem friedlichen Blickegleiten, hemmte den gleichmäßigen Gang und äugte fcharf und interessiert nach oben in den herbstlichen Wipfel eines der Bäume. Und darauf tippte sie unversehens einem an ihr vorübereilenden Gent auf die Schulter( denn alle alten Damen von dem richtigen, aussterbenden Typ empfinden sich als Mutter oder zum mindeſten als Tante aller jüngeren Leute), also fie tippte und sagte:

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Sehen Sie einmal, junger Mann, siht da nicht etwas oben im Baum?"

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Der Gent , der es sehr eilig hatte und deshalb auch die verkehrte Seite der Tauenzienstraße benutte er mußte Margot unbedingt von der rhythmischen Schönheitsplastik abholen blieb einen Augen­blid stehen und versuchte der Richtung des gefütterten Glacéhand­schuhfingers zu folgen. Da ihm jedoch seine große Hornbrille das Sehen sehr erschwerte, gab er nach einigen Gesichtsverrenkungen das Unternehmen auf, 30g mit einen tadellofen: Bedauere, nein," den Hut und stürmte weiter.

Wer soll denn mo mat figen haben?" Damit schob sich ein Gilbotenjunge, der ihre Worte gehört hatte, vom Rade springend, an Die alte Dame heran.

Ja, da oben, sehen Sie doch!"

,, Ach mo, id rieche nicht."

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Wo, was denn?" Jezt waren endlich ein paar Geschlechts­genossinuen zu der alten Dame getreben und gaben ein schmieg fameres Bublifum für sie ab.

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Ja, wirklich, da sißt was im Baum, da ganz oben links!"

Nein, mehr rechts!"

Ein bißchen nach der Mitte zu"

Ach Jotte doch, ach Jotte doch, det arme Tierchen!" gludite es plöglich mit jammernden Bauten aus einer fehr diden, sehr asthmati. fchen Frau, hach nee, ich sage ja!"

Was ist denn hier passiert?" forschte sensationslüftern und neu­gierig ein ältliches Fräulein, und auf den Baum verwiesen fon­statierte sie sofort bestimmt: Da fist natürlich ein Papagei."

Ja, einer mit'm roten Schwanz, die sprechen am besten." Ach Jotte doch, ach Jotte doch," flagte die mitleidige Dide wieder, der verfriert sich jewiß oder wird von den Spazzen jefressen." Lorchen, Lorchen, komm doch, mein Lorchen," loďte das ältliche Fräulein jetzt.

Da müßte eener mit' ne Leiter ruff und ihm holen," begut­achtete der Eilbote.

Und wirklich fam auch in diesem Augenblick ein Angestellter der Fensterputzgesellschaft Blanka" mit einer Schiebeleiter die Straße cntlanggefarrt und machte natürlich bei dem schon jetzt recht um­fangreichen Menschenauflauf Halt.

Na, Gott sei Dant, endlich kommen Sie!" sagte das ältliche Fräulein, als ob sie schon längst nach ihm gefchickt hätte. Wat is' n los?"

Schnell, Mensch, ruff mit de Leiter, da hängt' n Bapajei am Bom, den foll'n Se runterlangen!" brüllte der Eilbotenjunge. ,, Na, det jeht doch nich so eenfach, meinte der Fensterputzer zögernd, id bin doch deswejen nich herbestellt." Aber pfui, feien Sie doch nicht folch ein Tierquäler!" rief indigniert das ältliche Fräulein.

Ach ja, junger Mann, holen Sie doch das Vögelchen herunter," bat die alte Dame. Und da sie einen durchaus trinkgeldfesten Ein­druck machte, schob der Fensterpuzer schließlich seine Leiter ausein ander und fing an heraufzuflettern.

Hach, wenn ihm der Papajei bloß nich die Augen aushadt," jagte die mitleidige Dide, die, wie alle mitleidigen Diden, eine blut­rünftige Phantasie befaß.

Aber plötzlich fing fie selber an sich die Augen zu reiben, fich abzuflopfen und auszuspucken. Und alle Umstehenden mit ihr. Oben angelangt hatte der Fensterpuzer nämlich aus Leibeskräften die Baumkrone gerüttelt und geschüttelt und so massenweise trockene Blätter und Zweigstücke in die aufwärtsgerichteten Gesichter da unten geregnet.

Aber Mensch, man' n bißten Vorsicht, det Tier fällt sich ja dot!" rief der Eilbote.

Doch es erfolgte fein Tier.

Ich kann ihm nich sehen!" telephonierte der Fensterputzer nach unten. Und als auch auf sein wiederholtes Rütteln nichts erfolgte, stieg er mit brummigem Geficht die Leiter wieder herunter. In diesem Augenblick durchschnitt ein Aufschrei die Luft. Eine sehr vielversprechend aussehende Köchin mit schön gerundeter Trägerschürze hatte ihren Einholeforb jäh auf das Pflaster geftellt und schlug nun die Hände fassungslos zusammen: Ach du mein Gott. unser Baul, nun ist er doch rausgeflogen!"

"

Sie vermiffen alio den Bapagei?" inquirierte das äftliche

Fräulein.

"

Bapagei? Ach, bewahre, unsern Baul meine ich doch, unfern Dompfaffen! Ich hab' ihn gerade nur eben vor'm Einholen ein bißchen an's offene Fenster gestellt, weil die Sonne so schön schien und da muß er sich seine Tür von alleine aufgemacht haben und is rausgeflogen. Ach mein jee, wenn das die Frau sieht"

Ach bloß' n Dompfaffe" fagten ein paar in ihren erotischen Eympathien Getäuschte und wanderten ab. Aber inzwischen hatte das ältliche Fräulein einen Einfall gehabt. Sie war in ein gerade in der Nähe liegendes optisches Geschäft ge­stürmt und nahte jetzt, mit triumphierender Miene ein Opernglas schwingend, das ihr der verdugte, unter ihrer niedenheit z fammenfnidende Ladenbefizer geliehen hatte.

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Gerry Wilke

Wissen

Zirkusfpiel.

Willst du im Zirfus denn partout den August spielen: nun, man zu! Man sieht sich das Spettatel an und denkt: na, hops du man!

Beilage des Vorwärts

Der ehemalige Kronprinz hat sich fürzlich im Breslauer Zirkus Busch an einer poilifchen Demonfiration des Schlesischen Land­bundes beteiligt.

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Verfassung

Ja, ja, nun sehe ich ihn ganz deutlich!" rief sie und schraubte in ihrer Aufregung das Clas immerzu heraus und herein. In Wirt­lichkeit lonnte sie nicht das Geringfte unterscheiden.

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Doch willst du, Freund, die Kapriolen etwa auch draußen wiederholen, dann paff gut auf: denn solchenfalls bricht man sich leicht den Hals!

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Daraufhin wagte der Fensterputzer nicht mehr zu opponieren; und obgleich thm die Rolle der modernen Geier- Wally gar nicht zu liegen schien, bestieg er zum zweiten Male seine Leiter. Er schlug fich oben tapfer mit der Baumkrone herum, indem er mit der Linken die festzugefniffenen Augen beschützte; denn er hatte für sich die Streitfrage hie Dompfaffe hie Papagei noch nicht getöst. Mittlerweile wanderte das Glas da unten von Hand zu Hand. und jeder, der durchfah, machte ein etwas verlegenes Gesicht und beeilte sich, es mortios schnell weiterzugeben, um sich selbst möglichen eine Kombination, und zwar von radio- elektrischem Aufnahme­schnell und unbemerkt zu entfernen.

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Als der Fensterputzer endlich eine Pause in seinem wilden Ge­schüttle eintreten ließ, sich die Augen auswischte und nach unten sah. hatte sich der Menschenauflauf vollständig verkrümelt. Keiner der Eifrigen von vorhin war mehr vorhanden; alie hatten sich gedrückt. Als Einziger und Letter war nur noch der Eisbotenjunge zurück­geblieben. Auch er saß bereits fahrtbereit auf seinem Rade, nur der rechte Fuß stemmte sich noch gegen die Bortschwelle.

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Na nu tommen Se man wieder runter," rief er dem Fenster putzer nach oben zu, wissen Se wat det jeweſen is eenfach' n Blatt,' n janz jeweehnniglichet rotet Blatt, wat sich' n bißken zu: fammenjerollt hatte. sammenjerollt hatte. Da unten liejt's, Se haben et ebend selbst runterjeichittelt. Nehm Se sich's man mit un lejen Se sich's in's de Bäume flettern, junger Mann!" Jefangbuch zum Andenken. Man muß ebend nich imma jleich uff

von der Bordschwelle ab und verschwand unter rasendem Geklingel Und darauf stieß er sich schleunigst mit kräftigem Schwunge

um die nächste Straßenecke.

Das Auge... ein Radioapparat.

Auge fällt. Prof. Lodge erklärt nun auf Grund feiner Untersuchung, daß nach seinen Feststellungen das Licht, das auf die Gegenstände fällt, die Atome der Gegenstände reizt. Durch diesen Reiz werden Elektronen von den Atomen abgeschleudert, und zwar mit einer Ge schwindigkeit von ungefähr 300 000 Kilometern in der Gefunde. Diese minimalſten Ausdehnung überhaupt wirken können, auf die Seh­Clektronen treffen nun mit ungeheurer Kraft, soweit sie bei ihrer keit, die sich als Lichtempfindung ausdrückt. Da aber diese Licht­nerven des Menschen und reizen dadurch die Nerven zu einer Tätig wirtung auf furze Wellen zurückzuführen ist, so stellt sich das Auge­des Menschen als ein regelrechter Aufnahmeapparat für Radio­ftrahlen dar, denn die kurzwelligen Energien sind nichts weiter als eine Art Radiowellen. Wir ersehen daraus, daß das Auge des Men­Sehens wird dem Menschen bewußt durch die Eigenschaft des Auges apparat und von Camera obscura ist. Der erste Borgang des als Aufnahmeapparat, da diese Eigenschaft die Lichtempfindlichkeit der Nerven betrifft, und der zweite Vorgang des Gehens erfolgt in der Art der photographischen Kammer.

fruchtbar, da sie sich auf jüngste Feststellungen der Physik vom Wesen Diese neue Theorie vom menschlichen Schen erscheint äußerst der Materie stützt und auch die neuesten optischen Gejeze in thren tung und Entwicklung der Persönlichkeit des Menschen Aussagen ge­Zusammenhängen berücksichtigt. Wie die Medizin über die Gestol. macht hat und somit in das Gebiet der Philosophie eingriff, so greift hier die Physik auf Grund ihrer Experimente in das Gebiet der e- dizin, und es scheint, als ob alle Wissenschaften allmählich in einen fchr engen Zusammenhang treten.

Molière- Ausgabe in 6 Bänden, die den sanften Novellisten Heinrich Molière und ichoffe. Im Jahre 1805 erschien in Zürich, vom Publikum wenig beachtet, im Berlage von Heinr. Geßner eine Zichokke zum Beranstalter hatte. Heute ist das Werk verschollen, und nur der Büchersammler betrachtet es mit Liebe und Zärtlichkeit. Sschottes Molière ist nicht der Blautus der Franzosen, er ist zurecht gestutzt nach den Mustern eines Jahrhunderts, das in Geßners Joyllen, in Gellerts Fabeln heimisch geworden war. Nur behutsam, liept Molière nicht wie wir ihn lieben, als den saftsprühenden die unser Uebersetzer sich gestellt und die er erfüllt hat. Nein, Zschokke nur nicht anstoßen, nette, weiche Namen wählen, das ist die Aufgabe, Schöpfer der französischen Komödie, als den milleidlösen Geißler der noch nicht lange genug im Ortus verschwunden. Zschoffe klagt, wo Schwächen seiner Zeit. Dazu war das empfindsame 3opfzeitalter teidigt, wo wir nichts der Berteidigung Bedürfendes erblicken. In wir bewundern; er milbert, wo wir das Original suchen; er ver­feiner Laune machte Molière aber nicht nur den Aerzten, sondern Betrügerei. Dieser Meinung waren wir nicht. Man muß es mit der ganzen Arzneiwissenschaft den Krieg. Er hält sie geradezu für den Aestulapen nie ganz verderben; sie haben fürchterliche Waffen in den Händen..." Und feusch, wie er ist, läßt er auch die Klistier­ihm dankbar sein, denn er hat uns ungewollt in feiner Molière­fprize fort: sie ist zu rauh für seine zarte Haut. Bir aber wollen Ausgabe einen prächtigen Spiegel feiner Zeit oefchenft. Oliver

Lodge, hat über das Wesen der Lichtwirkung auf das Auge Der berühmte englische Physiker der Orforder Universität, Prof. und über den Sehprozeß, der durch die Nerven dem Auge vermittelt wird, eine höchst bedeutsame Untersuchung angestellt, die nicht nur ganz neue Theorien über die Natur des Auges, sondern auch Auj klärung über den inneren Vorgang der Strahlenwirkung auf die Materie gibt, und die zusammengefaßt folgendes Ergebnis ge­habt hat. Die Frage. war für Prof. Lodge die, welche Borgänge im menschlichen Auge zusammentreffen, damit ein beleuchteter Gegen stand der Außenwelt auf die Sehnerven den zum Sehen notwendi­Gen Reiz ausübt. Wir wissen, daß das Auge eine Art Camera Hilfe der Linse auf der Netzhaut abwickeln und dadurch dem Menschen obscura ist. d. h., daß die Vorgänge in der Außenwelt sich mit als Bilder ins Bewußtsein kommen. Der Mensch nennt das: fehen. Run ist aber mit diesem Vorgang, der dem Prozeß in einer photo graphischen Kammer ähnlich ist, noch nicht erklärt, in welcher Weise Der Hut als Ehering. In Korea unterscheidet sich der verhei­das Bild der Außenwelt überhaupt in das Auge gelangt und wie es ratete Mann durch ein sehr auffälliges Zeichen vom Junggesellen. kommt, daß die Lichtstrahlen, die auf irgendeinen Gegenstand fallen, Gr allein darf nämlich einen Hut tragen, was dem Unverheirateten, derart wirken, daß sie die Nerven zu einer Bewußtwerdung der Vor- und wenn er noch so alt und ehrwürdig ist, niemals gestattet würde. gänge innerhalb des menschlichen Gehirns zwingen. Es besteht also Dieses sichtbare Merkmal der Che ist ein schwarzer, hoher Lachut. ein Unterschied in der Fragestellung. Die eine bereits geflärte Frage der mit langen Bändern unter dem Kinn festgebunden wird. Das wird dahin beantwortet, daß das Auge wie eine photographisaje Haar des Hutträgers wird gleichzeitig in ein Roßhaarnez- einge­Rammer wirft, to das Pi der Welt in das Auge fällt. Ingetfart hen. Der Urnerheiratete dagegen muß des Scar gescheitelt und ist aber noch die Frage, auf welche Weise das Bild der Welt in das in einen Bepi geflochten tragen.

W. P.