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Abendansgabe

Nr. 67 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 33

Bezugsbebingungen unb Anzeigenprette find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernfprecher: Döngoff 292-295 Tel- Udresse: Sozialdemokrat Berlin  

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Pfennig.

Montag

9. Februar 1925

Berleg und Anzeigenabteilung: Gefchäftszett 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   Sm. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2508-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Die Schuld am Ruhestandal.

Die Ausschaltung der sozialdemokratischen Minister.

Unmittelbar vor Redaktionsschluß geht uns folgende Er tlärung zu:

Die früheren Reichsminister Robert Schmidt und So11. mann haben in einer Ertlärung zum Ausdrud gebracht, daß Reichsstellen versucht hätten, die am 3. November 1923 ausgefchie­Denen sozialdemokratischen Reichsminifter für die unter Verlegung des Budgetrechts im Jahre 1924 an die Ruhrindustriellen gezahlten Entschädigungen mitverantwortlich zu machen", und haben im An­schluß daran drei Fragen an die Reichsregierung gerichtet. Dazu mird von unterrichteter Stelle folgendes festgestellt:

Der Reichstanzler stellte feft, daß das Reichsministerium dem Antrage der Sechserkommission zustimme und die Formu lierung des Antwortschreibens dem vom Reichsfinanzminister vorge­schlagenen Ausschuß übertrage.

"

Soweit die tatsächlichen Vorgänge.

b) Zu den

Fragen der früheren Reichsminister Robert Schmidt und Sollmann

ist danach folgendes festzustellen:

1. Es ist richtig, daß an den den entscheidenden Kabineffsfihungen vorangegangenen orientierenden Vorbesprechungen die sozialdemo­trafischen Minister als Chefs des Reichsminifteriums des Innern,

Verschleppung und Irreführung.

700 Millionen an die Schwerindustrie- das neunt Luther Ersparnisse.

Die Dentfchift der Regierung über den Ruhr standal ist abermals verschoben. Sie wird nicht im Anfang der Woche, sondern erst gegen Ende der Woche fertig­gestellt werden. Grund: Herr Luther ist nach dem deut­fchen Süden gereift. Die Herren der Bureaufraten- Bürger­blodregierung haben es nicht eilig, dem Reichstag Rechen fchaft abzulegen. Die Schwerindustrie hat ja ihre 700 Millio­nen, wozu also die Eile.

Inzwischen ist eine Dentschrift der Abnehmer der 700 Millionen erschienen, herausgegeben von dem Berein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Inter effen in Rheinland   und Westfalen  . Der 3wed ist, die Deffent­lichkeit über den Ruhrsfandal hi megzutauschen. Die Regie­rung hat wohl auf diese Denkschrift gewartet, um zu sehen, wie die Nuznießer sich herausreden? Die Annahme ist nicht

a) Bon Reichs stellen ist niemals verfucht worden, die am 3. No­vember 1923 ausgeschiedenen sozialdemokratischen Reichsminister für die im Jahre 1924 erfolgte Auszahlung der Entschädigungen an die Ruhrindustriellen mitverantwortlich zu machen. Richtig ist nur, daß riums der Justiz nicht teilgenommen haben. Dies Verfahren ent. unberechtigt. Die Denkschrift der Industriellen führt folgenden

November 1923 Richtigstellungen auf Grund der amtlichen Pro­tokolle und Utten vorgenommen worden sind. Diese Richtigstellungen beziehen sich nicht auf die Auszahlung der Entschädigung, sondern auf die Eingehung der Verpflichtungen der Reichregierung gegenüber dem Ruhrbergbau aus Anlaß der Micumverträge, die im Oftober 1923 erfolgt ist.

Die Verhandlungen zwischen Reichsregierung und Ruhrbergbau ( Sechsertommission) waren durch das Schreiben des Herrn Hugo Stinnes   vom 7. Oftober 1923 eingeleitet worden. Ueber diefes Schreiben hat am 8. Ottober 1923 im Reichstag eine Dorbereitende Ressortbesprechung stattgefunden, an der der Reichsfinanzminister, der Reichswirtschaftsminister, der Reichsarbeitsminister, der Reichsminister für die besetzten Gebiete und Bertreter des Auswärtigen Amtes teilgenommen haben. Es wurde lout Protokoll beschlossen, daß man sich über die Angelegenheit im Rahmen des gesamten Rabinetts unter Leitung des Reichskanzlers aussprechen müsse, sobald die erforderliche außenpolitische Klarheit gegeben sei.

spricht durchaus dem ordentlichen Geschäftsgang innerhalb des Reichsministeriums, nach dem an lediglich vorbereitenden Be­ſprechungen nur die unmittelbar beteiligten Reffortchefs teilzunehmen pflegen. Eine Bedeutung für die Entschließungen der damaligen Reichsregierung kommt diesen Borbesprechungen nicht zu, da Ent scheidungen dabei nicht gefallen find. Es haben vielmehr im An­Ichluß an jede Borbesprechung Stabinettssigungen stattgefunden und nur in diesen find Entscheidungen getroffen worden. An diesen Kabinettsfizungen haben ausnahmslos sämtliche sozialdemokratischen Mitglieder des Kabinetts teilgenommen.

2. Es ist richtig, daß an der Kabinettsfizung vom 1. November 1923 die fozialdemokratischen Minister sich der Stimme enthalten haben. Eine Ablehnung der Verantwortung für die Haltung der Reichsregierung. fonnte in dieser Stellungnahme der sozialdemokratischen Minister nach den Gepflogenheiten des Reichsministeriums nicht erblidt werden, zumal irgendein Einspruch prinzipieller oder sachlicher Art nicht erhoben worden ist, und zumal die grundsägliche Entscheidung über die seitens der Reichsregierung gegenüber dem Ruhrbergbau Eine weitere Borbesprechung unter zuziehung aus Anlaß der Micum- Berträge einzugehenden Berpflichtungen be Der Bertreter des Ruhrbergbaues fand am 9. Dreits am 20. Ottober 1923, und zwar unter Zustimmung des tober 1923, nachmittags 5 Uhr, im Reichstag   statt, die lediglich gesamten Kabinetts( einschließlich der sozialdemokratischen Reichs­der Klärung der in dem Brief vom 7. Oftober aufgeworfenen Fragen minister) gefallen war. Am 1. November 1923 hat das Kabinett nur diente und in der laut Protokoll gleich zu Beginn von der Reichs noch über die Festlegung der Einzelheiten Beschluß ge regierung festgestellt worden war, daß irgendeine bindende Ent­scheidung der Reichsregierung bei dieser Besprechung nicht stattfinden faßt. Diese sind in den Schreiben vom 1., 3. und 13. November 1923 niedergelegt.

tönne.

Ueber die auf den Brief des Herrn Stinnes vom 7. Ottober zu erteilende Antwort hat am 11. Ottober 1923 eine Rabi. nettssigung stattgefunden, an der auch die sozialdemokratischen Minister Schmidt, Sollmann und Rabbruch teilgenommen haben und in der dann die unter dem 12. Oktober erteilte und am 14. Ottober im Wortlaut veröffentlichte Antwort 14. Ottober im Wortlaut veröffentlichte Antwort in jedem einzelnen Bunfte festgelegt wurde.

Beweis:

Die Besagungsmächte haben nach der Berechnung, die auf der Konferenz der interallierten Finanzminister vorgelegt wurde, aus dem befekten Gebiet 982 Millionen Gold­mart herausgepreßt. Die 700 Millionen Entschädigung find nur 60 Pro 3. davon, also bringt die Industrie ,,, un­geheure Opfer".

Sofort, nachdem die Industriellen diese verlogene Be­weisführung der Deffentlichkeit vorfetzen, meldet fich auch die Regierung Luther   wieder. Sie verbreitet eine offiziöse Erklärung, in der es heißt:

D

Was die 700 millionen anlangt. so stellen sie nicht eine Entschädigung für irgendwelche, im Zusammenhang mit der Ruhr­besetzung erlittenen Schäden dar, sondern sie sind die Bezahlung für die nicht nur von der Schwerindustrie, sondern auch von der übrigen Wirtschaft der besetzten Gebiete geleisteten tatsäch lichen Reparations Sachlieferungen fagungsmächte. Diese Leistungen der besetzten Gebiete sind auf der fürzlichen Konferenz der alliierten Finanzminister in Paris   mit rund 1 milliarde Goldmart berechnet und dem Reich auf Reparationskonto gutgeschrieben worden..

t

an die Be­

Es ist ganz selbstverständlich, daß das Reich sich diese zunächst Don der pripaten Wirtschaft aufgebrachten Leistungen nicht auf Reparationskonto gutschreiben lassen tann, ohne andererseits der privaten Wirtschaft diese Leistungen zu be zahlen. Wie aus dem Vergleich der vom Reich gezahlter rund 700, Millionen Marf mit der dem Reich gutgeschriebenen Summe von rund 1 Milliarde Mart hervorgeht, ist bei der endgültigen Ab. rechnung mit der Wirtschaft der besetzten Gebiete über diese Leistungen im Wege des Vergleichs für das Reich eine erhebliche Er­sparnis erzielt worden."

3. Es ist richtig, daß sich feine Kabinetfsfigung der großen Koa­lifion mit der Frage der Zustimmung des Parlaments zu den Ent­Schädigungszahlungen an die Ruhrinduftrie befaßt hat. Richtig ist jedoch auch, daß die Form der Auszahlung für die Frage der Eingehung der Verpflichtung völlig unerheblich ist. Für die Diese amtliche Erklärung ist eine unerhörte Irre päter erfolgte Auszahlung der Entschädigung kommt eine Berant- führung der Deffentlichkeit. wortung des damaligen Kabinetts der großen Koalition felbftver- Beitung" macht darauf aufmerksam, wie die 982 Millionen Die Frankfurter  ffändlich nicht in Frage. Dadurch wird aber nichts an der Tatsache Goldmart, von denen die Regierungserklärung sagt, sie seien Am 19. Oktober 1923 fand eine erneute Begeändert, daß auch die sozialdemokratischen Mitglieder des Reichs zunächst von der privaten Wirtschaft aufgebracht", sich zu­fprechung mit den Bertretern der Sechsertom mis sammensetzen. fion statt. Bon den Reichsministern haben daran teilgenommen der Reichstanzler, der Reichsarbeitsminister, der Reichswirtschafts. minister und der Reichsverkehrsminister. In dieser Sigung berichtete die Sechfertommiffion über ihre Berhandlungen mit der Micum und entwickelte die Borschläge, die darauf in dem Schreiben des Herrn Stinnes vom 20. Oftober der Reichsregierung schriftlich übermittelt wurden. Beschlüsse wurden nicht gefaßt, die einzige Busage bestand darin, daß der Reichstanzler laut Protokoll in Aussicht stellte, die erbetenen Entscheidungen nach Erörterung im

Rabinett mitzuteilen.

fabinetts die Entschädigungsverpflichtung des Reichs gegenüber dem Ruhrbergbau anerkannt haben.

Zu dieser Antwort der Regierung auf die Fragen der Genoffen Schmidt und Sollmann stellen mirturz fol. gendes feft: Die Regierung zieht sich jetzt zurück auf eine grundsägliche Zustimmung zu einer Entschädi­gung für den Ruhrbergbau, die für jeden selbstverständlich mar. Demgegenüber möchte sie die Auszahlung der Entschädigung für unerheblich erklären.

Kohlensteuer 129 Millionen, 3ölle 163, Erlaubnisscheine usw. 101. Waldungen 27, Reingewinn der Regiebahn 67 und Bässe und Diverse 3 Millionen Mart. Aus der Beschlagnahme von Martnoten, aus Strafen und Requisitionen werden meiter 45,5 Millionen aus. gewiesen.

Das ergibt rund 535 Millionen. Für die Lieferungen der Industrie bleiben übrig nach der Angabe der inter­alliierten Rechnung 446,4 millionen Mart. Benn die Denkschrift der Industriellen eine Entschädigung von 60 Broz, für die Industrie aus diesen Zahlen heraus­

Im Anschluß an den Brief des Herrn Stinnes vom 20. Ottobet, Riefenausmaß, die unter so standalösen Bedin rechnet, so ist das ein plumpes Fälschungsmanöver.

in dem die obengenannten

20. Ottober mittags 12 Uhr eine Rabinettssigung statt, an der von sozialdemokratischer Seite die Reichs­minister Schmidt, Sollmann und Radbruch   und der preußische Ministerpräsident Braun teilgenommen haben. Der einstimmig gefaßte Beschluß des Rabinetts ging dahin, den Reichskanzler zu ermächtigen, auf der Basis der Vorschläge der Sechserfommission mit dieser zu verhandeln. Der Inhalt des Kabinettsbeschlusses ist in dem Schreiben vom 21. Ottober an Herrn Hugo Stinnes   niedergelegt.

leber die meiteren Verhandlungen zwischen Sechserfommission und Micum, die auf der Basis des Kabinettsbeschluffes vom 20. Oktober stattgefunden hatten, berichtete Herr Hugo Stinnes   in einer Besprechung am 31. Oftober abends 5 Uhr. Von den Reichsministern waren anwesend: der Reichsarbeitsminster, der Reichsfinanzminister, der Reichswirtschafts­minister, der Reichsverkehrsminister und der Reichsminister für die besetzten Gebiete. Nach Entgegennahme des Berichts und einer Er örterung der Lage wurde laut Protokoll beschloffen, die Angelegenheit einer möglichst unter Vorsitz des Herrn Reichskanzlers stattfindenden Kabinettssigung zu unterbreiten.

Diese Kabinettssigung hat am 1. November 1923 ftattgefurden. In ihr waren Don sozialdemokratischer Seite anwesend die Reichsminister Schmidt, Sollmann und Radbruch In dieser Sigung bat der Reichsminister des Innern Sollmann, die Stellungnahme der sozialdemokratischen Mitglieder bes Rabinetts zu ben Anträgen als Stimmenthaltung zu betrachten. Der Reichsminister der Finanzen schlug vor, die Redaktion des Antwortschreibens an Herrn Stinnes   einem Ausschuß zu übertragen, in dem die Reichskanzlei, das Reichsfinanzministerium, bas Reichswirtschaftsministerium und das Reichsministerium für Bieberaufbau nertreten feien.

Richtig ist, daß an eine Entschädigung von solchem gungen unfontrolliert und ohne Berrechnung aller Entschädigungen, die der Ruhrindustrie bereits zugeflossen sind, am 20. Oftober niemand gedacht hat. Weder die sozialdemokratischen Minister, noch Herr Stresemann, noch Herr Stinnes  , der die Zusage vom 20. Oftober als Mond­wechsel" bezeichnete.

Im übrigen bestätigt die Erklärung bis in die Einzel­heiten die Darstellung der Genossen Robert Schmidt und Sollmann. Es ist richtig, daß fie von allen Borbesprechungen mit Herrn Stinnes   ausge­schaltet worden sind. Es ist richtig, daß sie die Ver­antwortung für den Beschluß vom 1. November ab­gelehnt haben.

Was die Herren Stresemann   und Luther   sich dabei ge­dacht haben, ist unerheblich. Sie mögen das Protokoll dieser Kabinettssigung veröffentlichen, wozu fie fich immer noch nicht verstehen wollen.

Der südslawische Wahlsonntag. Ungeheurer Regierungsterror. Belgrad  , 9. Februar.( TU.) Nach Kroatien   waren vier Infanterieregimenter geschickt worden. Der Führer der Oppofition, Dawibovits, ber bei der letzten Wahl nur 4000 Stimmen erhielt, wurde mit 6000 Stimmen gewählt. In Laibach wurde der Oppositionsführer Dr. Anton Korosche 3 gewählt. Hervorzuheben ist

der große Stimmenzuwachs der oppofifionellen Parteien. Ein flares Bild über den Ausfall der Wahl wird man sich kaum vor Dienstag machen können, da die Resultate aus Bosnien  , der Herzego mina und Dalmatien   faum vor Montag eintreffen werden.

Geht man von den Zahlen aus, die die Abnehmer der 700 millionen und die Regierungserklärung zur Grundlage ihrer Berteidigung machen, so ergibt sich folgende Bilanz für die Industrie: Schaden durch erpreßte Lieferungen. 445 millionen Entschädigung durch das Reich Dez. 1924: 645 Millionen Geschenk an die Industrie: 200 Millionen So sehen die Dinge aus, wenn man die Zahlen zugrunde legt, von denen Regierung und Schwerindustrie ausgehen. Das nennt die Regierungserflärung: Ersparnisse".

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In der Tat mögen die Schäden höher gewesen sein. Aber die 700 Millionen aus dem Dezember 1924 sind nicht die einzige Entschädigung, die der Industrie des besetzten Ge­biets biets den großen Konzernen der Schwerindustrie  - zuge­floffen sind. Wo bleibt die Abrechnung über die Summen, die die Schwerindustrie während des Ruhrkampfes erhalten hat? Wie werden die niedrigeren Löhne der Arbeiterschaft, die Arbeitszeitverlängerung, die Hochhaltung der Kohlenpreise zugunsten der Industrie berechnet?

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Darüber muß mit flaren und einwandfreien Zahlen Aufschluß gegeben werden nicht mit Notizen, die nur der Irreführung dienen. Die Ersparniserklärung der Regierung ist ein besonders standalöser Fall in dem amtlichen Berschleierungsfeldzug der letzten Tage. Die amtlichen Er. flärungen. Die bisher abgegeben wurden, werfen von vorn­herein ein schlechtes Licht auf die Denfschrift, die immer wieder verschleppt wird.

Die Regierung ist bisher von einer Ausflucht in die wiffen wollen. Dann hieß es, es handele sich nur um andere gefallen. Sie hat zunächst überhaupt von nichts Bagatellbeträge. Schließlich mußte man, gezwungen