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Sonnabend

14. Februar 1925

Unterhaltung und Wien

Das Gehirn der Pflanze.

Bon Dr. W. Wächter.

übrigen Körper in Verbindung bleiben müsse, wenn er noch etwas zu sagen haben wollte. Als nu. Bonsen- Jensen mitteilte, daß seine Bersuche genau so ausfielen, wie wenn er den Kopf nicht abgeschnit ten hätte, begegneten seine Ausführungen natürlich vielseitigem Miß­trauen, aber unser Forscher hatte Recht, und heute ist das Guillo tinieren zu einer täglichen füßen Gewohnheit der sonst so anti­revolutionären Botaniker geworden. Durch die Versuche Boysen­Jensens war nun bewiesen, daß es wahrscheinlich lösliche chemische Stoffe find, die über die Wunde hinweg, durch die Gelatineschicht hindurch den Reiz übermitteln. Diese Annahme wurde faft zur Stücke des Kopfes, wenn sie dem Rumpf aufgelegt werden, ihre Gewißheit, als man erfuhr, daß auch abgetötete Köpfe oder nur

Deutschlands Retter aus dem Judenfumpf.

Redaktion

de

Börse eitung

Hinter

Daß bei einer Bilanze die Wurzel nach unten, in den Erd­oden, und der Stengel nach oben wächst, weiß jedermann; er hält für selbstverständlich und fragt nicht weiter nach der Ursache. cgt man aber einen Blumentopf mit einer Pflanze horizontal, ind sieht man dann, wie sich nach einiger Zeit der Stengel auf: wärts trümmt und die Wurzel ebenfalls eine Krümmung ausführt and in dem Topfe nach unten wächst, dann liegt die Frage nach dem Warum schon näher. Der berühmte englische Botaniker Knight bat vor etwa 120 Jahren bereits durch sinnreiche Bersuche nach- Wirksamkeit nicht verloren. gewiesen, daß die Schwerkraft die Ursache dieser Krümmung ist, und Darwin wußte bereits, daß es die Wurzelspize ist, die Den Schwerereiz empfindet und nicht ein beliebiger Teil der Wurzel. Er nannte darum die Wurzelspige scherzhaft das Gehirn" der Bilanze, weil von ihr aus die Wurzel gewissermaßen den Befehl erhält, sich zu frümmen, und zwar an einer Stelle, die weiter auf­wärts liegt, gerade so, wie unser Gehirn die Bewegungen unserer Gliedmaßen dirigiert. Schneidet man nämlich die Wurzelspizze ab, jo fällt es der Wurzel gar nicht ein, sich zu frümmen, sie bleibt fast horizontal liegen, mächst nicht in die Länge, weil ihr die jungen Sellen der Spize fehlen und freibt dafür Seitenwurzeln, die nach inten wachsen. Man schloß aus diesem Verhalten mit Recht, daß der durch die Spize empfangene Reiz fich in irgendeiner Weise fort. pflanzen mülse bis zur Krümmungszone, und die Pflanzenphyfio­logen beschäftigten sich in den nächsten Jahrzehnten eingehend mit der Reizleitungsfrage. Sie stellten feft, wie lange der Reiz ein wirken müsse, um wirksam zu werden; sie untersuchten, wie lange es dauert, bis der Reiz an einer anderen Stelle wirksam wird, und es entstand eine unübersehbare Reihe gelehrter und ungeheuer gründlicher Arbeiten; es wurde gemessen und berechnet und mit allerlei Hypothesen und Theorien suchte man das Geheimnis der Reizerscheinungen im Pflanzenreich zu enthüllen oder ihm wenig stens näherzukommen. Die berühmteste Theorie auf diesem Gebiet ist die Statolithentheorie des fürzlich 70 Jahre alt gewordenen Berliner Pflanzenphysiologen Gottlieb Haberlandt . Er fonnte zeigen, daß die Stärketörner in der äußersten Wurzelfpize beim Umlegen der Wurzel ihre Lage verändern, daß sie in der Belle herunterfallen und dadurch einen Druck auf das Protoplasma ausüben, worauf dieses dann in einen Reizzustand versetzt wird. Durch welche Kräfte dann der Reiz weitergeleitet wird, ob durch chemische Vorgänge, durch elektrische Wellen oder durch eine andere Kraft, darüber besagt diese Theorie allerdings nichts. Aber immer­hin war uns jetzt das erste Glied der Reiztette" fein Mysterium mehr; wir hatten einen realen Boden unter den Füßen, und gleich­zeitig war durch die Statolithentheorie wieder eine Brüde ge­schlagen zur Tierphysiologie. Denn die sogenannten Gehörsteine niederer Tiere sind, wie wir seit längerer Zeit wissen, auch nichts anderes als Schwerfraft- Sinneswerkzeuge, die mit dem Gehör nicht das mindeste zu tun haben.

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Wie die Wurzelfpige verhält sich nun auch die Sproẞipize; auch fie ist ein Organ der Reizaufnahme und auch ihr fann man das Brädifat Gehirn" beilegen. Für wissenschaftliche Untersuchungen benuẞt man nun vielfach die Reimpflanzen des Hafers, des Mais, der Gerste und anderer Gräfer. Die jungen Keimblattscheiden, die zuerst aus dem Boden fommen, die sogenannte Roleoptile", hat fich als äußerst empfindlich gegen alle Reize erwiesen, und Getreide­teimlinge fann man das ganze Jahr hindurch zur Verfügung haben. Weitere Fortschritte in unserer Erkenntnis der Reizleitung wurden mun besonders an diefen Roleoptilen" gewonnen. So machten der Bonner Pflanzenphyfiologe Filling und andere Forscher allerlei Einschnitte in die Koleoptilspizen, um zu sehen, durch welche Arten von Zellen und in welcher Richtung der Reiz fortgeleitet wird. Glücklicherweise bilden wir uns ein, daß die Pflanzen keinen Schmerz fühlen, wenn man ihnen mit dem Messer zu Leibe geht; und das haben die Botaniter vor den Zoologen voraus, daß ihnen die Bivisektionsgegner nicht in die Quere kommen, wenn fie nach Herzensluft mit der Pflanze verfahren, als sei fie etwas Lebloses. Man fand also, daß die verschiedenartigen Operationen die Reiz­leitung nicht unterbanden und man entdeckte auch schon, daß der Reiz über eine Wunde fortgepflanzt werden könne, aber man scheute fich immer noch vor dem letzten Schritt, der vollständigen Ent hauptung. Zu dieser Radikalkur entschloß sich schließlich der dänische Botaniter Boysen- Jensen im Laboratorium unseres größten Pflan­zenphysiologen Wilhelm Pfeffer in Leipzig . Der Gedante, einer Pflanze den Kopf abzuschneiden und ihn mit Gelatine wieder auf den Rumpf zu leben, war in der Tat recht fühn, denn man hatte bisher als selbstverständlich angenommen, daß der Kopf mit dem

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Ueber die Kriege.

Bon Anatole France .

Niemand hatte den Satz des Podagrabarden beachtet. Aber er schlug mit seinen weichen Händen auf die Lehnen seines Seffels und fagte zwifchen zwei Asthmaanfällen:

Gott sei Dank find wir ein Soldatenvolk geblieben! Hatschi! Wir lieben den Krieg! Hatschi! Und wir sehnen uns nach Kampf! Hatschi! Wir werden uns die 1870 von den Preußen gestohlenen Uhren schon wiederholen! Hatschi!! Hatschi!!"

Anatole France sah ihn einen Augenblick wortlos an und sagte dann sehr ruhig:

Ich bewundere eine so schöne Begeisterung bei einem Beteranen. Und ich bin sicher, daß, wenn das Baterland in Gefahr wäre, alle beherzten jungen Leute ihm ihr Blut nicht vorenthalten würden. Aber man fann nicht behaupten, daß die Franzosen den Krieg lieben. Kein Bolt hat jemals den Krieg geliebt. Kein Bolt hat sich je auf eine Schlacht gefreut. Letzten Endes denkt die Menge nie mit

Heiterkeit an einen Kampf.

Die Borstellungen der Historiker sind in der Hauptsache von Livius auf eine falsche Bahn gelenkt worden. Und ich glaube nicht, daß diefer Baduaner aufrichtig war. Er wußte ganz gut, daß nie­mand sich gern dem Tode ausfezt. Aber er sagte sich, man müsse die Moral der Römer, die zu erstarren begann, heben, und er blähte jeine wohltönenden Berioden auf.

Die Tapferkeit, die er besungen hat, halten wir für gewöhnlich den siegreichen Heeren zugute. Wir sind der Meinung, daß sie ihren Erfolg durch Nichtachtung der Gefahr errungen haben, und daß die linterlegenen es an Mut haven fehlen lassen. Ganz falsche Vor­stellungen! Das Glück entscheidet häufig die Schlachten. Die Armeen sind meiner Meinung nach alle mittelmäßig, und feine geht mit Heiterkeit im Herzen dem Tode und den Entbehrungen entgegen.

Man hat unsere revolutionären Truppen Inrisch gefeiert. Der Zufall spielte mir ein sehr erbauliches Bändchen in die hand von einem gewissen Rozières: Die Revolution in Meulan . Ich befize das Werk nicht mehr. Ich habe es hergelichen, und man hat es mir nicht zurückgebracht, ein Beweis, wie interessant es war.

Als das Vaterland in Gefahr bar, hob man in Meulan wie im gangen übrigen Frankreich Refruten aus. Das geschah unter großen Seierlichkeiten. Der Bürgermeister ließ die Bevölkerung in der Kirche zusammenkommen, Trommelwirbel ertönten, die jungen Leute schm3­ren zu sterben oder zu fiegen, fangen das Abschiedslied" und brachen

tür

O.KOESTER.

O Tannenzapf, o Tannenzapf, Wie schön sind deine Blätter! wir öffnen dir die Spalten weit,

Amsterdam

Du große Klau- Persönlichkeit! Wie schön find deine Blätter!" O Tannenzapf, o Tannenzapf, O. K.

Beilage des Vorwärts

oben zu wachsen. Da das nun aber nicht eintrat, so folgt aus dem Versuch, daß man die Kopfarbeit der Spitze überschäßt hat und daß im Grunde genommen von der Gehirn" tätigkeit nicht viel mehr übrig bleibt. Offenbar sind die Zellen der Krümmungszone selbst reizbar und es bedarf nur gewisser löslicher Stoffe, die in den Burzel- oder Sproßfpigen fabriziert werden und die dann in die Krümmungszone gelangen müssen, um den Reiz wirksam zu machen. Man wird jetzt daran gehen müssen, die rätfelhaften Stoffe, über die wir noch gar nichts wissen, zu erforschen. In neuerer Zeit hat man derartige uns noch unbekannte Stoffe, die an einer Stelle fommen, Hormone", das heißt zu deutsch Sendboten, genannt und des Körpers entstehen und an einer anderen zur Auswirkung damit wiederum versucht, einen Begriff aus der Zierphysiologie ein zuführen. Ob man damit auf dem richtigen Wege ist, muß abe gewartet werden. Manchmal führen derartige Bergleiche, wie wir bei den Statolithen gesehen haben, zum Fortschritt, manchmal aber ouch auf Irrwege, was auch nichts schadet, denn meistens gelangen wir in der Wissenschaft erst durch Irrtum zur Wahrheit.

Franz Kafka .

Bon Armin Artur Keffer.

Es war in den Tagen des Hochsommers, als mich die Nachricht von Franz Kaftas Tode traf. Ich befand mich damals auf einer Reise, Sommerlichter spielten in das Wagenabteil, und zu beiden Seiten breitete fich eine dampfende Erde, grüßte ein junger Birken­wald vor des Zuges hinstampfender Eile. In einem kleinen Koffer lag unter wenigen Büchern ein Erzählungswert Franz Kafkas . Ich erinnerte mich seiner und wollte eben danach suchen, als sich der Bug mit einmal träger bewegte und mir die Nähe einer Umsteigea station ins Gedächtnis rief. Ich zog den Schlüssel wieder point Rofferschloffe ab und wartete, bis der Zug hielt. Auf der kleinen Station taufte ich eine Tageszeitung, stieg in den neuen Wagen und faltete im Weiterfahren das Blatt auseinander. Unter dem Mofait fleiner Mitteilungen stand Franz Kafkas Name mit der Meldung von seinem Tod. Ich nahm es wie einen schweigenden Kommentar und versuchte über die umflorte Zeitung hinweg den Mens schen Raffa noch einmal wie einen Lebenden zu umfassen.

Das Buch wurde an diesem Tage nicht mehr aufgeschlagen. Es war mir, als fcharten sich die Gestalten Franz Kafkas zu einem be­wegten Rund zusammen und waren eine lebende Welt für sich, indes ihr Schöpfer von uns Abschied genommen hatte.

In dieser Welt sind die Menschen mit Tiergesichtern, die Tiere aber mit des Menschen Ausdruck begabt: es ist die beliebte Im­stellung Kaftas, die zugleich eine Frage ist: findet ihr die Grenze? Könnt ihr ausrufen: Hier beginne ich, der Mensch!"? Und wir fizen da, von einer tragischen Taschenspielerkunst geblendet, und vermögen nichts auseinanderzuhalten. Da ist Gregor Samsa in der Berwandlung, ein Geschäftsreisender, still und auf seine Pflichten bedacht hat er dahingelebt, bis er eines Morgens als ungeheures Ungeziefer erwacht. Und in dieser Gestalt behält ihn die Erzählung. Rafta macht uns da ein ganz neues Lebensverhältnis deutlich, er ändert die Maßstäbe und zeigt uns das Mensch- Tier mit einer er­schreckenden Gemeinsamkeit des Erlebnisses. Diese Phantasie ist nicht von Edgar Allan Poe übernommen, sie ist viel beschränkter und Aber man glaubte immer noch, daß die Wurzel- und Sproß­wird nur angewandt, wo es die Wirklichkeit noch einmal zu erreichen ipizen vorher gereizt werden müßten, damit sich die wirksamen gilt. Der verwandelte Samja bleibt durchaus real mit seinen tausend Stoffe bilden fönnten, und es war zu erwarten, daß man sich da- Beinchen, die er beim Erwachen unbegreiflich um sich flimmern sieht. mit beschäftigen würde, nun zu unterfucheft, ob die Reizstoffe, die Es ist die große Kunst Kafkas, uns feine Verwunderung über durch Lichtwirkung gebildet werden, verschieden von denen find, das Dasein zu lehren, wo uns mit ſtockendem Herzen die Traums die z. B. durch die Schwerkraft entstehen. Es wäre ja nicht un- haftigkeit des Lebens aufgeht und uns erst der Mut für die Denkbar­möglich, daß eine Spize, die durch Licht gereizt wurde, und die feit anderer Wirklichkeiten gegeben wird. Wir sind alle Schlaf­rian dann dem Stumpf auffezte, nur eine Lichtkrümmung, aber wandler meint Kafka und seht uns den Zweifel an aller Gegen­teine Schwerkraftkrümmung auslösen würde oder umgekehrt. Berständlichkeit ins Herz. Unmerklich( unauffällig feibit in feinem Satz­fuche in dieser Richtung sind aber nicht angestellt worden, weil in- bau) führt er uns zu anderen Möglichkeiten; das So fein wird ein zwischen, vor ganz kurzer Zeit, der ruffische Botaniker Cholodny, Andersein, wir nehmen Teil an Voraängen, dergleichen uns im wiederum durch einen verwegenen Versuch, die wissenschaftliche Belt Leben nie begegnen. Kafta aber gibt das Wunder: er macht, daß uns in Erstaunen setzte, durch den unsere bisherigen Borstellungen über darob keine Rebellion anwandelt, er bringt uns seiner Welt mit der­die Reizleitung aufs neue revolutioniert wurden. Cholodny schnitt felben Gläubigkeit nahe. nämlich den Wurzeln ihren Kopf ab, fette aber nicht diesen wieder auf, sondern den abgeschnittenen Kopf der Koleoptile, aljo des ober­irdischen Teiles der Keimpflanze. Wenn er dann die so präparierten Wurzeln horizontal legte, dann frümmten sich die Wurzeln abwärts, mic wenn sie unversehrt wären oder wie wenn man ihnen ihren eigenen Kopf wieder aufgefeßzt hätte. Da die Koleoptilspige um­gefehrt gereizt ist wie die Wurzelfpize, so wäre es natürlich möglich gewesen, daß der Koleoptilenkopf die Wurzel gezwungen hätte, nach zum Heere auf... Aber eine Woche später waren die meisten| mandant jah in seiner nie benutten Uniform herrlich aus. Er ritt wieder in Meulan und in der Umgebung auf dem Lande. Als die ein reizendes fleines arabisches Pferd, das er sich irgendwo beschafft Umstände sehr fritisch wurden, hielt der Bürgermeister es für richtig, hatte und auf das er sehr stolz zu sein schien, ein fleines, ganz abermals an die Bevölkerung zu appellieren. Er versammelte sie weißes, bezaubernd anmutiges und munteres Geschöpf. Es war so­mieder in der Kirche. Dieselben Refruten wurden ausgehoben und kamen nach einigen Tagen wieder. gar zu munter, zum Schaden des Gemüsehändlers. Als er das Tier tanzeln ließ, stieg es hoch, fiel auf den Rüden, begrub unieren Kom

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Rafta war ein Dichter aus Gewissen: in feiner Gesinnung mie in feiner Sprache, man weiß, daß er seine Werke nur mit Wider­willen herausgab. Er war der Sprecher der getrefenen Kreatur, dem Geschöpflichen gilt seine Liebe, mag er sich den Blick eines Tieres oder die Stimme menschlicher Einfalt geben.

Derart lebte unter uns ein Dichter, dessen Wert sich weitergeben wird von Hand zu Hand, ohnerachtet sich heute viel am Markte breit .macht, deffen Reinheit aber fast wie eine Legende anmutet.

noch einige Male. Diese Zeremonie wiederholte sich ohne erhebliche Aenderungen mandanten unter sich und tötete ihn so.

ein einziger! Er soll es bis zum General gebracht haben; ohne Endlich blieb ein einziger Bürger aus Meulan bei der Armee,

Zweifel mit Recht!

Ich kann mir nicht denken, daß es mit den Rekrutierungen auf dem Pont Neuf anders gewesen ist. Wenn man seine Ergebenheit für Frankreich auf dem Pont- Neuf zeigt, so geschieht das, damit man gesehen wird. Man hat sich gezeigt, das genügt: man ist aller Ber­pflichtungen ledig!"

France... ich verstehe Ihre Ironie nicht ganz. Militärische Tu­Der alte Dichter( fich räuspernd):" Nun, nun, mein lieber gend... Hatschi! ist glücklicherweise durchaus nicht so selten. Hatschi! Sie werden mir zugeben müssen, daß... Hatschi, hatschi!!!

France : Ich gebe Ihnen gern zu, daß es Selden gibt. Sie find es allerdings nicht immer. Der wirkliche Held gesteht, daß es ihm manchmal an Mut gefehlt hat. Ich gebe zu, daß gewisse Truppen in gewissen Augenblicken der Hingerissenheit schrecklichen Gefahren unerschütterlich standhalten. Aber aus allem, was wir wissen, müssen wir schließen, daß die meisten Soldaten, die eine Armee bilden, sehr an ihrem Leben hängen und es ohne Zwang niemals aufs Spiel setzen würden.

Deswegen erschien mir das fleine Buch, von dem ich eben sprach, durchaus glaubwürdig, obwohl es zweifellos nicht die geistige Ein­stellung aller Franzosen während der Revolution wiedergibt. Und meine eigene Erfahrung unterstüßt diese Auffassung.

Der alte Dichter:" Ihre eigene Er... Hatschi! fahrung?...

France : Gewiß.... Ich werde Ihnen getreulich einige meiner Eindrücke als Nationaigardist während der Belagerung von Paris erzählen.

Der Kommandant unferes Bataillons war ein dicker Gemüse händler aus unserem Biertel. Es muß festgestellt werden, daß es ihm an Autorität fehlte, denn er schonte sich gern.

Eines Tages erhielten wir den Befehl, an einem Ausfall teil zunehmen. Man schichte uns an die Ufer der Marne . Unser Kom

Wir weinten ihm teine Träne nach. Wir beschlossen, Halt zu.. wir den ganzen Vormittag und den ganzen Nachmittag liegen. Fern machen, uns aufzulösen und uns ins Gras zu strecken. Dort blieben hin grollte Kanonendonner. Wir, hüteten uns, in seine Nähe zu tommen.

Gegen Abend saben wir auf dem Wege längs des Flusses Schiffer Verbände. rennen. Einige waren pulvergeschwärzt. Verwundete trugen blutige Diese Tapferen hatten sich geschlagen, aber sie hatten Bech gehabt. Was für ein Gedante tam uns? Wir riefen: Es lebe die Flotte!"

in Harnisch. Mit aufgepflanztem Bajonett wollten fie gegen uns an­Dieser Ausruf, den die Matrofen für ironisch hielten, brachte fie rennen. Das erschien uns gefährlich. Wir verließen schleunigst den Rasen und gewannen Boden. Da wir ausgeruht und die armen Ber= folger erschöpft waren, fonnten wir mühelos entkomunen.

Wir marschierten wieder in Paris ein. Aber unsere lange line tätigkeit loftete auf uns, und wir hatten einen Riesenhunger. Sher ntachten wir uns fein Gewissen daraus, eine Bäckerei zu plündern, die auf dem Wege lag. Glücklicherweise hatten die Besizer noch zur Zeit fliehen können. Und wir wurden nicht zu Mördern.

So führten wir uns auf. Ich rühme mich dessen nicht, o nein, ich rühme mich deffen wirklich nicht. Aber ich gebe der Wahrheit, die ich über alles liebe, die Ehre."

Der alte Dichter: Das sind zweifellos außergewöhnliche Begebenheiten, hatschi! Und ich bin überzeugt, daß...

France : Lieber Freund, ich könnte es mir nicht verzeihen, Ihren Glauben zu erschüttern. wollte meine Waffengefährter in Ihren Augen herabſegen. Unfere lind glauben Sie beileibe nicht, ich Feinde waren wie wir. Nur wenige von ihnen waren Helden. Biele Zeugen haben gesehen, wie deutsche Soldaten, die man in die Gefahr= zone fchickte, geweint haben. And warum soll man diese Tränen ver­spotten? Sie galten sicherlich der Erinnerung an junge Frauen, die ihren Mann nicht wiedersehen, und an Kinder, die ihren Bater nicht mehr umarmen würden.

( Schluß folgt.)