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Nr. 45. �ahrgcmg

1. Seilage ües vorwärts

Ireltag, 5S. Jebruar 1H2S

Um öas Seamtensperrgesch. Die Deutsche Bolkspartei beweift ihrebeamtenfreuudliche" Haltung.

Di« gestern abgehaltene Etobwerorbneteiwersammlung g«. nehmigte vor Tintritt in die Tagesordnung ohne Debatte zwei Dar- lagen des Magistrats, von denen die eine SV 000 Mark für die Hinter- bliebenen der Dortmunder Srubenkatastrophe vorsieht. Die andere Vorlage enthält die Beschlüsse des Magistrats und der Kunstdepu- tation, die die Weitersührung des Tharlottendurger Opernhauses be» treffen. Tin Antrag unseres Genossen F l a t a n, den sozialdemokra- tsichen Zlntmg auf Aushebung des Beamtenfperrgesetzes vorweg zu behandeln, wurde gegen den Widerspruch des volks» parteilichen Herrn Caspari der den Antrag alsDemon- st ra t i o n* bezeichnete, angenommen. Man kann den Beamten, die immer noch dieser»Dolks�partet nachlaufen, diese Stellungnahme der Rachausfraktion nur zur gelegentlichen Beachtung empfehlen. Herr v. Eynern, der dann in der Debatte für die Deutsche Volkspartei sprach, redete stch ohne jede äußerliche Veranlassung so In Wut(der Berliner sogt: Pustete sich auf!), daß Genosse Uatau khn alt.ent­gleisten Parlamentsästheten" bezeichnete. Schallende, zustimmend« Heiterkeit guittierte diese treffend« Charakteristik. Der Antrag, der den Magistrat ersucht, bei den Behörden um Aushebung des Sperr- gefetzes vorstellig zu werden, wurde dann einstimmig angenommen. Um 7 Uhr erfolgte die Abstimmung über das Statut für die Wohlfahrtspflege der Stadt Berlin . Di« Abänderungsanträge aller Parteien wurden abgelehnt, dos Statut in der Zlusschußfosiung an- genommen. Dann gab', eine dramatische Szene. Ein Stadtverordneter beschwerte stch gegen einen ihm in der vorigen Sitzung ungerechterweise erteilten Ordnungsruf: ein Zuruf an den berüchtigten Pastor Koch sollte die Veranlassung gewesen sein. Ge- nosie Horlitz meldet« stch ol, Zwifchenrufer und wiederholte, daß er den Koch einen.Beschützer der Meineidigen von Magdeburg ' genannt habe. Jetzt konnte der vorstcher dem richtigen Mann den Ordnungsruf«rtellen. Der so charakterisierte Gottesmann nahm Wn Lorwurf schweigend entgegen. Wenn der Kommunist Dörr eine Anfrag« begründet, dauert es immer seine Zeit. So ging's auch bei der Anfrage wegen einer Wohnung»- Zuweisung an Kutisker im Jahre 1919. Allerlei ausfällige Redensarten. Scherze, bei denen dann die ausgelöste Heiterkeit schmunzelnd entgegengenommen wird, so Debattiert' Herr Dörr. Stadlrat Genosie W u tz k t antwortet« namens des Magistrats. Die Besprechung der Sache nahm die Stadwerordnetenvetfammlung lange Zeit in Anspruch, da Veutschnationole und Kommunisten sich bei der agitatorischen Ausbeute der Angelegenheit gegenseitig ab- lösten. Schließlich verlies dl« ganz« Sache im Sand«. Die üblichen kleinen Dorlogen, Antröge usw., alle debattelos erledigt, bildeten den Sch' der öffentlichen Sitzung. » Die Berliner Stadtverordneten befgßten stch zunächst mV einer DringlichkeitZvorlage des Magistrats, die die Sanierung bzw. Weiter führuag des Deutschen Opernhauses zum Zweck hat. Der Magistrat will das im Tigentum der Stadt befindliche Haus seiner ursprünglichen Bestimmung erhallen wissen, will es aber nicht verpachten, sondern den Betrieb einer Aktiengesell. schaft übertragen, deren Aktien die Stadt übernimmt. Die Grün- dung der Gesellschaft dränge sehr. Die Versammlung wird ersucfn. diesem Plane zuzustimmen; das Grundkapital soll aus 700000 M. normiert werden: e» soll ei» jährlicher BÄürfniszuschuß von hoch- stens 300 000 M. geleistet und für dl« Abwicklung des Konkurses ein Betrag von 80 000 M. ausgeworfen werden. Dt« Versammlung stimmte den Vorschlägen zu und trat darauf auch dem Beschluß des Magistrat» bei. für die Hinterbliebenen der bei der Grubenkalastrophe verunglückten 50 000 M. zu bewilligen. Die Zeitungsbericht« über die Berliner Gerichts- oerhandlung. in der schwere hygienisch« Mißstände auf

der Tuberkulosenstation des Krankenhauses Friedrichshain zur Sprache kamen, hat zu einer Anfrage der Demokraten Veranlassung gegeben Auf Antrag des Genossen Jla- (au wurde nach kurzer Aussprache mit der erforderlichen Zwei- drittelmehrheit beschlossen, unseren als Punkt 49 auf der Tages- ordnung stehenden Antrag vom 12. Februar:.Den Magistrat zu ersuchen, unverzüglich bei den in Betracht kommenden Regicrungs- stellen für die Aufhebung des Beamten- Sperrgejehes einzutreten', vorzuziehen und vorweg zu verhandeln. Dem Antrage auf Vorwegnähme hatte Dr. Caspari(DBp.) mit dem Hinweis widersprochen, daß ja das Gesetz am 31. März ohnehin außer Kraft trete und daß es der Sozialdemokratie wohl bloß um Agitation und Propaganda unter den Beamten zu tun sei. Lange(Z.) dagegen hielt gerade angesichts des bevorstehenden Ablaufs eine Stellung- nabme der Stadtoertretung für durchaus angebracht, wobei ganz gleichgültig sei, von welcher Partei der Anstoß dazu gegeben werde. In der Beratung wies Genosse �laiaa kurz auf die Verhandlung der Beomtenkundgebung vom letzten Sonntag im Großen Schau- spielhause hin und betonte daneben, daß das Gesetz die Selbstver- waltung ausgeschaltet habe, und daß es sich um die Wiederherstel- lung dieses kommunalen Rechtes handle; endlich stellte er fest, daß die bezügliche Denkschrift des Reichsftnanzminlsteriums durch Eeaen- denkschristen der beiden großen Beamtenverbände Zeile für Zeile widerlegt und ihr eine Reihe tatsächlicher Irrtümer nachgewiesen worden ist. Der Oberbürgermeister bemerkte, daß die Berliner Vertreter im Deutschen Städtetage sich von jeher gegen das Gesetz gewendet, auch gegen die erwähnte amtliche Denkschrift eine Gegen- denkschrift verfaßt haben, die in diesen Tagen der Oeffentlichkeit übergeben wird. Inwieweit der grundsätzlich« Standpunkt des Magistrats, daß das Gesetz mögsilbsr bald beseitigt werde, vom Reichstag anerkannt werden wird, sei eine andere Frage. In der weiteren Aussprache trat Goß(Komm.) für den baldigen Fall des Gesetzes und der Abbaugesetze ein, zugleich seinem Erstaunen Ausdruck gebend, daß eine so in Beamtenpropagando machend« Partei wie die Deutsche Bolkspartei der Beratung widersprochen habe. Darauf hielt v. Eynern es für erforderlich, nochmals mit er- heblicher Breite darzulegen, warum die Deutsche Bolkspartei der Vorwegnahme entgegen gewesen sei. Di« Fraktion habe stch mit dem Antrag der Sozialdemokraten noch gar nicht befassen können. Das Gesetz sei für Berstn bloß ein Hemmschuh: für die Provinz habe e» seine Borzüge. Eine so loddrig« Denkschrift«i« dt« l>es Relchsflnanzministerinms sei In älterer Zelt undenkbar gewesen. Lange(Z.) wies die In den letzten Worten liegende Insinuation zurück; die betrefkende Denkschrift stamme aus der Zeit, da Herr v. S ch l i e b e n Staatssekretär war, und der jetzige Reichsfinan.z- minister sei kein Mann der neuen Zeit sondern durchaus alte Schule. Die Aufhebung des Sperraesetzes wie der Abbaugesetze sei notwendig: beides lei als der Dcrfossung zuwiderlaufend mindestens moraliscb unzulässig gewesen. Auch Dr. Steiniger(Dnat.), Meth lDem .) und Richard Kunze sprachen sich für den Antrag aus. Goß(Komm.) bielt Herrn v. Eynern entgegen, daß auch andere amtliche Denk- schriftenlodderig' gearbeitet seien, so diejenige, die die Hingabe der den Ruhrindustriellenin den Rachen geschmissenen' 71S Mil­lionen zu rechtfertigen bestimmt sei, und Genosse Alatau zog aus dem Verlauf der Verhandlung den Schluß, daß die Umstellung der Tagesordnung der DDP. doch sehr unangenehm gewesen sein müsse, wenn es ihr gelang,«inen.Parka memsöltbetcn' wie Herrn von Eynern so aus der Fassung zu bringen. Unter großer Heiterkeit der Versammlung wurde vom Vorsteher die einstimmig« An- nahm« des Antrags konstatiert. Di« Anfrage unserer Genossen, wenn der Magistrat das Krematorium ia der Diesieimeyerstrahe fertigzustellen und in Betrieb zu setzen gedenke, wurde vom Genossen Klingler begründet und vom Genossen Stadtrat Ahrens beantwortet, der nur seiner persönlichen Anschauung Ausdruck geben tonnte da sich der Magistrat mr't der Frage noch nicht beschäftigt hat. Im Jahre 1924 hätten 12 SM verbrennimgen stattgefunden und man sei mit den vorhandenen Krematorien zur Rot ausgekommen: aller-

dings sei auch Tag und Rocht gearbeitet worden. Er würde ge­neigt stein, bei der Haushaltsberatung sich im Sinne der Anfrage einzusetzen. Eine länger« Debatte entspann sich über die Magistrats-- vorlag« wegen Uebernahme einer Bürgschaft von 100 000 Mark für die evangelische Gemeinde Deutsch st ämmi-- ger aus Rußland . Diese aus Rußland Vertriebenen hoben von der französisch-reformierten Gemeinde einen Teil des Kirchen- grundstücks Klosterftr. 43 auf 20 Jahre gepachtet, um dort die Jugend- pflege der Kolonie, ein« Schulabteilung(realgymnastalen Charakters), eine Speiseanstalt, eine Flüchtlinqsübernahme und als Bildungs- imd Einnahmequelle eine literarische Bühne einzunichten. In der Ausschußberowng hat die Vorlag««in« Mehrheit gefunden; in der zweiten Beratung im Plenum befürworteten Gäbcl(Kemm.) und Genosse Horlitz, der speziell die Leistungen der Goethebühi« unter die kritische Lupe nahm, die Ablehnung der Bürgschaftsübernahme. Kämmerer Dr. Karding mußte zugeben, daß auch der Magistrat An- stand genommen haben würde, sich für das Unternehmen zu inter - cssieren. Höft« er die Entwicklung voraussehen können. Koch(Dnat.) dagegen erblickte in der Hilfeleistung für diese vertriebenen deutschen Brüder eine Ehrenpflicht der Stadt Berlin . Mit 106 gegen 96 Slim- men stimmte die Versammlung der Uebernahme der Bürgschaft zu. Ueber die Satzung der Wohlfahrtspflege der Stadt Berlin stand die Abstimmung noch aus. Alle Abänderungsanträge wurden abgelehnt, der gemeinsame der beiden Rechtsparteien und des Zentrums, welcher die Wahl der Vertreter der freien Wohlfahrts- pflege durch die Versammlung aus den Ausschußbeschlüssen wieder beseitigen wollte, mit 110 gegen 92 Stimmen. Es verblieb durch- weg bei der Ausschußfassung. Gegen einen Ordnungsruf, der ihm in der vorigen Sitzungen zu Unrecht erteilt worden ist, hat Stv. Wilde­gans(Soz.) schriftlich protestiert, da er schon eine halb« Stunde früher den Saal verlassen Hab«. Der Ordnungsruf war erteilt wor- den wegen eines den Stv. Koch beleidigenden Zurufs. Koch wollte wissen, wor denn nun den Zwischenruf getan habe. Genosse horlitz meldete sich mit der Erklärung, er Hab« gerufen: .Beschützer der MemeiWgea von Magdeburg ' und hafte diesen Zuruf auftecht. Unter großem Hallo der Rechten wurde nun HorLtz zu? Ordnung gerufen. Dann begründete Dörr (Komm.) unter den herkömmlichen Anwürfen gegen die Sozial­demokratie und unter Erwähnung auch der Barmat-Affäre die An- ftage. ob behördliche Stellen mit das Zentralwohnungsamt In der Wo hmingszuweisung sangeleg enheit des übelberüchtigten Staatsbank- kredistchkbers St ut Ister in Wilmersdorf eingewirkt hätten. Genosse Stadtrat WuhN gab eine erschöpfende Einzeldarstellung des Falles, wie er sich ihm aus den Akten von 1919 bis 1922 darstellt. Dörr beantragte Desprechnnq und verlangte Auskunst auf dl« von ihm gleichfalls angezogene Barmat-Wohnungsangeleaenheit. Stadt­rat WuhN erklärte stch dazu außerstande, da dt« Akten nicht zur Hand sein. Di« Besprechung sand genügende Unterstützung. flock)(Dnat.) ersah aus der Darstellung dieser so verwickelten Sache immerhin so viel, daß Kuttsker unbevechtigt in Berlin gewohnt habe. (Zurufe links.) Der Deutschnastonale. der einen Ostjuden ausnehme, werde aas der Partei sofort ausgeschlossen.(Gelächter b. d. Komm.) Herr Koch wurde von dem völkischen Professor und Studienrat D a n i ck«- Neukölln und vom Kommunisten S t o l t sekundiert. Der letztere brachte allerhand Geschichten über Wohmmgsangelegenheiten der Barmars zur Sprache, ohne poststoes mitteilen zu können. Genosse Pastloch stellt« trotz des krampfhaften Widerspruchs der Rechten fest, daß der Ausspruch Kochs, daß kein Deutfchnottonaler einen Ostj'-iden aufgenommen hätte, auf sehr schwachen Füßen stehen müsse,.denn in die- Prachtwohmmgcn am Lurfürstendannn. deren Inhaber den Deutschnost analen doch fast durchweg sehr nahe ständen. Hab« doch kein einzizer Arbeiter Aufnahme gefunden. Jetzt säße» dorr aber zum Teil dieselben.Elemente', gegen deren Zuzug die Deutschmttionalen ihre Agttatton und ihre Einwände gen cht et hätten Damit schloß die Besprechung dieser Anfraze, Es wurden noch mehrere klein« Vorlagen erledigt und noch 9 Uhr erkolgt« der Äcklui-, der öffentlichen Sitzung. Eine eutfetzllche Tat ereignete sich im Werner-Werk in EiemenSftadt. Dort schlug ein schwerkriegibeschädigter Schlosser mit mebreren Hammerschlägen den Meister Weg nee nieder. Dieser wurde in sehr bedenklichem Zustand« in da» Paulinenhau« gebracht. An seinem Auskommen wird gezweifelt. Wegner ist zirka 40 Jahre alt, verheiratet und Familienvater. Der Grund zur Tat ist in Lohnstreitigkeiten zu suchen.

Der Apfel der Elisabekh Hoff. Von Wilhelm Hegcler. Während ihr Geist sich öffnete, kamen Bilder angeschwebt, blaß und schemenhaft zuerst, dann rasch immer farbiger: eine Gesellschaft im Wagen, junges Volk in dem einen, im anderen die Eltern... ein Kreis sich lagernder Menschen im Wald, ihr zu Füßen der Freund, sie fühlt seine dunklen Augen, die schmeichelnd werbenden, weichen Augen. War es damals. daß sie zuerst seine Liebe geahnt hatte? lind die Bilder folgten einander, immer runder und gefüllter: sie sieht die Gestalten ihrer Freunde, ihrer Freundinnen, Teile einer Unterhaltung werden wieder laut: man spricht vom Glück, drängt über die Lugend hinaus in die Zukunft, schwelgt in Plänen und Hoff- nungen.-- aber plötzlich wenden alle, auch sie, sich der feinen Gestalt eines Greises zu, der das Wort ergriffen hat.... Sie erinnert sich nicht mehr �iner Wort«, nicht einmal des Sinnes feiner Red«, aber das Gefühl, das sie hinterlassen hat, wird wieder lebendig in ihr, das staunende und leicht betroffene Gefühl, das übermütig öweifeln möchte und doch vor der Wahrheit sich beugen muß. Was mag er nur gesagt haben? Sie kommt nicht darauf. Erinnern Sie sich? unterbrach Ryseck ihre Gedanken. «Es war ganz der gleicke helle Sommertag wie heute, und es war die gleiche Waldlichtung wie diese. Fingerhut blühte und Anemonen. Schmetterlinge gaukelten, und ein Sommer- wölfchen schwebte im tiefen Blau, so zart hingehaucht und fein an Gestalt als wär's ein Schatten von Ihnen. Wir beide schwiegen die anderen ober sprachen vom Glück. Er- innern Sie sich, wie sie sich stritten, bis man einen alten Herrn fragte, der sagte: das Gluck sieht ganz anders aus. als ihr junges Volk euch träumt, es gleicht durchaus nicht der Göttin mit dem goldenen Füllhorn auf rollender Kugel. Es kommt, wenn man's am wenigsten ruft. Es ist der Einklang des Menschen mit sich selbst. An einem Sommertag im Wald zu liegen die Bäume rauschen zu hören, in den Himmel öu sehen...«ine Stunde wie diese: das ist das Glück. Zch glaube, daß die Erinnerung an solch eine Stunde das Heimweh drüben in mir erzeugt hat. daß sie mich zurückge- rufen hat nach Deutschland , zu Ihnen. Wie nichts sich ver- gißt. Nichts sich verliert Ts sinkt nur unsichtbar m die Tiefe, aber auf dem Grunds wirkt es fort, und die Stunde kommt, wo wir einschen, daß wir so handeln mußten, wie wir han- deltew Alles kommt wieder, und die zerrissenen Fäden wer- den von neuem verknüpft. Ganz wie eben rief auch damals der Kuckuck, und ganz wie jetzt erhoben Sie auch damals die

Hand und sagten, Sie wollten zählen, wieviel Jahre der Bogel mir gäbe. Aber ich sagte, nein, uns beiden sollt« sein Rufen gelten und es sollte die Jahre unseres Zusammenseins be- deuten. Sie begannen zu zählen und lächelten, als die Finger nicht ausreichten, und ich war so glücklich über Ihr Lächeln. Damals habe ich zum erstenmal gefühlt, daß ich Sie liebe, und... mar nicht damals auch in Ihnen ein gutes Gefühl für mich?' Sie antwortete nicht und hätte nicht antworten können, auch wenn sie gewollt hätte. Keine Regung ihres Gesichts verriet das innere Leben darunter, das so ruhig und so be- wegt war wie ein von unterirdischen Quellen gespeister Brunnen. Sic wußte nicht, wollte nicht wissen, was die sonnenwarme, sonnenhelle Süßigkeit bedeutet«, die in sie ein- strömte, sacht und schnell und so tief und überquellend, daß sie das Gefühl ihrer Körperhaftigkest verlor und wie in einen seligen Traum versank. Erst nach einer kleinen Weile richtete sie den zurückgelehnten Kopf wieder auf und sagte: Kommen Sie! Wir müssen aufbrechen. Sonst gelangen wir heute nicht mehr an unseren Bestimmungsort und ver- fehlen vielleicht meine Sebwester.' Sie waren doch noch gebsieben. Ryseck versicherte, sie hätten nur noch zwei knappe Stunden Fahrt und würden mit der Dunkelheil bestimmt in Ruprechtsau eintreffe». Während er eine kurze Pfeife rauchte, schloß Elisabeth ein wenig die Augen. Es war so schön, ganz still zu liegen, von der Sonne durchwärmt, vom leisen Rauschen der Baum- krönen eingewiegt und beglückt von dem Bewußtsein, daß der Freund an ihrer Seite ruhte. Rur manchmal, in langen Zwischenräumen, öffnete sie die Augen, als wenn sie sich uberzeugen müßte, daß alles Wirklichkeit sei. . Iber plötzlich sagte er. daß jemand auf sie zukäme. In der Tat tauchte zwischen den kurzen Baumstümpfen der Scho- nung ein kleines Männchen auf, dem der breite Schlapphut, das dunkle Gewand, das freundliche, etwas stubenblasse Gc- ficht das Aussehen eines Geistlichen gaben. Zu seinem lang- schossigen, schwarzen Rock bildete der große Rucksack auf seinen Schultern und der rot und blau karierte Beutel in seiner Rechten einen etwas komischen Gegensatz. Der alle Herr bahnte sich mit einiger Mühe durch das Brombeergestrüpp den Weg, zog artig seinen Hut und fragte, ob hier etwa ein Feuer brennte? Es scheint so," erwiderte Ryseck, oberflächlich seine Mütze berührend.Ist's vielleicht nicht erlaubt?' Das glaube ich eigentlich wohl kaum," erwiderte das Männchen.Aber offen gestanden, geht mich das auch nichts an. Ich wollte mir nur erlauben, um etwa» Feuer zu bitten.'

Während der Ankömmsing seinem altmodischen Stroh- futteral die einzige Zigarre entnahm, zog Ryseck einen glim- Menden Spahn aus dem Feuer. War es nun seine oder des alten Herren Schuld das Feuerscheit und die Zigarre stießen etwas unsanft zusammen und diese fiel in die Glut. Ach herrje," sagte das Männchen, und machte ein so betrübtes Gesicht, daß Ryseck sich ausrichtig entschuldigte und ihm eine neue Zigarre anbot, die mit vielen Höflichkeits- Phrasen abgelehnt wurde, während doch der fehnsüchtige Blick in das gefüllte Lederetui bewies» wie gern sie genommen wäre. Ryseck drängte sie ihm aus, worauf der zutrauliche Gast mit einem erleichterten Seufzer den Rucksack hinunter- gleiten ließ und sagte: wenn's den Herrschaften nicht unan- genehm wäre, möchte er sich hier«inen Augenblick ver- schnaufen. Er hätte mit seiner Tochter im Wald Pilze ge- sammelt, die nach dem Gewitterregen in ungeahnter Fülle hervorgeschossen wären. Esther," rief er,Estherchen, komm doch mal her! Hier sind die Herrschaften, denen das Auto gehört!" Er hätte nämlich bereits das Auto bewundert und eigent» sich den Cheuffeur um Feuer bitten wollen. Der gute Man« hätte aber so fest geschlafen, daß er es nicht über das Herz gebracht hätte, ihn zu wecken. Die Herrschaften sind gewiß auf einer größer«, Autt* reise?" Ryseck nickte nur. Ausländer, wenn ich fragen darf? Die Frau Gemahsim hat, soweit ich mich darauf versteh«,«inen echt angelsächsischen Typus. T�ou look likft an Enpflish wornan(Sie sehen wie eine englische Dame aus)." We're Americans(wir sind Amerikaner), brvmmte Ryseck. Amerikaner! Hatte er sich's doch gedacht! Das alte Herrchen besaß drüben auch Verwandte. Aber leider, leider war nach dem Krieg jede Nachricht von ihnen ausgeblieben... Er hielt es jetzt für an der Zeit, sich vorzustellen, und es erwies sich, daß er der Geistliche des benachbarten Dorfes war. Ryseck murmelte, die Mütze lüftend, etwas Undeutliches. Aber die beflissene Neugier des Gastes war noch hartnäckig« als seine brummige Zurückhaltung. Wohl oder übel mußte et sich zu einigen Antworten herbeilassen. Von Zeit zu Zeit rief der Vater nach seiner Tochter, die endlich gemächlich a«s dem Walde hervorschlenderte.( Schlank, ziersich. im kurzen Röckchen der Siebzehnjährigen mit einem mächtigen rotbebän- derten Strohut auf dem schwarzen Haar und in der Hand außer einem Blumenstrauß einen bunten Pilz tragend, glich sie selbst einem niedlichen Pilz.(Fortsetzung folgt.)