Einzelbild herunterladen
 
Irektag 20. Jebcnar 1925
Unterhaltung unö AAissen
Seilage des Vorwärts
Strinöberg als Wähler. Die Stockholmer NrHeiterkommun« feiert dieser Tage ihr LSjahriges OuWIäum, Bei diesem Anlaß oeröfseritlicht unser Stock» hointer Bruderorgan eine Reihe von Kundgebungen und Erinnerun- gen, unter denen ein Bericht über Strindbergs Teilnahme an den Stockholmer   Kommunalwahien kurz vor feinem Tode bisher im- bekannt gewesen sein dürfte. Di« Kommunalwahlen in Schweden  , sowohl in den Städten wie in den Landbezirken, waren damals Klassenwahlen, und zwar so abgestuft nach dem Einkommen, daß die Mehrzahl der Arbeiter ohne Wahlrecht roaien, während der Be­sitzende b« zu 40 Stimmen vereinigen durste Dies« Ungerechtigkeit, die erst während des Krieges in Schweden   oerschwand, war um so bedrohlicher, als die Kommunalvertretungen wiederum die Erste Kammer wählten, die auf Grund dertOgradigen Skala", wie sie hieß, dauernd eine Vertretung des Großbesißes bleiben mußte. Di« Sozialdemokratie hatte also all« Veranlassung, Partei- gänger auch in den besitzenden Klassen zu werben. Im März 1912 standen wieder Stadtvcrordnetenwahlen in Stackholm bevor. Strindberg, der zu seinem 63. Geburtetage am 2S. Januar Gegen­stand einer imposanten Nationalgabe und zahlreicher Huldigungen, nicht zum wenigsten von feiten der Arbeiterschaft, gewesen war, schrieb damals in einem Zeitungsartikel über diese Kundgebungen: Es soll nur eine Erinnerung bleiben, und für meine Kinder ein Erb«, das Verpflichtungen enthält; und es soll ihnen ein Gewissen sein, da» sich drohend erheben soll, wenn sie ihren geringen Ur- sprung und wenn sie vergessen sollten, aus welcher Quell« ihre besseren Lebensbedingungen geflossen sind." Darin sah man em« unzweideutige Sympathieerklärung für die Arbeiterschaft, und der damalige Funktionär der Arbeiterkommun«, jetzige Sekretär de» Schwedischen Eilenbahnerverixmdes. Axel Löfgren, wandt« sich schriftlich an Sirindberg mit der Frag«, ob die Arbeiterpartei Boll- macht für Ausübung des ihm zustehenden kommunaten Wahlrecht» erhalten könne. Strindberg wohnt« damals bereits in dem sogenannten gelben Turm, Drostmng- und T egnersgatan- E cke, wo er zwei Monat« später sterben sollte. Slm nächsten Tag brachte sein« Haushälterin bereits folgende Antwort: .Wenn Sie mst zwei Zeugen kommen swegen der Namens- unterschrist) vor 4 Uhr. erhalten Sie die Dollmacht. Ich liege nämlich krank und bin allein. Bitte klingeln Sie zweimal, zwei kurz« Schläge. Sr.".. Strindberg hatte, um stch vor den zahlreichen im berufenen und unerwartebzn Besuchern zu schützen, ein I«hr strenges Sichenmgs- system an seiner Wohnungsliir eingeführt. Auch als sich Löfgren und mit ihm der Redakteur Hjalmar Gustafson am nächsten Tag« unter dem vorgeschrieben m Klingelzeichen einfanden, wurden sie erst durch eine groß« Briefösfnung hindurch üb» den Zweck ihres Vc- fuches befragt, woraus mehrere Sicherheitsketten rasselten und sie eingelassen wurden. Der mythisch« Dichtergigant machte in der Nähe «irm gemütsweichen, fast kindlich-naiven Eindruck. Er fragte, wie- viel Steuereinbeiten ihm zuständen, und bot sie bei der nächsten politischen Wahl wieder sein« Vollmacht einzuholen. Als ihm be- deutet wurde, daß dl« Stellvertretung bei den Rcichstagswahlen nicht zulässig sei. schüttrlte«r nur den Kopf. Er kam auch nicht mebr dazu: denn im Mai war er bereits tot. Der Parteigenosse, der jedoch bei der Kommunalwahl mit Strindbergs Dollmacht auftrat, erfüllt« de» Auftrag nicht ohne Stelz und auch nicht ohne Aufmerksamkeit von feiten der Wahlleiter: denn im Saale vernahm man vom Wahllisch« den Ausruj:August Strindberg   40 Stimmen!"
Die Kartoffeln und die englische Kirche. Ein volles Jahrhundert brauchten die Engländer, um auf den Geschmack der Kartoffeln zu kommen. Und als man im Jahr« 172« endlich dazu überging, einen Bersuch mit der Einführung der Kartoffeln in Schollland zu
Der neue Siegfried.
H-ABBKING- V?
»Nun sei mal kein Irosch, lieber Drache, unö rücke den Silbersthatz heraus l"- »Nichts zu machen! Vir sind hier Neichsbank unö nicht etwa Seehanölung 1'
machen, begegnete man dabei dem heftigen Widerstand der Kirch«. Der Kamps, der von der Kanzel herabgesührt wurde, geschah von zwei verschiedenen Seiten au». Die Geistlichkeit verwarf den Kar- ll'ffelbau einmal mit der Vcgriindung, daß die Kartoffel in der Bibel mit keinem Wort erwähnt werde und daß ste daher als Nahrung für Christenmenschen nicht in Betracht kämme! Aus der anderen Seite ging man nach einen Schrllt weiter und erklärte die Kar- tofsel geradezu für die verbotene Frucht, die Adam zu Fall gebracht und �die Vertreibung des ersten Menjchcnpaares aus dem Paradiese zur Folge gehabt habe. Daneben erhoben auch die Aerzte gegen die Kartosfel die Beschuldigung, daß sie Fieber errege und dgß ihr Sc- miß den Aussatz hervorrufe. Ein Gistsee. Im Dal Piota(Kanton Tessin  ) liegt ein See, der Ritomsee. der von zahlreichen Fischen der mannigsachsten Arten be- völkert ist und auch ein reiches Pstanzenleben birgt. Das merk- würdige dabei ist jedoch, dah Fauna und Flora des See, nur bis in eine Tiefe von 12 Meter reichen. Genau von dieser Ties« ab ist das Wasser derartig mit giftigen Schweselwasicriimizasen erfüllt, daß alle Lebewesen, die sich darin aushallen würden, zugrunde gehen müßten. Woher hat der blaue Montag seineu Namen? Es ist interefloat, die Entstehungsgeschichte de»blauen Montags" zu verfolgen. Blauen Montag" oder noch kürzer:Blauen  " machen, heißt feiern, nicht arbeiten. Di« Bezeichnung rührt daher, well früher an
manchen Orten die Gepflogenheit herrschte, an dem Montag vor Be- ginn der Fastenzeit(Aschermittwoch) nicht zu arbeiten. Da die priesterliche Gewandung und der Altar in dieser Zell   blau(eigent­lich violett) sind, nannte man den arbeitslosen Tagblauen Montag" und dehnte diese Bezeichnung später aus olle Tag« aus, an denen nicht gearbeitet wurde. Zahlen vom Wellkrieg«. Die amerikanische   ZeitungAsiocioted Preß" widmet neuerdings stcuitischen Feststellungen über den Well- krieg besondere Aufmersamkcll. Sie hat ausgerechnet, daß der Krieg insgesamt 18 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Wenn alle Toten, hintereinander aufgereiht, an uns varbeimarschieren würden, so würde der Marsch fast sieben Jahre dauern. Jeder Tag bot 12 000 Menschen da» Leben gekostet, m jeder Sekunde sind durch- schnittlich 10 Kriegsteilnehmer gefallen. Die Kosten des Krieges werden von einem Prvsessor an der Universität Illinois   aus Grund amtlicher Unterlogen aus 186 Milliarden Dollar errechnet. Di« indirekten Kosten, die der Krieg verursacht hat(Aussall der Arbeits- kraft): werden auf- mindesten» ebensoviel geschätzt.(Es waren ins- gesamt 70 Millionen Monis mobilisiert, von den«, angenommen wird, daß sie jährlich für je 600 Dollar Arbell hüllen leisten können.) Die Geiamtkosten de» Krieges würden sich demgemäß auf etwa 400 Milliarden Dollar 1,6 Billionen Goldmark stellen Auf die gesamt« Erdbevölkerung umgelegt, würden also aus den Kopf 1000 Mark entfallen.
öußtag. Bon S. B u e tz. Mit schwachem unstäten Licht« sah der Mond aus dem Gewölk. halb versteckt zwischen schwärzlich flatternden Nebendünsten, die über den Hstnmel hinzogt- Der blasse aufflackernde Schein hatte etwas Unheimliches fast Grauenhaftes. Gleich schlenkernden knochen- losen Ftngern pendelte er halt- und kraftlos über den Erdboden hin. Alle Gespenstergeschichten, die Annemarie im Laufe der Jahre im Dorf gehört hatte, fielen ihr ein. Hu... h... l schrie da nicht der Kauz... I? Das Mädchen duck:« sich erschreckt. Ihr brauner faltiger Rock mit der darüber gebundenen schwarzen Wollschürze streifte den Erd- boden. Ueber ihre dicken, hastig ausgesteckten Zöpfe fuhr eitig und rauh der Nachtwind. Tiefrot und lebenshungrig quoll aus dem verängstigten, v«r- zerrten Gesicht der junge Mund. Iu... hu...! schrie der Kauz. Annemarie richtete stch aus. Ihr Körper straffte sich. Klappernd schlugen ihre Zähne aufeinander. Wild reckt« sie den starken Arm empor, der bis zum Ellenbogen hin nuckt, wie alter sdunkle» Elfenbein im unbestimmten Licht aufleuchtete. Schrei nur, du llnglücksvogell Vertreibst mich nicht! Geh doch nach Lichtenberg herunter!" keuchte die junge Magd mit schreckens- weit geöffneten Augen: die trugen die Farbe der reifen Brombeere. Iu hu! Huh...> schrie der Kauz. Und wie im hohnenden Spolle ergossen sich dem Schrei noch tausend der silberklaren Mondstrahlen durch das vom Winde aus- einandergelliebene Gemölk über die Erde hin. Taghell lagen die Felder. Toghell der Weg! Annemarie zitterten die Knie. Im Entsetzen der Angst kreiste ihr Blick umher, schützende Dunkelheit zu suchen, die ste verborg. Doch nirgends ragte ein Bamn hervor, wuchs, Schallen um stch drei- tend. ein Strauch. Nur Felder dehnten sich.... endlose, glall hin- gesteckte Felder von breiten stummen Wegen durchquert. Hier und da ragte einsam ein weißgetünchter Ehausseestein, der von der braunen aufgepflügten Erde umhäuselt. scharfumrissen weichin sichtbar lag. Im Rücken Annemaries tauchte die �ilhoucilc einer Kirchturrnfpitz« auf. Dort lag das Dorf, aus dem die D'.nte kam, und dessen spähende �ug  «n sie fürchtete....... Heller wurde das Mondlicht. Strahlender... Die iunge Magd warf«inen ängstlich scheuen Blick um sich. dann lies sie. die Jack« jhalb über den Kopf geworfen, jagend, stolpernd weiter. Ohne Ende schien der Weg.- ohne Ende die umgepflügten nassen Felder. Annemarie keucht«. Erschöpft hielt sie in dem g«. waltsamen Lauf« inne. Ihre Schuhe waren bleischwer von den großen»lumpen Erde, die sich darum geballt hatten. Trotz der kalten und unter dem dahinstreifenden Winde rauhen Lust, ramien dick« Schweißperlen über ihr« Stirn. Während Annemarie noch still stand, um wieder zu wem gelangen zu können, sang der matte einer Kirchenglocke langgezogen über die Men Felder Hill.
Annemari« fuhr zusammen... Horchte... zählte... an den Fingern die Glockenschläge mit. Erst eloc...!l" Di« Magd riß schreckhaft die Augen auf. Erst elve...! Und wenn sie wie jetzt weiter lief, dann war sie in einer knappen halben Stunde in Lichtenberg drunten... und im Büchchen stand... zwölf mußt« es sein! Klack Schlag zwölf! So jemand einer großen Sünde will Verzeihung finden, gehe er allein in der Nacht, die vor dem heiligen Bußtage und Beltag liegt, zur Kirche St. Johannis, gleichviel wo si« auch liegen möge, knie mit d.m Schlag« 12 Uhr vor der oerschlosienen Tür« des Gottes» Hauses nieder, hebe die Hände auf, bete inbrünstig und bereue". Plärrend hatte die Magd die Worte hergeleiert. Ja, so stand's im Büchchen, das sie bei ihrem Bauer in der Bodentiste beim Reinemachen gefunden hatte... Oh, dank dem Büchchen! Und Wahrheit ist es! Flüsterten st» denn im Dorfe nicht hinter allen Türen vom Rtitchold, der es auch oersteckt hatte?! Im Rausch halte der«inen Mann erschlagen kurz vor Bußtag... Da hatte er sich hingeschlichen zur Johannistirche in Lichtenberg, zwei Stunden vom Heimatsdorf: allein... in der Nacht. Und war da jemals etwas danachgekommen?! Einen Menschen umgebracht hatte der und lief frei umher! Beweisen hätten sie es ihm nicht können, vor Gericht, sagte der Schulze. Jawohl, so dumm waren sie nun auch nicht mehr und glaubten alles! Die Herren in der Stadt sollten nicht heraus- bekommen haben, was jede» Kind hier wußte?! Und hatte der Fritz Lüd-r dcny nicht schön seine drei Monat« abbekommen, nur well er beim Steffenbau« ein bischen gemaust hatte?! Mrklich nicht viel. Woher wußten si« denn das mit einem Mole! Die Herren von der Stadt?! So aber stand es. dem Reinhold war vergeben worden, weii er am Bußtag nacht bei St. Johannis bereut hart« da konnten si« ihm nichts mehr antun! Und ihr ihr würde jetzt auch vergeben werden...!! Dos Mädchen strich sich das wirre Haar aus der Stirn«, das blauschwarz und strähnig ihren Augen zufiel. Ach, und nun war es erst eloe I Wenn man sie doch noch sah! dann tan es heraus... Aber es durste nicht herauskommen! Es durfte nicht!! Ist eloe... und die Helligkeit! Die Magd stöhnte auf. In wilder ohnmächtiger Verzweiflung starrte sie zum Himmel auf, an den jetzt i» wolkenloser Klarheit tm silbernen Leuchten der Mond stand. Annemarie schien es, er starr« höhnisch drohend zu ihr hinab. Da erschrak sie dumpf. Hoher Gott im Himmel droben... ich bereue alle meine Sunde. Jesus   oergib mir..." Ihre Stimm« plärrte. Ihre jungen Lippen zitterten. Schütteln packt« sie und ließ ihre ganze kräftige Gestalt erbeben. Die Jacke svst bis zum Mund« über den Kopf gezogen, die Arm« eng an den Leib gepreßt, stürzt« das Mädchen auf dem Feld- weg« weiter. Schmutz spritzte um sie her. Nur jetzt nicht»och gesehen werden..! Nur jetzt nicht noch!.. Eitz eloe...____
Aber wenn sie so wetter lief dann tan sie ja gleich noch Lichtenberg! Und wenn sie wartete, drunten im Dorfe... dann sah man sie... Wohin aber sollte sie? Wo sich bis dahin vor dem hellen Mondeslicht verkriechen? Wild sah die Magd sich mn. Platt hingestreckt« ebene Felder, die sich endlos aneinander reihten, die bäum- und strauchlos säst toghell beschienen unter dem nächtigen Himmel lagen, starrten sie an wie die offenen Augensterne Blinder. Die zügellose Wut der Krafwollen, die sich nicht wehren können. packte die Magd. Ihre großen, verarbeiteten Hände ballten sich dem Monde entgegen. Laut glitt ein häßliches Schimpfwort über ihre Lippen. Int selben Augenblicke schlug Annemarie sich mit der Hand auf den Mund, als könne ste den Laut ihres Wortes, der eilig über die stillen Felder lief, damit noch aufhalten. Zitternd bog sie sich vor. Hatte sie jemand gehört! Kam nicht schon jemand?! Mit nitterdrücktem Schrei stürzte das Mädchen weiter, um dann erneut stehen zu bleiben. Und wie sie stand ratlos, stierend angstgepeinigt, kam ihrem schwerfälligen Gehirne ein Gedanke. Beten wollte siel Jetzt schon beten! Das würde helfen. Sicherlich!.. Doch Annemaries Gedanken fanden kein einziges Wort. Keiner der vielen Gejangbuchoerje, die sie sich in ihrer Schulzeit so mühevoll in ihren Kops gezwängt hatte, wollten über ihre Lippen kommen: di« hart« tägliche Arbeit hatte alles verwischt. Tränen der Angst liefen der Magd über die Wangen  . Graufam war es, longfam auf dem hellen Wege, der jetzt jeden Kiesel, jede Fahrrinne deutlich zeigte, gehen zu müssen, hiergegen war das Laufen in der Dunkelheit eine Wohltat gewesen! Ed es schon halb zwölfe war..? Fiel ihr denn nichts! gar- nichts«in!?... Sie mußte doch beten! Wenn sie kein Gebet fand, dann.... Schluchzen stieß das frierende zitternde Geschöpf. Und plötzlich wußte sie auch ein Wort. Das war ein Gebet!' Und vergieb uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.. Einen Augenblick vergoß Annemarie ihre wilde Angst. Di« Augen klar zu dem schweigsamen Nachthimmel ausgerichtet, wieder- hotte sie mst unwillkürlich gefallenen Händen:Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern..." Mehr wußte sie nicht, aber sie fühlte, es genügte. Doch wie... wenn ihre Schuld mm doch zu groß war...?! So groß daß Gott   ihr nicht vergab? Schauder Entsetzen... Verzweiflung packte die Magd. AI» hätten mitleidslose grobe Hände sie gestoßen, sank ihr Kopf vornüber. Der Reinhold war betrunken... der wußte nicht was er tat, als der den Anderen erschlug! Aber sie.. aber sie... Anne­maries Zähne klapperten. Langsam... von der Angst krumm gezogen, wie ein« alte Frau, schritt ste schleifend mit ihren schweren Gliedern de« Feldweg entlang. Murmelte brüchige Worte wie ein Lechz«».(Schluß folgt.)