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Sonnabend

21. Februar 1925

Unterhaltung und Wissen

Der Pilgrim" von San Juste.bes Kaiſers gelangt waren. Das Gewicht, des gesamten Tafel­

Radt ist's, und Stürme faufen für und für, Sifransche Mönche schließt mir auf die Tür."

Am 17. September 1556 tat Karl V.   den entscheidenden Schritt, der seinem ereignisreichen Leben einen gewissen Abschluß gab: er juhr von Seeland nach Laredo in Biscaya und trat in das Hierony mitentlofters San Jufte in Estremadura  . Ein dichter Kranz von Sagen hat sich über diesen Eintritt Karls in das Kloster gesponnen. Der Herrscher der Hälfte dieser Welt" wird als Bewohner einer fleinen Mönchszelle geschildert, der müde von seinen stürmischen weltge­schichtlichen Taten ausruht und nur der religiösen Vorbereitung auf das Jenseits hingegeben ist.

Das ist eine stimmungsvolle Fabel, eine fromme Lüge, zu chrift lichen Andachts- und Erbauungszweden geschickt ersonnen. Der Herrscher, in dessen Weltreich die Sonne nicht unterging, umgab sich in San Juste mit einem Gefolge von fast hundertundfünfzig Personen und genoß in vollen Zügen alle Annehmlichkeiten eines großen Hofes. Was für ein verwöhnter Feinschmecker diefer faiserliche Mönch" war, das hat der Engländer Prescott in seinem Anhang zu der Ge­fchichte Karl V.   von Robertson nachgewiesen. Den Bericht Prescotts hat H. G. Wells zum Teil in seine Grundlinien der Weltgeschichte ( 1925, Berlag für Sozialwissenschaft) übernommen.

Dem Staatssekretär von Valladolid wurden zahlreiche Aufträge für die Tafel Karls gegeben. Prescott schreibt: Für den Staats­jetretär muß es nicht leicht gewesen sein, beim Lesen der Depeschen ernft zu bleiben, in denen Bolitit und Feinschmeckerei so seltsam durcheinander gingen. Der Kurier von Valladolid nach Lissabon   war beauftragt, den Umweg über Jarandilla zu machen, um Borräte für die königliche Tafel zu bringen. An Donnerstagen mußte er Fische bringen, die für den folgenden Fasttag zu dienen hatten. Karl fand Die Forellen aus der Umgebung zu flein, deshalb mußte eine größere Gattung aus Balladolid beschafft werden. Er liebte Fische aller Art, auch Aale, Frösche und Austern nahmen einen gewichtigen Plaz_auf dem königlichen Speisezettel ein. Eingelegte Fische, besonders Sar­dellen, fanden Gnade vor seinen Augen, und er bedauerte sehr, daß er feinen größeren Borrat davon aus den Niederlanden mitgebracht hatte. Eine Aalpastete begeisterte ihn besonders."

Der Bapst Julius III.   bemühte sich, dem raffinierten Gourmand das Klosterleben" besonders angenehm zu gestalten. Er dispenfierte ihn vom Fasten. Karl frühstückte selbst vor der heiligen Kommu­nion".

Die fleine Zelle Karls muß aus einer ganzen Flucht von Zimmern bestanden haben, um alle die Seiden- und Samt­gewänder, die Teppiche, die Garnituren von Gobelins, die Thron himmel des Kaifers aufzunehmen. Prescott berichtet nämlich:

" Daß Karl gegen seine äußere Erscheinung in Jufte nicht gleich­gültig war, läßt sich aus der Tatsache folgern, daß seine Garderobe nicht weniger als sechzehn Seiden- und Samigewänder umfaßte, mit Hermelin, Eiderdaunen oder den weichen Haaren der Berberziege gefüttert. Was die Möbel und die Deforation seiner Appartements anbelangt, so fönnen wir sehen, wie wenig den leichtsinnig darüber in Umlauf gebrachten Berichten zu trauen ist, wenn wir einen einzigen Blid auf das Inventar feines Befizes werfen, das Quirada und Gaztelu bald nach ihres Herrn Tode aufnahmen. Unter den angeführten Dingen finden wir Teppiche aus der Türkei   und aus Aicarez, Thronhimmel aus Samt und anderen Stoffen und Wand­behänge aus feinem schwarzen Tuch, wie er fie seit dem Tode seiner Mutter stets für sein Schlafzimmer benutte; für die übrigen Apparte ments waren nicht weniger als fünfundzwanzig Garnituren von Gobelins vorgesehen, von den Webstühlen in Flandern   herrührend, reid) geziert mit Tierfiguren und mit Landschaften."

,, Unter

den verschiedenen Stücken des Tafelgeschirrs finden wir einige aus purem Gold, andere, die wegen ihrer merkwürdigen Arbeit be­fonders hervorgehoben werden, und da in jenem Zeitalter die Kunst, Edelmetalle zu bearbeiten, zu höchster Vollendung gediehen war, tann

Bußtag.

Bon S. Buez­( Schluß.)

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Lieber Gott   hör doch... Vielleicht war es nicht mal eine Sünde... Bielleicht hat es... gar nicht gelebt. Ich habe nicht hingesehen... Lieber Gott  ... glaube mir... ich habe wirklich... richt hingesehen..! Ehe als er hätte schreien tönnen es durfte doch nicht schreien... die Bäuerin hätte es doch gehört!... gleich habe ich ihn die Hand um den Hals gelegt. Gar nicht... fest... Nein, es hatte nicht gelebt! Sonft tomte es doch nicht gleich fo stille gelegen haben. Sie hatte doch nur... doch nur so wenig... mit der Hand gebrüdi.

Ju

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- hu..! schrie der Kaug. Das Mädchen freischte auf.

" Ich sage doch die Wahrheit! So wahr ich lebe doch die Wahrheit-!!"

ich sage

Mit schlotternden Knien lief fie weiter. Jetzt unten in dem schmalen engen Graben, in dem eine Drainierröhre fief. Wieder fang eine Glocke liber das Feld. Diesmal nur zu einem furzen Schlage, den das Echo in die Länge zog.

Halb zwölf... Und Annemarie fah schon die dürftigen, eng aneinander gedrängten Häuser des Kirchdorfes von Lichtenberg.

Da nahm sie ihren braunen Rod fäuberlich hoch und hockte fich auf die Drainierröhre hin. Die Ellenbogen auf das Knie geftüßt, ben müden Kopf in die verarbeiteten Hände gelegt, versuchte die junge Magd dem Gott da droben in Hinamel über den funfelden Sternen auseinanderzufezen... zu erklären, warum sie nicht anders zu handeln vermochte.

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Leife, mutlos sprach sie vor sich hin. Gott im Himmel, was hätte ich denn sonst wohl tun follen? Ich bin bei Bauer Henisch in Stellung. Schon zwei Jahre... Die Frau ist zufrieden mit mir. Viel Lohn gibt es nicht. Wo aber soll ich konst wohl him... Die Mutter habe ich nicht mehr; der Bater hat die zweite Frau, die gönnt mir nichts... Nicht mal Mus aufs Brot, wenn ich Sonntags mal herkomme. Was sollte da wohl für den Kleinen abfallen?! 30 Mart habe ich auf der Sparkasse, mehr nicht. All mein bischen Lohn geht sonst in Bantienen Schürzen und Strümpfen drauf. Mal ein neues Kleid muß auch sein,... tanzen will man doch auch zu meilen. Man ist doch noch jung! Ich geh doch schon längst nicht alle Sonntage. Bo hätte ich es auch laffen sollen?.. Wo denn das Geld für die Ziehfrau hernehmen?! Und aus der Stellung hätten sie mich auch gejagt, nee, nee, es fonnte nich leben! Es ging janz wirklich nicht.. Wenn nur der Aschlaften nich wäre!... Ich fann und kann den Aschkasten nicht mehr sehen! Herrgott im Himmel, Jefu,... Schn Gottes!... i bereue meine Sünden!! Bieber Gatt, im Him. mel, laß mich mieder mit gutem Gewissen die Asche ausschütten tön­nen! Dan jchweren eijernen Dedel aufheben..."

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Die Moge hittelte fich voll Goquen sund Entfezen brüdie

fein Zweifel darüber bestehen, daß die allerschönsten Stücke in den bis geschätzt." Nach dem Tode der Kaiserin nahm seine Frömmigkeit" dann einen Zug strenger Bigotterie an. Karl geißelte sich in der Fasten zeit und wurde ein fanatischer Glaubenseiferer, der dem Großinqui­sitor direkt Anweisungen zur Ausrottung der protestantischen Ketzerei geben wollte. Die krankhafte Anlage seines Geistes, die er von seiner wahnsinnigen Mutter geerbt haben mochte, offenbarte fich in einem pathologischen Totenkultus, in dem Veranstalten zahlreicher Toten messen, ja in der Feier seines eigenen Begräbnisses. Darüber ver­mittelt uns H. G. Wells folgenden von Prescott stammenden Bericht: " Die Kapelle war schwarz ausgehängt und der Schein von Hunderten von Wachskerzen genügte kaum, das Dunkel zu erhellen. Die Brüder in ihrer flösterlichen Gewandung und der Hofstaat des Kaisers in Trauerkleidung versammelten fich um einen ungeheuren,

Die Ruhrgewinnler.

Wir hielten uns wertbeständig Wir verdienen uns tot und lebendig, Und zahlten in Mafulatur; Wir Helden von Rhein   und Ruhr!

E. W.

schwarz verhüllten Katafalf, der inmitten der Kapelle errichtet worden war; dann wurde die Totenmesse gelesen; und inmitten der dumpfen Klagelieder der Mönche stiegen Gebete für den abgeschiedenen Geist empor, auf daß er droben in den Wohnungen der Seligen empfangen werde. Die fummervolle Teilnehmerschaft zerfloß in Tränen, als fich das Bild von ihres Herrn Tod ihrem Geiste darbot vielleicht waren sie auch von Mitleid erfüllt über diese bedauernsmerte Kund­gebung von Schwäche. Karl selbst, in einen dunklen Mantel gehüllt und eine brennende Ketze in der Hand, mischte sich unter seinen Hofstaat, ein Zuschauer bei seinem Leichenbegängnis, und am Ende der traurigen Beremonie reichte er die Kerze dem Priester zum Beichen, daß er feine Seele Gott   dem Allmächtigen übergebe." Nach anderen Berichten lag Karl in ein Leichentuch gehüllt im Sarge und verblieb dort allein, bis der letzte Leidtragende die Kapelle verlassen hatte. Karl  

V. ftarb menige Monate nach diesem seltsamen Begräbnis" am 21. September 1558.

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Beilage des Vorwärts

Die Erforschung des Krebsproblems.

In der Sigung des Deutschen Zentralfomitees zur Erforschung und Bekämpfung der Krebstrantheit, über deren Berlauf wir im Feuilleton berichtet haben, sprach Prof. Lubarsch von der Wiener Universität   über die Entwicklung der Krebsforschung in den letzten. 25 Jahren. In der Epoche führte der Redner aus in der die Forschung das Rätsel der Infektionskrankheiten auf bakteriologischem Bege löfte, dem menschlichen Auge unsichtbare Spaltpilze als Gr reger feststellte, versuchte man auch die Entstehung des Krebses auf bestimmte Batterien zurückzuführen. Die Versuche sind gescheitert und diese Auffassung ist endgültig aufgegeben. Das Krebsproblem ist ein Bellenproblem, aber es fragt sich, ob die Entstehung der Er­tranfung nur von den Zellen allein oder auch von der Gesamt­funktion des Organismus abhängt. Die größte Verwandtschaft zeigt das Krebsgewebe mit dem Embryonalgewebe. Aber sein anarchistisches Wachstum, unterscheidet es vom geregelten Wachstum der gefunden Körperzelle. Zwischen gutartigen und bösartigen Geschwüiften gibt es feinerlei abfolut scharfe Grenze, denn auch gutartige Neubildun gen zeigen bisweilen das Auftreten von Tochtergeschwülsten, die aus abgesprengten Geschwulstzellen in den Organen sich entwickeln, wo­hin fie der Säftestrom verschleppt hat. Demgegenüber gehen normale Körperzellen im Wechselstrom zugrunde. Sind es äußere oder innere Faftoren, die das menschliche Körpergewebe umstimmen, anarchistisch zu wachsen frebfig zu entarten? Daß äußere Momente Krebs hervorrufen tönnen, haben die früher zahlreichen Fälle von Berufstrebs( Schornsteinfeger, Paraffinarbeiter, Arbeiter in Anilinfabriken) erwiesen. Dieses Ursachenmoment wurde wissen­schaftlich an Mäusen durch Teerpinselungen verfolgt. Vor allem geht daraus hervor, daß große Zeiträume notwendig find, bis die Dauer­wirkung des Reizes das Krebswachstum auslöft. Daneben wirken innere Bedingungen geschwulstauslösend und wachstumfördernd. Die Frage nach den Brutstoffen der Krebse ergibt sich damit und die weitere Frage, ob diese angeborene totale Mißbildungen, embryonale Gewebeausschaltungen, in späteren Lebensabschnitten zum Wachs­tum bringen, auf diese Weise also der Krebs entsteht. Die patholo­gische Forschung widerspricht dem aber, weil gerade in den Organen, in denen am häufigsten lokale embryonale Gewebsaus­schaltungen gefunden werden, der Krebs am seltensten auftritt. Als weiteres Moment für die Entstehung der Erkrankung spielt wohl die Erblichkeit der Disposition zur Krebsbildung eine Rolle, zu der aber noch etwas hinzukommen muß, wie wir gesehen haben auslösender Reiz. Damit aber besteht noch heute die alte, Birchowsche Reiztheorie zu Recht und es wird die Aufgabe fommen­der Forschung sein, neues Licht in das immer noch herrschende Dunkel der Krebsentstehung zu tragen.

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ein

Ein Weltschriftverein. Nicht nur der Sprachunterricht wird durch den Mangel einer einheitlichen, phonetischen Schreibung start et schwert, das Bedürfnis nach einer solchen wird auch durch den internationalen Berkehr täglich bringender; trifft man doch ständig auf fremde Namen und Wörter, über deren Aussprache man mangeis einer allgemein verständlichen Schreibung im unflaren ist. Üleber furz oder lang werden sich die europäischen   Kulturvölker dazu ent fließen müssen, die Fesseln des allzu engen lateinischen Alphabets abzuwerfen und sich nationale Alphabete zu schaffen. Könnten diese Reformen nach gemeinsamen Richtlinien durchgeführt werden, fo wurde dies von größter Bedeutung sein und auch über Europa   hin aus wirken. Von diesen Gesichtspuntten aus wirft jezt Jörgen Forchhammer in München   für die Gründung eines Beltschriftvers: eins, der in allen Ländern für die Einführung einer einheitlichen Lautschrift eintreten will. Sie soll beim fremdsprachlichen Unterricht, bei der Schreibung mundartlicher und individuell eigentümlicher Aus sprachen, bei fremdsprachlichen Namen, in Konversationslegila, Fremdwörterbüchern usw. Berwendung finden und bei Recht chreibungsformen als Richtschnur dienen. Eine solche Lautschrift hat Forchhammer bereits in Seft 5/6 des 12. Jahrgangs der Germa­nisch- Romanischen Monatsschrift" aufgestellt.

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Anne

die Hände gegen die Schläfen, Tränen liefen über ihr junges verschreiten?! Bann nun der Pfarrer noch nicht schlief!? härmtes Gesicht. ,, Alles und alles will ich ja tun! Arbeiten für drei! Nur laß mich, den Aschlaften wieder ansehen fönnen!" Das Mädchen war so tief in ihre Gedanken eingefponnen, daß fie die Schritte nicht hörte, die in sachter Vorsicht über die Felder tamen. Erst als über den mondhellen Weg ein dunkler Schatten fiel, jah fie auf, Entfeßen, Erschrecken bis zur Sinnlosigkeit im Blid. Mit einem einzigen schweren Schlag warf Annemarie sich auf den feuchten Grund des Grabens. Ihre bebende Gestalt versuchte sich in die spärliche Grasnarbe einzudrüden, ihre Hände wühlten sich in den Schmus stammelte sie die Borte finnlos vor Angst vor sich hin. Rur  Erdboden. Und vergib uns unsere Schuld!" Den Mund voll

marie hatte gehört, feine Leute gingen spät zu Bett.  ­Beten  .! beten...! Beten, hilf. Ihre irren Augen fuchten verzweifelt umher... Hilfe!... Ach, wer hilft in ihrer Not...?!

jegt, barmherziger Gott!, nur jetzt nicht noch gesehen werden!- Wenn man sah, daß sie zur Bußtagnacht gen St. Johannis schlich.. Wenn man sah, daß sie zur Bußtagnacht gen St. Johannis schlich... allein... Wie wir vergeben unseren Schuldigern..." Sie lallte stöhnte.

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Hart neben ihr hallten Schritte. Annemaries Herz schien stillzu ftchen. Die Schritte stockten... Hielten an. Nein, fie ent fernten fich, gleichmäßig ruhig. Annemarie lag still und horchte. Die Spannung ihrer Glieder löste sich. Was mochte die Uhr jegt wohl sein? Wenn sie nun am Ende gar noch zu spät fam?!

Borsichtig auf allen Vieren troch sie in dem Graben weiter.. Dann hob sie den Kopf sachte über den Rand. Ach, da gingen fie! Ein Mann und ein Mädel. Sie bogen in einen Seitenweg ein, der sich weit von dem ihren entfernte. Annemarie atmete auf. Nun fonnte sie ruhig gehen die da würden sich nicht nach ihr um sehen die hatten genug mit sich allein zu tun.

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Einen Augenblick blieb die Magd stehen und schaute zu dem Baare, das sich langsam immer weiter entfernte, trübe hin. So hatte das bei ihr auch angefangen... Nur, daß es Sommer war blühender warmer Sommer, und das Korn hatte gerauscht..

Annemarie ging davon, schnell und dennoch vorsichtig. Sie hatte die Bewegungen des scheu schleichenden Tieres. Mit vorgeneigtem Ropfe strebte sie haftig threm Ziele zu.

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Da...! Schwer und laut schlug die Kirchenglocke von St. Jo hannis zu Lichtenberg den ersten Schlag der zwölften Stunde, und ehe der breite Klöppel noch zum zweiten ausgeholt, lag Annemarie schon an den Stufen der Eingangstür zum Gotteshause.

Ihre gefalteten, emporgeworfenen Hände schimmerten elfenbeini­marie hatte vergessen, daß im Büchchen vorgeschrieben stand, fie farben im Mondlichte. Stumm blieb ihr junger roter Mund. Anne­

folle beten. Alles hatte sie vergessen...!; fie mußte nur, sie lag auf der Schwelle der Johannistirche zu Lichtenberg und Bußtag mar!! Die heilige Mutter, Jesus   und der große Gott, die feierlich hoch über den Sternen wohnen, verziehen. Almählich trat über ihre vollen Lippen ein frohes Lächeln, und langsam öffneten diese volien jungen Lippen sich und legten eine Reihe periglänzender Sähne bloß. 3hr war vergeben.-

Burschen aber, die heranschlichen, felbft für geheime Sünde Ab bitte zu tun, sahen das Mädchen Annemarie... die junge Annemarie hatte ja alles um sich her

vergessen!

Es sprach sich herum... Es raunte dumpf. Ein Knecht auf dem Hanischhofe fand sich, der mit Andeutungen fam... Er hatte die Dirne gesehen..., mit einem Bündel im Arme. am Aschkasten.. Bor Wochen, hatte sich nichts dabei gedacht... nun aber... Wenn die Magd zu Bußtag nacht nach, St. Johannis schlich...! Und nie­mals hatte sie seitdem die Asche fortschaffen wollen! Hatte sich gesperrt wie eine, die nicht richtiges Gewissen mehr hat. Ja so... also dann

-www

Gemiß... das hatte Hand und Fuß! Sie sahen in dem großen schweren, eisernen Aschenfasten nach. Fanden.

Ein solcher Befund heißt

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Zuchthausstrafe,

Sie nahmen die Annemarie fest.

Der Gendarm fam, als Annemarie eben am: Herde stond, und

Bußtag nacht bei St. Johannis!.

Dann schrie fie. Shrie und wand sich auf dem Steinboden. Der Fall ist ganz flar," fagte der Gendarm. Bedächtig trug er den Tatbestand in sein Notizbuch ein.

Die Häuser von Lichtenberg lagen friedlich. Nirgends brannte ein Licht. Stumm standen die fahlen Bäume längs der Dorfstraße. Die Magd mußte, Bauern haben einen harten Schlaf. Aber sie fürch- fang. Froh, gesund und glücklich. Ihr mar ja vergeben worden zu tete die Hunde. Wieder brach ihr der Schweiß aus. Sie lief. In dem Dorfteiche spiegelte sich klar der Mond. Noch zwanzig Schritte vor ihr lag die Kirche von St. Johannis. Annemarie starrte gierig darauf hin. Doch sie wagte nicht über den freien Platz zu gehen, der zwischen dem Waffertümpel und dem Gotteshaus lag. Ach, daß der Mond auch so hell schien! Ihre Knie zitterten, die Baunlatte, die ihre linke Hand unbewußt umflammerte, flapperte. Diüben sein. da drüben sein!! Sahen die Linden im Pfarrers­garten sie nicht rächend an?! Schrie es, wimmerte es nicht bis hierher aus dem Aschkaften empor?! Hob sich der Deckel nicht.

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Erbarmen...! Jesus- Maria! Alle Heiligen droben! Helft!" Die Magd griff mit der zweiten Hand in die Zaunlatten. Ihr Körper slog. Entfeßen schüttelte fie. Bor ihr lag flarblinfend, hell der See. Wie, wie? würde sie bis zur Kirche tommen? eie ungefehen, unbemerkt den freien, fast. taghellen Blag über.

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Das halbe Dorf stand vor des Hanisch Hofe. Gaffte. Barf mit Steinen nach der Kindesmörderin! Die wantte; ihr blau schwarzes Haar stürzt flutend in ihr junges verzerrtes Gesicht... Auf dem Aschkasten gleißte spottend die Sonne. Schimpfworte, Flüche schallten um die Magd. Fäuste ballten fich. Beiber freischten ihre Empörung in die Luft:

In den Buchen des Hofes aber rauschte dröhnend wie Orgelton der Wind. Der ricf und wurde zum Sturm, der schrie.

., Gerechtigkeit für Annemarie! Schafft mir Gerechtigkeit für fie!" Die Menschen aber verstanden ihn nicht, fie hoben die Fäufte mno warfen erneut mit Steinen hinter der Bankenden her.