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Nr. HS 42. Jahrgang

7. Seilage ües vorwärts

donnerstag, 2S. Jebruae 1H2S

Aomant? hat kn �mer Millionenstadt recht wenig zu suchen. Do sie trotzdem vorhanden ist, nistet sie sich bescheiden mitten unter dem lautesten Treiben ein. einer Schwalbe ähnlich, die ihr Nest baut. be. merkbar nur für den, der Sinn dafür hat und sich auf die Suche begibt. Di« Zeit, wo Klöster nur ein Stück Ramantit bedeuteten, ist längst vorbei.'Allerorten zieht das wirtschaftliche Leben mit seinen Notwendigkeiten auch die Ordensniederlosiungen in den nüchternen Wirklichteitsbereich. Selbst Karthäuser und Trappisten find durch ihre anregenden und wohlschmeckenden Erzeugnisse bekannt- geworden. In Berlin , wo es ziemlich nah« liegen könnte, haben wir nun allerdings keine industrialisierten Klöster. Es fehlt alles von den Karmekiten tropfen bis zum berühmten Bier der bayerischen Benediktiner , lind damit ist schon gar das Roman- tische in seiner greifbarst«, Auswirkung ferngehalten. Es gibt hier einige stattliche Ordenssiedelungen und diese haben es all« miteinander gemein, daß sie nach außen hin so wenig als möglich in Erscheinung trete« und in ihrer Tätigtest den Geist der

Serliner Klosterleben.

Das katbollscbe Zentrum: Köalggrätzer Straße Diaspora atmen, d. h. sich mst vervielfachtem Eifer der Gemeinde in Seelsorge und Krankenpflege widmen. Di« meisten dieser Orden waren schon vor dem Krieg ansässig. Die Revolution bereicherte sie um ein für die Kirche sehr wichtiges Mied, um die I e s u i t e n, die, aus dem Kaiserveich verbannt, erst von der Republik die Erlaubnis

zur fstinikehr erhielten. Man sieht, die Novemberrevolution war tolerant und brachte auch denen Befreiendes, die es von einer Volks- erhebung am allerwenigsten erwarteten.... Die Jesuiten . Nur dem feineren Beobachter fällt in der Sönlggräher Straße eine an sich einfache, aber hübsch gegliederte rote Hausfront auf, deren Dach von einem bescheidenen Kreuz überragt wird. Treten wir neben einer Buchhandlung durch das Haustor, so sehen wir einen geräu- migen Hof mit drei hohen Gebäudeseiten, in deren einer die katholische Bolksbibliothek St. Clemens untergebracht ist. Der zweit« Hos enchält eine künstlerisch gut gestaltete Kirche und. in seinem Abschluß. bau. da» Kloster der Zesuilen. Im dritten, stattlichsten und ganz von Häuserfronten umschlossenen Hof sst das talholische Gesellenheim. In der an fich schon strengen und herben Kirche überrascht ein asketischer, fast steifer Zug des priesterlichen Gebarens. Um so mehr ist man ver- wundert, bei einem Besuch der Patres, freundliche, fast weltmännische Erscheinungen 91 finden, die sich auf vielen Gebieten der Unterhal- tung wohlbewandert zeigen, vor allem aber HSflichkeik üben. Wenn man weiß, daß hier eine Zentrale des katholischen Berlin » ist und daß hier auch Männer au» dem öffenSicheu Leben ein- und ausgehen, so mutet dies einen keineswegs seltsam an. Der GeisUiche empfängt in seiner kleinen schmucklosen Zelle. Di« so oft. wo Jesuiten tätig sind, die auch die Kleidung von Welt- prieftern tragen, sst von eigentlichem Nöstcrlichen Leben wenig zu j spüren, ver Orden läßt seinen Angehörigen völlige Freiheit der Be- russtäligkeil. m diesem Falle der Seelsorge. Daß diese sehr eifrig be- trieben wird und auch ziemlich anstrengend sein muß, erkennt man schon aus der plötzlichen Abberufung des Paters zu einem Sterben- den. Wenn man hierin Romantik sehen will gut. Sonst scheint alles sehr nüchtern und modern und vom mystsschen Geiste des Grün- ders Ignatius von Loyola ist kaum etwas zu spüren. Ganz anders sst es, wenn wir uns in das Heim des zweiten großen Ordens, der in Berlin eine Niederlassung hat, zu den Domini- kauern, begeben. Das Moabiter Kloster. Schon lange vor dem Kriege hatte der Predigerorden fein schönes Moabiter Kloster erbaut. Seine Mitglieder sind soge­nannte Mendikauten, aus deutsch Bettelmönche. Besitz ist sowohl der Ge»neinschasl wie dem einzelnen verhoten aber Zweck des Ordens ist es auch, Gottesdienste so schön als möglich zu feiern. Die Moa­biter Klosterkirche ist im Innern wohl Berlins schönste katholische Kirche , die vor allem durch Farbenpracht der hohen Glassenster über- rascht. Hier sst Schönheit und Strmmungszauber, zwei Welten, die nichts miteinander gemein haben, trennen sich am Eingang auch äußerlich. Nur daß sich dem armen Menschen, der gar nichts sein eigen nennt und zum Elend seines Heims zurückkehrt, die Frage auf- drängt: wozu all der Prunk? Wäre es nicht besser und christlicher, auszugleichen und zunächst menschlich« Not zu stillen? Dieser Orden, weit älter als die Jesuiten , hält noch an miltelalterlicher Mystik fest. Er sst heute bereits in mehreren Niederlassungen in Berlin tätig. Die Mönche stehen im Rufe von Gelehrsomteu, vor ollem aber stellen sie gute Kanzelredner. Es geht viel Zauber von diesem klösler- lichen Leben aus aber wie stark die Zeit damit im Widerspruch steht und wie wenig sich heute reines Mönchstum durchführen läßt, verrät die Tatsache, daß die Mönche ihre weißen Sutten ablegen, so- bald sie das Kloster verlassen, und mit der Kleidung von Weltgeist- lichen vertauschen. Es ist nicht leicht, einen Blick in das innere Trei- den der Klöster zu werfen, die sich hier im Norden ganz im Gegen- satz zmn Süden scheu zurückhalten. Im allgemeinen ist für alle Orden die Lebensweise einheitlich geregelt, man steht zwischen vier und fünf Uhr auf, beginnt mit dem Chorgebet, das auch tagsüber einige Stunden in Anspruch nimmt, hat gegen acht Uhr die ersten geistlichen Uebungen hinler sich und wendet sich dann dem Berufe, d. h. Beichthören, Krankenbesuch und Religionsumerricht zu. Abends acht Uhr geht man zu Bett, d. h. wenn man nicht draußen an einer Ver- fammlung teilzunehmen hat und das kommt sehr oft vor, denn alle katholischen Gemeinden sind von einem wahren Krön, von vereinen. von der Iungsrauenkongregation bis zum Zentrumswahlverein, um­schlossen. Die größere Toleranz der republikanischen Bevölkerung, die

jedem persönliche Freiheit gönnt, würde sicher auch Mönche dn Straßenbild gestatten. Wöhrend des Kaiserreichs Höllen sie Auf- sehen erregt. Damals gab es ja auch keine Jesuiten ... 5ranziskaner in Pankow . Neben den Dominikanern haben von Bellelorden auch die mit chnen befreundeten Franziskaner festen Fuß in Berlin gefaßt und zwar in Pankow . Dieser Orden, vielleicht der sympa- thischte von allen, befolgt«mss strengste das Gelübde völliger Besitz­losigkeit. Ihr Heim ist von der größten Schlichtheit, obwohl sie manche gelehrte Patres in ihren Reihen zählen, treten sie öffentlich wenig in Erscheinung und machen kein Aussehen von sich. Ihre Tracht ldie sie hier auch nur im Kloster tragen), ist eine grobe braun« Kulte, außerdem gehen sie barfuß tu Sandalen. Die Kutte ist mit einem Strick umgürtet Damit ist die Zahl der geistlichen Orden in Berlin noch nicht erschöpft. Es find noch einige Kongregationen tätig, auffallend sst dabei die Beherrschung vieler Sprachen, die aus Zuwanderung aus dem Auslande schließen läßt, eine Erscheinung, die sich übrigens ganz besonders stark in Süddeutschland zeigt. Bon den Krankenpfleger- ordeu besitzen die Alexianer ein großes Krankenhaus, das sich mit Nervenkranken und gesstig Zurückgebliebenen befaßt. Es fft ein sehr

großes und schöne- Krankenhaus mir ausgedehnten Porkantogen, was draußen in Weißensee als Franz-Iofeph-Stift bekannt ist und vielfach gelobt wird. Weibliche Grüen. Jeder Orden hm auch feine weiblichen Klöster, wenigstens die allen Orden. Es sst nicht zu verwundern, daß nach den Dominika­nern die Dominikanerinnen im religiösen Leben Berlins , soweit es katholisch ist, die größte Bolle spielen, und, man darf es anerkennend sagen, eine Tätigkeil ausiiben, die über Kircheneng« hinausgeht und sozial wirkt. In den schönen Krankenhäusern dieser Schwestern kennt man keine konfessionellen Unterschiede. Jeder Patient ist willkommen und wird gleich gut und gewissenhast behandelt. Auch Politik schweigt hier(vielleicht sogar mehr als an«lällen, wo Geheimräte alten Stils die Macht in Händen haben). Es sst etwas wwtdersam Rühren- des, harte, nüchterne Menschen des Großstodtmühens diesen Schwe­stern mit den weltfremden Sesichiern und den taffrohen, abgearbei-

Der Apfel der Elisabeth Hoff. Tis Von Wilhelm Hegeler . Wenn du dich bei den Leuten nach mir erkundigt hast/ sagte der Förster mit heiserer Stimme, die sich leise, in kurzen Unterbrechungen, seinem vor Wut geschültellen Körper ent- rang,dann weichen sie dir auch gesogt haben, daß ich nicht mit mir spaßen lasse.- Ich spaße nicht.- Danke Gott , wenn ich's für Spaß nehme. Sonst könnte es sein... nimm dich in acht! Nimm dich in acht!" Seine Stimme verröchelte in Schauern des Jähzorns und sprang plötzlich in einem höhnischen Gelächter wieder auf.Sieh einer an. der Herr Ryseck aus Amerika kommt her. um alte Schulden zu bezahlen!'ne alte Bierschuld an den Wirt,'ne alte Blutschuld an mich. Was bietest du?- Einstweilen habe ich überhaupt noch nichts geboten." » Aber wieviel? Wieviel Dollar läßt du's dich kosten?" :.Wer spricht von Geld?" Was? Willst du mir'ne andere Genugtuung geben? Holla, das läßt sich hören! Du stellst dich mir noch einmal vor die Pistole? Wenn's so ist ich bin bereit. Gleich, auf dem alten Platz! Waffen habe ich hier, und ich sage dir: diesmal soll's ehrüch zugehen.". Also das vorige Mal ging s mcht ehrsich dabei zu?" fragte Ryseck nach einer kleinen Weile. Wenn ich geziell hatte damals so wie du, dann säßest du fticht hier.4' 2fIfo ich habe gezielt? Das behauptetest du ja damals schon. Belleibe nicht nach deinem Kopf dazu war ich zu feige. Aber nach einem nahen Ast. damit der dir fiist m» Aug« träfe. Das Kunststück mach' mir mal vor! Und du bist doch ein Schütze, ich habe aber kaum je eine Pistole in der Hand ge- habt. Mensch du bist ja wahnsinnig, wenn du das wirklich glaubst!" »Ich möchte wissen, wer von uns beiden hier der Wahn- sinnige ist: ich oder du. der mir ein zerstörtes Leben mit einer Handvoll Dollar abkaufen will." »Dein zerstörtes Leben? Ein zerstörtes Auge»st noch kein zerstörtes Leben. Wenn dem Leben zerstört ist. dann ist niemand dran schuld, als du mit deinen Hirngespinsten, die du in dieser lichtscheuen Einsamkeit großgezüchtet hast. Reiß dich doch los! Seh' wieder unter Menschen und werde selbst

ein Mensch! Wie geht's denn zu im Leben? Man tut Recht und Unrecht, bunt durcheinander, man stößt und wird ge- stoßen, man strauchelt und steht wieder auf: es ist ein Wahn- sinn, aus dem Komplex des Ganzen eine einzelne Tat heraus- zulösen! Schuld! Ick) will dir sagen, wie es mit meiner Schuld bestellt ist. Ich habe oft an dich gedacht. Denn auch ich habe drüben nicht allzu gesellig gelebt und lieber in der Erinnerung mit den alten Freunden verkehrt, als neue zu suchen. Ich habe oft an dich gedacht: wie's ihm wohl gehen mag. dem alten Gesellen? Ob er vielleicht meine Hilfe braucht? Denn ich habe mich allerdings in deiner Schuld gefühlt, wie man's dem Freund gegenüber tut, dem man unglücklicherweise einen schweren Verlust zugefügt hat. Aber eine andere, eine mit Bewußtsein ausgeladene Schuld? Mein Lieber, warst du denn ein solcher Tugendheld, daß das Recht ganz allein auf deiner Seite stand? Wie lag denn die Sache? Wir haben uns in ein Mädel verliebt und stellten ihm nach, obwohl wir wußten, daß sie sich einem anderen versprochen hatte. Wäre es dir geglückt, sie zu gewinnen, hättest du dir ein Gewisien daraus gemacht, sie zu heiraten? 5)ättest du nicht seelenruhig eine vergnügte Ehe mit ihr ge- führt, ohne daß der Gedanke an den anderen dein Herz je beschwert hätte? Es ist uns beiden nicht geg'ückt. Du hast ein Auge dabei lassen müsien. Aber dein zerstörtes Leben wenn ein Mensch, der noch die Hälfte des Lebens vor sich hat, überhaupt von solchem Unsinn reden kann das schreibe nur auf das Konto deines Eigensinns. So liegt die Sache. Und nun sage ich dir: Raus! Komm mit mir raus! Laß deine Ge- spenster in diesem Moderloch und komm mit unter die Menschen'" Was sagtest du vorhin?" fragte der Förster nach langem Schweigen.Es wäre uns beiden nicht gegluckt! Was de- deutet das? Hast du sie denn nicht geheiratet? Ich- die Elisabeth Fritsch? Auf welcher Hemisphäre dieser Erdkugel lebst du eigentlich? Ich drüben habe doch erfahren, daß Elisabeth den Prostsior Hoff geheiratet hat, ungefähr ein Jahr nach meiner Ueberfahrt. Und du willst nichts davon gehört haben?" Der Förster zuckte die Achseln und sagte nach kefem Atemholen: Ich wollte nichts mehr davon hören. Dann ließ er sich wieder auf seinem alten Platz nieder. Zusammengesunken, die Hände in den Hoschentajchen, starrte er brütend vor sich hin, während der Hund zu seinen Füße«

bekümmert zu ihm cinporschauie und leise mit dem Schwanz wedelte. Nach einer Weile des Schweigens ergriff der Förster die Zigarre und begann in hostigen Zügen zu rauchen. So geht's," sagte Ryseck,wenn man sich wie eine Nacht- eule in feine Höhle zurückzieht und weiß nicht, was in der Welt passiert. Aber nun zu'ncr anderen Sache. Der Pfarrer sagte mir, daß dein verstorbener Vater dich adoptiert hat. Er soll dann allerdings gleichzeitig oder später ein Testament ge- macht haben, worin er sein Hab und Gut seinem Vetter ver- macht hat. Trotzdem verstehe ich nicht, daß du dich mit dieser kümmerlichen Försterstelle begnügst und dich Schmundt nennst, anstatt als der rechtmäßige Herr von Hellboru auf Ruprechtsau zu hausen. Der Pfarrer sagte mir, kein Mensch hätte begriffen, warum du es nicht auf einen Prozeß hättest ankommen lassen. Du mußt doch einen Grund gehabt haben." Den Grund den kann ich dir sagen. Man bildet sich ein, ein Hellborn zu ein, und dann lehrt einen das Schicksal, daß man doch nur ein Schmundt ist." Dummes Zeug! Nichts beweist besser, daß du ein echter Hellborn bist als deine Handlungsweise. So verrückt benimmt sich nur ein Mitglied dieser wegen ihres Eisenschädels und chrer Rolweinzuuge berühmten Familie. Daß dein Vater mal in einem Anfall von schlechter Laune deine Blutsver- wandtschaft angezweifelt hat, das genügt dir, um ihm den ganzen Kram vor die Füße zu werfen und auf die Erbschaft zu verzichten. Wahrhaftig, die Amerikaner haben nicht un- recht, wenn sie die Deutschen qneer(querköpfig) nennen. Uebrigens, erinnere dich, als wir noch gute Freunde waren, fagtestdu oft selbst zu mir. du wüßtest, daß bei dir'ne Schraube los ist, und wenn's nottäte, sollte ich dir den Kopf zurecht- setzen. Es scheint, daß ich zu diesem Zweck gerade im rechten Augenblick aus Amerika herübergekommen bin. Run zeige mir mal vor allem deine Dokumente. Die Urkunde deiner Adoption und das Testament." ,. Warum?" Ich werde dir's später sagen, warum." Ich sehe den Zweck nicht ein." Den wirst du schon einsehen, wenn ich ihn dir erklare Also mach schon! Ich gebe nicht eber fort, a's ich sie geseyen habe, und du weißt, ich kann ebenio balsstamg sein wie du. Run los! Nachdem du mal die Friedenspfeife mit imr*- raucht hast, hilft dir kein Sträuben. Du bist m,rs einfach schuldig. tForljetzung folgt.)