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fr. 102 42. Jahrgang Ausgabe A nr. 52

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Sonntag, den 1. März 1925

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An der Bahre des Reichspräsidenten .

Trauerfeier am Mittwoch. Mittwoch.- Ueberführung nach Heidelberg .

Durch unser Bolt und die ganze Welt geht eine tiefe Bewegung.

Auch das Ausland spricht mit Sympathie und Ber­ständnis von dem verstorbenen Reichspräsiden ten und feinem geschichtlichen Wert. Es zeigt sich dabei, miepiel Anerkennung und Gelfung gerade Friedrich Ebert der Deutschen Republit zu schaffen verstanden hat. Man erkennt auch draußen, daß die sechs Regierungsjahre des ersten Präsidenten diefer Republik Leidensjahre gewesen find. Sie waren es aber nicht nur für den Mann, der an der Spize stand, sondern auch für das ganze deutsche Bolt, ja, für ganz Europa .

Der Hang zu idealen Konstruktionen lag diesem Real polititer fern. Schließlich aber war fein ganzes prattisches Wirken doch von dem Grundgedanten geleitet, daß Europa nur noch als ein Friedensbund von Republiken bestehen fann. Wenn sich an diesem Sarge etwas außert wie eine Solidarität der demokratischen Gedanken in der Welt, so ist das nur ein Widerklang feines eigenen Birkens. Möge der Rückblick auf die Leistung dieses echten Staatsmanns aus dem Bolte der Welt begreiflich machen, daß die deutsche Republif lebt und daß sie desto tebendiger sein wird, je mehr der Gedanke des gleichen Rechts auch Ar Berhältnis der Völker zueinander zum Durchbruch gelangt. Im Innern find Haß und parteipolitische Zerrissenheit au start, um eine vollkommen einheitliche Stimmung auf fommen zu lassen. Und doch fann man sagen: von einem Heinen Häuflein engstirniger Fanatiker abgesehen, empfindet heute das ganze Bolf, was es an Friedrich Ebert ver loren hat. Ja, im Bolt lebt heute ein Gefühl des Stolzes darüber, daß ihm in so schwerer Zeit aus seiner eigenen Mitte ein Mann von solcher Bedeutung erstehen konnte. Als Reichspräsident ist Ebert über den Parteimann hinausgewachsen, und mir geben gerne zu, daß er nicht unferer Partei allein, sondern dem ganzen deutschen Bolt gehört. Aber deswegen bleibt es doch nicht weniger wahr, daß es die Sozialdemokratische Partei gewesen ist, aus der diefer Mann hervorging, und daß er ihr bis zu seinem Tode angehörte. Das beweist auch dies fei zugegeben noch lange nicht alles für die Richtigkeit unserer Parteiziele. Es beweist nur, und das allerdings beweist es schlagend, was für ein verruchter Wahnsinn es ist, die Sozialdemo tratische Partei in der Weise zu verfehern, zu verdächtigen, als sittlich und intellektuell minderwertig, hinzustellen, wie das von seiten der monarchistischen Parteien in Deutschland geschieht.

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Schweden trägt heute einen Mann zu Grabe, dem es unendlich viel verdantt, und den es ohne Unterschied der Parteien ehrt: Hjalmar Branting . Auch er war So­zialdemokrat und internationaler Sozialist., Branting und Ebert schließen sich fast gleichzeitig dem Zug der Großen an, die einst dem arbeitenden Bolt der ganzen Welt als Führer vorangeschritten find. Wieviel Ehrfurcht ges bietende Gestalten! Wieviel glänzende Namen, die jeder ernst haft Gebildete mit hoher Achtung nennt! Mögen sie uns bekämpfen, mögen fie ihre Ideen den rnferen entgegenstellen, das ist ihr gutes Recht. Aber ein Berbrechen an der Nation find die Methoden der Boltsvergiftung und der niedrigen Schmähsucht, mit denen der Kampf gegen die Republik und ihre Berteidiger, gegen die Ar­beiterbewegung und ihre Vertreter geführt wird! Und schließ­lich fallen doch alle Pfeile der Verlembung stumpf zu Boden. Unsere Gegner würden heute meniger beschämt, weniger schuldig am Grabe eines großen Deutschen stehen, wenn sie es verstanden hätten, mit reinen Waffen zu fechten.

Möge der große Kampf, der nach der Bestattung des ersten Reichspräsidenten um seinen Nachfolger entbrennen wird, sich so gestalten, daß er nicht zu einer Schande für Deutschland Jo gestalten, baß er nicht zu einer Schande für Deutschland

wird!

Bir werden diesen Kampf nicht mit den Waffen der Berleumdung zu führen. Uns wird es gemügen, das Bolf auf die ungeheure geschichtliche Bedeutung der ersten Volkswahl eines Reichspräsidenten hinzuweisen. Wir werden unsere ganze Kraft aufbieten, um einen Kandidaten der Rechtsparteien, einen Bertreter monarchistischer Anschauungen, vor der Schiefen Rolle zu bewahren, in die er als Präsident der deutschen Republit, als Nachfolger Friedrich Eberts notwendig ge­raten müßte. Wir werden alles daransezen, um die furchtbare Boltszerreißung zu verhüten, die eintreten müßte, wenn ein Bertreter des alten Herrenstandpunkts an die Spige unferes demokratischen Staatswesens treten würde. Wir wer­ben feine Anstrengung scheuen, um vom deutschen Bolt die un­

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absehbaren inneren und äußeren Schäden abzuwenden, die aus der Wahl eines Reaktionärs zum republikanischen Staatsober haupt erwachsen müßten.

Darum flingt der Name Friedrich Ebert heute nicht nur im Ton der Trauerklage aus unserem Munde, sondern noch viel mehr als ein Programm und als ein Kampfruf. Bahrlich, schlecht würden wir diesen Toten ehren, wenn wir auch nur eine Stunde versäumten, an das zu denken, was dem Bolt und seinen werftätigen Massen nottut! Ihm geben wir am Mittwoch das letzte Geleit, die Sache, für die er gelebt hat, verlassen wir nicht!

Es gibt nur eine würdige Ehrung Friedrich Eberts . Das ist die Wahl eines würdigen nachfolgers für ihn! Das ist der Sieg des republikanischen Gedankens bei der tommenden Reichspräsidentenwahl!

Darum heute das Haupt gesenkt zu ehrfürchtigem Ge­denten, morgen aber zum Kampfe angetreten!

Die Trauerfeier am Mittwoch.

Ueberführung der Leiche nach Heidelberg .

Die offizielle Trauerfeier der Reichsregierung wird am Mittwoch gegen Mittag im Trauerhause Wilhelmstraße 72 vor sich gehen. Bei ihr wird Reichskanzler ut her vor den Diplomaten und deutschen Bertretungen eine Rede halten Vor dem Hause werden Abteilungen der Reichswehr Aufstellung nehmen.

Es folgt etwas später eine Trauerfeier des Reichstags, an der voraussichtlich auch Bertreter der Länderparlamente teil­nehmen werden. Hier wird Reichstagspräsident£ öbe die Haupt­rede halten.

Im Anschluß daran erfolgt die Ueberführung der Leiche über die Linden, durch das Brandenburger Tor und die Budapester Straße nach dem Potsdamer oder dem Anhalter Bahnhof , von wo die Ueberführung nach Heidelberg erfolgt.

Die Parteien und das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold werden

den 3ug bis nach dem Bahnhof geleiten. den Zug bis nach dem Bahnhof gelelten.

Jn Heidelberg übernehmen am Donnerstag die badische Re­gierung und die Stadtvertretung die Leiche, die in einem städtischen Ehrengrab beigesetzt wird.

Preußens Trauerkundgebung.

Das preußische Staatsministerium trat am Son abend nachmittag 5 Uhr zu einer Trauerfihung zusammen. Ministerpräsident Marg schilderte in seiner Rede den Reichspräfi­denten Ebert als einen glühenden patrioten und echten Deutschen , deffen unverrückbares Ziel der Wiederaufstieg Deutsch­ lands durch friedliche Arbeit des nicht mehr zersplitterten, sondern zu fraftvoller Einheit zusammengefaßten Volkes war. Ein Manu vou ftärkitem Berantwortlichkeitsgefühl gegenüber seiner hohen und schweren Aufgabe, erstrebte er nur das Glück des deutschen Bolles und die Größe und Freiheit des deutschen Landes. Eine ganze, geschlossene und mutige Persönlichkeit, war er in den kritischen Tagen, die der Staatsumwälzung folgten, bereit, sein eigenes Leben einzusehen, Auch in den langen Monaten, in denen schon Krankheit ihn befallen hatte, hat er jede Rücksicht auf seine Gesundheit hinter den schweren Anforderungen seines hohen Amtes und feiner Arbeit zurücktreten loffen. Der erste Reichspräsident der deutschen Republik wird im deutschen Bolte als eine reine und vornehme Perfönlich­teit, als ein vorbildlicher Bürger weiterleben.

Im Anschluß an die Worte des Ministerpräsidenten Marg be­Schloß das Staatsministerium die folgende Kundgebung:

Der Reichspräsident Friedrich Ebert ist heute morgen feinem Leiden erlegen. Mit dem Deutschen Reich , dessen Geschide er feit den schweren Tagen des Zusammenbruchs nach dem ver­lorenen Kriege bis heute mit bewundernswerter Kraft geleitet hat, erfüllt das Land Preußen aufrichtige Trauer um diesen ersten Präsidenten der Deutschen Republif. Seine hohen Berdienste um den Zusammenhalt des Reichs und um deffen gerade im letzten Jahre fo deutlich hervorgetretenen Wiederaufbau wird einst die Geschichte zu würdigen wissen. Im Namen Preußens betont das Staatsministerium, daß Preußen sich wohl bewaff ist, in dem verstorbenen Reichspräsidenten einen Mann verloren zu haben, der für die durch die Geschichte bedingte politische Stellung Preußens ftets volles Verständnis gezeigt hat. Das Staats­minifterium wird dem vortrefflichen Mann, an dessen Bahre es trauernd steht, stets ein ehrendes Andenken be­wahren."

Das preußische Staatsministerium hat beschlossen, daß am Tage der offiziellen Trauerfeier im Haufe des Herrn Reichspräsidenten der Unterricht in den preußischen Schulen ausfällt und

Mitternächtlicher Trauerzug.

Vom Sterbehaus in die Amtswohnung. Aufmarsch des Reichsbanners.

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den. Eine schwierige Aufgabe für die Reichsbannerleute, die diese aber mit großem Geschick lösen. Immer wieder versucht die Menge durchzubrechen. Gegen 211 Uhr ist der geräumige Platz über­füllt, so daß die noch herannahenden Züge in den Nebenstraßen fich verteilen müssen.

Eine ungeheure Menschenmenge hatte sich nachts gegen 12 Uhr, müssen wegen Ueberfüllung Absperrungen vorgenommen wer vor dem West- Sanatorium angesammelt, um der Ueberführung der Leiche des Reichspräsidenten beizuwohnen. Die Feier trug feinen offiziellen Charakter. Nur ein fleiner Kreis der dem Reichspräsidenten verwandtschaftlich oder dienstlich naheftehen den Persönlichkeiten war im Sterbezimmer anwesend und folgte in Wagen dem Zuge, der fich, umgeben von einer großen Menschen­menge, vom West- Sanatorium über die Joachimsthaler Straße an der Gedächtniskirche vorbei die Lüßomstraße über die Hofjägerallee dem Brandenburger Tor zu bewegte.

Ein Zug Schupo ritt dem Sarge voraus, ein anderer folgte ihm, außerdem war eine Ehrentompagnie der Reichs­ wehr gestellt worden.

Im Trauergefolge befand sich neben den Familienangehörigen der Reichskanzler Luther und die Vertreter des Bureaus des Reichspräsidenten

Bom Brandenburger Tor ab hatte das Reichs banner Schwarz Rot- Gold" Spalier gebildet und ließ den Trauers zug bei gesenkten umflorten Fahnen vorüberziehen. Die Leiche Schwarz- Rot- Gold" wurde im Arbeitszimmer des Reichspräsidenten aufgebahrt.

Das letzte Geleit des Reichsbanners.

In aller Stille hatten sich die Mitglieder des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold auf dem Gendarmenmarkt versammelt, um pon hier aus dem verstorbenen Reichspräsidenten das legte Ges leit zu geben. Kurz nach 10 Uhr hatten sich die ersten mit umflorten Reichsfahnen eingefunden. Zum größten Teil hatten die Kameraden Trauerflor angelegt. Immer wieder nahen unaufhörlich neue Züge. Stumm und schweigfam....

Während der große Freiplaz vor dem Schauspielhaus für die Reichsbaunerleute referviert bleibt, findet sich auf der Freitreppe das Bublifum zusammen. Der Anbrang ist ungeheuer Bald

Zum Teil begeben sich die Teilnehmer gleich einzeln zum Bratt denburger Tor und zum Palais des Reichspräsidenten, um hier mit brennenden Fadein die Ankunft des Trauerzuges zu erwarten.

Am Pariser Platz.

Gegen 12 Uhr war der Aufmarsch des Reichs. banners am Parifer Platz und Umgebung beendet. Er vollzog fich schnell und reibungslos, obwohl es fich bald herausstellte, daß die Zahl der erschienenen Kameraden weitaus größer war, als für ein einfaches Spalier zwischen dem Brandenburger Tor und dem Palais des Reichspräsidenten be nötigt wurden. Es mußte daher ein doppeltes Spalier auf beiden Seiten gebildet werden, in der Nähe des Palais sogar ein

brei und vierfaches. Infolge des Aufmarsches der Reichs­bannerkameraden hatte sich die Zahl der Neugierigen, aus der Friedrichstadt tommend, immer mehr vergrößert, so daß gegen Mitternacht mindestens 30 000 Menschen die relativ furze Strede zwischen Tiergarten und dem Auswärtigen Amt

füllten.

In der Wilhelmstraße.

Die gesamte Wilhelmstraße ist von Massen des Publikums be fetzt. Das Reichsbanner ist in Reihen an beiden Straßenseiten auf­gestellt. Bahlreiche Fahnen, mit Flor umwunden, werden von ihnen getragen. Das Publikum harrt in erwartungsvoller Stille und tiefem Ernst auf die Ankunft des Trauerzuges.

( Schlußbericht fiehe 3 Seite.)