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Mittwoch

4. März 1925

Unterhaltung und Wissen

und uns war er mehr".

Erinnerungen an Frih Ebert.

Ein einziges Mal in dreißig Jahren enger Rampf- und Arbeits­gemeinschaft mit Fritz Ebert habe ich erlebt, daß ihm die Stimme verjagte..

Das war an jenem düsteren Tage, als er der Fraktion die furcht­bare Nachricht von dem völligen militärischen Zusammenbruch Deutschlands überbrachte. Im nächsten Augenblick war er wieder Herr über sich und sprach so martig und fest wie immer.

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Für Frizz Ebert war des Volkes Wohl das oberste Gesetz. Die Worte wollen genau so verstanden werden, wie sie dastehen. Reines davon ist eine Phrase, wie der ganze Mann ein Feind jeder Phrase war.

Das Wohl des Voltes. Er fannte das Bolt, dessen einfachsten Schichten er entstammte. Er mußte, was dem Bolke an seinem Wohle fehlte. In der großen Arbeiterbewegung hatte er früh die einzige Hilfe erkannt. Als blutjunger Sattlergeselle trat er in Reih und Glied. Mit dem Wort, mit der Feder, mit dem Gesetzbuch hat er gedient; im kleinsten Kreis begann er, den fleinsten Kümmernissen ormer Proletarierfrauen war er treuer Anwalt; die größlen Sorgen des ganzen deutschen Volkes liefen in den letzten Jahren bei ihn zu­jammen und fanden in ihm den gleichen treuen Anwalt, bis ihn der Tod von seiner hohen Warte herunterholte.

Den Sohn des Volkes!

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Bor dreißig Jahren haben wir uns in Bremen zum ersten Male die Hand gereicht.

Als ich einige Johre vorher meine Baterstadt verlassen hatte, um mir auswärts die politischen Sporen als Sozialdemokra: zu ver­Mienen, war Ebert erst kurz zuvor von Süddeutschland zugewandert. Er hatte sich trotz seiner Jugend in furzer Zeit an die Spitze der bremischen Parteibewegung geschwungen und neue Kraft und jugend­liche Frische in ihren etwas schläfrig gewordenen Gang gebracht.

Bremen wurde seine zweite, seine Wahlheimat, selbst ihr liebes Plattdeutsch sprach er wie ein Tagenbarer".

Einige Jahre später beriefen mich die Bremer Parteigenossen, unter ihnen mit maßgeblicher Stimme Friß Ebert, als Nachfolger Franz Diederichs an das Bremer Parteiblatt.

Wir haben gut zusammengearbeitet. Ohne Gegenfäße ging es dabei natürlich nicht ab, fie ergaben sich aus verschiedener tattischer Einstellung zu bestimmten Parteiproblemen.

Aber Ebert stellte stets die Sache über die Person. Das habe ich besonders wohltuend empfunden, als wir später beide in Berlin in der Zentrale zusammenzuarbeiten hatten.

In der Bildungsarbeit war er mir stets ein bereitwilliger För­derer und Helfer.

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Besonders eng führte uns die Arbeiterjugendbewegung zu­jammen.

Mit dem sicheren politischen Instinkt, den er wie taum ein zweiter hatte, ahnte er schon in den umstrittenen Anfängen der Jugendbewegung die tiefere Bedeutung, die sie zu gewinnen vermochte.

Als der Nürnberger Parteitag eine vorläufige Regelung getroffen hatte, der auch die mißtrauischeren Gewerkschaftsgenossen zustimmten, stellte sich Ebert an die Spitze der neugeschaffenen Zentralstelle für die arbeitende Jugend. Bei dem großen Bertrauen, das er gerade bei den Gewerkschaften genoß, war das besonders flug von ihm. Als er den Vorsiz in der Zentralftelle niederlegen mußte, weil ihm seine höheren Aufgaben dazu feine Zeit mehr ließen, wurde ich sein Nachfolger.

Und als ich ihm 1922 berichten fonnte, daß auch ich den Borsiz abgeben und ihn nunmehr der Arbeiterjugend selber überlassen durfte, hat er diesen Aufstieg der Arbeiterjugendbewegung mit leb­hafter Freude begrüßt.

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In jenen wilden Wochen und Monaten vom 9. November bis zur Wahl der verfassunggebenden Nationalversammlung war ich bei ihm in der Reichskanzlei. Ich war Zeuge der vielen stürmischen Auftritte, zahlreiche ungebärdige Besuche habe ich abgefangen, andere

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Im Kosakendorf.

Bon Marim Gorki.

Die meisten Menschen, zwischen denen ich, bald aufwärts, bald abwärts steigend, über die Erde hinschreite, erscheinen mir so grau mie der Staub unter ihren Füßen; ich habe das peinliche Gefühl ihrer Ueberflüssigkeit, und ich finde keine Handhabe, in ihr Wesen einzubringen und auf den Grund ihrer Seele zu bliden, um dort vielleicht noch einen neuen Gedanken, ein noch nie vernommenes Bort zu entdecken.

Diese Frau aber wedt meine Phantasie, ich suche ihre Ber­gangenheit zu erraten und fable mir irgendeinen fomplizierten Liebesroman zusammen, dessen Heldin sie ist, wobei meine Wünsche und Hoffnungen der Geschichte das nötige Kolorit verleihen. Ich weiß, daß das alles Lüge ist, und ich weiß, daß für mich dabei nichts Gutes herauskommen fann aber die nackte Wirklichkeit in ihrer ganzen Häßlichkeit, ohne ein bißchen Phantasieschmuck zu sehen, er scheint mir doch gar zu betrübend...

...

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II.

Einen großen, rothaarigen Menschen, der beim Sprechen mühsam nach Worten sucht und die Augen schließt, höre ich langfam, mit tiefer Baßftimme, erzählen:

Gut also. Wir gingen weiter. Unterwegs fagte ich zu ihm: Sprich, was du millst, Gubin aber nur du fannst es gestohlen haben, fein anderer sonst.

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Der Bursche mit den vorspringenden Badentnochen start die junge Frau im grünen Kopftuch unverwandt mit seinen bleiernen Augen an, deren Bupillen so trüb sind mie die eines Blinden . Er reißt ein paar graue Halme ab, führt sie zum Munde und taut daran wie ein junges Kalb dann streift er den Hemdärmel bis an die Schultern hinauf, streckt den Arm im Ellenbogengelenk auf und nieber, läßt seine Muskeln spielen und betrachtet sie wohlgefällig. Ganz unvermittelt wendet er sich zu Konew : Soll ich dir mal eins versezen?"

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Stonem betrachtet nachdenklich die Faust des Burschen, die so groß ist mie ein Budgewicht, stößt einen Seufzer aus und er mibert ihm:

हुए

FRIEDRICH EBERT

Denn er war unser! Mag das stolze Wort Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!

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Beilage des Vorwärts

OTTENS

( Goethe.)

mit Ebert verband: Das Schöpferische, Ursprüngliche, das aus dem Urgrunde der menschlichen Seele tommt und allem wissenschaftlichen Intelleft und aller fünstlerischen Gestaltungskraft doch erst die letzte höchste Weihe gibt.

habe ich zu ihm geleitet. Ich war zugegen, als die matrosendeputa-| die ganz Großen im Reich der Wissenschaft und der Kunst unbewußt tionen anrüdten, eine nach der anderen. Ich war zugegen, als ein wildes Heer in der Wilhelmstraße Ebert hinausrief, um ihn zum Präsidenten zu machen. Und ich höre noch seine flare, starte Stimme, mit der er die Präsidentenmacher beruhigte und nach Hause schickte. Und in feinem Augenblid Verzagtheit, auch wenn die Kugeln um die Ohren pfiffen.

Und zu jeder Zeit bereit, mit seinem Leben für seine Sache ein zustehen.

Und dabei zu jeder Zeit flaren Kopfes, immer fähig, auch in der gefährlichsten Situation das rettende Wort zu finden und die be­freiende Tat zu veranlassen.

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Dieses Schöpferische und Ursprüngliche befaß Ebert für die Politik. Ebert hat besonders in den letzten zehn, und ganz besonders in ben letzten sechs Jahren unendlich oft vor den schwierigsten Lagen gestanden. Wohl hatte er Berater. Aber die einen sagten so und die anderen so und die dritten noch anders. Sie alle maren fluge Leute und alle hatten die besten Gründe für ihren Rat.

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In solchen Lagen versagt der Nurtaktiker, versagt der Routinier, wenn er nicht den eigenen sicheren Ratgeber in der eigenen Bruft hat, der durch alle Schwierigkeiten hindurch und über alle abweichenden Ratschläge der anderen hinweg den einzigen rcttenden Weg sieht und unbeirrbar auf ihm voranschreitet:

versagt der Klügste Defter bin ist später in amtlicher Stellung im Kreise von Männern des geistigen Deutschlands , Männern der Wissenschaft und der Kunst mit ihm zusammen gewesen.

Und ich weiß, wie diese Männer über Ebert denten, Männer, deren Namen den besten Klang haben, weit über Deutschland hinaus, Männer, die parteipolitisch anders denken als er, die aber vor der großen, geschichtlichen Persönlichkeit Eberts, vor seinem hervor ragenden staatsmännischen Geschick und nicht zuletzt vor seiner schlich­ten Menschlichkeit die höchste Achtung haben, und die bis ins tiefste Herz hinein erschüttert waren, als die Nachricht von feiner schweren Erkrankung kam.

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Bielleicht war es ein gemeinsames, geheimnisvolles Band, das

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,, Schlag' dich lieber selbst vor den Schädel vielleicht wirst du dann schlauer.

Der andere sieht ihn mit großen Eulenaugen an und fragt: ,, Willst du damit sagen, daß ich ein Dummtopf bin?" " Es scheint mir beinah' so..."

Hör' mal," versetzt der Bursche gereizt, während er sich schwer­faig auf die Knie erhebt woher weißt du denn, wie ich bin?" ,, Euer Gouverneur hat mir's gesagt.

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Der Bursche schwieg, sah Konem ganz verwundert an und fragte: ,, Aus welchem Gouvernement bin ich denn?" " Schlimm genug, wenn du's vergessen hast." ,, Wart' mal, du

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wenn ich dir eins auf die Nase gebe. Die ältere der beiden Frauen hörte auf zu nähen, bewegte die runden Schultern, als wenn sie fröre, und erkundigte sich freundlich: Rein, fag' mal aus welchem Gouvernement bist du eigentlich?"

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Ich? Aus dem Bensaschen", antwortete der Bursche, während er aus der knieenden Stellung in die hockende überging. Warum fragst du?"

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Die jüngere Frau ließ ein verhaltenes Richern hören. Auch ich bin von dort her...," sagte sie dann. Aus welchem Kreise?"

,, Auch dem Kreise nach bin ich aus dem Pensaschen," versetzte die junge Frau nicht ohne Stolz.

Der Bursche hoďte vor ihr wie vor einem Wachtfeuer, streckte die Arme nach ihr hin und sagte in überzeugtem Tone:

Unfre Stadt ist wunderschön! Schenken, Kirchen, gemauerte Häuser sind dort. und in einer Schenke spielt eine Maschine... alles, was man will, spielt fie... alle Lieber!"

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Auch das Lied vom dummen Iwan spielt sie," murmelte Konem spöttisch, aber der Jüngling aus Pensa hört ihn nicht, er ist ganz bei feiner Erzählung von den Herrlichkeiten der Stadt, schwatzt mit den großen, feuchten Lippen und brummt, gleichsam die Worte beleckend: Gemauerte Häuser..."

Die Frau hielt wieder in ihrer Näharbeit inne und fragt: " Gibt's dort auch ein Kloster?"

Ein Kloster?"

Der Bursche tratzte sich heftig am Halje, schwieg eine Weile und wiederholte dann, wie ergrimmt über irgend etwas:

Ein Kloster? Bestimmt kann ich's nicht sagen. Ich war

Dieser Mann war Ebert!

So wie ein großer Künstler oder Wissenschaftler plötzlich aus dem Nichts, aus der Nacht einer unbekannten Vergangenheit auffteigt und da ist, mit all den unerklärlichen Eigenschaften, die wir anderen bewundern, so ist Ebert aus dem Nichts, aus unbekannter, schlichter Vergangenheit da gewesen, als Deutschland in schwerster Zeit einen Führer brauchte.

und uns war Heinrich Schulz.

Wir merden einen großen Mann begraben er mehr!

nur ein einziges Mal in der Stadt, wie man uns im Hungerjahr zum Eisenbahnbau getrieben hat..

"

Aehä!" seufzte Konew, erhob sich und ging fort.

Die guten Leutchen schmiegen sich an die Kirchhofsmauer wie ein Haufen Rehricht, den der Steppenmind zusammengeweht hat, und der wieder in die Steppe zurücfliegt, sobald der Wind ihn dahin­treibt. Drei von ihnen schlafen, etliche bessern ihre Lumpen aus, andere suchen sich das Ungeziefer ab oder verspeisen mit Widerwillen das altbackene Brot, das sie an den Fenstern der Kosakenhäuser zu­fammengebettelt haben.

Am Kirchhofseingang stehen gleich Wächtern vier Pappeln- der Wind fährt über sie hin, und sie neigen sich vor der trockenen, staubigen Erde, nach der trüben Ferne hin, wo die schneebedeckten Gipfel der Berge emporragen. Die bräunlich- rote Steppe ist vom goldenen Sonnenschein übergossen, sie ist so leer und glatt und lockt durch das leise Pfeifen des Windes und das sanfte Rauschen der trockenen Gräser zu sich hin.

Was sagst du zu dem Weibchen?" fragt träumerisch Konem, der sich gegen einen der Pappelstämme anlehnt und ihn mit den Armen umfaßt.

hm

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Woher ist sie?

Aus der Gegend pon Rjäsan, sagt sie. Sie heißt Tatjana... ja."

Geht sie schon lange mit dir?"

" Bewa- ahre! Heute morgen bin ich ihr begegnet, dreißig Werst von hier... mit ihrer Freundin ging fie. Bin ihr auch schon früher begegnet, bei Maitop am Laba- Flusse, zur Zeit der Heuernte. Da mals war ein älterer Mann bei ihr, mit rasiertem Gesichte, wie ein Soldat sah er aus; vielleicht war's ihr Liebhaber, vielleicht aber auch ein Onkel. Ein Trunkenbold war's, und ein Händelsucher, zwei­mal in drei Tagen bekam er dort die Ruten. Jezt geht sie mit dieser Freundin, de: Ontel aber fist irgendwo in einem Sofafengefängnis, weil er das Pferdegeschirr vertrunken hat. Die Kosaken sind streng.

Konew spricht gern, doch klingen seine Worte zumeist so, als ob sie den laut gesprochenen Schluß eines griesgrämlichen Gedankens

bildeten.

" gar

Sm- ja," sagt er gedehnt und spuckt durch die Zähne fein übles Weibchen! Ein strammer Kerl, mit einem Wort! Muß der Teufel diesen dickschnauzigen Lümmel herführen! Ich hätt mich ganz hübsch mit ihr eingerichtet, und der Kerl verdirbt mir den Spaß..." ( Fortjeßung folgt.)