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Sonaabeuü 7. März 1925
Eine Ehrenrettung Marats  . H. Tain« hcit w feiner berühmten Geschichte derEntstehung des modernen Frankreich  " den Revolutionär Mo rat als einen wissen- fchastlichea Charlatan geschildert, der cm Größenwahn krankte und nur in der Sprache eines Irrsinnigen zu reden pflegte. Tarne be­hauptet, in den Irrenhäusern Patienten begegnet zu sein, die von ihren vermeintlichen Erfolgen etwa ebenso berichteten wie Marot   von den seinigen. Es ist das Verdienst von S). G. Wells, die Zerrbilder, die ein Taine, ein Carlyle von diesem srmizösischen Revolutionär entworfen hat, berichtigt zu haben. In seinen.Grundlinien der Weltgeschichte" (Verlag für Sozialwissenschost, Berlin   SW 68) rollt das erschütternde Drama der französischen   Revolution in sprühender Lebendigkeit ab, und plastisch enthüllt sich uns der wirkliche soziale und politische Charakter der ungeheuren Umwälzung, die das Gesicht West- und Mitteleuropas   gänzlich geändert hat. Marot   war ein Jakobiner,«in extremer Umstürzler, in dem die Formeln Rousseaus von dem tugendhaften Naturmenschen zu Aktionskräften geworden waren und der da vermeinte, den geborenen guten Menschen wiederher- stellen zu können, wenn er ihm alles, was er von der bisherigen Geschichte ererbt hatte, vom Leibe riß. In den Menschlichkeitsbestre- bungen der Jakobiner lag, wie Wells bemerkt, etwas Unmensch- liches, und sicher, dieser Eharaktcrzug fehlt auch dem leidenschaft- iichen Marat nicht. Wells schildert Marat io: Marot   war ein älterer Mann, ein Schweizer  , von großer wissenschaftlicher Bildung, ebenfalls nicht mit Reichtümern gesegnet. Wir müssen Marats   wissenschaftliche Bildung besonders betonen. weil es bei englischen Schriftstellern Mode ist, die Führer großer revolutionärer"Bewegungen fälschlich als unwissende Männer zu schildern. Das gibt ein unrichtiges Bild vom geistigen Werdegang der Revolution: es ist Aufgabe des Geschichtsschreibers, dies richtig zu stellen. Wir wissen, daß Marat englisch, spanisch, deutsch   und italienisch verstand: er hatte mehrere Jahre in England zugebracht, das Ehrendoktorat von St. Andrew erworben und mehrere wert- volle medizinische Aufsätze in englischer Sprache veröffentlicht. So- wohl Benjamin Franklin   als auch Goethe interessierten sich sehr für seine naturwissenschaftlichen Arbesten. Und das ist der Mann, den Carlyleeinen tollen chund",abscheulich",schmutzig" undHunde- doktor" nennt! Die Revolution machte Marat   zum Politiker, und seine ersten Beiträge zu den großen Auseinandersetzungen waren schön und gesund. In Frankreich   herrschte die irrige Ansicht, daß England ein Land der Freiheit sei. Marats  lableau des vices tk La Constitution d'AngleteiTe*(ein Btld der Fehler der eng- tischen Verfassung. Red.) zeigt» die Lage Englands im wahren Licht«. Seine letzten Jahre wurden ihm durch eine schreckliche Haut- krankhett unerträglich gemacht, die er sich zuzog, als er sich in den Kanälen von Paris   verstecken muhte, um den Folgen seiner De- nunziation des Königs als Verräter nach der Flucht von Barenne zu entgehen. Nur in einem heißen Bade sitzend konnte er sich io weit sammeln, daß er zum Schreiben fähig war. Er war hart bchandest worden und Halle gelitten, er wurde hart: trotzoem hebt er sich in der Geschichte als ein Mann von seltener makelloser Ehr- lichkeit ab." Als Charloll« Corday den Revolutionär Marat   ermordete, befaß dieser noch 23 Sous baren Geldes! Der Bolksfreund starb für das Volk, das er nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich befreien wollte._
Aufwertung nach dem Dreißigjährigen Kriege. Zu den Zeitübeln, unter denen Deutschlaich während de» Dreißig- jährigen Krieges seufzte und die oft dazu Veranlassung gegeben haben. unsere Epoche mit jenen Tagen zu vergleichen, gehörte auch die Geld- cniwcrtung und allgemein« Verarmung. Wie man damals stabill- siert und die Schuloenlllgung geregest hat, darüber gibt Professor Ernst Stampe-Greifswald in einer kurzlich der Preußischen Akademie vorgelegten Abhandlung einen sesselnden Ueberblick. Der Geldwirrwarr in Deutschland  , den die Münzherren so häufig durch skrupellos« Münzoerschlechierungen ausnutzten, war schon durch die Münzordnungen von ISöö und 1366 beseitigt worden. Dieser Er- folg ließ sich aber im Anfang des 17. Jahrhunderts, vor allem der politischen Lage wegen, nicht mehr hatten. Man geriet schließ- lich 161S in eine Zell selbst früher unerhörter Münzverschlechterung, die Kipper- und Wipperzeit. Die ungeheure Gefahr dieser Zustände wurde ober nicht verkannt, und so gelang schon 1628 durch Ein- ziehung des schlechten Geldes, Schaffung bessererUsualmllnzen" mst Annohmezwang, strenge Aufsichts- und Strafmaßnahmen und Ausstellung von Taxordnungen zur Senkung der Warenpreisewie durch«in Wunder" die Stabilisierung, die während des Krieges nicht mehr wesentlich«rschüllert worden ist. Dafür setzte aber jetzt
erst eine wirtschaflliche Not ein. wie sie unsere Zell   auch nicht an- nähernd kennen gelernt hat. Das Problem, wie die Schulden aus der Kipper, und Wipperzeit zu tilgen seien, erhob sich nun in seiner vollen Schärfe. Bei seiner Lösung hielten die Partikulargesetzgebung und das Reichskammergericht grundsätzlich an der Auffassung fest, die schon früher als allgemeines Recht gegolten Halle, daß der vom Schuldner zu zahlende Betrag die gleiche Kaufkraft besitzen müsse wie die Schuld zur Begründungezeit. Eine einheitliche reichsrechtlich« Regelung im gleichen Sinn erfolgte nach Kriegsende in dem sog. Jüngsten Reichs- abschied von 1634. Er gewährte durch den Krieg insolvent ge- wordenen Schuldnern Teilerlaß und Stundung. Jener bezieht sich nur auf die Zinsen: erlassen werden drei Viertel der rückständigen Schulden, die weiterlaufenden werden auf 3 Proz. beschränkt. Das Kapital wird im ganzen höchstens 3 Jahre gestundet und muß von da ab in höchstens 7 Jahresraten bezahlt werden. Besondere Be- stimmungen gelten für die Stundung der Zinsen. Leichtsinniges Wirtschaften des Schuldners, völlige Verarmung des Gläubigers führen zum Verlust dieser Privilegien. Im ganzen soll der Richter aus Grund dieser allgemeinen Bestimmungen möglichst aus Veraleiche Hinarbesten, zu denen es denn auch meist bei öffentlichen wie privaten Schulden kam. Manche Länder und Städte zahlten größere und geringere Prozentsätze Halle nur 16 Proz. und diese erst 1717!, andere wieder voll. Im ganzen schreibt Stampe dem unbeirrbaren Festhalten der maßgebenden Instanzen am Rechtsgedanken und ihrem politischen Weitblick, der auch die Wirkung auf den Aus- landskredit nicht außer acht ließ, großen Einfluß auf das Wieder- ausblühen der deutschen Wirtschaft zu.
Die Stenographie bei den Römer«. Der Ursprung der Steno- graphie, die in Deutschland   durch das neue Einheitssystem zu einem gewissen geschichllichen Abschluß gekommen ist. liegt viel weiter zu- rück, als man im allgemeinen glaubt. Rom   hat zur Zell   seines reichsten parlamentarischen Lebens, also zur Zell   von Cicero   und Cäsar schon Parlamentsstenographen gebabt. Cicero  , dessen Eitelkeit sehr viel daran lag, seine Reden möglichst schnell und genau auf- gezeichnet zu erhallsn, hat, wie Plutarch erzähv, seine Schreiber gelehrt, in kleinen Zeichen den Wert mehrerer Buchstaben zu- sammenzufasien. Diese Schreiber soll« an verschiedenen Stellen des Senatssaales postrert haben. Der erste Versuch, ein« Rede zu stenographieren, ist anläßlich einer Rede des jüngeren Cato gemacht worden. Die Flügelbcwegung des Kohlweißlings. Parallel mst den überstürzenden Erfolgen auf dem Gebiete der Flugtechnck ging ein genaues Studium des Bcgelfluges, während der Jnfekteuflug nicht in dem Maße berücksichtigt wurde. Uexküll versuchte nun d>« Bewegung der Kohlweißlingsflügel mit Hilfe der Photographie in ihre verschiedenen Stufen zu zerlegen. Zunächst konnte festgestellt werden, daß Vorder- und Hinterftüael eine verschiedene Bewegung haben. Während die Hiuterflügel sich nur aus und ab bewegen. machen die beiden vorderen dazu noch Vor- und Rückwärtsdewe- gungen. Außerdem drehen sie sich uni ihre Längsachse, so daß dadurch die Lust nach hinten geworfen wird. Wenn man die Vorder- und Hinterflügel in Spreizstellung aneinander klebt, so kann der Schmellcrling sich nicht vom Boden erheben. Zu den Flügclbewe- gnugen treten dann noch die Bewegungen des Hinterleibes, die dein Flügelschlag entgegengerichtet sind und als Steuer wirken.
Ich Hab' keine Heimat, keine Verwandtschaft.. Lüg' doch nicht..." versetzte der Bursche. Bei Gott  ! Straf' mich der Himmel, wenn ich lüge.. Es klang wie ein Weinen aus ihren Worten. Ein banges, quä­lendes Gefühl stieg in mir auf ich hätte aufspringen und de« Lümmel mst Faustschlägen aus der Huste treiben mögen, um dann lange und herzlich mst dieser Frau zu reden. Wie ein verlassenes Kind hätte ich sie aus die Atme nehmen mögen... Sie begannen wieder miteinander zu ringen. .s>la, so verstell' dich doch nicht!" brummte der Bursche. Nein, ich will nicht... mit Gewoll setzt du nicht» durch..' Und plötzlich schrie sie wie in schmerzlichem Erstaunen auf. ,0 weh... warum nur, warum das?..." Ich sprang empor, und in einem zornigen Anfall schrie ich gleichfalls laut auf. Es wurde still, irgend jemand kroch vorsichtig über den Fußboden und stieß gegen die zerbrochene, nur in einer Angel hängend« Tür. Ich Hab' nicht angefangen," knurrte der Bursche.Sie ist selber zu mir gekommen, die liederliche Dirne. Alle setzen einem hier zu. nicht zur Ruhe kommt man.. Nein, so ein Dummkopf, so«in Dummkopf!.. klang es be- leidigt von der Tür her. Schweig lieber, du Herumtreiberin!" Der Regen haste aufgehört. Durchs Fenster drang die schwül« Luft herein, und die nächlliche Stille legte sich mir beklemmend aus die Brust. Ich ging in den Hof hinaus es war dort stickig und kühl zugleich, wie zur Sommerszest in einem Eiskeller, wenn da» Eis geschmolzen und die Lust mit Feuchtigkeit gesättigt ist. Irgendwo in der Nähe saß leise schluchzend die Frau aus Rjäson. Ich lauschte noch ihr hin und-ging, meinem Gehör folgend, nach der Richtung, aus* der die Lame kamen. Sie saß. den Kops mst den Händen umfassend, in einem Winkel des Hofes und neigte sich ab- wechselnd vorwärts und rückwärts, als verbeuge sie sich vor mir. Ich empfand einen stillen Groll gegen sie. Lange stand ich vor ihr und wußte nicht, was ich sagen sollte: dann begann ich: Sag' mal hast du den Verstand verloren?" Laß mich," antwortete sie nach kurzem Schweigen. Ich hob' alles gehört, was du zu ihm sprachst..." Nun und was weiter? Geht's dich etwas an? Bist du vielleicht mein Bruder?" (Fortsetzung folgt)
3m kosakenöorf. 5J Bon Maxim Gorki  . Ich zündete ein Streichholz an. ging zu ihnen hin und zog schweigend Konew weg. Er nahm es nicht weiter übel, sondern schien nur abgekühlt: prustend und spuckend saß er zu meinen Füßen und räsonnierte: p Man erlaubt sich'nen Spaß mst dir, dumm« Gans, und du wirft gleich grob! Als ob du davon Schaden hättest.. �Hast du dein Teil bekommen,>0?" tönte« ruhig aus der Ecke. Wenn wester nichts istl Die Lippe hast du mir blutig geschlagen, wester nichts..." Bersuch's doch noch einmal dann schlag' Ich dir auch den Schädel entzwei!" Zähneknirschend richtete der Bursche aus Pensa sich auf. saß. den Kopf mit den Händen umfassend, da und sagte finster: Morgen geh' ich fort... nach Hause will ich!... O Gott, wie zuwider ist mir das alles..." Dann warf er sich wieder auf fein Lager, als hätte ihn ein Schlag auf den Kopf getroffen. Ein zu dummer Kerl!" sagte Konew. Im Dunkel erhob sich«ine schwarze Gestalt und glitt geräusch- los, wie ein Fisch im Wasser, nach der Tür hin. Sie will wohl hinaus." meinte Konew.Ein strammes Weib- che»! Wärst du nicht dazwischengekommen, ich Hütt' sie, bei Gott  . herumgekriegt!" Geh' ihr doch nach, versuch'? noch mal.. _Nein." sagt« er nach kurzer Ueberlegung.Dort findet sie einen Knüttel, einen Ziegelstein oder sonst was und schlägt damst zu... Schadet nichts, ich komm' schon noch ans Ziel... Hättest dich nicht ein- mischen sollen... aus Neid hast du's wohl getan?..." Er begann wieder mit feinem Glück bei den Weibern   zu prahlen und verstummte dann plötzlich, als hätte er die Zunge verschluckt. Regungslos still ist's ringsum. Alles ruht, an die Erde ge- schmiegt, und schläft. Auch mich überkommt ein leiser Schlaf: alles. was der verwichcne Tag mir gebracht, zieht an mir vorüber, es wächst, schwillt ins ungemessene und wälzt sich, unförmlich groß wie «in Steppenhügel, über mich hin. Die Glocke ertönt träg. in un- gleiche» Zeitabstände» falle» di« metallenen Klänge in, Dunkel.
IV. Mitternacht   ist's. Auf das trockene Schiff des Daches und in den Staub der Straße klatschen vereinzelle, schwere Regentropfen nieder. Ein« Grille zirpt es klingt wie ein hastiges Erzählen, und im Dunkel der Hütte läßt sich wieder ein leidenschaftliches, unterdrücktes Flüstern vernehmen: Ueberleg' dir's doch, mein Lieber: welchen Zweck hat es, so ohne Ziel herumzuziehen, höchstens mal für fremde Leute zu schuften.. Ich kenn« dich doch nicht., antwortete dumpf der Bursche aus Pensa. Sprich leiser.. Was willst du eigentlich von mir?" Gar nichts will ich. Du tust mir nur leid... Bist jung und kräftig, und verluderst dein Leben, und darum sag' ich: komm mit mir!" Wohin?" Ans Meeresufer. Es gibt dort sehr schöne Stellen... Auch hier bietet die Erde dem Menschen schon viel Schönes, aber dort ist es noch weit schöner..." Ist's auch wahr?" So sprich doch leise!... Ich bin eine Frau, die sich sehen lassen kann, ick versteh' jede Arbeit... Wir suchen uns dort ein Plätzchen und leben beide still und gemüllich miteinander... Ich gebäre dir ein paar Kinoer und ziehe sie groß... Ich glaube wohl, daß ich dazu tauge... Da, sasf' mal meine Brust an..." Der Bursche läßt«in lautes Grunzen hören. Ich bin in einiger Verlegenhest: ich möchte ihnen zu verstehen geben, daß ich nicht schlafe, aber die Neugier hält mich davon zurück, und so schweige ich und belausche die sonderbare Unterhaltung, die mein Blut in Wal- lung versetzt. Nicht doch, treib' keinen Mutwillen!" flüstert die Frau schwer atmendich Hab s doch nicht deshalb gesagt... ich rede im Ernst... laß mich los!..." Der Bursche aber versetzt in grobem Tone: Was kommst du mir auf den Hals? Erst drängt sie sich mir aus, und dann tut sie zimperlich..." So hör' doch nur! Ich bin's überdrüssig, mich länger so her- umzutreiben.. Dann geh' in deine Heimat..." Sie schwieg ein Weilchen und antwortete dann leise: