des Bürgerlichen Gefehbuches unverzüglich an die Behörde oder an sie Berkehrsanstalt abgeliefert werden. So hat die Stadtbahu ihr befonderes Fundbureau am Schlesischen Bahnhof , die Straßenbahn im Hauje Leipziger Plah Nr. 14, die Hochbahn in der Köthener Sir. 16. Etma 100 bis 150 Gegenstände werden täglich im Fundbureau am Leipziger Plaz abgegeben und etwa 50 in der Köthener Straße. In erster Linie find es Schirme, dann folgen Städe, Afteamappen und dergleichen mehr. Sind die Gegenstände in der Straßenbahn liegen geblieben, fo werden fie vom Schaffner eingesammelt und im Be triebsbahnhof zusammen mit der Fundbescheinigung abgegeben. Am nächsten Tage machen dann zwei Autos Rundfahrten zu allen Be triebsbahnhöfen und liefern die Gegenstände am Beipziger Blatz ein. Hier können sie während der Geschäftszeit an Wochentagen von 10-3 und am Sonnabend von 10-1 Uhr gegen 3ahlung einer Gebühr von 15 Pf. abgeholt werden. Aber auch schon auf den Be: triebsbahnhof werden dem Verlierer die Gegenstände gegen eine Gebühr von 8 f. ausgehändigt. Man glaube nun nicht, daß etwa alle in der Straßenbahn verlorenen Gegenstände fich wiederfinden. Die Zahl der Berlierer, die ihrem Eigentum auf immer Lebewohl jagen müssen, ist doppelt so groß als die Zahl derjenigen, die ihre Sachen wiederbetommen. Etwa ein Drittel der verlorenen Gegenstände wird überhaupt nicht abgeholt. Das Fundbureau der Hoch bahn ist mochentäglich von 10-4 Uhr geöffnet. Die Sachen fönnen gegen eine Gebühr von 20 Pf. abgeholt werden. Auch hier sind es in Der Hauptsache Schirme, aber natürlich auch andere Gegenstände, die mit Freude von dem Berlierer entgegengenommen werden. Das Fundamt am Polizeipräsidium ist wochentäglich von 9 bis 1 Uhr geöffnet. Der Berlierer muß nicht vergessen, seinen Baz oder einen genügenden Berfonalausweis mitzubringen. Es tut gut, erft in etwa 20 Tagen nachzuforschen. Bei schriftlichen Anfragen ist eine Mart Gebühr und Porto beizufügen.
Die Psychologie des Berlierens hat ihre eigenen Gesetze. Die haftende Eile der Großstadt, die Nervosität und Zerstreutheit wird wohl eine große Schuld am Verlieren tragen. Der Kampf um das Dasein mit seinen Gorgen nimmt den Menschen oft so sehr in Anspruch, daß seine Vergeßlichkeit schon begreiflich erscheint. Ob jetzt mehr Sachen verloren werden als vor dem Kriege, ob es jetzt noch weniger ehrliche Finder gibt als früher, mag dahingestellt bleiben.
Jugendweihe.
Es hat für viele, vielleicht für alle von uns, die wir zu den Aelteren zählen, Enttäuschung über Enttäuschung gegeben, und es war nicht die Tragkraft der Schultern und des Geistes start genug, ihnen siegreich zu widerstehen. So mancher wurde kleinlaut und verließ seine Fahne, als er sie nicht mehr mit der Herrschaft der Winde streiten sah. Aber die einmal innerlich den Gedanken bejaßen, die verloren ihn nicht, die wankten nicht, und laut und groß tlingt ihnen auch aus Niederungen die unverzagte Sprache
der Zukunft.
Die Jugend unserer Tage, die Jugend unserer schmerzsollen Sehnsucht weiß, daß ihr Weg hart und herb ist, denn fie tannte es nie anders wissen. Der Hunger am Anfang, das Darben im ersten zielbewußten Schreiten sind strenge Erzieher, aber sie müssen auch gelehrige Schüler finden. Sie, weisen in das Reich des Geistes, fie schulen erbitterten Sinn. Diese Jugend wird fämpfen, weil sie fämpfen muß, und sie wird siegen, meil nach solchen Entsetzens. wegen der Menschheit ein halbes Raften nicht mehr möglich, nicht mehr denkbar ist. Sie hat Weihe vom Schmerz und Weh der Seiten empfangen, und diese Weihe war von grauenhafter Größe. Und legt diese Jugend Befenntnis zum Volf und zum Kampf für das Bolt ab, dann strömt auf uns alle die Weihe des Geistes, der niemals von harten Tagesläufen und geschichtlichen Birrnissen entstefft werden fann, der immer und überall da ist, wo Menschen sich zum Menschen befennen. Es ist der Geist, den die roten Fahnen des November jubelten, es ist der Geist, der noch aus den armfeligsten Körpermühen eines Gefnechteten zudt, der in Gräbern Gemordeier noch suchende Flamme ist, der meht und stürmt, wo Geschlechter in Berdorren der Zeit gesunken sind. Es ist der Geift: Mensch, der bestehen müßte, mürde es auch nicht einen der Atmenden mehr geben. Jugendweihe erteilte die Zeit, und diese Beihe war ernst und groß. Was wir Jugendweihe nennen, ist nur ein Erwecken dieses Gedankens.
Sozialismus ist der Kampf um den. Menschen, der zum Sieg der Menschheit führen soll. Was Menschen von Zeiten empfingen, mas werdende Menschen von ihnen aufnahmen, ist die Weihe des Erkennens. Was Menschen unter Menschen empfangen oder gewähren, ist Kampfesweihe des Bekennens.
Millionen, arme, ungezählte Millionen sanfen willenlos, auf daß jeder einzelne und jedes einzelnen Kraft Willen und Weg zur Menschheitsbefreiung wurde. Was Biegen- und Kindheitslied dröh. Menschheitsbefreiung wurde. Was Wiegen- und Kindheitslied dröh. nender Zeiten war, das soll zum Sturmgefang des Mittags der Freiheit werben.
Dies ist die Jugendweihe, die entheiligtes Bolt dem Frieden, der Freiheit entgegenträgt, dies ist Beginn der Menschheitsjugend, ift Erkenntnistat, ist Bekenntnisweg zur Unsterblichkeit des Mensch heitsgedankens.
Annahme verweigert".
Das Schidial eines fiebenjährigen Kindes.
Gin Fall von Kindesausseßung, bei dem nicht, wie sonst, eine unglückliche verlassene Mutter eine Rolle spielte, beschäftigte gestern das Amtsgericht Schöneberg . Der Schuhmacher Schulz war der Kindesausfeßung beschulbigt. Seine verheiratete Lochter, die von ihrem Mann getrennt lebte, hatte einen fleinen Jungen, ber jetzt fieben Jahre alt ist und den der Großvater bei sich aufgenommen hatte.
zurüdfinden merde. Der Junge dagegen blieb dabet, daß der Großvater ihn diereft hinausgeworfen habe. Der Staatsanwalt hielt den Tatbestand der Kindesauslegung für ermiesen und beantragte drei Monate Gefängnis. Der Berteidiger war der Meinung, daß die Angaben des Angeklagten nicht widerlegt feien. Nach der Auskunft der Polizei sei der Junge als fleiner Serumtreiber hinreichend bekannt. In der Verweigerung der Zurüdnahme liege nicht ein Bergehen gegen§ 221 vor, denn der Knabe habe sich unter der Obhut der Polizei nicht in hilfloser Lage befunden. Gelbst aber wenn der Junge direkt an die frische Luft gefeßt morden wäre, so fönne man bei einem siebenjährigen Jungen in Berlin nicht von einer hilflosen Bage reden, da dieser fehr gut mit der Polizei Bescheid wußte und jederzeit den Weg zum PolizeiVerteidigers an und erkannte auf Freisprechung. revier gefunden hatte. Das Gericht schloß sich der Auffassung des
Sonntag, den 8. März, vormittags 11 Uhr, im Großen Schauspielhaus, Karlstraße
Jugendweihe
der Arbeiterschaft Groß- Berlins . Mitwirkende an der Weihe find: Reformierte Gefangsaemeinschaft Roseberry d'Argufo. An der Orgel: Herr Willi Jaeger; Cello: Herr Armin Liebermann; Weiberede: Herr Artur Crifpien, M. d. N. Ferner der Sprechchor der Prolefarischen Feierstunde; Leitung: Herr Albert Florath und Einzeliprecher: Herr Heinrich Witte. Gaffarten für Erwachsene zum Preise von 1 M. und für Kinder zum Preise bon 50 Pf. sind noch an der Kasse erhältlich.
Die Bimmel für den Himmel. Wer darf über das Potsdamer Glodenspiel bestimmen? Anlaßlich des Reichsbannertages in Potsdam beab fichtigte der Organist der Garnisonfirche, Prof. Be der, vom Turm herab den Kameradschaften des Reichsbanners durch den Mund des Glockenspiels einen Gruß entgegenzubringen, wie er es bei anderen Anlässen wiederholt getan hat. Durch seinen Plan wurde ein dicker Strich gemacht, und die Glocken mußten für das Reichsbanner stumm bleiben, weil man sich in Potsdam bei der schwarzweißroten Mehrheit verlegt ge fühlt hätte, wenn der Verfassungstreue und der Republik eine Huldigung dargebracht worden wäre. Das vereitelte Glockenspiel hatte im Stadtparlament zu einer erregten Debatte geführt, die man schließlich durch Einsehung eines Ausschusses beendete, der au prüfen hatte, wie die Rechtsverhältnisse beim Glockenspiel liegen. Der Ausschuß hat seine Arbeiten vollendet und in der Stadtvererdnetenversammlung darüber berichtet. Zunächst betonte der Berichterstatter, daß die alte Tradition nicht geändert werden dürfe und der Glockenist ohne Beifung oder nach seinem Geschmad und Guidünter das Glodenspiel nicht in Bewegung sehen dürfe. Für diesen Standpunkt berief man sich auf eine Kabinettsorder von 1742. Friedrich der Zweite hatte anläßlich einer größeren Reparatur am Glockenwert bestimmt, daß aus der Kämmereitasie der Stadt Potsdam die Reparaturkosten zu zahlen und der Organist zu vergüten sei. Am 12. Januar 1829 erging eine neue Order, die an dieser Berfügung nichts änderte. Am 5. Oftober 1829 richtete der Magistrat die Anfrage, welche Verpflichtungen für den Glodenspieler beständen, der beim Einzuge der Prinzessin von Weimar Das gewohnte Glockenspiel unterlassen hatte. Zwei Tage darauf erschien eine neue Kabinettsorder, in der der firchlichen Verwaltung das Anweisungsrecht übertragen wurde, und die besonders verlangte, daß bei feierlichen Anlässen" zu spielen sei. Auf die erneute Anfrage des Magistrats vom 15. Dezember 1829, was unter
Das Rundfunkprogramm.
Sonntag, den 8. März.
9 Uhr vorm.: Morgenfeier. 1. Harmoniumvorspiel( Dr. Artur Böhme). 2. Die bittere Leidenszeit. J. S. Bach( Maria Mora v. Goetz, Sopran). 3. Predigt Lic. Kooh. von der PaulusKirche, Lichterfelde ). 4. Wanderers Nachtlied, Schubert ( Maria Mora v. Goetz, Sopran). 5. Trio( Triovereinigung Wilksch: Doris Wilksch, Klavier; Friedhelm Wilksch, Cello; Gerda Reichert. Violine). 3 Uhr nachm.: Hans- Bredow- Schule.( Abt. Bildungskurse). Landwirtschaft. Dr. Friedrich Merkel : Wie die Saat, so die Ernte. 3.30 Uhr nachm.; Die Funkprinzessin erzählt: Neue deutsche Märchen. 1. Kaspar Knirps, Hermann Grosse. 2 Inge, die Möwe, Helene v. Schrötter.( Die Funkprinzessin: Adele Proesler). 4.30-6 Uhr abends: Unterhaltungsmusik( Berliner Funkkapelle). 7 Uhr abends: Staatssekretär a. D. von Hintze: Ziele und Wege deutscher Daseinsbehauptung im Auslande". 7.30 Uhr abends: Hans- Bredow- Schule.( Abteilung Bildungskurse). Naturwissenschaft. Dr. Rudolf Wegner: Einführung in die Klimakunde". 3. Vortrag. Der Wind". 8 Uhr abends: Vortragsreihe: Berlin von Anno dazumal". 8. Vortrag. Schriftsteller Georg Bamberger: Berlin zu Großvaters Zeiten". II. Teil. 8.30 Uhr abends: Konzert. 1. a) Amarilli, Caccini , b) Chi tardi arriva, Pieraccini, o) La Danza, Rossini( Grete Stückgold, Sopran). 2. a) Romanze, Bruch, b) Menuett, Dussek- Burmeester( Willi Höber. Bratsche). 3. a) Bone Pastor. L. M. Gießen. b) Panis Angelicus, César Frank , c) Der Doppelgänger, Fr. Schubert( Dirk- Magré- Amster dam, Baß). 4. a) Weylas Gesang, H. Wolff, b) Wiegenlied, R. Strauß , c) Pastorale Bizet( Grete Stückgold). 5. Sonate, Pietroe Nardini, Allegro moderato Andante von A. Zellner( Willi Höber). 6. a) Ons Vaderland, R. Hol, b) Ik kenn een Lied. Mol. c) Der Tod und das Mädchen. Schubert ( Dirk Magré). Am Flügel: Dr. R, E. Lapini. Anschließend: Bekanntgabe der neuesten Tagesnachrichten, Zeitansage. Wetterdienst, Sportnachrichten. Theaterdienst. 10.30-12 Uhr abends: Tanzmusik( Uebertragung a. d. Palais de Danse). Montag, den 9. März.
Außer dem üblichen Tagesprogramm:
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Allegretto, bearbeitet
4.30-6 Uhr abends: Unterhaltungsmusik( Berliner Funkkapelle). 6.40 Uhr abends: Hans- Bredow- Schule.( Abteilung Bildungskurse). Technik. Oberingenieur Siegfried Hartmann:" Spaziergang durch die Leipziger Messe"( Techn. Wochenplauderei). 7 Uhr abends: Tausend Worte Französisch. 7.30 Uhr abends: Hans- BredowSchule.( Abteilung Bildungskurse). Medizin. Prof. Dr. Eckert: „ Hygiene des älteren Kindes und des Schulkindes". 5. Vortrag. " Skrofulose und Tuberkulose". 8.30 Uhr abends: Heiterer Abend. 1. a) Telefunkenmarsch, Ebert. b) Ouvertüre zur Oper Nebu kadnezar Verdi ( I. Berliner Bandonien- Streichorchester. Dirig.: Max Schäffer). 2. a) Der Nöckergreis, W. Busch , b) Aus Zu guter Letzt, W. Busch , c) Dat Telefon, Aug. Hermann, d) Herr Klinkerfaut, Aug. Hermann( Wilhelm Welge. Rezitation). a. a) Norvegia ( Wir wandeln durchs Märchenland) Teddy Moore, b) Leb' wohl, Krell. d) Schäferstündchen, W. Engel- Berger( Willi Weiß, Tonor; schwarzbraunes Mägdelein, Ralph Erwin , c) Die Nachtigall. Emil am Flügel: Miezi Peery). 4. a) Romanze in C, Kahnt, b) Dolce far niente, Walzer, Einödshofer, o) El Captain, Marsch, Sousa ( I. Berliner Bandonien- Streichorchester). 4. a) Reimstübelgedichte, O. Sommerstorff, b) Jammerstrophen, A. Moszkowski, o) Raps, b) Adioh. Marie, es war sehr schön. Viktor Corzilius, c) Auf v. Schlicht( Wilhelm Welge), 6. a) Anna- Maria, Walther Bransen. dein Wohl, Frank Stafford, d) Die schöne Adrienne hat eine HochMiori Peery). Anschließend: Dritte Bekanntgabe der neuesten antenne( Tschientarada- radio) Leopoldi( Willi Weiß, am Flügel: Tagesnachrichten. Zeitansage Wetterdienst, Sportnachrichten, Theaterdienst. 10.30 Uhr abends: Schachfunk( E. Nebermann).
Der Junge hatte den Hang zum Bagabu ndieren und rückte sehr häufig von Hause aus, um sich in den Straßen herumzutreiben. Sämtliche Polizeibeamte des Reviers fannten den fleinen Herumstreicher, da er sehr oft schon aufgegriffen und von dem Großvater wieder von der Wadho abgeholt worden war. Eines Abends um 8 Uhr traf ein Schupobeamter den Jungen wieder auf der Straße. Da er ein trauriges Geficht machte, fragte er ihn, mas er denn treiba Ein fleines Mädchen, welches dabei stand, erwiderte statt seiner: Der Junge darf nicht mehr nach Haufe tommen, er ist rausgeschmissen worden." Und der Kleine bestätigte auch, daß der Großvater ihn vor die Tür gesetzt habe und zu ihm gefagt habe, er folle sich zum Teufel scheren und nicht wiederkommen. Der Polizeibeamte nahm den Jungen an der Hand und brachte ihn zu dem Großvater zurüd. Dieser war gerade dabei, sich zu rasieren und erklärte, daß der Junge nicht wieber zu ihm zurüd dürfe. Der Wachtmeister machte ihn vergeblich darauf aufmert sam, daß er sich strafbar mache, wenn er den Jungen in hilfloser Bage laffe, zumal er versorgungspflichtig fet. Der Schuhmachermeister blieb aber auf feinem Stanbpunti ftehen und ermiderte nur: Annahme verweigert. Darauf wurde der Junge in einem Fürsorgeheim untergebracht. Inzwischen hatte sich wohl der Großpater eines Besseren besonnen und bolte den Jungen nach amei Tagen wieder ab. Die Folge feiner Beigerung mar bie Antiage megen inbesausfegung. Das Kind ist dem Großvater auch jetzt abgenommen worden und befindet sich in einer Fürsorgeanstalt. Bor Gericht bestritt der Angeflagte, daß er den Jungen hinausgeworfen habe. Diefer habe fidh , mie fo off, ohne sein Wissen weggefchlichen. Aus Merger über den fortwährenden Berdruß habe er nur damals dem Bolizeibeamten gesagt, er wolle the nicht wieder haben, weil er wußte, daß der Junge doch wieber Fabrikant: Böhme& Co., Berlin SO 16
Beco KOPFHÖRER
Lautstark- Klangrein
feierlichen Anlässen zu verstehen sei, kam die Antwort: Alle, die das Königshaus betreffen. Borher war durch Order vom 28. November angeordnet worden, daß das Uhrwerk der Garnisontirche vom Magistrat zu unterhalten sei und bei allen Störungen der Oberbürgermeister benachrichtigt werden müsse. 1833 traf die Regierung eine Verfügung und seither muß sie für die Kosten des Glockenspiels aufkommen. Aus diesen dürftigen und lüdenhaften Unterlagen wurde nun jezt das Rechtsverhältnis in der Weise gefolgert, daß das Pfarramt der Zivil. gemeinde der Garnisonkirche die Anweisung für das besondere Spielen zu geben habe und das Glockenspiel vornehm lich firchlichen Zwecken dienstbar sein müsse. Daher habe sich der Glodenist vorher mit dem Bjarramt der Zivilgemeinde in Berbindung zu sehen, damit feine willkürliche Benugung mehr vo tomme. Diese Auffassung hat sich die Regierung in Botsdam mit 3ustimmung des Kultusministeriums zu eigen ge=
nacht.
Es ist recht merkwürdig, daß eine repuhlitanische Regierung bie unmittelbare Verfügung über das aus Staatsmitteln erhaltene Glockenspiel aus der Hand gibt, und die Entscheidung einer zipilen Körperschaft überläßt. Es bleibt also dabei: Bimmelei gehört zur Himmelei.
Deutschnationale Zwiespältigkeit in Potsdam .
Die Potsdamer Stadtverordnetenmehrheit hat am Freitag, nach dem der deutschnationale Vorsteher die Bersammlung mit einem ehrenvollen Nachruf auf den Reichspräsidenten eröffnet hatte, sofort pergessen, was sie über das wirken Eberts gehört hatte. Die Sozialdemokratische Frattion brachte nämlich einen Dringlichkeitsantrag ein, der zum Gedächtnis des Reichspräsidenten die Umbenennung einer Hauptstraße im Stadtinnern in FriedrichGbert- Straße verlangte. Genosse Queißler bezog sich bei der Begründung des Antrages auf die Würdigung, die der Vorsteher dem Reichspräsidenten gewidmet hatte, berief sich auf das Berliner Borbüd und erachtete es als eine Selbstverstädlichkeit, das Andenten des ersten Reichspräsidenten in dieser Weise zu ehren. Nachdem ein Kom munist den vorschriftsmäßigen Standal gemacht und sich zwei Ordnungsrufe zugezogen, und feiner wegen der Würdelosigkeit, den Reichspräsidenten zu schmähen, eine scharfe Rüge erhalten hatte, ergriff ein Boltsparteiler das Wort zur Begründung der Ablehnung des Antrages. Er gab zwar zu ,, daß eine Verfönlichkeit wie der Reichspräsident geehrt werde, aber die Mehrzahl dieser Bersammlung würde es nicht für richtig hatten, wenn man das Beispiel von Berlin und Heidelberg nachahmen wolle. Es sei in Potsdam wenig angebracht, in diesem Sinne vorzugehen, zumal alle persönlichen Momente fehlten. Die Sozialdemokratie, habe ja auch früher sich immer gegen jeden Bozantinismus ausgesprochen. Für den Antrag wurden nur 6 Stimmen abgegeben, davon 1 von den Demokraten. Der" Intrag wurde abgelehnt. Ecenfe erging es beim gleichen Stimmverhältnis einem zweiten sozialdemokratischen Antrag, der für die städtischen öffentlichen Gebäude und besonders für die Schulen die Befchaffung von ahnen in den Reichsfarben anstrebte. Auch bei Beratung dieses Antrags holte sich ein Kommunist zwei Ordnungsrufe und eine Rüge des Vorstehers, weil er die Reichsfahne als Lappen be zeichnet hatte.
Vater, Mutter und Sohn.
Der 48jährige Borarbeiter der Städtischen Straßenreinigung ruhiger, stiller, bescheidener Mensch; sie zänkisch, herrschsüchtig und in Hannover , Raffa, lebt getrennt von seiner Frau. Er ist ein neigt, wie es bei hysterischen Frauen oft der Fall ist, zur Lüge. Der 13jährige Frig wohnt bei der Mutter. Die Frau besist einen Freund, drängt zur Scheidung mit dem Manne, will aber nicht die Schuld auf sich nehmen. In ihrem ebenso bösartigen wie frankhaften Hirne entsteht der Plan, den Mann ins Gefängn nis zu bringen und auf diese Weise die Scheidung zu erzwini gen. Ihr Sohn soll ihr dazu die Hand bieten. Sie veranlaßt ihn. den Bater der Polizei zu denunzieren: er habe ihnuod angehalten, der Mutter während des Schlafes einen Strict um den Hals zu legen und sie durch Gas zu vergiften. Gegen den Vater wird die Untersuchung eingeleitet. Der Junge wiederholt seine Angaben vor der Kriminalpolizei, hält sie aufrecht vor dem Unterfuchungsrichter, bestätigt sie in der Hauptverhandlung. Wie sollte er auch gegen die Uebermacht der Mutter auftommen! Geht aber an feiner falschen Bezichtigung des Baters feelisch und körperlich zugrunde. Geplagt von Gewissensbissen, im Kampfe zwischen dem Bewußtsein der gegen den Bater begangenen Untreue und der Liebe 3ur verbrecherischen Mutter sucht er den Ausweg aus seinem findlichen seelischen Konflitt im Selbstmord. Die verbrecherische Handlung, die die Mutter ihm in der Bezichtigung gegen den Bater in den Mund gelegt hatte, begeht er an sich selbst. Er versucht sich mit Gas zu vergiften und trinkt darauf Salzsäure. Nunsiecht er langsam dahin. Immer wieder wird er im Krankenhause von den Berwandten, vom Lehrer, von dem Kriminalassistenten danach gefragt, ob feine Angaben gegen den Bater richtig seien. Die Mutter weicht aber feinen Schritt von seinem Bette. Man merkt, daß der Junge etwas verschweigt. Trobem lautet immer wieder feine Antwort: Ja, es ist wahr." Der Junge stirbt.
Auf das Gericht aber hatte der Knabe einen glaubhaften" Eindruck gemacht. So wird der Bater zu drei Jahren
und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Mildernde Umstände werden ihm verjagt. Die Revision wird verworfen, die Beantragung des Wiederaufnahmeverfahrens ablehnend beschieden. Gefängnis. Erst nach Berbüßung von zwei Jahren und sechs Mo Der Staatsanwalt drängt auf Antritt der Strafe. Kafta muß ins naten hat ein neuer Antrag auf Wiederaufnahme Erfolg, und die Strafverbüßung wird unterbrochen.
Indes ist die Frauihrem Sohne in den Todgefolgt, Wie ihn, so haben auch sie, die Mutter, die die doppelte Schuld auf fich geladen hat. Gewissensbisse zur Selbstvernichtung getrieben. Sie hat sich durchs Fenster gestürzt. In der neuen Gerichtsverhandlung, die vor einigen Tagen in Hannover stattfand, beantraate der Staats: anwalt aus eigenem Antriebe heraus Freispruch. Wird aber selbst cine zugesprochene Entschädigung den Arbeiter Kafka für die seelische Marter von vier Jahren entgelten?
Auf Aussagen von Kindern hin werden immer noch Menschen ver urteilt, ohne daß die Glaubwürdigkeit der jugendlichen Zeugen von medizinischen und psychologischen Sachverständigen begutachtet wor den wäre. Troß der Unschuldbeteuerung des Berurtcüten und der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens hat es der Staatsanwalt äußerst eilig mit dem Antritt der Strafverbilßuna. Das Wiederaufnahmeverfahren selbst ist äußerst erschwert. Richter, die auf das Urteil ertannt haben, find bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens zuständig. Der Juftizirrtümer um einen weiteren Fall bereichert. Er sollte Fall des Arbeiters Friedrich Kofta hat die Geschichte der als Warnung dienen.
Eine Doppelfelbstmordtragödie.
Dieselben
In der Kopenhagener Straße? wohnte im 2. Stod des Borderhoufes eine 31 Jahre alte Frau Elifabeth Maaß die von ihrem Manne getrennt lebt. Gestern mittag fielen in der Wohnung mehrere Schüsse. Hausbewohner benachrichtigten die Polizei. Kriminalbeomie des 63. Reviers erbrachen die Tür und fanden Frau Maaß, die nach den Schüffen laut aufgefchrien hatte, besinnungslos balienen, bei thr die Leiche eines Mannes, der als ein aus Rußland stammender Kaufmann Gustas Lange aus der Adalbertstraße 43 festgestellt wurde. Die Frau, die noch Lebenszeichen von sich gab, wurde nach dem Birchow- Krankenhauſe aebracht; die Leiche Langes nach dem Schauhaufe. Aus hinterlaffenen Briefen geht hervor, daß die beiden gemeinsam aus dem eben seiben wollten. Lange bat die Frau lebensgefähr fich verfeht und sich selbst tödlich getroffen.