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Abendausgabe

Nr. 11942. Jahrgang Ausgabe B Nr. 59

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreffe find in der Morgenausgabe angegeben Redattion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlia

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Pfennig

Mittwoch

11. März 1925

Berlag und Angetgenabtetiune: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Friedrich Eberts letzte Feststellungen.

Verlesung seiner nachgelassenen Niederschrift im Magdeburger Prozeß.

F. Kl. Magdeburg, 11. März.( Eigener Drahtbericht.)| betone ich nochmals mit größter Bestimmtheit, daß ich nach meiner Friedrich Ebert , das Opfer nationalistischer Verleumdungs- ganzen persönlichen und politischen Einstellung während des ganzen fucht, ist tot. Aber trotzdem beherrschte er heute die Gerichts- rieges auf dem Boden der Lundesverteidigung gestanden und in verhandlung in Magdeburg . Der Vorsitzende verlas heute schließt ihren zweifel über mein Brhalten während des Januar. dejem Sinne gehandelt habe. Diese meine grundsätzliche Einstellung eine Reihe von Reden, die Ebert während des streites aus. Ich lege noch einen Zeitungsbericht über Krieges im Reichstag und anderweitig gehalten hat. eine Rede vor, die ich im Januar 1917 in Berlin im Lehrerver­Sie lie erten eine Rette von Belegen dafür, daß Eberts Hal einshaus am Alexanderplatz gehalten habe. Ich habe damals über tung zur Landesverteidigung nie geschwankt hat. Dann aber die Einstellung der Sozialdemokratie zur Landes­fam Ebertslegte 3eugen aussage. Er hat sie dem verteidigung gefagt: Cericht nicht mehr selbst vortragen tönnen, sondern sie schriftlich dittiert, in seinem Schreibtisch lagern lassen müssen, bis der Tod ihn hinwegraffte. Diese Aufzeichnungen wurden als solche durch Ministerialrat Doehle aus dem Bureau des Reichsprä denten vor dem Gericht aftenfundig gr macht. Sie sind eine ruhige und überlegene Abwehr der auf Grund tommunistischer und nationalisti scher Zeugenaussagen vor dem Schöffengericht konstruierten Linklage des Landesverrats.

General Gröner, der frühere Chef des Kriegsamtes und fpätere Generalquariiermeister, legte wie im ersten Prozeß auch heute wieder Zeugnis ab für die Reinheit der Gesinnung und die Unbeirrbarkeit der Ueberzeugung Elerts in bezug auf die Landesverteidigung und Genosse David, einer der engsten Mitarbeiter Eberts während der ganzen Kriegszeit. schilderte in chronologischer Darstellung dem Gericht die Ge­schichte der Stellung der Sozialdemetratie zur Landesver­teidigung.

B. S. Magdeburg , den 11. März Zu Beginn des heutigen Berhandlungstages wurden noch ein zelne Reden des damaligen Reichstagsabgeordneten Ebert im Haupt auss huß und im Plenum des Reichstages verlesen. Diese Ber Telungen sind notwendig, da bekanntlich die Gesamteinstellung bes verstorbenen Reichspräsidenten gewürdigt werden soll. Dann begann die erste Beugenvernehmung. Zu heute sind die Minister a. D. Gröner und Dr. David sowie Ministerialrat Dr. Döhle und der Abgeordnete Furtenbacher geladen und zuerst wurde Dr. Döhle gehört.

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Vorf.: Am 14. Februar follte der Reichspräsident gerichtlich bernommen werden, doch mußte wegen seiner Ertrantung die Vernehmung verschoben werden. Zu dieser Bernehmung hat sich der Reichspräsident offenbar vorbereitet.

Zenge: Das ist nicht ganz richtig, da der Reichspräsident nicht mit Rüdsicht auf die Krankheit, sondern auf die Bertagung des Brozeffs eine fpätere Vernehmung erbeten hatte. Die schwerste Arbeit im Reichspräsidentenbureau sei die der Beleidigungs­flagen gewesen und ich fann erklären, daß der verstorbene Reichs. präsident sich nur mit den wichtigsten Fällen von Beleidigungen be­faßt hat. Der Rothardt- Prozeß mar der 143. Beleidigungs. prozeß. Als das Urteil der ersten Instanz vorlag, war der Herr Reichspräsident außerordentlich empört, da vieles, feiner Ansicht nach. gan falich und einseitig dargestellt worden sei. Bier Punkte be­schäftigten ihn besonders, erstens, daß der Reichspräsident durch seinen Eintritt in die Streifleitung der Wehrmacht einen Schaden zugefügt habe.

Borf.:( unterbrechend): Herr Ministerialrat, ein Plädoyer über bas Urteil tann ich nicht zulaffen".

Jeuge: Die Schlußfolgerung, daß der Herr Reichspräsident burch seinen Eintritt in die Streitleitung der Wehrmadyt einen Schaden zugefügt hat, wurde vom Herrn Reichspräsidenten stets als unlogisch bezeichnet und er war über die Schlußfolgerungen, die daraus gezogen waren, ganz besonders empöri. Der Herr Reichs präsident, der fast täglich beim Vortrag über den Magdeburger Prozeß sprach, erklärte wiederholt, es jei volltommen aus. gefchloffen, daß er bei der bekannten Zusammenkunft Eer Strettleitung in Treptow zugegen gewesen sei, in ber das Flugblatt beschlossen wurde, das zum Ausharren im Streit aufforderte. Der Herr Reichspräsident hat stets sehr logisch und tlar gedacht und mit eisernem Willen hielt er an seiner Erfenntnis fest. Deshalb ichien es ihm auch immer wieder unglaublich, taß er an jener Sigung teilgenommen, oder, daß er in Treptow die Arbeiter zum weiterstreifen aufgefordert haben follte. Noch am Tage vor seiner Operation hat er mir ausdrücklich erflärt, daß er niemals die Rüftungsarbeiter zum Ausharren im Streit aufgefordert habe. Der Zweck seiner Rede sei gerade gewesen, die Streifluft zu dämpfen und so die Beilegung des Streits vorzubereiten.

Ich habe mir von den Aeußerungen des Herrn Reichspräsidenten ftets Notizen gemacht und habe dann später einen ersten Entwurf engefertigt, der mit dem Herrn Reichspräsidenten mit Rand­bemertungen versehen und der auch von den Vertretern des Herrn Reichspräsidenten , den Rechtsanwälten Wolfgang Heine und Dr. Landsberg durchgesehen wurde. Dieses Schriftstück wollte der Herr Reichspräsident nach seiner Aussage am 14. Februar dem Gericht überreichen."

Borf.: Auf diese Weise ist wohl auch die erste Aussage des Herrn Herrn Reichspräsidenten zustande gekommen? Jeuge: Jawohl.

Die Aussage Friedrich Eberts . Ministerialrat Dr. Döhle überreichte dann dem Gericht das Detument und der Borsigende verlas die schr ausführliche Darstel Lung des Reichspräsidenten die folgenden Wortlaut hat: Ich beziehe mich auf meine Aussagen in erster Instanz, und tente die Aufmertfamteit des Gerichts ferner auf meine und ber anderen Zeugenaussagen in dem Beleidigungsprozeß Gansfer Abschriften der letteren überreiche ich hiermit. Gegenüber den Musführungen des erffinflanzlichen Ustetis

Wir Sozialdemokraten werden auch fünftig zu der Politik stehen, die wir in unserer Erklärung vom 4. August 1914 be­fundet haben. Wir stehen zur Verteidigung unseres Landes, bis die Sicherung desselben erreicht ist, und die Gegner zum Frieden bereit sind. Darin lassen wir uns nicht beirren, denn so furchtbar der Krieg ist, noch furchtbarer ist eine Niederlage."

Was den Januarstreit 1918 anlangt, so erkläre ich noch mals, daß ich mit meinem ganzen Wollen gegen ihn war und mit feinen Ausbruch nicht das geringste zu tun hatte. Daß ich einzelne Forderungen der Streifenden für berechtigt hielt, beweist nicht, daß ich auch den Streif für fic billigte. Das Gegenteil war der Fail und folgt, wie ich nochmals wiederhole, aus der Tatsache, daß ich und folgt, wie ich nochmals wiederhole, aus der Tatsache, daß ich grundfählicher Gegner von Streits der Rüstungsindustrie im Kriege

war. Berechtigte Forderungen der Arbeiter sollten auf dem Wege der Verhandlungen und des Schlichtungsverfah rens und, wenn nötig, durch Anrufung der zuständigen Regierungs­stellen zweds Intervention verfolgt werden. Ich weise hierbei auf das Hilfsdienst geseg vom 5. Dezember 1916 hin, daß gerade für die Betriebe der Kriegsindustrie ein besonderes Schlichtungs­verfahren eingeführt hat, das Störungen der Betriebe im Falle von Streitigkeiten über die Arbeitsbedingungen vorbeugen sollte. An dem Zustandekommen diefes Gejeges habe ich hervorragend mitgewirtt.

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Da der Streit ohne mein oder meiner Partei Butun ausge brochen war, widerstrebte mir zunächst jede Einmischung. Erst die dringlichen Vorstellungen von zahlreichen unserer Pariei mitglieder aus den verschiedensten Betrieben gegen Mittag stand eine ganze Bersammlung solcher Delegierter vor uns, deren Wort führer erklärten, die Leitung des Streifs dürfe gerade im Inter effe der Landesverteidigung nicht den radikalen Ele menten überlassen werten, brachten den Parteivorstand und mich zu der Erkenntnis, daß das Interesse der Landesper teidigung unseren Zutritt zum Streifausschuß zu dem Zwecke erforderte, den Streit möglichst schnell auf dem Verhandlungswege beizulegen, damit nicht eine Berbitterung in der Arbeiterschaft zurück­

bliebe, die über turz ober lang zu neuen gefährlicheren Ausbrüchen führte. Diese Auffaffung halte ich heute noch für richtig.

Ich bin überzeugt, daß eine Beilegung des Streits, so wie wir sie damals anstrebten, in zwei oder drei Tagen möglich gewesen wäre, wenn die Regierung der Situation Verständnis entgegen­gebracht hätte.

Wäre man am Dienstag unter Ausscheidung aller Formalitäten zu Berhandlungen gekommen und hätte die Reichsleitung ernst en gewiß am Donnnerstag aufgenommen worden. Da Willen zur Beruhigung der Arbeiter gezeigt, so wäre die Arbeit für spricht der Gang des Streits in anderen Städten. Nach meiner überall ist aber der Streit nach zwei oder drei Tagen Erinnerung ist damals in einer Anzahl von Städten gestreift worden, beendet gewesen. Meistens haben die Generalfommandos den Streifenden Gelegenheit zu Versammlungen und zur Aussprache ge

geben. Vielfach haben die Behörden mit ihren Vertretern verhandelt. der Regierungspräsident und der Oberbürgermeister in die Ber­In Köln gingen nach Verhandlungen mit den Arbeiterbelegierten fammlung der Streifenden und ergriffen dort das Wort. Auch in infolge der vermitelnden Haltung des Ministerpräsidenten Dandl, München tonnte der Streit in wenigen Tagen beigelegt werden, der übrigens, wie in meiner früheren Aussage unter Hinweis auf das amtliche Stenogramm erwähnt, den Sozialdemokraten in der Kammer gedankt hat, daß sie sich der Bewegung ange nommen haben.

Wenn in Berlin der Streit nicht gleich ruhig verlief, so lag das an dem formalistischen Verhalten der Regierung und des Ober­befehlshabers in den Marken. Den Vorstand der SPD. und mich insbesondere trifft dafür teine Verantwortung. Wir haben alles getan, um die Verschärfung der Situation zu verhindern.

Ich trat also auf Beschluß des Parteivorstandes der Streifleitung bei, in der einzigen und bestimmten Absicht, den Streit möglichst fchnell und so beizulegen, daß einem neuen Ausbruch vorgebeugt würde. Daß ich dabei diz Borstellung gehabt hätte, der Kriegsmacht des Deutschen Reichs Schaden zuzufügen, ist eine Unter­stellung, die mit allen Tatsachen in Widerspruch steht; ich weise fie mit Entrüftung zurüd. Es ist mir unbegreiflich, wie das Schöffen­gericht zu dieser Annahme gelangen fonnte, insbesondere wie es fie aus der Tatsache glaubt folgern zu können, daß ich die Schädlich feit derartiger Streits einfah. Gerade diese Einsicht in Berbindung mit den Vorstellungen der Delegierten hat mich ja zu dem Entschluß gebracht, das in meinen Kräften Stehende zu tun, um durch [ chnelle Beilegung der Streits den Schaden abzuwenden. An diesem Entschluß habe ich auch tonsequent festgehalten und während

Vereidigung Dr. Simons im Reichstag

Krach im Loebell- Ausschuß.

Der stellvertretende Reichspräsident Dr. Walfer Simons ist heute in Berlin eingetroffen.

Seine Bereidigung findet morgen, Donnerstag, miffags 12 Uhr, in einer besonderen Sihung des Reichstages statt. Dr. Simons wird unmittelbar nach der Vereidigung sein Amt antreten.

Rebellion im Loebell- Ausschuß.

Herr Jarres ist also der protestierte Sammel­fandidat der Rechten.

Jarres noch nicht nominiert.

Der unter Vorsiz des Herrn von Loebell gebildete Aus­schuß der Deutschnationalen Boltspartei, der Deutschen Boltspartei, der Bayerischen Bolts, partei und der Wirtschaftlichen Bereinigung sowie Wie ihre Einigkeit aussieht. der in Betracht kommenden Organisationen hat heute mit Vertretern Heute vormittag ist der Loebell- Ausschuß zusammenges der 3entrumspartei und der Deutschen Demokrá treten, wie es heißt, um endgültig Herrn Jarres als Prätischen Partei über eine etwaige gemeinsame Kandidatur identschaftskandidaten zu nominieren. Die. Rechtspresse hat der im Ausschuß vertretenen Parteien und Organisationen sowie bisher sich bemüht, den Eindruck hervorzurufen, als habe die des Sentrums und der Demokraten beraten. poliste Einmütigkeit in diesem Ausschuß bestanden, und als habe man mit der offiziellen Nominierung von Jarres nur bis nach der letzten Entscheidung des Zentrums gewartet. Jegt stellt sich heraus, daß man in diesem Ausschuß alles andere, nur nicht, einig gewesen ist. Der Jung deutsche Orden, der in diesem Ausschuß verireten ist, rebelliert öffentlich gegen die kandidatur Jarres. Er stellt der Rechtspresse folgende Erklärung zu:

Nachdem weite Kreise und große überparteiliche Organi­fafionen gegen eine Kandidatur des Dr. Jarres entschieden Stellung genommen haben, fann nicht mehr von ihm als Sammelfandidaten die Rede sein. In den großen überparteilichen vaterländischen Ver­bänden, die über viele Millionen Mitglieder verfügen, sieht man den für alle aufbauenden Boltsteile geeigneten Sammelkandidaten in General von Seedt. Gegenüber den bisher genannten parla­mentarischen Parteitandidaturen bietet General Don Seedt jedem Deutschen , auch ausgesprochen republikanischen Kreisen, die Gewähr der Ueberparteillchkeit und des treuesten sachlichen Dienstes am deutschen Bolke.

Die Einigkeit der im Loebell- Ausschuß vertretenen Ber­bände für Jarres sieht demnach so aus: es gibt drei Grade der Begeisterung für Jarres. Erster Grad: die Deutsche Boltspartei. Jarres ist ihr Mann, im Grunde ihr Partei fandidat. Ihr Wille für Jarres ist echt. 3 weiter Grad: die Deutschnationalen. Sie nehmen Jarres als Notbehelf mit einem lachenden und einem meinenden Auge hin. Begeisterung mäßig. Dritter Grab: Jungdeutscher Orden und was damit zusammenhängt Difener Brotest, Begeisterung negatin.

Von den im Ausschuß vertretenen Parteien und Organisationen wurde den Bertretern des Zentrums und der Demofraten erklärt, daß der im Ausschuß vorbereitete Vorschlag einer Kandidatur Jarres aufrechterhalten werde. Sollte aber der Parteiausschuß des Zen­hums, wie die Deutsche Demokratische Partei es bereits getan hat, fich für eine gemeinsame bürgerliche Kandidatur entschließen und auf eine eigene Kandidatur ver­zichten, so soll sofort in weitere Beratungen eingetreten werden. Die Entscheidung des Zentrums wird heute nachmittag dem Ausschuß, der dann zu weiteren Beratungen zusammentritt, mitgeteilt werden.

Die Eisenbahner vor der Entscheidung.

Der heute morgen um 10 Uhr zusammengetretene erweiterte Beirat des Deusfchen Eisenbahnerverbandes nahm zunächst ein Referat des Verbandsvorsitzenden Scheffel über die Verhand­lungen mit der Reichsbahndireffion entgegen. Obwohl das negative Ergebnis der Verhandlungen den Teilnehmern der Konferenz bereits befannt war. und in den meisten Bezirken der anwesenden Bezirks­leiter die Streitbewegung bereits im Gange ist, riefen die deta Ulier­ten Ausführungen Scheffels doch den großen Unwillen über das provokatorische Verhalten der Generaldirettion hervor. Die an­fchließend gegebenen Berichte der Bezirksleiter zeigten im allgemei­neu das gleiche Bild von der Bewegung, das wir unsern Cefern bereits in den täglichen Berichten des Vorwärts" geben fonnte Die Konferenz tagte bei Schluß der Redaktion weiter, ein Erg it nor heute Abend nicht zu ermarien.

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