Donnerstag 11921
19. März 1925
Unterhaltung und Wissen
Die indische Wucherer- kaste.
In Indien , dem Lande der Kasten, find auch die Geldverleiher zu einer festen Gemeinschaft zusammengeschlossen, die eine furchtbare Macht ausübt und das wirtschaftliche Leben schwer gefährdet. Diese Bucherer Indiens sind die Kabulis, mahre Enafsöhne, alle 180 Zentimeter und mehr groß, die Stöcke tragen, die ebenso hoch find wie sie selbst. Es sind muskulöfe, furchtlose und fühne Gesellen, die unter ihren langen schweren Mänteln Samtwesten anhaben und mit großen, vorn spiz nach oben zu auslaufenden Schuhen befleidet find. Aus den Gebirgslanden, von denen sie eigentlich herstammen, sind diese Kabulis im Laufe der Zeiten in die Ebene herabgestiegen und haben eine Raste gegründet, in der das Geldverleihen eine uralte Ueberlieferung ist. In Kaltutta gibt es allein eine Kolonie von mehreren Lausend. Wie diese Kabulis ihr Geschäft betreiben, erzählt Claude Brown in einem Londoner Blatt:„ Der indische Eingeborene braucht immer Geld. Da hat er eine Tochter, die er verheiraten mill und deren fünftiger Mann eine Summe von ihm fordert, oder er hat sich Geld non einem Freunde geliehen und muß es wieder zahlen, wenn er nicht das Freundesrecht verlegen will. Der einzige, bei dem er sicher Geld bekommt, ist der Kabuli, und so begibt sich denn der kleine Beamte, der Dorfkaufmann oder der Arbeiter in die Klauen dieses mächtigen Blutsaugers. Er braucht eine Summe von 30 Rupien, und er bekommt sie fofort; nur muß er ein Papier unterschreiben, durch das er verspricht, 50 Rupien zurückzuzahlen und in der Zwischenzeit 2 Annas pro Rupie monatliche Zinsen zu geben. Die Zinjen des ersten Monats werden vom Kapital gleich abgezogen. Am 1. des folgenden Monats sieht der unglückliche Schuldner den Rabuli schon vor dem Eingang feines Geschäftes oder der Fabrik marten. Er wird von einigen anderen seiner Rafte begleitet, denn fie treiben das Geld meistens in größerer Gesellschaft ein. Bon seinem fümmerlichen Berdienst werden nun jeden Ersten unweigerlich die Zinsen abgezogen, und mehe dem, der nicht zahlt! Die Rabulis leben zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Ihr Reichtum gibt ihnen cine starte Macht. Jede Woche treffen sie sich an einem geschütten Ort und sprechen über ihre Schuldner. Wer dem einen nicht zahlt, zahlt allen nicht, und sie stehen zufammen mie ein Mann, um den Säumigen zu zmingen. Eine ganze Schar von Rabulis bedrängt und bedroht den Armen immerfort, und wenn er sich fortgesetzt meigert, dann umilagert ein Rudel der Kabulis tagelang sein Haus oder lauert vor dem Eingang feines Geschäfts, und menn fie ihn erwischen, nerprügeln fie ihn mit ihren langen Stöden. Trotzdem borgt sich der Inder immer wieder Geld, und das Schuldenmachen ist eine haffnungslose Krankheit, gegen die es kein Heilmittel gibt. Der Ra huli aber ist ein furchtbarer Schädling, und menn es gelänge, ihn aus Indien zu verbannen, dann würde mit ihm unendlich viel Un heil und Unglüd vertrieben werden."
Tiere, die nicht gezähmt werden können. Es gibt nur menige Tiere, die der Mensch durch Geschicklichkeit und Geduld nicht seinem Willen zu unterwerfen vermöchte. Merkwürdigerweise widerstreben jedem Zähmungsversuch aber nicht etwa die größten uno stärksten Vertreter des Tierreichs, sondern verhältnismäßig fleine und schmache Tiere. So ist es 3. B. noch niemals gelungen, den afrikanischen Wildhund zu zähmen. Auch der tasmanische Wolf ist noch niemals gezähmt worden. Alle Mühe, die man an diesen beiden Tieren verschwendet, ist vergebens; denn sie behalten unweigerlich ihre mitben und bösartigen Instinkte, obzwar alle anderen Arten von milden Hunden, selbst von Wölfen, in hohem Maße gelehrig sind, vorausgesetzt, daß fie in die richtigen Hände kommen und noch nicht zu alt sind. Schwer zähmbar ist übrigens auch das Zebra. Erfahrene Dresseure bezeichnen es als leichter, einen Elefanten, ja selbst einen Löwen oder Tiger zu zähmen als dieses harmlose Tier. Absolut unzähmbar ist dagegen der schwarze Jaguar, der, selbst wenn er ganz jung in Gefangenschaft gerät, feinen wilden und tückischen Charakter beibehält. In gewissen Grenzen gilt dasselbe auch vom Leopard, der zwar dazu gebracht werden kann, verübergehend Frieden mit dem Menschen zu schließen, aber auf die Dauer doch immer wieder in den Zustand gefährlicher Wildheit verfällt. Ebenso verhält es sich mit dem nordamerikanischen Luchs.
Worin uns die Alten übertrafen. Wir glauben, gerade in der Technik das Altertum meit hinter uns gelassen zu haben, aber es gibt doch auch auf diesem Gebiet noch einiges, worin uns die Alten übertrafen. Wenn ein Messer oder ein Schmert zerbricht, so fann es nicht wieder zusammengeschweißt werden, aber in alten Zeiten gab es, wie in einer englischen Zeitschrift berichtet wird, Schniede, die ein Geheimmittel besaßen, durch das es ihnen möglich war, innerhalb furzer Zeit zerbrochene Schwerter so gefchidt zufanimen
hoM
Er ist zwar kein Titan, aber...
ww
HISTORISCHE GRÖSSE
W
Georz wilkę
Π HISTORISCHE GRÖSSE
DA
wenn wir ihm dies Postament unter die Füße schieben, geht's!
Beilage des Vorwärts
zuschmeißen, daß man die Bruchstelle nicht entdecken konnte. Bie des Kaisers Tiberius erzählen. Diese Trinkgefäße sollen so flar wie die Alten die Farben für ihre Gemälde mischten, ist
gelöstes Geheimnis. So mancher Maler der neuerein un=
Seit, von Leonardo bis Böcklin , hat sich bemüht, diesem Rätsel der antiken Malerei auf die Spur zu fommen, aber ohne Erfolg. Viele Biider an den Mauern von Pompeji haben noch so frische Farben, wie wenn sie heute geschaffen wären, und selbst die an die Mauern gemalten Ankündigungen leuchten noch wie am ersten Tag. Tie Römer waren in ihren Bauten unübertrefflich, und man sagt, daß der Mörtel, den sie verwendeten, fast unzerstörbar ist. Bei alt römischen Bauwerken hat der Mörtel mehr als 2000 Jahre allen Einflüssen der Witterung widerstanden. Ein anderes Geheinuns der römischen Handwerker, das mit ihnen verloren gegangen tft, war ihre Art der Bronzeherstellung. Manche ihrer Bronzeschwerter waren so hart und wahrscheinlich ebenso scharf wie unsere Stahl: schwerter. Aber noch größere Meister der Metallbearbeitung fanden sich im alten Südamerika , wo man das Kupfer so hart machen fonnte wie den Stahl. Sogar unzerbrechliches Glas scheint den 2ten bekannt gewesen zu sein, wenn man den antiken Schrift ftcllern glauben will, die von unzerbrechlichen Gläsern aus der Zeit
den Boulevards lachten die Frauen, unter Kastanienbäumen tranfen Liköre
Kristall und so fest wie Stahl gewesen sein.
Die ersten Gezeitenwerke. Ebbe und Flut zum Antreiben von Turbinen auszuüben, also ein Gezeitenwerkt zu bauen, erscheint heute noch vielen Ingenieuren als Zukunftsmufit. Allein die englische wie die französische Regierung lassen durch ihre Arbeitsminis fterien verschiedene Pläne zur Ausführung solcher Anlagen ernstlich studieren. In Frankreich sind Versuche im Gange, die an der Küste der Bretagne ausgeführt werden. Dort befinden sich zwar schon seit langem einige Flutmühlen"( auch auf der Insel Wight ), diese sind aber noch unwirtschaftlicher als die ältesten Windmühlen. In England wird das große Gezettenwerf an der Mündung des Severnfluffes in Angriff genommen, wenigstens sind die Mittel für Vorarbeiten bewilligt worden. Es wird ein Damm quer vor die Mündung gebaut und die in Betracht kommenden Wassermengen und Höhenschwankungen werden durch genaue Beobachtungen ermittelt. Denn auf diese Größen fommt es vor allem an, wenn man die Wirtschaftlichkeit der Anlage berechnen will. Es handelt sich dort unn die Gewinnung von etwa 100 000 Kilowatt, ungefähr joviel, mie gegenwärtig in Bayern ausgebaut ist.
Er baute schöne Häuser. Am Tage stand er auf dem Gerüst,
„ Ich bin ein echter Kommunard." bie Stuger rubinrote Lifōre und Tausende von Lichtern ſchwirrten und in der Nacht schlief er in einer dumpfen Kammer in der Straße
dem spiegelglatten Asphalt der Straßen.
der schwarzen Witme in der Vorstadt St. Antoine. Die Kammer An dem Tor St. Martin rief aus einem Kaffee eine der sorg: roch nach Kalf, Schweiß. nach schwarzem billigen Tabat. Das losen Frauen den Gardisten zu:
Haus roch nach Kazentot und nach schmußiger Wäsche. Die Straße „ Warum führt ihr ihn so weit fort? Er fann auch hier seine der schwarzen Witme. wie alle anderen Straßen der Vorstadt Portion befommen."
( Aus dem Russischen überfest von Hersto.) Es gibt viele schöne Städte, die schönste von allen ist Paris . Louis lief zu der lachenden Frau hin, wie ein junger Rabe Dert lachen forglose Frauen, unter Kastanienbäumen trinken junge Stuger rubinrote Liköre und Tausende von Lichtern schmirren aufsperrte er schweigend seinen Mund auf. Einer der Gardisten nahm das Gewehr und feuerte. Der Bater schrie auf, fiel nieder, und dem spiegelglatten Asphalt der breiten Plätze. die Frau lachte. Louis lief zu dem Vater, dessen Beine noch zitterten, als ob er im Liegen noch gehen wollte und fing an zu wimmern.
Der Maurer Louis Rour war in Paris geboren. Er erinnerte sich noch der Junitage des Jahres 48. Er war damals fieben Jahre olt und war hungrig. Wie ein junger Rabe sperrte er schweigen feinen Mund auf und wartete. Er wartete vergebens, denn sein Water Jean Rour hatte kein Brot. Er hatte nur eine Flinte, und diese konnte man nicht essen. Louis erinnerte sich noch jenes Sommermorgens, als der Bater seine Flinte reinigte und die Mutter weinte und ihre Nase an der Schürze abwischte. Louis lief seinem Vater nach. Er dachte, daß der Vater mit seinem gereinigten Gewehr den Bäcker erschießen und sich das größte Brot nehmen wollte, ein Brot, größer als Louis, so groß wie ein Haus. Der sater traf sich mit anderen traurigen Männern, die auch Gewehre hatten. Sie fangen Lieder zusammen und schrien„ Brot".
Louis wartete mit flopfendem Herzen, daß als Antwort auf diese schönen Lieder Brötchen, Hörnchen und Pfannkuchen aus den Renstern geworfen würden. Statt dessen hörte er ein lautes Geräusch, es schwirrten fleine Kugeln. Einer von denen, die" Brot" gerufen hatten, schrie„ Ich bin getroffen" und fiel um.
-
Da sah der fleine Louis den Vater und die andern Männer ganz unbegreifliche Dinge machen fie warfen zwei Bänke um, brachten aus dem nächsten Hof ein fleines Faß, einen wadeligen Tisch und sogar einen großen Hühnerzaun. Dies alles stellten fie in der Mitte der Straße auf und warfen sich selbst auf die Erde nieder. Louis begriff sofort, daß die traurigen Männer Versted fpielen wollten. Sie schoffen aus den Gewehren und andere schoffen wieder.
Dann famen andere Leute. Diese hatten auch Gewehre, aber fie schauten freundlich aus, an ihren Müzen blizten große schöne Stolarden. Alle nannten sie Nationalgardisten. Diese Männer ergriffen den Bater und führten ihn den Boulevard St. Martin entlang. Louis dachte, die guten Männer wollten seinem Vater etwas zu essen geben und lief nach, obwohl es schon spät war. Auf
Da sagte die Frau:„ Erschießt doch auch den jungen Hund" Einer der jungen Stutzer, der am nächsten Tisch saß und seinen rubinroten Likör trant, wandte sich um und sagte:„ Wer wird denn dann arbeiten?"
Et. Antoine, roch, nach dem Schmalz der Bratpfannen, darin die Straßenhändler ihre Kartoffeln brieten, roch nach blutigen Fleischer. fäden, wo bläuliches Pferdefleisch hing, roch nach Heringen, nach den Abfällen in den Sentgruben, nach dem Rauch der Defen. Doch nicht wegen der Straße der schwarzen Witwe, nur megen der breiten Boulevards, und der nach Maiblumen, Mandarinen und wohlriechenden Wassern duftenden Friedensstraße, wegen seincs Sternenplages mit den sieben Strahlen wird Paris die schönste der. Städte genannt.
Louis Rour baute Kaffeehäuser und Bars, er trug Steine zu dem Bau des Café de la Regence, das bei Schauspielern so beliebt So blieb Louis am Leben. Nach dem schrecklichen Suni tam wurde, des Café England, wo die jungen Geden, die Rennstallder stille Juli; niemand sang, niemand schoß.
Louis muchs heran und rechtfertigte das Vertrauen des gutmutigen jungen Stuzzers. Der Vater Jean Rour war Maurer ge wesen und Maurer murde auch Louis Rour. In seinen weiten Samthosen, in der blauleinenen Bluse baute er Häuser, baute im Fommer und im Winter. Das schöne Paris wollte noch schöner werden.
-
Louis arbeitete dort, wo die neuen Straßen entstanden der Sternenplatz mit den sieben Strahlen, die breiten Boule. vards Haußmann und Malherbe mit ihren Kastanienbäumen, der prächtige Boulevard der Oper. In die noch mit Gerüsten um: gebenen Häuser brachten die ungeduldigen Kaufleute bereits ihre tostbaren Waren: Belze, Spizen, Edelsteine. Er baute Theater und Läden, Banten und Cafés, baute prunfvolle Häuser, damit die forglosen Frauen forglos lächeln können, wenn der Nordwind durc) die Straßen weht und die Glieder in den Arbeitermonsarden dei Borstadt St. Antoine vor Frost erstarren, er baute schöne Bars damit die jungen Stutzer in den sternenlosen Nächten ihre Liköre ruhig trinken fönnen. Er schleppte schwere Steine und baute die leichtesten Schieferdächer der Stadt, der schönsten aller Städte, Paris .
Unter den tausenden Blusenmännern war einer, der hieß Lou's Roug. In seinen samtenen, falfbespritzten Hosen, in dem großen Hut, mit der Zonpfeife im Mund, arbeitete er wie tausend andere, arbeitete ehrlich und fleißig an der Bracht des zweiten Kaiserreiches.
befizer und die vornehmen Ausländer sich dann trafen, der Taverne Madrid , die zum Sammelpunkt der Schauspieler von mehr ais 20 Theatern wurde. Doch niemals seit dem Tode seines Vaters trat Louis Roug in eines der fertigen Kaffeehäuser und nie hat er rubiner von seinem Unterinten Liför getrunken. Jedesmal, wenn nehmer einige von den kleinen weißen Münzen bekam, nahm sie der alte Schankwirt in der Straße der schwarzen Wime, gab ihm mehrere große schwarze Münzen und schenkte ihm in ein Glos ein trübes Getränk. Louis frank den Absynth auf einen Zug und ging schlafen
Betam aber Louis feine weißen und schwarzen Münzen, feinen Absynth, fem Brot, keine Arbeit, dann suchte er in seiner Tasche. nach verschüttetem Tabak oder auf der Straße nach Zigarettenstummeln, stopfte damit seine Pfeife und ging mit mürrischer Miene in den Straßen der Vorstad: St. Antoine umher. Er sang nicht und schrie nicht Brot", wie es einst sein Vater getan hatte, denn er hatte keine Flinte, um zu feuern, und feinen Sohn, der feinen Mund wie ein junger Rabe aufsperrte.
Louis Rour tat alles, damit die Frauen von Paris sorglva lachen konnten, doch wenn er das unbefümmerte Lachen hörte, ging er ängstlich beiseite fo forglos lachte einst die Frau in dem Café auf dem Boulevard St. Martin, als Jean Rour auf dem Pflaster lag und im Liegen noch gehen wollte.
( Fortfegung folgt.)