Sonntag 22. März 1925
Unterhaltung und Wissen
Vorfrühling.
Lenzlich linde Winde ffreicheln über die erstarrten Wälder. Frühlingsahnen, Frühlingshoffen schlummert in den braunen Knoppen. Weiden blühen schon am Bache , warten auf die Sonnenstunde, die aus seinem dunklen Ange löst die schweren Bergesschatten.
Ju dem falben Laub der Heden raschelt eine frühe Amsel, fingt auf herbstlich herben Dornen wundersam ihr Frühlingslied.
Hans Heinrich Sträfner.
Die nachstehenben Ritate finb einer Rebe entnommen, die bez große Norweger vor 45 Jahren in Chriftiania gehalten hat.
Ein zum Bewußtsein feiner Aufgabe gefommenes Bolt tann fie nicht länger dem Zufall überlassen; es will selbst regieren.
Der Mensch, den man für das monarchische Erbe erzieht, ift von seiner früheften Kindheit an von Menschen umgeben, die ihn bewundern, ihm schmeicheln, ihm durch die Finger sehen, ihn ver leiten. Die Wahrheit wird zu einer höfisch lächelnden Begleiterin, die fich ungern des Prinzen Unzufriedenheit zuzieht. Das Leben mirb, wie für seinen Fuß, so für seine Anschauung zu einer platten Spielstube geebnet, voll von Luftgefährten und Süßigteiten. Einzelne Bersuche zur Stählung und Ausübung von Recht und Strenge werden in der Regel zu ebenso vielen Narrenspielen.
Der Thronerbe sammelt um fich das Flüchtige, Glatte, bas Zweideutige, Brickelnde, Einnehmende oder die Budeltreue.
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Die urpäterlichen Borstellungen von Gottesgnadentum werben in bem jungen Herrn gehegt, und erhalten ihn in einem traum haften Zustand. Er hört das Echo der großen Rönigszeiten widerhollen, man erinnert ihn ständig an die gute alte Zeit", ihren Clauben an das Uebernatürliche, ihre volle Hingebung, ihre große Aufopferung, ihre Treue gegen das angestammte Herrscherhaus.
Der Hof ist das große Treibhaus, von welchem die mythische Königsperehrung mieber in das neuzeitliche Bewußtsein verpflanzt mitb; denn vergebens fucht man sich zu verbergen, daß fie an vielen Stellen bereits im Berdunsten begriffen oder bereits ver schwunden ist. Als ein fruchtbarer Nährboden für das Gemächs merben die noch vorhandenen Trümmer von Standes und Klassen. norstellungen, die Eitelkeit und die Furcht des Reichtums angesehen; und die Staatskirche steht gern zu Diensten, die Saat zu bewässern.
Wiſſen
Bellage des Vorwärts
Immer hereinspaziert, meine Herrschaften!
Bateressen der
Schroep
ndustrie
Auth
Hier ist zu sehen Jarres, der Löwe von Duisburg , der stärkste Er stemmt die schwersten Jewichte, und die find nich von Pappe! Mann der Welt! Fühlen Sie mal dieje Masteln- alles prima Martin- Stahl! Borfig und Bögler haben fiebenjährige Jarantie übernommen.
Stunden arbeiten jelehrt-
STEINERT
Die Grundlage des Königtums verfinft- religiös, gesellschaft Seine Gegner, die Reichsbeamten, hat er beten und neun und uff die Reese balanciert er einen Kaiserthron mit was lich, wissenschaftlich. Bestehe fie in der Ehrfurcht vor dem blauen Blute mit Gottes Gnade; sei fie das Ergebnis einer Heffinnigen geschichtlichen Betrachtung; oder die dogmatische Festhaltung einer gemiffen Staatsform; fie versinft.
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Mas die Monarchie beschützt, das ist die Minderheit, welche noch bürgerliche Borrechte genießt, und besonders die, beren Bor recht erblich ist; denn beider Rechtsgrundlage ist gleich. Des Adels, des Reichtums, der Bureaufratie Minderheit soweit fie noch das Vorrecht der besonderen Bertretung in einem Oberhause genießen oder sonst wie mit der Regierung einen Bund zum Schuhe ihrer besonderen Interessen schließen tönnen fie find es, die der Förderung burd) das Königtum sicher find.
Man beweise, daß das tu den Revolutionen Umgestürzte von den damaligen Geschlechtern hätte weiter ertragen werden tönnen -und wir wollen uns beugen. Aber fein Geschichtsschreiber, welcher in die Tiefe der fittlichen und wirtschaftlichen Leiden ein gedrungen ist, die jene Geschlechter bedrückten, fann zu behaupten wagen, daß die vereinigte Tyrannei des Königs, des Abels, der Kirche länger hätte ertragen werden fönnen.
„ Ich bin ein echter Kommunard." fächette fle forglos.
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( Aus dem Russischen überlegt von ersta) ( Schluß.)
Die Soldaten der Rationalarmee führten ben gefangenen Auf rührer Paul Roug, der vier Jahre alt war, in das eroberte Paris . Noch fämpften die Blusenmänner in den nördlichen Bororten, doch die Bewohner der Elysäischen Felder, des Boulevards, des fiebenftrahligen Sternenplages feierten schon Freudenfeste. Es war im schönen Monat Mat, die Kastanienbäume in den breiten Boulevards blühten, an den Marmortischen der Cafés saßen die Stutzer und tranten rubinrote Litöre und die Frauen lächelten forglos. Als der zwerghafte Kommunard vorbeigeführt wurde, verlangten sie feine Auslieferung. Doch der Korporal dachte an den Befehl des Hauptmanns und beschütte Paul. Dafür lieferte man ihnen andere Gefangene aus- Frauen und Männer, die sie mit den eleganten Stöcken schlugen, bespien und mit den Bajonetten der Soldaten stachen.
Baul Roug wurde in den Luxemburger Garten gebracht. Bor bem Balafte hatte man ein großes Stüd umzäunt. Dorthin wurden die gefangenen Insurgenten gejagt. Paul ging mit ernster Miene, feine Pfeife im Mund, zwischen ihnen. Er wollte einige weinende Frauen trösten und sagte: Ich fann bunte Seifenblasen machen. Mein Vater Louis Roug rauchte seine Pfeife und schoß aus der Ranone. Ich bin ein echter Stommunard."
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wahr, sie war die schönste Frau in Paris , und weil sie das wußte, In der Stadt erfundigte sich François d'Emognant bei einem ihm entgegenkommenden Soldaten seines Regimentes, wohin man den Gefangenen aus dem Fort St. Vincennes gebracht habe.
Die Berlobten fuhren nach dem Luxemburger Garten. Bei dem Anblick der blühenden Kastanien, des Efeus auf der Fontäne Medici, der schwarzen Droffeln, die im Garten hüpften, erfüllte sich das Herz der reizenden Gabrielle mit schönen Gefühlen. Zärtlich drückte fie die Hand ihres Berlobten und flüsterte: Mein Geliebter, wie schön ift's doch zu leben!"
Die Gefangenen erblickten die Treffen des Hauptmanns mit Schreden. Schon hatte man piele, einen nach dem anderen, zum Erschießen weggeholt und wieder glaubte jeder, daß seine letzte Stunde gekommen sei. Doch François d'Emognant fümmerte sich nicht um die Gefangenen, er suchte den fleinen Kommunarben. Als er den schlafenden Knaben fah, ermedte er ihn mit einem leichten Fußtritt. Der Junge erwachte und fing an zu meinen. Raum erblickte er aber das lächelnde Gesicht Gabrielles, bas so gar nicht den bedrückten Gesichtern der anderen Frauen glich, als er feine Pfeife in den Mund nahm, lähelte und sagte:„ Ich bin ein echter Kommunard."
Gabrielle nickte befriedigt: Wirklich so ein kleiner. Ich glaube, ie werden als Mörder geboren. Man muß sie alle ausrotten, fogar die Neugeborenen.
Jegt hast du ihn gesehen, nun fann er abgetan werden," fagte François und rief einen Soldaten.
Gabrielle bat, noch ein wenig zu warten. Sie wollte den Reiz dieses leichten und forglofen Tages noch verlängern. Auf einem Jahrmarkt im Boulogner Bald hatte sie in einer Bude verschiedene Tonpfeifen gesehen, die sich an einer Schnur im Kreise brehten, und junge Burschen hatten auf diese Pfeifen geschossen. Gabrielle liebte Boltsfeste, obwohl sie aus einem vornehmen Adelsgeschlecht stammte. Dieses Jahrmarktvergnügen war ihr in Erinnerung geblieben und fie bat ihren Bräutigam: Ich will schießen lernen. Die Frau eines Geldoffiziers der Nationalarmee muß verstehen, ein Gewehr in den Händen zu halten. Erlaube mir, auf die Pfeife des Henters zu zielen." François d'Emognant hat seiner Braut nie einen Wunsch verweigert. Erft neulich hatte er ihr ein foftbares Berlenhalsband Er nahm das Gewehr eines Soldaten und gab es seiner Braut. Die Gefangenen sahen mit Schreden das Gewehr in der Hand des Mädchens und flüchteten in den hintersten Winkel. Nur Paul, die Pfeife im Mund, blieb ruhig stehen und lächelte. Gabrielle
Die Frauen bachten an ihre verlassenen Kinder dort in der Borstadt St. Antoine, die wohl auch gerne Seifenblasen machten, und meinten bei Bauts Worten nur noch bitterlicher. Baul setzte sich ins Gras, dachte an die Seifenblasen, mie schön fie gewesen waren blau, rosa und lila. Doch der Weg vom Fort St. Vincennes nach dem Luxemburger Garten mar lang und schmer. Baul schlief balb ein, ohne die Pfeife aus seinen Händen zu lassen. Während er schlief, fuhr ein Landauer von zwei Pferden gezogen die Versailler Chauffee entlang. Im dem Wagen saß François d'Emognant. der seine Braut Gabrielle de Bonivette in das schöne Baris zurüdbradhte. Niemals hatte Gabrielle so reizend ausgesehen, wie an diesem aTge. Das feine Dval ihres Gesichts erinnerte angelchenft. Sollte er ihr dieses harmloje Vergnügen nicht gönnen?- die Gemälde der alten italienischen Meister. Sie trug ein zitronen. farbenes Kleid mit Spigen, die im Riolter von Melcherinnes gearbeitet waren. Ein fleiner Sonnenschirm beschüßte ihr zartes Geficht vor den sentrecht fallenden Strahlen der Mailomme. Für
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druff! Wat? Will feener vous jeehrte Publifum rin in die Bude? Sol id denn det janze Propajandajeld für den Kerl umjonft rausjeschmissen haben?
Run geschieht das merkwürdige: baß die Mächtigen der Erde zur gleichen Zeit, da fie die öffentliche Meinung für fich zu ge winnen fuchen, bie Behauptung aufstellen, daß sie selbst etwas höheres als diefe feien; oder baß fie sie besser als jemand anderes
B. als des Boltes Erwählte vertreten. Wir hören die Stimme Jakobs und sehen die Hände Esaus; die Behauptung gehört dem Mittelalter, das Popularitätsstreben der Neuzeit an.
wollte die sich bewegende Tonpfeife treffen, zielte und rief dem Knaben zu: Lauf schnell, ich werde schießen."
Baul blieb ruhig auf dem Blaze stehen, er hatte schon so oft gesehen, wie Leute aus den Gewehren schossen. Ungeduldig werdend feuerte Gabrielle. Sie schoß zum erstenmal, man fann ihr den Fehlschuß verzeihen.
Meine Liebe", sagte François d'Emognant,„ Sie durchbohren viel besser die Herzen mit Pfeilen als die Tonpfeifen mit Kugeln. Sehen Sie, Sie haben das fleine Reptil getötet, doch die Pfeife ist heil geblieben."
Gabrielle de Bonnivete gab teine Antwort. Sie schaute auf ben fleinen roten Fled, atmete tiefer, und sich an François lehnend, schlug fie vor, nach Hause zu fahren. Sie fühlte, daß sie der Lieb. tofungen ihres Bräutigams bedurfte.
Paul Rour, der auf Erden vier Jahr lebte, dessen größte Freude es mar, Seifenblasen aus der Tonpfeife zu pusten, lag leblos am Boden.
Reulich traf ich in Brüssel den alten Kommunarden Pierre Lotreque. Ich gewann seine Freundschaft und der einsame Alte schenfte mir sein einziges Gut, die Tonpfeife, womit der kleine Baul Nour vor fünfzig Jahren die Seifenblasen gemacht hatte. Pierre Lotreque war an jenem Maientag, als der fleine vierjährige Auf rührer von Gabrielle de Bonivette getötet wurde, unter den Gefangenen in der Hürde des Luxemburger Gartens. Fast alle, die mit ihm dort waren, wurden von den Versaillern erschossen. Bierre Lotreque blieb am Leben, weil einige Stuber daran dachten, daß jemand doch arbetten müsse, und das schöne Baris, das noch fchöner werden wollte, Maurer, Zimmerleute und Schmiede brauchen werde. Bierre Lotreque murde auf fünf Jahre verbannt. Er floh aus Cayenne nach Belgien und durch alle seine Irrfahrten hat er die Tonpfeife, die er bei der Leiche des fleinen Baul Roug fand, gerettet. Er gab sie mir, und erzählte, was ich hier aufgezeichnet habe.
Ich berühre sie oft mit meinen Lippen, die trocken sind vor Cmpörung. Ich fühle die Spuren des letzten Atemzuges des fleinen unschuldigen Knaben und vielleicht auch die Spuren der Seifenblasen, die längst schon zerplatzt sind. Dieses Spielzeug des fleinen Bauf Rour, den die schönste aller Frauen der schönsten aller Städte erschossen hat, lehrt mich den großen Haß: Wenn ich mich zu thr nieberbeuge, dann gelobe ich feierlich, niemals beim Anblic einer weißen Flagge die Flinte wegzuwerfen wie der arme Louis Roug, und niemals gegen alle Freuden des Lebens ein Fort St. Vincennes zu übergeben, wenn dort noch drei tapfere Blufenmänner fämpfen und ein feines Kind Seifenblasen macht.