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Nr. 146+42. Jahrgang Ausgabe A nr. 74

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Freitag, den 27. März 1925

Gewerkschaften gegen Jarres.

Offener Brief an den Neichsblockkandidaten.

Herr Oberbürgermeister! In der Rede, mit der Sie in Berlin   den Wahlfeldzug eröffneten, haben Sie sich dafür eingesetzt, daß der Kampf um die Bahl des deutschen   Reichspräsidenten ritterlich geführt werden müffe: ..Die persönliche Ehre der Mitbewerber in diesem Streit steht uns zu hoch, als daß wir uns erlauben dürften, sie in der Spekulation auf Wahlkampferfolge anzutaften."

Ich nehme an, daß Ihre Zusicherung ernst gemeint war und die bindende Berpflichtung auch für Ihre Gefolgschaft in sich schloß, fich jeder lügenhaften Berdrehung der Tatsachen zu enthalten und nicht in verleumderischer Absicht die Deffentlichkeit über die haltung der entschiedenen Gegner Ihrer Wahlirrezuführen.

Ich muß zu meinem Bedauern feststellen, daß Ihr Einfluß auf Ihre Anhänger offenbar nicht ausreicht, den Reichsblock auch nur vierzehn Tage lang zur Befolgung der von Ihnen aufgestellten Grundsäge ritterlicher Kampfesweise zu veranlassen. Die in dem Reichsblod zusammengefaßten Parteien haben vielmehr, im Bewußt sein, daß ihre eigenen Mitgliederzahlen anscheinend nicht ausreichen, Ihre Kandidatur aussichtsreich zu gestalten, zu der feigen Ausflucht gegriffen, ein Flugblatt zu veröffentlichen. aus dem hervorgehen soll, daß die in den freien Gewerkschaften zusammengeschlossenen Mil­lionen für Sie als Nachfolger Friedrich Eberts   eintreten. Weiter als durch solche niedrige Handlungsweise lann die Ver­lumpung politischer Moral nicht getrieben werden.

Der Reichsblock hat, um seine Lüge glaubhaft zu machen, auf einen Brief zurückgegriffen, den die freien Gewerkschaften Duisburgs fommandierenden' General der Befagungstruppen richteten, un gegen Ihre rechtswidrige Ausweisung aus Duisburg   zu

gemeinsam mit anderen Organisationen am 30. Januar 1923 an den

protestieren. Die freien Gewerkschaften rechnen es sich zur Ehre an, daß sie gegen jede Willkürmaßnahme der Besatzungsmächte Protest eingelegt haben...

Dieser Brief galt aber nicht dem Politiker Jarres, sondern dem Vertreter der deutschen   Verwaltung, der von den mider Recht und Vertrag eingedrungenen Gegnern seines Amtes entsetzt wurde.

Warum Jarres?

Weil er Platzhalter ist für Ludendorff! Reinhold Bulle verrät es im Deutschen Tageblatt" ( Nr. 72), warum die Völkisch- Beruneinigten für Jarres wirken: Nicht meil er ihnen genehm sei, sondern weil er Plazhalter für Ludendorff und dessen weitere Ziele sein soll. So schreibt Bulle:

Weil wir den General Ludendorff   nicht ausgeschaltet wiffen wollen für die Zukunft, deswegen lehnen wir es ab, mit seinem Namen Stimmungspolitif zu treiben und ihn Vorwürfen auszusetzen, die selbstverständlich nun mehr von anderer Seite in Hülle und Fülle erhoben werden. Wir unterstützen Jarres, weil wir die historische Entwidlung nicht unterbrechen wollen; ohne Jarres später tein Ludendorff.

.... Wir stehen zu Ludendorff   in unentwegter Treuc, er ist uns fein Firmenschild und fein Mittel zum parteipolitischen 3wed. Und diese Treue und die damit verbundene Hoffnung laffen wir nicht zuschanden werden. Darum wählen wir Dr. Jarres.

Da steht es in großen und deutlichen Lettern gedruckt: Sarresist nur Plazhalter für Ludendorff, der Versackungspolitiker nur der Bormann des großen" Revanche friegshelden, der die Welt wieder an deutschem Wesen genesen lassen will....

Der unmögliche Jarres.

Kann so und auch anders.

Der deutschnationale Tag" stellte vor furzem feft: Sarres und Stresemann   sind eins. Er benutzte diese

Gegen 3hreaußenpolitifchen Ueberzeugungen, die erst in der lehten Phase des Ruhrkampfes fchärfer hervorgetreten find und die deutsche  Außenpolitik auf die abfchüssige Bahn einer vor­läufigen Preisgabe der belegten Gebiete drängen wollten, haben die freien Gewerkschaften ohne Schwanten in leidenschaftlichster Oppofition ge­standen. Die Berfackung der Rheinlande und des Ruhrgebietes, für die Sie im Herbst 1923 eintraten, wurde von den Gewerkschafts­vertretern der besetzten Gebiete als eine völlig undiskutier bare Maßnahme betrachtet, die zum Zerfall des Reichs und zum Triumph der Politif Poincarés führen mußte.

Es ist ein Bubenstück ohnegleichen, daß die Parteien des Reichs blocks die eindeutige Haltung der freien Gewerkschaften während des Ruhrkampfes und der Rheinlandkrije gegen die Politik, die mit Ihrem Namen verknüpft ist, in bewußter Absicht unterschlagen und den selbstverständlichen Protest gegen Ihre wie jede andere Aus­weisung während des passiven Widerstandes zur Wahlmache aus. schlachten.

Die Millionen Mitglieder der freien Gewert fchaften denken nicht daran, Ihnen, Herr Ober­bürgermeister, am 29. März ihre Stimme zu geben. bürgermeister, am 29. März ihre Stimme zu geben. Die Gewerkschaften würden es für ein Verhängnis ansehen, wenn

als Nachfolger des Staatsmannes Friedrich Ebert   an die Spitze des Deutschen Reiches   ein Politiker träte, deffen außenpolitische Pläne zum Glück für die Einheit des Reiches dank dem entschloffenen Widerstand der republikanischen Parteien wie der Gewerkschaften nicht verwirklicht worden sind. Sie werden mit aller Ent­fichiedenheit ich für den Kandidaten ihres Ber trauens, Otto Braun  , einsehen und den Reichsblod bekämpfen, von deffen verlogener Kampfesweise das Flugblatt beredtes Zeugnis ablegt. Berlin  , den 27. März 1925.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Leipart  ,

Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes  .

In Berlin   ift Herr Jarres mit Stresemann  für den Sicherheitspalt, der sich beim Verlust Elsaß  - Loth­ ringens   beruhigt, in Nürnberg   ist er mit den Alldeutschen gegen Stresemann   und den Sicherheitspakt. Kann so und auch anders.

Jarres- Terror.

Wie der Landbund für Jarres arbeitet.

Die Agrarier möchten wie in den Zeiten vor dem Kriege die Landarbeiter terrorisieren, fie an der Ausübung des Wahl­rechts verhindern oder sie geschlossen mit dem Jarres- Zettel zur Wahlurne führen wie es früher in Ostelbien üblich war. Im Organ des Landbundes für Teltow   und Berlin   findet sich folgende Anweisung an die Ortsgruppen­vorstände des Landbundes:

-

Sorgt dafür, daß die Linkswähler am Wahltag zu Hause

bleiben."

Dazu gesellt sich folgende Anweisung für die Landfrauen: Sorgt, daß eure Knechte und Mägde zur Wahlurne gehen! Scrgt aber auch, daß sie richtig wählen!"

Diese Anweisung zum Jarres- Terror auf dem Lande zeigt die Hoffnungen der Landbündler, die sich zurücksehnen zu den kaiserlichen Zeiten, in denen der Landarbeiter der Hörige der Gutsherren mar, fie zeigt aber auch, wes Geistes Kind dieser I arres ist, für den die Agrarier mit solchen Mitteln arbeiten.

Feſtſtellung in einer unwirichen Bolemik gegen den Allbeutschen Grubenunglück in Lothringen  .

Verband, um ihm zu sagen, daß Herr Jarres mit der Außenpolitik des Außenministers Stresemann- Sicher­heitspaft, Böllerbund solidarisch fei.

-

In Nürnberg   stellten nationalistische Kreise Herrn Jarres eine Reihe von Fragen. Sie forderten, daß der neue Reichspräsident attiv politisch tätig" wäre. Darunter verstanden e, daß er in der Außenpolitik vor allem sich nicht mit dem Verlust Elsaß  - Lothringens  zufriedengibt und daß er sich in der inneren Politik für eine Rückführung der alten tonstitutionellen Staatsform" einsetzt und die Flaggenfrage nicht etwa im Sinne eines Kompromisses zwischen Schwarz- Rot­Geld und Schwarz- Weiß- Rot, was nach Ansicht der Herren nur den Hohn der Welt erneuern würde, sondern mit ent= schiedenem Bekenntnis zu Schwarz- Weiß Rot löst. Herr 3arres erflärte, daß er diese Forderungen Wortfür Wort unterschreiben könne.

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Fünfzig Tote, viele Schwerverlette. Paris  , 26. März.( WTB.) Ju einer Grube der Gemeinde Merlenbach bei Meh ist das Seil des Förderforbes heute nachmittag geriffen. 80 Bergleute sind dadurch eingefchloffen, jedoch hat bis jetzt nicht festgestellt werden können, wieviel Opfer das Unglück ge­fordert hat. Bis jetzt fonnten nur einige Verletzte ans Tageslicht gebracht werden.

Die Direktion verweigert jede Auskunft. Nach den letzten Nachrichten von acht Uhr abends nimmt man an. daß die Zahl der Toten etwa fünfzig beträgt. Bis fechs Uhr abends waren dreißig Mann geborgen, darunter zwei Tote.

Zwei weitere Bergleute starben fojort nach ihrer Ein­lieferung ins Krankenhaus, alle übrigen sind durchweg fehr schwer verlegt. In der Grube befinden sich noch fünfzigmann, die als verloren gelten.

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin   SW. 68, Lindenstr. 3

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Der Aufwertungsbankrott.

Der Zusammenbruch der Rechtsdemagogie. 3wei Tage vor der Präsidentenmahl hat die Reichs­regierung es für notwendig gefunden, das frisch aufpolierte Bureaufraten herauszuholen. Die Papiermarkgl Geschenk der Aufwertung aus den Schubladen ihrer eifrigen biger und Sparer, die sich zur Stimmabgabe für die Deutschnationalen unter dem Eindruck pompöser Wahlver­fprechungen entschlossen hatten, werden die versprochenen Raum ein paar kümmerliche Goldstäubchen bleiben für sie goldenen Berge allerdings mit der Lupe suchen müssen. Kriegs-, Inflations- und Ruhrkampfgewinner I a chen sich übrig. Die großen Konzernbesizer aber, die ins Fäust chen. Nicht einmal die Auswertung der In­dustrieobligationen hat man für notwendig befun­den. Hätte doch sie die gewaltigen Gewinne der Sachwert­befizer aus der Zeit größter Not des Bolles etwas beloften fönnen. Die beiden Geseze, die jetzt vorliegen und die dem Reichsrat zugeleitet worden sind, beschränken sich auf die Neu­regelung der Aufwertung von hypothefenforderun gen und von öffentlichen Anleihen.

Um die festverzinslichen Reichs- und Staatsanleihen gleich Dorweg zu nehmen, so ist die bei ihnen vorgesehene Auf­mertung ein echtes Geschenk des Mädchens aus der Fremde. Für jeden ist etwas da. Alle Anleihebesiger erhalten vom Reich die Versicherung, daß 100 M. Kriegsanleihe wie jede andere Anleihe 5 M. wert ist. Das ist eine große Sache. noch gestern sich weigerte, trok offenfundig richtiger Bormel­Nur glaubt fie nicht einmal die Börse, die dungen auch nur 1 M. für 100 M. Kriegsanleihe zu zahlen. Und das ist kein Wunder. Denn 3infen gibt es für diese allgemein aufgewertete Anleihe nicht, ehe die Reparationen und das ist kein Wunder. Denn 3insen gibt es für diese Anleihetitel befigt, gibt diese zurück und erhält dafür in Höhe erledigt sind. Jeder deutsche Staatsbürger, der noch derartige von 5 Broz. des Nominalwertes ein anderes Papier, die Anleihe ablösungsschuld". Der glückliche Besitzer darf weder das Bapier fündigen, noch hat er einen Anspruch auf Zinsen. Das Papier ist somit als Tapete vorzüglich ge­eignet.

Aber nicht genug damit: Die Rechtsregierung hat ein tiefempfindendes soziales Herz. Daher bevorzugt sie die alten Kriegsanleihebesiger, die ihre Marfanleihen vor dem 1. Juli 1920 erworben und sie inzwischen nicht ver­äußert haben. Ei nganzer Segen von schönen Dingen wird diesen Opfern der Inflation versprochen. Auf Antrag wird nämlich diesen Leuten eine Renfe   von 5 Bro3. auf ihren Besiz gezahlt. Also wohlgemerkt: 5 roz. auf 5 Proz. des alten Wertes der Anleihen. Wer 10 000 m. Kriegsanleihe. hat, kann demnach, sofern er diese nicht verfauft hat, ganze 25 M. Jahresrente beziehen. Damit er aus Trauer über diese gigantische Auf­wertung nicht sein Herz verliert, darf er mit der Anleihe­ablösungsschuld auch Lotterie spielen. Es werden nämlich neben der Tilgung, die zu 5 Proz. des Wertes er­folgt, auch noch besondere Prämienausiojungen veranstaltet, bei denen der glückliche Gewinner das Bier­fache des ihm zustehenden Geldbetrages erhalten kann. Wer Glück also hat, der fann unter Umständen sogar 20 Proz feiner Aufwertungsschuld aus dem Glücksrad ziehen. Sparer, hätten freilich bei derartigen Geschenken die Art vorgezogen, mit der man die Industrie bedacht hat. Diese ,, arme" Industrie, die in der Inflation ihre steckt, als wäre es ein Zigarettenstumme!! Wer aber auch an Substanz vervielfacht hat und dann 715 Millionen ein­Dem Glücksrad noch keine echte Freude hat, wer vor dem Kriege schon sich 30 000 m. beiseite gelegt hat, der kann sogar in den Besitz einer lebenslänglichen Jahresrente von fage und schreibe 600 M. im Höchftfalle gelangen. Wer weniger sparen fonnte, erhält entsprechend geringere Beträge; nach unten sind der Wohltätigkeit feine Schranken gesetzt.

-

Die

Diefes ganze Manöver konnte nur vollbracht werden von einer Regierung, der jedes Mitgefühl mit dem Elend der verarmten Sparer fremd, und die ihre Existenz zu einem guten Teil der Aufwertungspropaganda ihrer Auftraggeber verdankt.

Dieselben Herren des Großfapitals in Industrie und Landwirtschaft, die bei den legten Reichstagswahlen nicht mit Geld gespart haben, um die Aufwertungsdemagogie der Rechtsparteien zu unterstüßen, fnöpfen jetzt die Taschen zu und verbieten es den ung üdseligen Männern, die jetzt in ihrem Namen die Regierung führen, die Steuerschraube jo anzuspannen, um durch eine ausreichende Belastung des Be­fizzes einen gerechten Ausgleich der Inflationsschäden auch nur ernsthaft zu versuchen. Es ist der unerhörteste politische Skandal, der je dagewesen ist. Er tommt gerade zurecht, um noch die Entscheidung breiter Wählermaffca in der Präsident schaftswahl zu beeinflussen.

Es ist bezeichnend, daß die Regierung es nicht einmal für notwendig hält, für die Aufwertung eine neue Steuer aufzunehmen. Die Spaken pfeifen es von den Dächern, daß der Reichshaushalt den größten Teil seines Bedarjes aus einer gewaltigen steuerlichen Belastung