Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 15142. Jahrgang. Ausgabe B Nr. 75

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-293 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlia

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

5 Pfennig

Montag

30. März 1925

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhe

Berleger: Borwärts- Verlag GmbH. Berlin Sm. 68, Lindenstraße& Fernsprecher: Dönhoff 2506-2502

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Die Republik muß siegen!

Republikanische oder antimarristische" Sammelfandidatur?

Das vorläufige amtliche Wahlergebnis aus dem ganzen Reich, das der Reichswahlleiter in den frühen Morgenstunden des Montag herausgab, bestätigt das politische Bild, das sich schon aus den ersten Teilergebnissen ergeben. hatte:

=

Niederlage des Jarres Blods, Vormarsch der Sozialdemokratie!

Das eine ist so unbestreitbar wie das andere. Der Jarres­Block ist hinter der erträumten und großsprecherisch voraus­gefagten absoluten Mehrheit weit, weit zurüdgeblieben. Er hat gegen den 7. Dezember nicht gewonnen, sondern verloren. Die Sozialdemokratie aber ist am 29. März pro­zentual stärker als am 7. Dezember.

Immerhin hat sich aber die alte Erfahrung bestätigt, daß die später einlaufenden Wahlresultate für die Rechte günstiger find als die früheren. Die zuerst gemeldeten Re­sultate stammen aus den großen Städten und Industriegebieten, dann rückt langsam das platte Land vor. In den Städten, vor allem in Berlin , gelang es der Sozialdemokratie, den Jarres- Block von der Spize wegzudrücken, das platte Land hat ihm aber doch wieder einen beträchtlichen Vorsprug ver­schafft.

-

Jarres ist geschlagen aber wenn seine Gegner im zweiten Wahlgang getrennt marschieren, dann fiegt Jarres! Im zweiten Wahlgang gibt es feine Stich wah L Kandidaten können für ihn neu aufgestellt werden. Sieger ist, wer die relative Mehrheit hat, wer die Spize hält, auch wenn noch lange nicht die Hälfte aller Stimmen auf ihn gefallen ist.

So wäre es denkbar, daß die monarchistische Minderheit der Republik den zweiten Präsidenten stellte! Berhindert kann das nur werden, wenn die Republifaner m zweiten Wahlgang vereint marschieren und vereint schlagen.

Sozialdemokraten, Zentrum und Demokraten haben zu­fammen 13,2 Millionen Stimmen aufgebracht gegen 10,4 Mil­lionen Stimmen des Jarres- Blods. Mit dem Häuflein um Ludendorff bringt es der Jarres- Bloc auf 10,7 millionen, und selbst die bayerischen Held- Wähler, die übrigens gar nicht daran denken, den Kandidaten des Evangelischen Bundes, Herrn Jarres, zu wählen, könnten die Ziffern des Rechts blods Rechtsblocks mur auf 11,7 Millionen steigern, das sind immer noch andert­halb Millionen Stimmen weniger, als die Weimarer Roalition sie aufgebracht hat.

Dabei ist zu beachten, daß die Weimarer Koalition auch Diesmal noch knapp hinter der absoluten Mehrheit zurüdge­blieben ist. Es fehlen ihr dazu allerdings nur wenige zehn tausend Stimmen. Daraus fann mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, daß auch ein republikani­scher Sammelfandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehr­heit nicht erreicht haben würde, daß also ein zweiter Wahlgang unter allen Umständen notwendig gewesen wäre.

Jetzt gilt es, den Rechtsblock im zweiten Wahlgang ent­scheidend zu schlagen. Dazu ist die Bereinigung der republi­tanischen Barteien zum zweiten Wahlgang notwendig.

Eine republikanische Sammelfandidatur ist unter den Um­ständen das, was die Reaktionäre am meisten fürchten. Ver­fuche, sie zu hintertreiben, sind schon im Gange, wie folgendes uns aus Bamberg zugegangene Privattelegramm beweist:

In einer Beranstaltung der Bayerischen Volkspartei am Abend der Wahl teilte der Vorfigende der Reichstagsfraktion der Bayerischen Bolkspartei, Domtapitular Dr. Leicht, mit, daß die Partei im zweiten Wahlgang nicht für Dr. Jarres stimmen werde. Sie fei jedoch für eine andere Sammelfandidatur zu haben. Damit verkündet die Bayerische Bolkspartei durch den Mund ihres Führers, daß sie im zweiten Wahlgang feine eigene Kandidatur mehr aufstellen wird, und daß es ihr angenehm wäre, wenn fie für einen gemeinsamen bürgerlichen Kandidaten, am liebsten für einen aussichtsreichen Zentrumsmann, stimmen könnte.

Das Gelingen dieses Planes setzt voraus, daß der Jarres­Blod, entgegen feinen feierlichen Schwüren, Herrn Jarres fallen läßt. Das wird ihm aber wahrscheinlich nicht schwer

werden.

Als Zentrumsmann, der der Bayerischen Volkspartei ge­nehm wäre, fommt Stegerwald in Betracht, als bürger­licher Sammelkandidat außerhalb des Bentrums Geßler. Auch wird neuerdings Fürst Haßfeld genannt, der Sohn des früheren deutschen Botschafters in London , der eine Beit lang Reichstommissar bei der Rheinlandkommission war.

Jede dieser Sammelfandidaturen würde in den beteiligten Parteien auf die härtesten Widerstände stoßen und umfangreiche Wählerstreiks zur Folge haben. Zugleich würde eine allgemein- bürgerliche Sammlung gegen die Sozialdemo fratie die ganze politische Lage gründlich verändern. Es mürde einen Schlußtampf geben, in dem der Sozialdemokratie ganz neue Aussichten ermadhjen mürben,

Ergebnis im Reich.

Der Reichswahlleiter teilt folgendes vor­läufiges amtliches Wahlergebnis mit: Brann. 7785678( 7880963) 1002278( 1131979) 1565136( 1917764)

Held Hellpach . Jarres Ludendorff

Marr Thälmann

->

10387593( 11825325)

4

284471 3883676

( 4118190) 1869553( 2708345) Zersplittert 34152

.

Berlin .

Merseburg und Düsseldorf - Dit, den einzigen Wahl­freisen, in denen noch am. 7. Dezember die Kommunisten mehr Stimmen aufbrachten als die Sozialdemokratie, steht die Sozialdemokratie wieder an führender Stelle.

In Hamburg , der Heimat Thälmanns, verloren die Kommunisten 22 673 Stimmen, die Sozialdemokratie aber gewann 37 000 Stimmen!

Das Hamburger Beispiel zeigt d'en Weg zurüd zur Sozialdemokratie. leber 20 000 Hamburger Ar­beiter, ein Viertel der kommunistischen Anhänger in Hamburg , hat sich in die große Frant der Arbeiter gegen die Reaktion wieder eingereiht.

Wo steht die Kommunistische Partei ?" Sie stand in diesem Wahlgang neben Jarres. Muß nicht jeder kommunistische Arbeiter erröten, daß man heute, wenn man die Stimmen der republikanischen Front gegen den Block der Reaktion be rechnet, man ganz selbstverständlich die Stimmen der Kom munisten neben den Stimmen von held und Ludendorff zum Block der Rechten hinzurechnet? Es ist so.

Wassind die Zukunftsaussichtender KPD. ? Das Wahlresultat zeigt: es geht unaufhaltsam abwärts. Bom 4. Mai zum 7. Dezember, vom. 7. Dezember zum 29. März.

Abgegebene Stimmen. 1091866. Da Das ist nicht ein hin- und herschwanken um einen festen

von erhielten:

Brann Held Hellpach. Jarres Ludendorff.

398518( 368364)

1355

121387( 115127) 328996( 372310)

4011 56634­Marg ( 46 589) Thälmann ...180724( 217231) Zersplittert 241

An die Einigung zwischen den Werwolf- Leuten und den bürgerlichen Demokraten und zwischen dem Evangelischen Bund und dem Zentrum glauben wir erst, wenn wir sie sehen! Zentrum und Demokraten würden sich in den Augen ihrer Anhänger aufs schwerste fompromittieren, wenn sie auch nur Miene machten, sich auf ein solches Experiment ein­zulassen. Ihre Kompromittierung wäre um so stärker, als die größte und auch in diesem Wahlkampf fiegreiche republikanische Partei, die Sozialdemokratie, offenkundig bereit ist, im entscheidenden Wahlgang dem republikanischen Gedanken zum Sieg zu ver­helfen.

Der Präsidentschaftswahlkampf geht um die Republik ! Für die Verhandlungen, die der Kan didatenaufstellung zum zweiten Wahlgang vorangehen und die hoffentlich kurz sein werden, soll dieser Satz die Grund­lage fein. Wer ist bereit, auf sie zu treten? Wer nicht? Die Antwort auf diese Frage muß rasch erfolgen. Wie immer aber auch sie ausfallen mag, die Tatsache steht fest: Die Sozialdemokratie hat sich abermals in schwerem Ringen als die eigentliche Staatspartei der Deutschen Re­publif bewährt. Mit verstärkter Kraft und vermehrtem Ansehen geht sie aus diesem Kampf hervor. Das gibt uns unerschütterliches Vertrauen in die Zukunft, komme, was da

tommen mag!

"

Tatsachen.

Ein Wort an die Kommuniften.

Die kommunistischen Arbeiter werden sich heute fragen: wie haben mir abgeschnitten, wie stehen wir, was find unfere Zukunftsaussichten und was sollen wir nuntun? Die Rote Fahne " läßt ihnen nur erkennen, daß es schlecht für die Kommunisten gegangen ist, und daß die SPD. fich glänzend behauptet hat. Und doch rät sie den kommunisti­ schen Arbeitern, die Bersplitterungstaktit fortzusehen. Bir raten ihnen, den Weg der Erkenntnis und der vernünftigen Ueberlegung zu betreten, den so viele von ihnen gestern schon gegangen sind.

Wie steht die KPD.? Hier sind die Tatsachen. In den fünf großen industriellen Wahlkreisen Ber­ lin , hamburg , Halle- Merseburg, Düsseldorf Dst und Westfalen- Süd hat sich gestern das Verhältnis so verschoben:

SPD . KPD ..

29. März

1 258 942 630 959

7. Dezember 1 178 239 837 085

Die Sozialdemokratie gewann 80 000 Stim men gleich 7 Broz ihrer Stimmenzahl vom 7. Dezember, die Rommunisten verloren 200 000 Stimmen gleich 25 Broz ihrer Stimmenzahl vom 7. Dezember, In Halles

Barteilern, das ist ein stetiges. unaushaltsames Absterben. Eine Arbeiterpartei fann nicht Seite an Seite mit den schlimm­sten Feinden des Volkes und der Arbeiterschaft gegen die Massenpartei der Arbeiterschaft und gegen ihre gewerkschaft­lichen Organisationen tämpfen, ohne daß ihre Anhänger ihr den Rüden fehren.

So geht es nicht! Das ist die Erkenntnis der 25 Proz tommunistischer Arbeiter, die sich gestern von der KPD . ab= gewandt haben. Wir hoffen, es sind nicht die schlechtesten ge­wesen! Aber so geht es auch nicht, daß ein Teil von ihnen nun berdrossen abseits steht; denn das läuft im Grunde mur wieder auf die verfehlte fommunistische Taftil hinaus.

Was sollen die fommunistischen Arbeiter tun? Sie sollen dem Beispiel der 20 000 Hamburger Ar­beiter folgen, die sich wieder in die Massenpartei der Arbeiter­schaft eingereiht haben, in die Front der großen, mächtigen Sozialdemokratie, die im unaufhaltsamen Vorwärtsschreiten begriffen ist. Die Reaktion hat gestern eine erste Niederlage begriffen ist. Die Reaktion hat gestern eine erste Niederlage erlitten. Am 26. April muß sie entscheidend geschlagen werben. Dazu beizutragen, das ist die Pflicht aller kommu­ nistischen Arbeiter!

Die Enttäuschung der Kommunisten. Die Rote Fahne am Montag" schreibt über das Wahlergebnis: " Soweit die Wahlergebnisse vorliegen, ist es der Kommu= nistischen Partei nicht gelungen, ihre Wähler vom 7. Dezember diesmal an die Wahlurne zu bringen. Ein großer Teil der Anhänger der Kommunistischen Partei hat sich seiner Stimme enthalten.

-

Der SPD . ist es vor allem wohl dank ihrer alten Wahl­maschinerie gelungen, ihre Anhängerschaft an die Wahlurne zu bringen. In den meisten Bezirken hat die SPD . zwar auch verloren, aber weniger als die anderen Parteien. h Das heißt: Niederlage der Kommunisten, Sieg der Sozial­demokratie!

Was die Sozialdemokratie gewann. Der Rückgang des Bürgerblocks.- Zusammenbruch der Kommunisten.

Der relative Suwachs an sozialdemokratischen Stimmen, der Stimmausfall bei den Jarres- Parteien und der Rückgang der tom­munistischen Wähler kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn man die prozentuale Berteilung der Stimmen auf die ein. zelnen Kandidaturen bei der gestrigen Präsidentschaftswahl und bei den Reichstagswahlen vom Dezember v. 3. vergleicht: Von den abgegebenen Stimmen entfielen auf:

Otto Brann

Held.

Hellpah

Jarres( einschl. Ludendorff ) Marg Thälmann.

Brozent

Bräsidentschaftswahl Reichstagswahl am 7. Dez. 26,0

29,0

3,7

4,6

5,8

6,3

39,8

42,4

14,5

13,6

7,0

9,0

Die Kommunisten, die bei den Reichstagswahlen vom 4. Mai 1920 noch 12,6 Proz. der abgegebenen Stimmen auf sich ver­einigen fonnten, haben für ihren Kandidaten gestern nur noch 7 Proz. der abgegebenen Stimmen sammeln fönnen. Diesem Bell. tommenen Zusammenbruch der Mostowiter steht ein ebenso starter Aufstieg der Sozialdemokratie gegenüber, die am 4. Mai v. J. auf ihre Liste 20,5 Proz. der Stimmen vereinigen fonnte, diesen Anteil im Dezember auf 26 und gestern auf 29 Bros. au geigern Dermagte