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Nr. 152 42. Jahrgang

Die Fürsorgerin.

1. Beilage des Vorwärts

Es soll offen zugegeben werden, daß in den ersten Jahren der Geltung des preußischen Fürsorgeerziehungsgefeßes Mißgriffe vor gekommen sind. Das ist für den, der die Verhältnisse genauer tennt, nicht verwunderlich. Es handelte sich um Probleme schmierigster Art, 3. B. um die Erziehung Jugendlicher im Alter von vierzehn bis achtzehn Jahren, von denen viele geistig abnorm waren. Es fehlte an geschulten Erziehern und an geeigneten Einrichtungen. Man war auf die Erziehung schulpflichtiger Kinder eingestellt, aber nicht auf die Schulentlaffener. Erst allmählich wurde man Herr der Lage und der Schwierigkeiten. Psychiater beobachteten die Jugendlichen und gaben gute Ratschläge für ihre Behandlung und Erziehung, die Erzieher besuchten Kurse, legten Prüfungen ab und lernten, sich auf das neue Arbeitsgebiet einzustellen. Die Berufsberatung wurde in Anspruch genommen, die berufliche Ausbildung gefördert. Die Gitter vor den Fenstern fielen, Blumenschmud und Borhänge traten an ihre Stelle, Bilder bedeckten die oft fahlen Bände. Die Selbft betätigung erhielt freien Raum, Sport und Spiele hielten Einzug. Aus den Anstalten wurden Heime, nicht dem Namen, sondern der inneren Ausgestaltung nach.

Schuld an der Abneigung gegen die Fürsorgeerziehung trägt nicht zuleht auch leider die dem Deutschen eigene Berallgemeinerung einzelner Fälle. Da stellt das Gericht in der Strafverhandlung feft, daß der Täter ein Fürsorgezögling" ist oder war, genau so, wie es in einem anderen Falle etwa die uneheliche Geburt des An. geflagten feftftellt. Der junge Mann ist vielleicht Arbeiter, vielleicht auch Schlosser oder Schmied, in dem Bericht aber heißt es: Die Straftaten des Fürsorgezöglings X." Das Wort erhält eine Unter. bedeutung, die ihm nicht zufommt. Man glaubt nicht mehr an die Möglichkeit einer Befferung, man hört und liest ja das Wort nur in Berbindung mit Straftaten und Gerichtsverhandlungen. anderen, die tatsächlich Gebefferten, der bürgerlichen Gesellschaft, dem Leben zurückgegeben und es sind ihrer nicht wenige, es sind bis zu 65 Broz. gehen still ihres Weges. Sie vermeiden es ängst lich, an die Irrungen in der Jugendzeit irgendwie zu erinnern, fie wollen mit den anderen, den endgültig Gescheiterten nicht in einem 3uge genannt werden, sie wollen nicht unter dem Banne leiden, den Herzlosigkeit und unverstand auf fie legen wollen.

Die

Was ist denn nun Fürsorgeerziehung? Es ist nichts weiter als eine Jugendhilfe im Rahmen des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt, ble denjenigen Minderjährigen helfen soll, die von ihren Eltern die entsprechende Erziehung nicht erhalten, um sie zu förperlich, feelisch und gesellschaftlich tüchtigen Menschen heranzubilden. Es handelt sich um junge Menschenfinder, die faft durchweg feine oder nur geringe Schuld daran tragen, daß fie in Gefahr stehen, zu verwahriofen, oder daß fie Spuren der Ber mahrlofung an fich tragen. Sie sind teils Opfer ihrer eigenartigen Beranlagung und ihrer Abstammung, teils Opfer ihrer Umwelt, Opfer der allgemeinen gesellschaftlichen Zustände und der Wohnungs not. Die Gesamtheit trägt wesentliche Schuld an ihrem Werdegang. Ber ohne Schuld ist, der hebe ben ersten Stein auf....

Es würde zu weit führen, alles aufzuführen, was erstrebt wird und erreicht ist in den Anstalten, die zu Heimen mit gemütlicher, familienartiger Ausstattung eingerichtet sind, in denen individuelle und soziale Erziehung getrieben, in benen in freiheitlicher, auf Ber trauen gegründeter Art die förperliche, feelische und sittliche Er neuerung aufgebaut wird, in denen die wertvollen Ergebnisse der Sugen bemegung ihre Berwirklichung erfahren und in denen auf berufliche Ausbildung größter Wert gelegt wird. Gewiß ist noch manches zu beffern. Sicher find die Einrichtungen nicht in allen aftalten gleich gut. Aber man ist auf gutem Wege, überwindet Mangel und Fehler, wo sie hervortreten und bemüht fich auch in den Anstalten für schulentlaffene junge Madben neue Beae zu gehen. Alle Anstalten find auch bereit, Intereffierten einen Blick in ihre Arbeit zu gewähren, in erster Linie den Eltern, die, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, Zutritt zu den Heimen erhalten. Sie dürfen an den Besuchstagen thre Kinder sprechen, und fie nehmen an den eften, die in den Heimen gefeiert werden, teil. Erzieher und Heim. leiter werden persönliche Aussprachen mit den Eltern stets gern gewähren.

Eines der größten Hemmnisse des Fortschrittes ist jedoch die Serabjegung, die der zur Fürsorgeerziehung überwiesene Minder. jährige in der Oeffentlichkeit erfährt. Man rebe und schreibe nicht immer von Fürsorgezöglingen", womit man fie 311 Menschen zweiter Klaffe stempelt. Nichts ist schlimmer für einen Jugendlichen als dies Gefühl des Ausgestoßenseins, der minderen

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Anthony John.

Roman von Jerome K. Jerome.

Herr Letteridge errötete; unbewußt wandten fich feine Augen einer fleinen Photographie auf dem Kaminsims zu. Sie stellte ein hübsches puppengesichtiges Mädchen dar, die Tochter eines der Gymnasialprofefforen.

Du hast auch feine Freunde, nicht wahr?" forschte An­thonn weiter. Herr Tetteridge schüttelte den Kopf. Ich glaube nein." Rönntest du nicht eine Schule eröffnen?" fragte Anthony. Eine Schule für Kleine Knaben und Mädchen, deren Mütter fie ungern in die Gemeindeschule gehen lassen und die für die Fräulein Warmington nicht vornehm genug find? Es ziehen immer mehr Leute in dieses Biertel. Und du ver­stehst dich so gut aufs Unterrichten.

Herr Letteridge blieb plößlich stehen und streckte Anthony die Hand hin. Anthony holte die seine unter sich hervor, und fie schüttelten einander ble Hände. Dante," sprach Herr Tetteridge. Das wäre mir nie eingefallen.

Ich würde noch nicht darüber sprechen," riet Anthony. ..Sonst tönnte jemand den Gebanten verwerten, ehe du so weit feift."

"

Es heißt, bift" nicht seift"," torrigierte Herr Tette­ridge. Wir werden morgen die verschiedenen Redeformen burchnehmen, fie find ganz einfach." Abermals streckte er Anthony die Hand hin: Es ist lieb von dir," sagte er.

,, Es würde mir leid tun, wenn du von Millsborough fort gingft," erflärte Anthony.

Die Beriode des Wohlstandes, die auf den Besuch des Manderpeters gefolgt war, währte nur zwei Jahre. Sie endete mit dem Tod des Vaters. Während er an der neuen Erfindung arbeitete, ereignete fich das Unglüd. Er befand fich nach dem Abendessen allein in der Wertstatt. Als er eine schwere Eisenbarre hochzog, riß das Seil, die Barre fiel auf ihn und zerschmetterte seinen Schädel. Er lebte noch zwei Tage, war faft die ganze Zeit bewußtios. Wenige Stunden vor seinem Tode bemerkte Anthony, den die Mutter zu ihm geschickt hatte, daß der Baler die Augen öffnete. Der Mann gebot mit einer Gebärde, der Knabe möge die Tür schließen. Anthony gehorchte und trat ans Bett. Es ist nichts da, Söhnchen, flüsterte der Bater. Ich war ein Narr. Alles, was ich verdiente oder borgen fonnte, stedte ich in die Er findung. Bäre ich am Leben geblieben und hätte ich sie be­

Bewertung, teine größere Lieblosigkeit, als sie wie Barias anzu­fehen und zu behandeln. Nur dann fann man diesen, unseren Rin dern helfen, wenn man ihr Ehrgefühl hebt und sie fühlen und erleben läßt, daß man sich ihnen gleich stellt, wenn man ihnen auch natür­lich überlegen sein muß an inneren Werten. Die Allgemeinheit hat einen großen Teil Schuld daran, wenn sie nicht wieder hochkommen, sondern Matel und Bann mit sich herumtragen.

Die erhöhte Aprilmiete.

Das tädtische Zentralamt für das Wohnungs. wesen fellt mit: Die gesetzliche Miete in Preußen ist für den Monat April auf 76 Pro 3 der reinen Friedensmiete festgefeht worden. Dementsprechend ändert sich auch die für Berlin maß­gebende Bekanntmachung des Magistrats über die Mietzinsbildung. Hat der Mieter die fogenannten Schönheitsreparaturen innerhalb feiner Wohnung übernommen, so beträgt die gefeß­liche Miete 72 Pro3. Die Bekanntmachung des Magiftrats wird in der kommenden Sonnabend erscheinenden Ausgabe des Gemeindeblaffes veröffentlicht."

Wir hatten bereits gelegentlich der Bekanntmachung des Wohl. fahrtsministeriums die neue Berfügung fritisch beleuchtet und werden darauf noch einmal ausführlich zurückommen.

Das städtische Zentralamt für Wohnungswesen erinnert die Inhaber von Wohnungsausweisfarten daran, daß die Ausweistarten ungültig werden, wenn sie nicht spätestens_am 31. März dem Wohnungsamt, von dem sie ausgestellt worden sind, zur Berlängerung der Gültigkeit vorgelegt werden.

Zwischen Lipp' und Kelches Rand... Bochenlang, monatelang war er herumgelaufen, ohne Arbeit zu finden. Durch nichts hatte er es sich verdrießen lassen, wieder und immer wieder auf dem Arbeitsnachweis nachzufragen. Und nun endlich sollte dieses ewige Elend ein Ende haben, er sollte Arbeit befommen, follte wieder regelmäßigen Lohn erhalten, wieder ein gereiht werden in die große Armee der Arbeitenden und Brodus zierenden. Das war ganz gewiß für diesen Menschen ein Ereignis, das wert war, fich darüber zu freuen und in der ihm möglichen be scheidenen Weise zu feiern. So ging er, ein Unbekannter, unter den ftellte dort ein Glas Bier und erzählte in freudiger Erregung, daß er hunderttausenden, in eine Schantwirtschaft in der Hübnerstraße, be. endlich bei einem Großschlächter eine Stellung als Rutscher bekommen habe und am Montag feine Stelle antreten follte. Der Birt reichte ihm das gewünschte Labfal, aber ehe der Durftige das Glas ergreifen

tonnte, fant er fautfos zu Boden. Man bemühte sich um ihn, es war vergebens. Der Unbekannte war tot. War es die große Freude? War es eine Folge der Entbehrung? Wer will das sagen. Niemand fennt ihn. Der Polizeibericht weist aus, daß er in der Wäsche ein Beichen F. B. trägt. Wer ist er? Bielleicht wartet eine Frau mit ihrem Kind auf ihn, vielleicht eine alte Mutter. Bielleicht war er auch ein Einfamer. Großstadtlos.

Berbefferungen der neuen Autobusfe.

Bei den 200 neuen im Bau begriffenen Kraftomnibussen werden pon der Berliner Omnibus- Gesellschaft die Er. fahrungen verwertet werden, die man bei dem Betriebe einiger neuen Brobemagen bisher gemacht hat. Dabei werden fich in erster Linie Wenderungen in den Maßen ergeben, die zunächst unter Bugrundelegung amerikanischer und englischer Berhältnisse ins Auge gefaßt wurden. Nach diesen Aenderungen dürfte auch die Enge der Sigpläge wegfallen, bie fich bisher in ben Brobemagen bemerkbar macht. Bon der geplanten Anordnung der Querfige auf dem Wagenbed ist Abftand genommen worden. Diese Anordnung macht zwar den Berkehr an Ded gefahrlos und bequem, schafft auch die Möglichkeit, die Zahl der Bläge zu erhöhen, ist aber ein Hindernis für einen niedrigen Wagenaufbau. Die Querfige zwingen nämlich bazu, das Wagendach durchweg auf einer Höhe zu halten, die bei den Längsbänken nur über dem inneren Gange zu fein braucht. Die Frage, ob es fich empfiehlt, dem Oberbed einen Schutz gegen die Witterungsunbilden zu geben, ist noch nicht geflärt. Bei allen im Bau begriffenen Wagen werden aber die Berbeffe rungen bezüglich der Tieferlegung des Wagenbodens und des Schwerpunktes, der Federung, die Stöße und Erschütte rungen vermindert, Anwendung finden. Ebenso werden alle Wagen mit feitlichem 3ugang verfehen; auch ist in Aussicht ge­

enden tönnen, so wäre alles gut gewefen. Deine Mutter weiß es noch nicht. Du mußt es ihr sagen, wenn ich nicht mehr bin. Mir fehlt dazu der Mut."

Anthony versprach es. Der Bater schien noch etwas fagen zu wollen. Er ftarrte das Kind an, ein törichtes Lächeln um den schwachen Mund. Anthony saß wartend auf dem Bettrand. Der Bater legte die Hand auf die Hüfte des Knaben. Ich möchte dir etwas sagen," flüsterte er. Du weißt schon, was ich meine: etwas, an das du dich erinnern fönntest, das dir eine Hilfe wäre. Ich wollte es immer tun. Wenn du an mich Fragen stelltest, war ich barsch zu dir, weil ich sie nicht beantworten fonnte. Nachts pflegte ich mach zu liegen und die Antwort zu suchen. Dann aber dachte ich, wenn ich stürbe, würde vielleicht etwas geschehen, ich würde eine Vision schauen oder so etwas es heißt, daß derartiges vorkommt, dann begriffe ich alles, würde es dir sagen fönnen. Aber die Bision blieb aus. Wahrscheinlich bin ich für derlei Dinge nicht der rechte Mensch. Alles erscheint mir so buntel." Er begann zu delirieren, schloß nach einigen unzusammenhängen den Worten die Augen und erlangte das Bewußtsein nicht

wieder.

Anthony teilte der Mutter schonend mit, daß alles ber neuen Erfindung geopfert worden war.

,, Gott helfe dem Mann!" rief fie ,,, meinte er etwa, baß ich es nicht wußte? Wir paßten zufammen; auch ich glaubte, diesmal werde es einschlagen.

Sie ftanden neben dem Bett. Die Mutter hatte aus dem großen Haus einen schönen weißen Kranz gebracht. Er lag auf der Brust des Baters. Anthony erkannte den Bater taum; die schwachen zitternden Lippen waren geschloffen, bildeten eine starte; fefte Linie. Abgesehen von dem Mund war das Geficht immer schön gewesen, wenngleich von Sorgen und Kleinmut gefurcht, mit wirrem Haar; doch hatte niemand die Schönheit bemerkt.

Jetzt sieht er so aus, wie er zu Beginn unserer Bekannt. schaft aussah," sprach die Mutter. Man merkt ihm an, daß er jeder Zoll ein Herr ist."

Auch die Mutter schaute jünger aus, da fie neben dem Toten stand. Ihr Gesicht war weich geworden.

Du tateft bein möglichstes, Liebfter, fagte sie. Und ich bin dir wohl feine rechte Hilfe gewesen."

Jeder hatte ein gutes Wort für den bleichen schönen Mann, der mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen dalag, als bete er. Anthony hatte gar nicht geahnt, wie all gemein beliebt und geachtet sein Bater gewesen war.

Dienstag, 31. März 1925

nommen, auf den Berrons eine Anzahl bequemer Stehplätze au schaffen. Die ersten verbesserten Wagen dürften im Maid. J. in Betrieb gestellt werden.

Hyänen der Inflation.

Nachkomme Napoleons und Tiger der Börse.

Die große Flut der Inflation wirft ihre letzten Spriger aud noch bis in unsere heutige Zeit. Bon Zeit zu Zeit läßt sich das in unseren Gerichtsfälen feststellen. Wiederum standen in diesen Tagen ein paar Inflationsgewinner vor Gericht, um sich wegen Betruges und Börsenschwindeleien zu verantworten. In dem ersten Fall handelt es sich um einen ehemaligen Gerber namens Julius Heller und einen Kaufmann Mag Elsner. Heller hatte in der Inflationszeit ein Bankhaus" gegründet, das, wie er vor Gericht aussagte, lediglich Geschäfte mit sich selbst machte, also mit eigenen Börsenpapieren spekulierte. Eines Tages lernte er Elsner tennen, der auf Berliner Güterbahnhöfen einige Waggons Papier stehen hatte. Da er aber fein Geld hatte, fonnte er nicht die Fracht bezahlen. Da sprang Heller ein und gab zwei Barschecks in Höhe von 3000 m. Die Eisenbahnbeamten wollten das Bapier nicht annehmen. Nun aber spielte sich Seller auf den Bankdirektor hercus und es gelang ihm, die Beamten zur Annahme des Scheck's zu veranlassen. Es stellte sich aber als falsch heraus. Es war für den Sched feine Dedung mehr vorhanden, denn das Bankhaus war bereits zwei Tage nach Ausstellung des Schecks in Liquidation ge­gangen. Das Gericht fah in dem Berhalten des Heller einen Betrug und verurteilte ihn zu vier Monaten Gefängnis und 1000 m. Geld= straje. Eisner wurde mangels Beweisen freigesprochen. Biel toller ging es bei den Banfiers Karl und Wilhelm Baumgartner zu. Die Brüder verstanden es, sich in der Inflationszeit mit dem geheimnisvollen Nimbus märchenhafter Bör­fengewinne zu umgeben. Der eine nannte fich Tiger ber Börse und Herr über Hausse und Baisse und be hauptete auch noch, ein effe von Stinnes zu sein. Der Battin eines befannten Bergwerksbefizers schwindelte er mit Erfolg Dor, er sei ein direkter Nachkomme Napoleons und feine Mutter eine Herzogin Abofra. In der Wohnung der Frau Direktor theatralischen Huldigungen. Mit den ins Fabelhafte gehenden Ge fniete er vor einer Büste Napoleons nieder und erging fich in winnen führte das eble Brüderpaar ein wahres Braffer- und Schlem­merleben. Selbstverständlich waren mehrere Autos da und man war Gast im Schwimmenden Klub in Wannsee . Ende September 1921 brach auf Anzeige von 30 Geschädigten das Geschäft zufammen. Das Schöffengericht hatte damals Karl Baumgartner zu zwei Jahren und Wilhelm Baumgartner zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Aber der Staatsanwalt, bem bie Strafe zu niedrig war, batte Berfung eingelegt. Die Straffammer des Landgerichts III jedoch tam nach eingehender Beweisaufnahme zu einer Berwerfung der Berufung und beftätigte das erste Urteil.

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Die Urkundenfälschung" des Betriebsrats. Die AEG, Oberschöneweibe, beantragte beim Ge merbegericht die Zuftimmung zur Entlaffung des Betriebsratsmit gliedes R. Mis Grund gab die Firma an, R. habe eine Urkunden­fälschung begangen, indem er Affordzettel gefälscht habe. Zunächst Schien es, als ob R. der Borwurf gemacht werde, er habe durch falsche Eintragungen auf Attordzetteln erreicht, baß ihm eine Anzahl von Arbeitsstunden doppelt bezahlt worden feien, nämlich einmal als Arbeitslohn und außerdem für seine Tätigkeit in Betriebsratsangelegenheiten. Schließlich stellte sich aber heraus, daß dieser Borwurf ganz unbegründet und haltlos ist. Die Firma hielt aber in zwei Terminen bis zum Schlus an der Behauptung fest, daß St. fich der Urtunden­faffung schuldig gemacht habe. Durch die Beweiserhebung ftellte fich jedoch heraus, baß es sich mit der angeblichen Urkunden­fälschung fo verhielt: Ein Arbeiter, ber mit seiner Affordarbeit, um die volle Bezahlung dafür zu erhalten, bis zum Wochenschluß fertig werden wollte, hatte R. ersucht, ihm babei zu helfen, was auch ge fchab. Es foll öfter vorkommen, daß fich Arbeiter in dieser Weise aushelfen. Die dadurch entstehenden Lohndifferenzen gleichen fie dann später untereinander aus. In solchen Fällen machen fie aber in dem Nordzettel Eintragungen, die den Vorschriften nicht ent fprechen und auch wohl tatsächlich unrichtig sind. Aber durch solche harmlosen Schiebungen" wird weder die Firma geschädigt, noch haben die Arbeiter einen Borteil davon. Es handelt sich lediglich um eine Gefälligteit der Arbeiter untereinander. Schließ­lich gab benn auch der Vertreter der Firma felbst zu, daß die Firma durch diese Fälschungen" feinen Bermögensnachteil er­

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,, War der Bater mit Herrn Selwyn verwandt?" fragte er die Mutter am Abend nach dem Begräbnis. Berwandt? Nein, weshalb fragst du?"

,, Er nannte ihn Bruder," erklärte Anthony. Ach fo," entgegnete die Mutter. Das bedeutet teines megs, daß er mirtlich verwandt war. Man pflegt die Toten Bruder zu nennen.

5.

Sie bezogen ein noch fleineres Haus in einer noch arm­feligeren Gaffe. Die Mutter war stets eine gute Näherin ge­wefen. Ein Zettel am Fenster verkündete, daß Frau Strong'nth'arm, Schneiderin und Modiftin, bereit sei, das von Damen gelieferte Material zu verarbeiten. Eleganz und guter Schnitt garantiert. Fabrikarbeiterinnen, sowie die Frauen und Töchter der Bergleute wurden ihre Runden. In guten Zeiten fiefen genügend Bestellungen ein, und Frau Strong'nth'arms Nähmaschine raffelte und flapperte von morgens bis abends. Doch gab es freilich auch Monate, da die Betriebe vertürzt arbeiteten und Rechnungen unbezahlt blieben. Im ganzen jedoch ermöglichte die Arbeit das nadie Leben. Das Problem von Anthonys Erziehung bekümmerte abermals Mutter und Sohn.

Auch diesmal tam ihnen die Kirche zu Hilfe. Der gottes fürchtige Begründer des St. Albys- Gymnasiums hatte eine Stiftung hinterlassen, die zwölf armen, der anglikanischen Re­ligion angehörenden Knaben eine unentgeltliche Erziehung zuteil werden ließ; die Wahl lag in den Händen der Kuratoren. Bufällig gehörten zu diesen Sir William Coomber und der Pfarrer. Der junge Letteridge überwand feine Schüchternheit, bearbeitete die übrigen Ruratoren zugunsten seines Zöglings, nahm dabei Anthony mit. Sorge, Hoffnung, Erwartung füllten die Tage. Schließlich kam der Sieg: Anthony, der sein Eramen bestehen mußte, wurde für die britte Klaffe reif er flärt. Sir William Coomber teilte ihm dies mit zittriger Schrift mit, forderte ihn auf, Gott zu dienen, bie Königin zu ehren und der Trost seiner Mutter zu sein. Und falls er ihm irgendwie helfen tönne, so solle sich Anthony an ihn wen­den. Der Pfarrer brüdte ihm die Hand und wünschte ihm Gottes Segen; fügte auch hinzu, daß der Himmel jenen helfe, die fich felbft helfen. Der Direktor empfing Anthony in seinem Arbeitszimmer und erklärte, fie würden bestimmt gute Freunde werden. Der junge Tetteridge gab ihm zu Ehren ein faltes Abendeffen, lub dazu den Primus der dritten Klaffe, den Ka­pitän der zweiten Fußballmannschaft und drei Herren aus der Prima ein. ( Fortsetzung folgt.)