Nr. T56 ♦ 42. Jahrgang
!♦ Seilage öes vorwärts
Vonnerstag, 2. ftpril 1H2S
Proteste gegen öie erhöhte WriSmiete.
Wie wir bereits mitgeteilt haben, ist die gesetzliche Miete für April d. I. gegenüber der Miete für die Monate Oktober 1924 bis Marz 192S um nicht weniger als 10 Proz.(von 66 auf 76 Proz.) erhöht worden. An dem Abzug von 4 Proz. für die Fälle, in denen der Mieter die sogenannten Schönheitsreparaturen übernommen hat, ist nichts geändert worden. Die so plötzlich eingetretene starke Miet- «rhöhung hat die Mleterschaft um so unangenehmer überrascht, als die Bekanntgabe erst wenige Tage vor dem Zahlungstermin erfolgte, so daß sich viele Mieter gar nicht auf die erhöhte Zahlung einrichten konnten. Besonders hart werden von der Mieterhöhung die ärmsten Beoölkerungeschichten betroffen, die schon ohnehin die Miete taumnochausbringentonnten. Zahlreiche Sozialrentner, Kleinrentner, Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene, Arbeitslose usw. haben ohnehin die größte Mühe, neben den laufenden Mietzins- taten noch die aufgelaufenen Rückstände zu tilgen. Diele dieser Aermsten sehen jetzt jede Aussicht schwinden, vor der Exmission be» wahrt zu werden, wenn nicht noch der Reichstag Einsehen genug hat, den sozialdemokratischen Antrag anzunehmen, der einen Teil der Hauszins st euer zu Mietbeihilsen für zahlungsschwach« und zahlungsunfähige Mieter verwendet wissen will. Erregung öer Mieter. Zur Beruhigung der Mieter hat der Amtliche Preußische Pressedienst eine B e g r ü n d u n g der Mieterhöhung verbreitet, die durch- aus nicht geeignet ist. diese Wirkung auszulösen und die auch von der t'eiknnz des Reichsbundes deutscher Mieter nicht als stichhaltig ange- j f.'-en wird. Zunächst wird amtlich mitgeteilt, daß 4 Proz. der Miet- erböhung im Wege der Erhöhung der Hauszinssteuer von SV0 auf 700 Proz. der Grundvermogenssteuer weggesteuert werden sollen. damit sie dem so dringend nötigen Wohnungsneubau zugeführt werden sollen. Run hat aber der Vermieter nicht etwa die 4 Proz. der Friedensmiete an Hauszinssteuer mehr zu zahlen, sondern da die Hauszinssteuer auf der Grundvermögenssteuer ausgebaut ist und diese wieder nach dem Nutzungswert des Grundstücks oeranlagt wird, so verbleiben dem Vermieter vielfach allein aus der Hauszins. simcr erheblich« Ueberichüsse, die sich nach der Steigerung der Haus- zinssteuer auf 26 bis 28 Proz. der Friedenemtete in der gesetz- l i ch e n M i e t e bis auf S bis 10 Proz. der Friedensmiete belaufen. Bei der großen Wohnungsnot einerseits, die eine restlos« Derwcn- düng der für Hauszinssteuer von den Mietern gezahlten Be- träge für den Wvhnungsneubau erfordert, und bei der großen Rot - läge der Mieter anderseits, die durch die steigende Teuerung der Lebenshaltung noch verschärft wird, ist es unerträglich, daß ein T'Il der Hauszinrsteuer als Zwifchengetvinn in den Händen der Hausbesitzer verbleibt. Noch nicht die Hälfte für Neubauzwecke. Außerdem ist es unrichtig, daß dl« Hauszinssteuer zur Per- stärkung der Reubautätigkeit erhöht werden mußt«. Richtig ist vielmehr, daß der größte Teil der Hauszinssteuer bisher nicht zu R n'banzweckea, sondern zur valanzteruoq de» haushall« des Staate, und der Länder verwendet wurde. Nicht einmal die Hälft« des Auf- kommen« an Hauszinssteuer ist in Preußen dem Neubau zugeführt worden. Solange also große Reserven der Hauszinssteuer für fiskalische Zwecke verwendet werden, und zwar nur, um den Besitz und die steuerkräftigeren Dolksteile vor weiteren Belastungen zu' schonen, solange muß«ine Erhöhung der hauszinssteuer von der Mieterschaft, mindestens von den breiten Muffen der erwerbstätigen Bevölkerung, abgelehnt werden. Nicht vergessen darf dabei werden, daß der damalig« Reichsfinanzminister, jcstigs Reichskanzler Dr. Luther, der genial« Erfinder der unsozialsten aller Steuern, der Mietzinssteuer, es mit Hilfe dieser die arbeitende Bevölkerring außerordentlich schwer belastenden Steuer verstanden bat, im Reichshaushalt für 1924 einen Ueberfchuß von rund 2 Milliarden Goldmark zu erzielen, der die Zahlung des Ge- schenke- von 715 Goldmillionen an die— Ruhrindustrie ermöglicht bat. Unter diesen Umständen muß nicht nur die Notwendigkeit einer Erhöhung der Hauszinssteuer, sondern sogar ihre verechtlgung überhaupt bestritten werden. Di« sozialdemokratische Reichstags- fraktion hat dementsprechend dl« völlig« Beseitigung der Hauszins-
steucr(richtiger: Mietzinssteuer) und ihre Ersetzung durch eine sozial gestallete Wohnungsbauabgabe gefordert, von welcher die zahlungs- schwachen Mieter freigelassen werden sollen und deren Ertrag restlos dem Wohnungsneubau zugeführt werden soll. Die amtliche Begründung erklärt dann weiter, daß die 6 Proz. Mehrmiete, die der Hausbesitzer für sich erhalte, notwendig seien. wegen der am 1. Januar 1925 durch die Aufwertung der Hypotheken erfolgten teilweisen Wiederherstellung des Ziasenöienftes und wegen der Notwendigkeil umfangreicher Reparaturen, für welche die jetzige Miete nicht ausreiche. Auch diese beiden Begründungen werden vom Reichsbund deutscher Mieter nicht als stichhallig ange- sehen. Der weitaus größte Tell der Hypotheken wird durch die Dritt« Steuernotoerordnung überhaupt nicht aufgewertet, weil das Forderungsrecht der Hypothekengläubiger am 1. Januar 1924 nicht mehr bestand, sondern die in Papiermart zurückgezahlte Hypothek im Grundbuch bereits gelöscht war. W o aber Hypothekenzinsen wieder zu zcchlen sind, da wird dem Hausbesitzer die Hauszins- st euer um die Zinsbeträge ermäßigt. Es war also vollkommen überflüssig und bedeutet ein glattes Geschenk au den hausbesih, wenn Ihm wegen des geringfügigen und anderweit bereits gedeckten Wiederauflebens der Zinsverpflichtungen eine höhere Miete bewilligt wird.— Nicht viel anders verhält es sich mit den Reparaturen. Die fortgesetzten Steigerungen des Reparaturanteils, der in der Miete enthalten ist, haben bisher die säumigen Hausbesitzer keineswegs oer- anlaßt, die notwendigen Reparaturen auszuführen, und so wird es auch in Zukunft bleiben. Das wichtige(wenn auch unrichtige, aber erfolgreich«) Argument, daß infolge der Nicdrighaltung der Miet« Häuser und Wohnungen verfallen mühten, läßt sich der Hausbesitz nicht nehmen. Er unkerläßt deswegen geflissentlich die Reparaturen. um damit der Regierung zu beweisen, daß die verhaßte Mleierschuh. gesetzgebung fallen müsse. Die glatte Sabotage dieser Gesetz- gebung durch den Hausbesitz wird eben leider heutzutage von den zuständigen Behörden nicht gebrochen, sondern man weicht vor dem aufbegehrenden Hausbesitz immer mehr zurück. Offenbar müssen hier die Mieter unter Führung ihrer Organisation mit anderen Mitteln al» bisher eingreifen. «> Ganz spontan hat die Protestbewegung der Mieter eingesetzt. Schon am 50. März, unmittelbar nach der Bekanntgabe der neuen Derordnung, hat derMieterbundMartendors in einer Mit- gliederversammlung eine Protestentschließung gefaßt, am 51. März hat sich eine Vertreterversammlung des Berliner Mieter- b u n d e s diesem Vorgehen angeschlossen. Der Vorstand des R e i ch s- bundes deutscher Mieter tritt am 4. April in Berlin zu- sammen und wird gleichfalls zu der neuen Sachlage Stellung nehmen. Die Tatsache, daß die Hausrente jetzt über den Betrag von 1914 hinaus erhöbt worden Ist, wird bei den Beschlußfassungen ge- bührend berücksichtigt werden. •• • Vrotest der Deleglerken der Mekerverel... Die zum Verdandstag am 51. März im Alten Askanier oer- sammelten Delegierten der Mietervereine Groß- Berlins protestierten nachdrücklich gegen die ad 1. AprU oerfügte starte und plötzliche Erhöhung der gesetzlichen Miete um 10 Proz. Die darin enthaltenen 4 Proz. für den Wohnungsbau können aus der jetzigen Hauszinssteuer entnommen werden, wenn der Anteil für den allgemeinen Finanzbedarf um diesen Betrag gekürzt wird, wie das fett jeher von uns gefordert worden ist. Die 6 Proz. als Entgelt für die Zinszahlung der aufgewerteten Hypo- theken für den Hauseigentümer sind ebenso unberechtigt, da die Haus- zinssteuer bekanntlich um den Betrag der Hypothekenzinsen gekürzt wird. Der Hausbesitzer erhall diese Beträge also vom 1. April ab doppell. Für Reparaturen aber werden im Durchschnttt nicht einmal die heutigen Reparaturgelder verbraucht. So stellt sich denn diese Mietzinserhöhung als das dar, was sie wirklich ist: zu 4prozenttger Friedensmiete die unsozialste Belasturig zu Steuerzwecken, um den Besitz und die hohen Einkommen zu schonen, zu 6 Proz. ein Geschenk an den revoltierenden Hausbesttz, der außerdem yuch noch
von den 4 Proz. Hauszinssteuer in den meisten Fällen einen Gewinn erzielt. Durch diese Verordnung werden die Mieter in Preußen(bei 3,3 Milliarden Mark Friedensmiete) mit jährlich 330 Millionen Mark mehr belastet, eine Belastung des Volkes, die früher die schwersten parlamentarischen Kämpfe ausgelöst hätte, augenblicklich aber einfach durch Beschlüsse des preußischen Kabinetts und des ständigen Aus- schusses des Landtages dem Volk auferlegt wird, weil es sich um diese Dingd nicht hinreichend kümmert und wohlweislich zur reckiten Zeil immer für wichtigere politische Dinge abgelenkt ist. Was aber das Schlimmst« ist, eine Gesundung unseres Miet- und Wohnungs- wesens wird durch eine solche Politik, die nur an die Finanzen denkt, auch wenn der Mensch darunter leidet, geradezu aufs schwerste ge- fährdet. Die Delegierten als Vertreter der Groß-Berliner Mieter- schuft warnen die maßgebenden Behörden, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen und die Mieter, die heute schon olriiach nicht wissen, wie sie die Mittel für die künftige Mietezahlung beschaffen sollen. die ohnehin schon aus ein Minimum herabgeminderte Lebenshaltung noch weiter einzuschränken und sc Leben und Gesundheit ihrer Ange- hörigen zu gesährden, zur Verzweiflung zu treiben. Zion im Völkerbunö. Entdeck ungen des Grafen- Reventlow. Wohin ist der Nationalsozialismus gekommen! Konnte mdn früher die verschwommenen Ideologen der völkischen Erneuerung als Phantasten, nnreise Psychopathen oder spekulierende Bösartige bezeichnen, so ist man im Völkizismus heute auf dem Standpunkt angelangt, wo das Minderwärtig« zum Absoluten, die Idiotie zum Programm wird. Sie sind Narren geworden, die teutonischen Barden um Graefe und Wulle und je grotesker sie sich gebärden, je possenhafter sie unsinnige Formlierungen einem zujammenschmcl- zenden Publikum als gegebenes vorschwindeln, desto klarer kristallisiert sich eine» für den Ausmerksamen heraus: Die Verschiebung der völkischen Bewegung vom politischen auf das psychiatrische Gleis. Diese Bismarckfeier einer Protestkundgebung gegen Sicherheitspakt und Völkerbund, den die Berliner Völkischen im Krieger- vereinshaus in der Chausseestraße veranstalletcn, war eine Angelegenheit unbändigen Gelächters, eine Clownerie von zwerchfellerschütterndem Ausmaß, für die die Herren Kube und Neventtow verantwortlich zeichneten. Natürlich war die übliche schwarzweißrote Siegertranzdekora- tion mit schmetternden Fanfaren aufgestellt. Nur wackelten die behakenkreuzten Kulissen bedenklich, die Schmierentheatralik hatte wirklich Kleinstadtformat. Als der rassegeprüftc Oberlehrer Kube die alten Bismarckelchen zu rezitieren begann, löste sich die so stür- wisch begonnene staatlich« Neugeburt In wohltätiges Schnarchen aus, und während sich der brave Kube am Rednerpult die arischen Be- lange aus dem Hals redete, absolvierte seine Hörerschaft geschlyisscn die erste Runde des üblichen Nachtschlafes. Kein Wunder, daß der Beifall zum Schluß sehr stürmisch war. Der nur dürftig gefüllte Saal war mit einigen schwarzweißroten Fahnen.verziert", denen der Mottenfraß bildlich und tatsächlich aus allen Nähten sah. Kurz nach acht Uhr begann die Kapelle des Herrn Robert Kauita ist (ein bedenklich arisch komponierter Name!) ihre Stahlhe/mweisen aus den Blechen zu lasten. Das animierte Publikum santz höllisch mit oder half mit sämtlichen ihm zur Dersiigung stehenden Glied- flohen den Takt zu den patriotischen Gesängen schlagen. Dann lackten die Gesamtkampftruppen ein, wackere Knaben mit 20 Fah- nen. auf jeden dritten Mann ein monarchistische« Laken. Dann hielt das M. d. R. Herr Graf E. zu Reventlow eine.Protestrede", die von geradezu grotesker Unlogik war. Der erste Saß schlug dem zweiten in» Gesicht und so ging es im kinodramatischeu Norrentanz von einem Unsinn, von einer Inkonsequenz in die andere. Eine Rede, würdig, die besten Nummern unserer Ditzblattgazetten zu zieren. Einige Kraftstellen aus dieser Revue der Konstisionea: (Stark ironisch.) Stresemann ist einer der.größten" Männer Deutschlands . Er hat uns den Silberstreifen der Dawes- Bersklavung gebracht.(Stürmische Pfuirufe.) Wir müssen heraus aus dem Erfüllungsirrssnn! Der Sicherheitspakt ist ein B e r t a u f der deutschen Volksseele.(Die teutsche Bierseele will keine Sicherheit. Die will kochen. Der Bericht- erstatter.) Der Bölkerbund ist eine jüdische Institution. Ich kann Ihnen das beweisen! Hören Sie(große Spannung): Ein Essener Rabbiner hat kürzlich geschrieben(Pfuirufe): Der Völker- b u n d sei der erste Schritt zum Berge von Zion.(Siehe Iesaja: Und sse werden ihre Schwerter umwantdeln in Pflug - scharen...(I!) Große Empörung, Rufe: So eSne Gemeinheit!)
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Anthony Zohn. Roman von Zerome fi. Jerome.
Am folgenden Nachmittag jedoch sah er aus dem Heim- weg voller Freude, daß Penlove und Mowbray, die die vierte Klasse besuchten, in einen kleinen Hain einbogen, der zu einem Penwoe war der Knabe, der Anchonys Mutter eine Scheuerfrau genannt hatte. Der junge Mowbray gehörte den„vornehmen" Kreisen an, sein Vater war einer der ersten Rechtsanwälte von Millsborough: er war ein stiller freund- Ijchcr Bursche mit sanften Augen und rosigen Wangen. Anthony folgte den beiden. Als sie den Saum des Hains er- reicht hatten, hegann er zu laufen und Holle sie ein. Es war kein guter Tag zum Baden: ein kalter Ostwind weht« und die drei waren allein Die Knaben oernahmen hinter sich Schritte. wandten sich um. „Kommst du mit schwimmen?" fragte der junge Mowbray freundlich. „Heute nicht, entgegnete Anthony.„5ch mochte mit Penlove reden. Es wird nicht lange dauern." Penlove blickte ihn erstaunt an. Anthony war größer, als er vor den Ferien gewesen.„Was gibt's?" erkundigte er sich. „Im vorigen Schuljahr nanntest du meine Mutter eine Scheuerfrau." sprach Anchony.„Sie übernimmt tatsächlich Scheuerarbeit, wenn sie keine andere Beschäftigung hat und ich bewundere sie deshalb. Sie tut es nur meinetwegen. Du aber wolltest sie beschimpfen, nicht wahr?" „Und wenn dies meine Absicht� gewesen wäre?" Der junge Penlove ahnte, was kommen würde. Aber trotz der zwei Jahre Unterschied zu seinen Gunsten war er des Ausgangs nicht gewiß. „Du sollst sagen, daß es dir leid tut und daß du es nie wehr tun wirft", sprach Anthony. Es blieb nichts anderes übrig: der junge Penlove gürtete feine Lenden, das heißt, er zog den Gürtel um etliche Löcher zusammen. Der junge Mowbray stellte sich ans andere Ende des Haines, um Wache zu halten. Es war ein kurzer Kampf, sehr zur Erleichterung des jungtm Mowbray, dem derartige Dinge immer den Magen umdrehten. Penlove war von allem Anfang an geschlagen. Nach der dritten Runde hob er die Aand und erklärte sich für besiegt. Anthony half ihm auf die Beine, lehnte ihn, da er bemerkte, daß es ihn schwindle, gegen täten Baum.
„Du brauchst nicht zu sagen, daß es dir leid tut," sprach er. „Nur laß künftighin mich und meine Mutter in Ruhe. Mehr verlange ich nicht." Er streckte ihm die Hand hin. Der junge Mowbray war hinzugetreten.„Gib ihm die Hand, riet er Penlove.„Du warst im Unrecht. Zeig deinen Mut, indem du es zugibst." Penlove schüttelte Anthony die Hand.„Es tut mir leid. Wir haben uns abscheulich gegen dich benommen. Laß dir nichts mehr gefallen. Die Geschichte des Kampfes wurde allgemein bekannt. Penlove mußte für fein entstelltes Aeußere«ine Erklärung geben und tat dies völlig wahrheitsgetreu. Er empfand für Anthony ehrlich« Achtung. Und dieses Gefühl wurde von der ganzen dritten Klaffe geteilt, einzig und allein die Wahl des Ortes und der Zeit wurde Anthony verübelt. Der Kampf hätte dem alten Brauch gemäß an einem Freitag Nachmittag hinter dem Pavillon stattfinden sollen. Aber dieser Fehler konnte und mußte gutgemacht werden. Penlove hatte vielleicht Anthonys Leistung übertrieben geschildert, um die eigene Niederlage zu entschuldigen. Norcop, ein kräffiger Junge und der Stolz der Unterquarta würde möglicherweise anderer Ansicht sein. Zwei Tage später wurde Anthony auf dem Heimweg vom jungen Mowbray eingeholt. „Du wirst am übernächsten Freitag gegen Norcop kämpfen müssen," teilt« er Anthony mit.„Gelingt es dir, ihn zu besiegen, so ist alles in Ordnung und man wird dich in Ruhe lassen. Ich wollte dich rechtzeitig davon benachrichtigen." Mowbray lebte in der„Priory", einem alten geor» gianischen. von einem großen Garten umgebenen Haus am anderen Ende der Stadt. Er hatte, um Anthony zu sprechen, einen großen Umweg gemacht. „Es ist sehr freundlich von dir," sagte Anthony. „Ich hoffe, daß du Sietzer bleibst," sprach Mowbray. „Ich bin Sozialist. Halte Klassenunterschiede für einen Unsinn. Ich finde, daß alle Menschen gleich sind, und auch meine Schwester ist dieser Ansicht." Anthony hörte nicht recht zu. Sein Geist war mit dem kommenden Kampf beschäftigt.. „Harry Norcop ist ziemlich gut, nicht�vahr?" lraqte er. „Ja, deshalb wählten sie ihn. Das Ganze ist ein Blödsinn. Auf diese Art regeln Wölfe ihre Angelegenheiten. Und alle wenden sich von dem Wolf ab, der am Boden liegt, machen die Sache noch ärger für den armen Kerl. Wir sind nicht um ein Haar besser. Wirst du am Freitag geschlagen, so«erden sie dich ärger verfolgen denn je. Das Ganze ist völlig sinnlos."
Anthony schaute ibn an: derartige Reden hatte er noch nie gehört. Der junge Mowbray errötete.„Ich möchte wissen, ob wir Freunde werden könnten", fragte er.„Ich kann dich gut leiden: was du Penlove über dein» Mutter sagtest und oaß du sie bewunderst, gefiel mir. Ich habe unter den Knaben keinen Freund. Sie halten mich für einen langwelligen Narren." „Das tue ich nicht", entgegnete Anthony.„Ich finde dich sehr interessant. Und wäre furchtbar gern dein Freund." Mowbray errötete abermals, diesmal vor Freude.„Ich will dich nicht länger aufhalten. Hoffe, daß du siegen wirst." Anthony überließ dem Zufall stets so wenig wie möglich. Während der folgenden Woche verbrachte er seine ganze freie Zeit in Herrn Dobbs Gesellschaft, der ihm gegenüber nicht nur die Pflichten des Lehrers, sondern auch des Trainers übernahm. Am, folgenden Freitag betrat Anthony mit einem Gefühl freudiger Erwartung den Ring. „Du darfft keinen Zorn empfinden," hatte ihm Herr Dobbs als letzten Rat mitgegeben.„Nichts benimmt einem so sehr den Atem, wie Zorn. Geh los, als liebtest du deinen Gegner und kämpftest fiir die Ehre Gottes." Später erklärte der Chor der öffentlichen Meinung, es sei ein schöner Kamf gewesen, Norcop hätte sein möglichstes getan, er sei nickst zu tadeln. Strvng'nth'arm aber sei fiir seine Jahre und sein Gewicht der beste Boxer, den die Schule von St. Aldys feit Menstyengedenken hervorgebracht habe. Die Klassenordner schüttelten Anthony die Hand, die jüngeren Schüler umringten ihn, suchten seine Gunst zu gewinnen. Von einem Ausgestoßenen verwandelte er sich im Verlauf einer halben Stunde in den Führer seiner Klasse. Eine seltsame Art, Ehren und Zuneigung zu erringen. Anthony merkte sich dies. Das Prinzip, daß man niemals Kräfte sparen dürft«, be- folgte er auch bei den Spielen. Er tauschte den Unterricht im Fußball und Kricket gegen Doxunterricht. Kricket liebte er nicht, man war dabei allzu sehr von anderen abhängig. Aber Fußball gefiel ihm: das Manövrieren, die Finten, das schein- bare Nachgeben vor dem plötzlichen Ansturm behagten ihm. Er liebte über alles das wilde Getümmel, da er sich gehen lasien und alle Kraft ausgeben konnte. Doch spielte er nicht um des Spieles willen. Der Sport bedeutete für ihn den kürzesten Weg zur Beliebtheit. Hier gab es keine Klassenunterschiede. Man schloß mit Leuten Freundschaft, die einem später von Nutzen sein konnten. Man weiß ja nie. (Fortsetzung folgt.)