Nr. 160 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 82
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Sonnabend, den 4. April 1925
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Marx gegen Jarres.
Gemeinsame Kampfkandidatur der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Demokraten gegen den Rechtsblock.
Zwischen den Beauftragten der Sozialdemokratischen| Partel, der Zentrumspartei und der Deutschen Demokratischen Partei fanden gestern abend im Reichstag in Anwesenheit des früheren Reichskanzlers Marg neue Berhandlungen statt. Nach einem gründlichen Gedankenaustaus und einer umfaffenden Programmdarlegung des Herrn Marg befchloffen fie einstimmig( die deutschen demokratischen Bertreter unter Borbehalt der Zustimmung ihres Parteiausschusses, der am Sonntag zusammenfritt), Herrn Reichskanzler a. D. Wilhelm Marg zur Wahl als Reichspräsidenten vorzuschlagen. Im Anschluß an die abschließenden Verhandlungen zur Aufstellung der Kandidatur Marg haben 20 Bertreter der drei republikanischen Parteien noch am Freitagabend den Antrag zur Aufstellung von Marg an den Reichswahl
leiter gerichtet. Diesem Antrag ist ein Schreiben des Reichsfanzlers a. D. Marg beigegeben, in dem er sich zur Annahme der kandidatur bereit erklärt.
Otte Braun zum preußischen Ministerpräsidenten wiedergewählt. Wilhelm Marr als gemeinsamer Kampffandidat gegen Jarres aufgestellt und ein Weg, ein Ziel: Nieder mit dem Rechtsturs!
Marr gegen Jarres! So. wird der Kampfruf Tauten. Denn die Einigung der Parteien der Beimarer Koalition bedeutet für den Rechtsblock den Zwang, an Jarres festzuhalten. Jarres ist wieder in Berlin . Der Loebell- Ausschuß wird nicht umhin können, ihn abermals als Kandidaten zu proflamieren.
Der Beschluß unserer Partei, die Einigung mit Zentrum und Demokraten auf die Kandidatur Mary zu vollziehen, auch er ist aus dem Willen geboren: Nieder mit dem RechtsDie Deutsche Sozialdemokratie hat im ersten Wahlgang einen weithin leuchtenden moralischen Erfolg erzielt. Jezt gilt es, ihn zum praktischen Erfolg umzuwerten.
furs!
Das ist zunächst dadurch geschehen, daß Otto Braun gestern zum preußischen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Für wie lange?" rief man auf der Rechten zurüd. Darauf ist zu antworten: Die Ministerpräsidentschaft Brauns wird jedenfalls länger dauern als dieser Landtag." Setzt die reaktionär- kommunistische Garde ihr staatszerrüttendes Spiel fort, dann gibt es nur eins: 2andtagsauflösung! Parole: Nieder mit dem Rechtturs!
Der zweite praktische Erfolg wird bei der Entscheidung am 26. April zu ernten sein. Es gilt, diese Entscheidung zu einem Berdift des Volfes gegen den Rechtskurs zu gestalten.
Die Sozialdemokratische Partei hat sich nach ruhiger Heberlegung zur Zurückziehung ihres eigenen Kandidaten entfchloffen, weil es nach ihrer Ueberzeugung leichter sein wird, mit einem gemeinsamen republikanischen Kandidaten den Gegner, den Kandidaten der Monarchisten, Herrn Jarres aus dem Felde zu schlagen.
Sie wollte nicht das Risito laufen, daß Braun etwa
glänzender Zweiter, Herr Jarres aber für sieben Jahre
Präsident der Deutschen Republik wurde.
Bolitik treiben heißt ein Ziel mit den Mitteln verfolgen, die Erfolg versprechen. Das Ziel ist: Nieder mit dem Rechtsfurs! Das erfolgversprechende Mittel ist Aufstellung eines republikanischen Sammelkandidaten.
Es gibt Parteigenossen, und es sind gewiß nicht die schlechtesten, denen der Berzicht der Partei auf die eigene Kandidatur im zweiten Wahlgang sehr schmerzlich ist. Aber er ist erfolgt. Er ist erfolgt in der Absicht, den Sieg der niederträchtigen Feinde der Republik und der Arbeiter klasse zu verhindern. Jetzt gilt es, mit demselben prachtvollen Schwung, den unsere Bewegung im ersten Wahlgang beseelte, den angestrebten Erfolg zu erreichen.
Das Bolt soll am 26. April den Schiele, Schlieben, Reuhaus und Kanig, den Jarres, Loebell, Borsig, Bögler und Killinger deutlich sagen, daß es nicht von ihnen regiert zu werden wünscht.
Es soll den ungezogenen Kindern im preußischen Landtag zu verstehen geben, daß es nicht mehr mit sich spielen fäßt und eine Störung der durch die Wahl Brauns wiederhergestellten republikanischen Ordnung nicht gestatten
mird.
Zwei Lager werden am 26. April einander gegenüber
Stehen:
Auf der einen Seite die Arbeitgeberperbände famt ihren gelben Anhang, auf der anderen die freien, chrift lichen und Hirsch- Dunderschen Gewerkschaften.
Auf der einen Seite die nationalen Offizierver bände, auf den anderen Seite die Organisationen der Mannschaften.
Auf der einen Seite die Hausbesikervereine, auf der anderen Seite die Mietervereine.
anderen Seite die Organisationen der Konsumenten. Auf der einen Seite der Reichslandbund, auf der woolf, auf der anderen Seite Reichsbanner Schmar 3 Auf der einen Seite Stahlhelm, Wifing, WerRot- Gold.
Auf der einen Seite Deutschnationale und Bolksparteiler mit den ihnen anhängenden Splitterparteien, auf der anderen Seite Sozialdemokratie, Zentrum und Demokraten.
Auf der einen Seite Jarres, auf der anderen Seite Marr
Stehen aber die Dinge so, dann fann es für den Mann und für die Frau aus den breiten Maffen des Volkes überhaupt feine Frage mehr geben, auf welcher Seite sie mitzu fämpfen haben!
Der Kampf wird nicht leicht werden, gewiß! Wohl hatten die Parteien, die sich jetzt auf Marr geeinigt haben, im ersten Bahlgang vor dem Jarres- Block einen Vorsprung von rund 1% Millionen Stimmen. Aber der Jarres- Block bekommt von Ludendorff immer noch eine gute Biertelmillion dazu- und dann sind noch die Reserven von rund 11 Millioneit Wählerinnen und Wähler da, die dem ersten Wahlgang ferngeblieben sind. Um sie wird sich jetzt ein heißer Kampf entspinnen.
Soll der Sieg über den Rechtsturs gewonnen werden, wählt haben, am 26. April an die Urne, um den Gegner von dann müssen der letzte Mann und die leßte Frou, die am 29. März sozialdemokratisch, demokratisch oder Zentrum geJarres, also Marr zu wählen, und es muß alles getan werden, um das schlafende Heer der Nichtwähler zum Kampi gegen den Rechtskurs zu wecken.
In eine einigermaßen schwierige Lage fommt die BaneHerz zieht sie nach rechts, aber Jarres ist der Kandidat des rische Volkspartei mit ihrer einen Million Stimmen. Ihr Evangelischen Bundes!
Ihre Sorgen find nicht die unseren.
Wahlgang 3 arres treu. Diese Schildhalter der. äußersten Die Kommunisten bleiben natürlich auch im zweiten Reaktion, als die sie sich im Reichstag und im Landtag bewährt haben, fönnen nun einmal nicht anders. Sie haben trotz ihrer Die drüben haben sie verstanden. Nieder mit dem Rechtsturs!", ist die Parole. großen Berluste den Arbeiterkandidaten Otto Braun im ersten Die drüben haben sie verstanden. Wahlgang immer noch um 1.8 Millionen Stimmen bringen fönnen und haben damit das Ihre dazu beigetragen, daß diese Arbeiterkandidatur in ihrer Aussicht auf den ganzen Sieg gefchädigt wurde. Jezt schreien sie wie üblich über„ SPD.schaften möglichst viel Stimmen wegzunehmen und den Siez. Verrat" und tun alles, um dem Kandidaten der Ge werfGewerk. der Arbeitgeberverbände und der Sozialreaktion nach Kräften zu fördern.
Als Otto Braun zum Ministerpräsidenten gewählt war und die Einigungskonferenz der drei Barteien unmittelbar bevorstand, berief der Kanzler der Rechtsregierung, Herr Barteien zu sich. Er beschwor sie, unter Berufung auf eine Luther, in fliegender Haft die Führer der bürgerlichen Anregung des Abg. Leicht von der Bayerischen Bolkspartei, Wolfsleben zu verschärfen drohe", zu vermeiden und einen einen zweiten Wahlgang, der ,, die trennenden Momente im gemeinsamen Kandidaten aufzustellen. Als folchen empfahl er den stellvertretenden Reichspräsidenten Dr. Simons. Und zwar sollte Simons nicht in der Volkswahl, fondern nach Annahme eines verfassungsändernden Gesetzes durch den Reichstag gewählt werden.
trieben wurde etwas gewußt? Wir halten das für ausgeHat Herr Simon von dem Spiel, das hier mit ihm geschlossen.
mit der Sozialdemokratie in Verhandlungen standen, sich nicht Selbstverständlich fonnten Zentrum und Demofraten, die hinter dem Rücken der Sozialdemokratie, auf einen bürgerlichen Sammelkandidaten einigen.
Es gab also eine zweite Konferenz mit Hinzuziehung Von der Sozialdemokratie. einem verfassungs
ändernden Gefeß, das die Volkswahl ausschaiten follte( das man aber nicht ohne Sozialdemokratie hätte machen fönnen), war nun nicht mehr die Rede. Wohl aber schlug Herr Luther nochmals Herrn Simons als Einheitskandidaten vorDon den Deutschnationalen bis zu den Sozialdemokraten!
Stunde später war die Kandidatur Mart gegen den Die Unterhaltung war furz und ergebnislos. Eine
Rechtsblod proflamiert.
Müssen die Angst haben!
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Auch ihre Sorgen sind allen Göttern sei es gedankt! nicht die unferen. Mögen sie sich blamieren, wie sie fönnen, Die Sozialdemokratie hat sich mit Zentrum und dende Niederlage zu bereiten. Demokraten geeinigt, um dem Rechtskurs eine entschei
Jegt fordert es die Ehre der Partei, daß jeder Genosse und jede Genoffin ihre Pflicht tun!
Republit oder Monarchie! Anerkennung der Sozialdemokratie als der großen Staatspartei der Re turses! Das heißt: Anerkennung der Arbeiter und der Maffen publif oder parteiisches Regiment zugunsten des Rechtsdes„ niederen" Bolles überhaupt als gleich berechtigter Staatsbürger oder Aufrichtung des alten Herrenregiments! Nationalismus oder Friedenspolitif!
Zwei Lager! Ueber dem einen meht die Fahne unserer
Partei. Bo unsere Fahne weht, da müssen wir fämpfen! Wo unsere Fahne weht, da muß der Sieg sein! unsere Fahne weht, da muß der Sieg sein!
Nieder mit dem Rechtsturs! Borwärts und durch!
Die zweite Niederlage. Der Zusammenbruch der Krisenmacher in Preußen.
Jetzt auf einmal hegt die Rechtsregierung die zärtliche Die Wiederwahl Otto Brauns im Preußischen LandSorge, daß die trennenden Momente im Bolfsleben nicht tag war für den Block der Deutschnationalen und der Deutverschärft werden dürfen! Nachdem man uns im ersten Wahl- fchen Volkspartei die Besiegelung ihrer Niederlage in Preußen. gang mit der Provokationskandidatur Jarres gekommen Sie haben Krise um Krise heraufbeschworen, sie haben im war! Nachdem man monatelang zur Vorbereitung die Sozial- Bunde mit den Kommunisten monatelang verhindert, daß demokratie mit Rotfübeln übergossen hatte! Nachdem man die in Preußen geordnete Regierungsverhältnisse herbeigeführt Magdeburger Bagatelle zu einem Monate dauern würden alles, um sich gegen den Willen der Wähler in die den Sensationsprozeß aufgezogen hatte, um den ersten Mann Preußenregierung einzuschleichen. Diese Versuche sind zu des deutschen Volkes, den verstorbenen, zu Tode geheizten Strich durch die Rechnung gemacht, die Wahl von Dito Braun Ende. Das Wahlergebnis vom 29. März hat ihnen einen Reichspräsidenten als ,, Landesverräter" abzustenipeln! Jezt auf einmal diese zärtliche Sorge, jezt auf einmal, nachdem ftellt die Lage wieder her, die sie zu verändern wünschten. sich herausgestellt hat, daß hinter der Rechtsregierung nur eine Minderheit des Volkes steht und daß die Republikaner mur zusammenhalten müssen, um zu siegen!
Vorwärts und durch!
Der in letzter Stunde unternommene Versuch der Rechtsregierung, unter Verzicht auf den Stresemonn- Schüßling Jarres die Einigung her brei Parteien zu hintertreiben. zeigt, wie richtig die Sozialdemokratie handelle, als sie diese Ginigung vollzog.
Im letzten Augenblid meinten sie noch, durch ein Obſtruktionsmanöver ihre endgültige Niederlage zu verschleiern. Auch das mißlang. Das„ Berliner Tageblatt" schreibt über dieses Manöver:
Man hatte nämlich erwartet, daß ein zweiter Wahlgang notwendig werden sollte und dafür die Parole ausgegeben, daß die Deutschnationalen und vermutlich auch die Deutsche Volkspartei , diefe menigstens zu einem Teile, den Saol verlassen und das Haus beschlußunfähig machen sollten. Damit wollte man erreichen, ben empörten Bählern draußen wenig.