Nr. 16242. Jahrg. Ausgabe Afr. 83
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Sonntag, den 5. April 1925
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Der Loebell- Ausschuß hat eine ernst zu nehmende Funktion in der deutschen Politit. Um dieser Funktion willen müffen wir es begrüßen, daß er da ist. Natürlich meinen wir nicht seine Funktion, Herrn Jarres bald hervorzuzichen, bald wieder zurückzustellen. Um dieser Funktion willen ist er zwar begründet worden, aber das will noch nichts besagen. Von der Funktion die wir meinen, wird er nichts wissen wollen, aber das hat auch nichts zu besagen. Auch die KappRegierung hatte eine bedeutsame Funktion: sie demonstrierte die Hohlheit, die Torheit und Unfähigkeit des rechtsradi tolen Putschismus. Das war ihre Funktion, und von der wollten die Herren von der Kapp- Regierung auch nichts wissen. Sie meinten nämlich, es wäre ihre Funktion, zu regieren. So geht es dem Loebell- Ausschuß: er meint, er müsse der deutschen Republik einen Präsidenten geben, und in der Tat offenbart er die tatsächliche Regierungsunfähig feit des Rechtsblods. So fezt er sinnvoll fort, was die Kapp- Regierung begann. Sie erledigte den rechtsradikalen Butschismus, und der Loebell- Ausschuß erledigt das Vorurteil, daß allein der Rechtsblod regieren fönne, indem er zeigt, daß diefem Rechtsblock alle Eigenschaften abgehen, die zum Regieren notwendig sind.
Loebell- Ausschuß würde troß seiner Unfähigkeit noch bis zum Sonntag mit seinem neuen Kandidaten, mit Herrn Jarres herauskommen. Wir haben uns getäuscht, wie wir aus der Mitteilung des Reichsblocks erfahren.
Wo bleibt Jarres? Jarres ist zunächst bis Mittwoch wieder in die Ecke gestellt worden. Jarres ist wieder Edenbesen. Der Loebell- Ausschuß hat gestern abgestimmt. Ne un Stimmen waren für Hindenburg , drei Stimmen waren für Jarres. Drei Stimmen von zwölf für Jarres, drei Stimmen für den ganzen Mann, den deutschen Mann, den Mann schlechthin! Drei Stimmen von zwölf für den Erwählten des deutschen Volkes, für den Mann, den jeder Deutsche wählen muß! Unsere Shadenfreude fängt an fich in Mitleid zu verwandeln, in Mitleid mit den Toren, die noch dem Loebell- Ausschuß nachfolgen und noch für den Dreistimmen- Jarres stimmen werden, wenn er am Mittwoch aber mals hervorgezogen werden sollte.
Nun find sie also schon wieder in Hannover ! Bor drei Tagen haben sie eine Deputation zu Hindenburg geschickt mit dem Notschrei: Heiliger Hindenburg , hilf! Nun find sie schon wieder hingefahren. Trog aller Die Kapp- Regierung war immerhin in einer günstigeren bestimmten Erklärungen, die Hindenburg bisher agegeben Lage als der Loebell- Ausschuß. Sie machte ihr flägliches hat. Trotz der Broklamationen Hindenburgs für Jarres. Experiment. Dann war Schluß, und was für ein Schluß! Sie sind wirklich von allen guten Geistern verlassen. Sie hätten Der unglückliche Loebell- Ausschuß jedoch muß sich zweimal es immer noch in der Hand gehabt, sich wenigstens eine anproduzieren. Das ist sein Verhängnis. Dummheiten, und ständige Niederlage zu verschaffen. Eine zweite Jarres- Niedervor allem politischen Dummheiten, sind ja bekanntlich dazu da, lage, aber doch immerhin eine anständige! Statt dessen wollen daß sie gemacht werden. Es gibt faum eine politische Dumm sie sich nun eine Hindenburg Niederlage zuziehen. heit, die nicht gemacht wird. Daß man dieselben Dummheiten Db fie wirklich meinen, es wäre eindrucksvoller, mit Hinden jedoch kurz hintereinander zweimal machen muß, das ist burg zu unteerliegen als mit Jarres? Wir denken an die weisen feine Vorschrift. Das ist sogar mehr, als erlaubt ist. Das schadet Ratschläge, die aus den Kreifen des Loebell- Ausschusses Herrn dem Renommee, und mehr noch, es provoziert Schlüsse auf Ludendorff erteilt wurden, als er die Niederlagen die politischen Fähigkeiten. Es war schon ein Fluch des Bertandidatur Hitlers annahm. Die Leute, die sich jetzt bemühen, hängnisses, daß der Loebell- Ausschuß die Dummheiten der Hindenburg eine Ludendorff- Niederlage zu Rapp- Regierung wiederholte, daß er mun aber seine eigenen schaffen, hatten wahrhaftig feinen Anlaß, sich Ludendorff Dummheiten von gestern getreulich topiert- das muß von gegenüber als überlegene Bolitifer zu fühlen! Rechts wegen tödlich sein.
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Vor dem ersten Wahlgang ist es im Loebell- Ausschuß durcheinander gegangen wie nun eben wie in der KappRegierung. Jarres vor Jarres zurück, Jarres wieder vor Jarres wieder zurüd, so haben sie ererziert, bis sie schließlich an Jarres hängen blieben. Dann bekamen sie es mit dem Siegesparorismus leider etwas vorzeitig. Dafür pacte fie fehr pünktlich noch mitten in der Wahinacht ein ausgewachsener Kazenjammer. Nun wußten sie nicht mehr, ob sie Jungen oder Mädchen waren, ob sie Herrn Jarres die deutsche Männertreue halten müßten, oder ob sie es besser mit einem anderen versuchen sollten. 3unächst dachten sie nach. Dann hofften sie, die Sozialdemokratie werde schon dafür sorgen, das keine geschlossene Front der Republikaner zustande fäme. Im nächsten Stadium verfielen fie auf die Idee, es einmal mit inden burg zu versuchen. Zuei deutschnationale Reichstagsabgeordnete fuhren nad: Hannover . Inzwischen verhandelten die republikanischen Parteien, furz und entschlossen. Sie stellten die Einheitsfront gegen den Rechtsblod her, fie nominierten Marr. In cebell- Ausschuß aber liefer je felbft in diefer Situation durcheinander wie die Gänse, wenns donnert. Bo bleibt Jarres? So fragten sich die Jarres Wähler am Montag, Dienstag und Mittwoch. Wo bleibt Jarres? fo fragten fie lauter und dringender am Donnerstag und Freitag. Bo bleibt Jarres? Wir nehmen an, daß fie es heute flehend geschrien haben, so wie die„ Kreuzzeitung " feit Freitag morgen geschrien hat: so nehmt doch um Gottesmillen Jarres, damit wir wenigstens einen haben! Ja, wo bleibt Jarres?
Wenn der Loebell- Ausschuß nicht von allen guten Geistern verlassen wäre, dann hätte er sich nach der Nominierung von Marg zusammengerissen. Als eine Selbstverständlichkeit mußte man erwarten, daß die Nominierung von Marg der Zerfahrenheit, der Kopflosigkeit, dem inneren Streit im Loebell- Ausschuß ein Ende machen würde. Man mußte erwarten, daß nun Schlag auf Schlagdie Nominierung von Jarres erfolgen würde. Das war doch eine politische und tattische Selbstverständlichkeit, eine Notwendigkeit, die ein politisches Kind einsehen mußte. Aber trotz aller Erfahrungen haben wir Den Loebell- Ausschuß überschätzt. Er spielt weiter RappRegierung. Zur Stunde, da wir dies schreiben, spät abends am Sonnabend, hatten wir immer noch angenommen, der
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Hindenburg soll also die Einigkeit im Loebell- Ausschuß retten, und Herr Jarres soll verschwinden. Herr Jarres war zwar der deutscheste Mann". Er hat zwar den berühmten Siegeszug durch Deutschland " hinter sich. Aber vor Hinden burg erblaßt sein Stern. Nun ist es zu Ende. Er war drei Wochen berühmt in der Rechtspresse. Noch gestern morgen hat die Rechtspresse mitgeteilt, daß er geruht habe, in Berlin einzutreffen. Nun ist es aus. Abschied von Jarres:
,, Aus, aus du fleine Kerze..." Hindenburg hat jetzt die Ehre, vom Loebell- Ausschuß favorisiert zu werden. Es geht wie in der Kapp- Regierung. Herr Kapp lief in seinen Aengsten als Ditiator von Deutschland umber, aufgeregt, verzweifelnd, hilflos: Wo ist Schnitzler? Ohne Schnitzler kann ich nicht regieren!" Also laufen die Herrschaften vom Loebell- Ausschuß durcheinander, händeringend: Wo ist Hindenburg , nur Hindenburg fann uns noch retten!"
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Ben die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit! Nur zu mit Hindenburg ! Wir glauben nicht, daß Hindenburg so unflug sein wird wie Ludendorff . Aber wenn die Herrschaften vom Loebell- Ausschuß es wollen, wenn Hindenburg es selbst will nur zu! Dann werden sie eine Entscheidung provozieren, und eine Niederlage für sich heraufbeschwören, an deren Bedeutung fie noch nicht gedacht zu haben scheinen. Nochmals: nur zu mit Hindenburg !
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Die Komödie des Loebell- Ausschusses geht zu Ende. Er hat dem deutschen Volk drastischen Anschauungsunter richt erteilt. Denn die Kreise, aus denen er sich zusammensetzt, find die Kreise, die nach der Macht in Deutschland streben. Die Herrschaften, die nicht einmal die politischen und tattischen Notwendigkeiten eines Präsidentschaftswahltampfes abzumägen und zu überschauen verstehen, wollen Deutsch land regieren! Sie reden von der Unfähigkeit der republikanischen Regierungen! Wer wird sich von ihnen regieren lassen wollen?
Die republikanischen Parteien, Zentrum, Demokraten, Sozialdemokraten, sind politische Parteien. Sie verstehen zu verhandeln, fie verstehen zu regieren. Sie haben würde gezeigt im ersten Wahlgang. Sie haben bei der Aufstellung ihres Kandidaten für den zweiten Wahlgang die Rücksicht auf die fünftige Stellung und die Würde des Repräsentanten des deutschen Boltes niemals aus den Augen verloren.
Die Kreise aber, die im Rechtsblock versammelt sind, die Spießbürger aus dem Reichsbürgerrat, die Stahlhelmleute und die Killingersche Traditionskompagnie aus der Zeit der KappRegierung, dies Sammelfurium von Gruppen und Grüppchen, von Bünden und Organisationchen von Bünden und Organisatiönchen das hat keine Ahnung von politischen Notwendigkeiten, das versteht nicht einmal, bei Kandidatenverhandlungen das Geficht nach außen zu wahren. Die fortgesetzte Kapp- Regierung!
Die Kapp- Regierung hat ihre Funktion erfüllt. Der Rechtsputschismus ist in Deutschland unmöglich geworden. Der Loebell- Ausschuß wird bald seine Schuldigkeit getan haben. Wer hat noch Luft, diefen Leuten zu folgen, wer hat noch Lust, ihnen zu Machtpofitionen und zur Regierung zu verhelfen?
Fort mit dieser Verförperung von erbarmungswürdiger Unfähigkeit! Fort mit dem Spuf des Rechtsblods! Mit Marg gegen den Rechtsblod für ein politisches Volk gibt es feine andere Entscheidung!
Eine Loebell- Deputation bei Hindenburg . Nachdem der Coebell- Ausschuß mit 9 Stimmen für Hinden burg und nur 3 Stimmen für 3acres befchloffen hat, in erster Cinie eine kandidatur Hindenburg zu betreiben, ist eine Deputation nach Hannover gefandt worden. Die Deputation ist am Sonnabend abend in Hannover eingetroffen.
Der Verlegenheitsbericht des Loebell- Ausschusses. Verhandlungen des Reichsblocks führten zu dem ein mütigen Bom Reichsblod wurde gestern abend mitgeteilt: Die heutigen Entschluß, mit aller Kraft den Kampf gegen die von der Weimarer Koalition aufgeftellte Kandidatur Marr geschloffen aufzunehmen. Die endgültige Brotlamation des Reichsblods wird am Mittwoch erfolgen, da maßgebende Organe einiger Parteien erst am Dienstag ihre Beschlüsse fassen fönnen.
Marx über seine Mission.
Rede vor dem Volksblock.
In der gestrigen Besprechung der Bertreter der im Volks. blod vereinigten Parteien erklärte sich Reichskanzler a. D. ilhelm Marg zur Annahme der Reichspräsidentfchaftskandidatur mit folgenden Ausführungen dan end bereit:
Mein Entschluß, mich für die Wahl des Reichspräsidenten zur Berfügung zu stellen, ist mir nicht leicht geworden. Die hohen Aufgaben, mit denen das deutsche Volt in der Reichsverfassung den Reichspräsidenten betraut hat, erfordert vom Inhaber dieses Amtes Höchstes Verantwortungsgefühl und treueste Pflichterfüllung. Ich dante den deutschen Männern und Frauen, die zu mir das Vertrauen haben, daß ich meine ganze Kraft ohne Rücksicht auf meine Person und irgend eine Partei für das Wohl von Volt und Reich deutsche Volt als seinen Vertrauensmann zum hohen Amt des einzusehen bereit bin. Die höchste Pflicht des Mannes, den das Reichspräsidenten beruft, ist
der Schulz und die Wahrung der Verfassung, aus der ihm seine Rechte und Pflichten erwachsen. In freiem Ent fchluffe, zu dem sich das deutsche Volt aus dem Zusammenbruch in traftvoller Selbsthilfe aufgerafft hat, bekannte sich bas deutsche Volk zum Voltsstaate, zur Republit Aufgabe des Staatsoberhauptes muß es sein, diesen Willen des Volkes zu achten und zu sichern. Auf diesen Grundfesten der Verfassung soll sich in Frei heit und gegenseitiger Dubung unser nationales, wirtschaftliches und tulburelles Leben entfalten. Unser aller Streben muß darauf gerichtet sein, das öffentliche Leben rein zu halten und vor Zerjezung seiner inneren Kräfte zu bewehren. Je ernster dieses Streben das ganze Bolt in all seinen Schichten beseelt. um so sicherer wird es zu erkennen vermögen, was der Gefundung und dem Wiederaufstieg bienen will, aber umso entschiedener wird es auch alle unfauteren Machenschaften von sich weisen, die nicht Reagang, sondern e- unruhigung und Verhegung bezwecken. Solange ich politisch tätig bin, ist es immer mein Ziel und Streben gewesen, unser so tief zerrissenes Boll zu gemeinsamer Arbeit am Wohle des deutsche Bolt nicht nur im Kriege, sondern auch im Frieden als Baterlandes zusammenzuführen. Mein Glaube, daß sich das eine unlösliche Schicksalsgemeinschaft einmal erkennen, fühlen und betätigen wird, ist so unerschütterlich wie mein Vertrauen auf Deutschlands Zukunft. Diesem Ziele werden wir näher kommen, je mehr es uns gelingt,
unfer ganzes öffentliches Leben mit wahrhaft demokratischer Gefinnung und sozialem Geiffe zu durchdringen. Fühlen wir uns alle wirklich innerlich mit einander verbunden als ein Bolt, dem in seiner tausendjährigen Geschichte Glück und Leid in reichstem Maße zuteil geworden ist und das sich jekt wieder einmal aus tiefer Not zu neuer Geltung und Größe emporringen muß, dann werden wir uns auch über alle politischen, wirtschaftlichen und fo.