Einzelbild herunterladen
 

Nr.?H2 42. Jahrgang Sonntag, 5. �prtt 1H2S

m.

Es glbt Großstädte, die ob ihrer Lage weltberühmt stnd. Kon- stontinopel. Buenos Aires , Neapel und viele andere Städte, zu denen unser gutes Berlin nicht zählt. Auch überraschen manche große Städte durch die geschlossene Schönheit ihres Stadtbildes, wie Breslau oder München , um nur einige deutsche Beispiele zu nennen. Man saugt die Stadt mit dem ersten Eindruck in sich auf und behält für immer eine Erinnerung, die den Begriff des Veitrauten in sich birgt. Dazu kann Berlin , die unübersehbare Städteebene, für alle Zeiten.des heiligen römischen Reiches Streu- sandbüchse", gar nicht zählen. Der gute alte Kreuzberg , hergestellt am Ort seines.Rogens", gibt nur einen schwachen Aussallpuntt zur Blickbewältigung der Millionengemeinschaft, und hätten wir selbst einen Eiffelturm, er käme kaum zur Wirkung. Aber ließe sich die Reichshauptstadt künstlerisch mit beträchtlichen Höhenschwankungen beleben, dann erhielte man Stadtbilde von überraschend schöner und teilweise sogar großartiger Wirkung denn es ist alles da. was ein« Stadt an Monumentalem braucht, und man müßte es nur so zusammenfügen können, daß es einheitliche Wirkung erreichte. Da dies für immer und ewig unmöglich ist, so müssen wir uns schon damit begnügen, Schönheiten und Kostbarkeiten für das geistig« Luge zusammenzusuchen, und es dem Berliner überlasten, an den Entdeckungen feine Freud« zu haben und mit ihnen Ersprießliches anzufangen fei es auch nur, daß er den fremden Nörgler ob» fertigt, der an Berlin überhaupt kein gutes Haar lasten will, oder daß er seinen Kindern Anschauungsunterricht in Heimatkunde gibt. Wer hat es denn schon so recht gewußt oder bedacht, daß Berlin eine TormstaW. im besten Sinne eine stolz« Stadt ragender Türm« ist? Geht mit, wandern wir einmal ihr werdet überrascht sein, in eurer wieder- auflebenden Weltstadt höhere Regionen zu finden, die aller Be- achtung wert sind, auch wenn sie selbst unnahbar über den staub- geborenen Pflastertreter hinwegzusehen scheinen. Fangen wir an im Herzen der Stadt, wir treffen sofort auf einen sieben Freund und zugleich aus einen der Türme, die dazu am meisten beitragen, Berlin Rang und Reiz einer T u r m st a d t zu verleihen. Freilich in dem Sinn« ist es nicht die Berühmtheit als Turmstadt, daß hier Wunderwerke an Höhe zu sehen sind: die höchste Spitze von 120 Meter bleibt hinter dem Ulmer Münster von l6<1 Meter Höhe um ein Beträgliches zurück, auch Hamburger Türme, so Ct. Nikolai mit 143 Meter, sind im Durchschnitt höher als Berliner Türme mit anderen Städten dagegen wie München (Frauenkirche S9 Meter) kann Berlin sehr wohl den Wettstreit aufnehmen. Was hier aber überrascht und den besonderen Charakter gibt, das ist die Vielheit der Türme, die an Zahl von keiner anderen Stadt der Welt erreicht werden dürfte. Der Ralhausturm. Warum hat ihm eigenllich dos Volk noch keinen Namen ge- geben? Er hätte es längst verdient, denn er besitzt alle Eigenschaften

dafür, er ist eine Persönlichkeit und ein so ausgesprochener Charakter, daß nian weit umher laufen muß, zum mindesten nach Italien , um einen Vetter von ihm ausfindig zu machen. Trotzdem er mit seinen achtzig Metern schon ein sehr stattlicher Bursche ist, könnt« er noch weit gewaltiger in die Höhe wachsen, verzichtete er seinen braven Berlinern zuliebe auf eine eigentliche Spitze. Aber er braucht für seine Besucher eine geräumige Plattform und außerdem duldet er es noch, daß man in ihm mit dem Fahrstuhl bequem in die Höhe fährt aus jeden Fall hat er es verstanden, sich bei seinen Bürgern mehr beliebt zu mache» als das rote Haus, das er bekrönt. Türme der Altstadt. Fahren wir hinauf und halten wir uns in Gesellschaft seiner Kollegen, die hier ein ganz prächtiges und greifbar deutliches Aus- sehen gewinnen! Da ist vor allem der 91 Meter hohe Turm von St. Marien, Berlins schönster und ehrwürdigsterr Turm, einer der wertvollsten deutschen Kirchenkrönungen überhaupt. Da ist der an- nähernd gleich Hohe Doppelturm von J>t. Nikolai, eine gewaltige Wand, aus der sich zwei fast überhohe Spitzen entwickeln. In ihrer nächsten Nähe grüßt das Kleinod der parochialkirche. gleich St. Sophien im augeersreuenden grünen Patinagewande und

mitten unter dem altehrwürdiaen schwingt sich der neu« Stadthaus- türm empor,«in Monumentalwert von prachtvollster Anlage, nur leider in einen Winkel gebaut und von den Straßen aus kaum zu überblicken. Aber wo haben wir nur schon dies Motiv des hoch- ragenden säulengetragenen Kuppelturms gesehen? Die Gontardschea Türme. veukschlands schönster Platz ist der Gendarmenmarkl. Dort stehen die beiden Dome, der deutsche und der französische,«inander in der Turmanlage gleich wie ein Ei dem anderen.(Nur die beiden kleinen Kirchen, die an die Türme angebaut sind, tragen verschiedenen Charakter. Die Gonlardschen Türme sind Berlins eigentliches Mahrzeichen. Sie bildeten einst für das Aug« den Mittelpunkt einen- Punkt wohlgefälliger Ruhe, wie noch aus alten Kupferstichen zu erkennen ist. Damals waren sie freilich noch nicht von einem Emporkömmling bedroht und geschädigt, damals benahm noch nicht das Monstrum des Doms dem Lustgarten Behaglichkeit und Freude. Der Dom. Aber heute beherrscht die Domkuppel mit den vier Türmen dasHerz der Stadt. Es sind gewaltige Maße 119 Meter geht es bis zur Engel-Wetterfahne, aber die höhe kommt nicht zur Geltung, denn die Masse drückt, beengt und vermag von keiner Seite gesehen, erhebend zu wirken. Kostenpunkt 10 Millionen Goldmark. Einzige Wirkung: Verschwenderische Pracht. Historischer Sinn: Denkmal Wilhelm II. Wie anders bauten die schlichte« Bürger, ehe das Kaiserreich begann! Die Petrikirche. Sieht man den Vacksteinbau der Petrikirche näher an. so merkt man, daß so gut wie gar nichts daran ist außer einer ziel­bewußten in die höhe gehenden Linienführung. Die aber ist bestimmend im Stadtbild. Der Turm, 97 Meter hoch, gebietet

weithin dem Straßenbild. in seinen fast überschlanken gotische» Formen verbreitet er Inmitten der City ein Stück Romantik. Jeder freut sich an der durchbrochenen Spitze, die für sich 33 Meter hoch ist. jeder läßt sich eine Münsterspitze vortäuschen es ist Eisen- konstruktion, was die Zeit weiß wie Stein patiniert hat, und es ist schön und edel. Die Schinkelschen Türme. lind mit diesem Stück Kunst kommen wir zu dem,«a« in den Regionen Berliner Luft echte Romantik atmet zu den Schinkel­schen Kirchen. Da stnd die abgehackten Werderschen Türme. Kreu- zung zwischen englischer und französischer Minjaturkathedrale und einem Dichterarchitcktenherzen, da ist das Moabiter Minarett wie weitherzig war man nicht in damaliger Zeit, da steht in- niitten einer Geschäftsstraße die köstliche Basilika von St. Zakob. Diese Türme ragen nicht in die Höhe, ober sie neigen sich nieder zu menschlichen Seelen. Es war eine Zeit, die innerlich war, es gab noch keinen deutschen Kaiser. Der Turm von St. Georg. Wir staunen wieder vom Rathausturm nieder(wie wäre es. wenn man ihn den roten Bären nennt?) und da sehen wir dos eutürmige Berlin , am nächsten dabei den Turm, der fast ein« Gewaltherrschaft über ungezählte Straßenzüge ausübt, leider ohne künstlerisch restlos zu befriedigen, so hübsche Einzelheiten die Kirche an sich aufzuweisen hat. Es ist der Turmriese von St. Georg, 105 Meier hoch, etwas byzanthinisch geraten, wie so vieles in der Zeit von 1888 bis 1918. Und damit kommen wir in eine All- gemeinheit, dos sich kurz etwa in folgende Formeln bringen läßt: ein anständiger Berliner Kirchturm hatte in tadellosem Ziegelbau und in gothifchem Stil ausgesührt zu sein und die Mindesthöhe von 99 Metern eine als sehr respektabel betrachtete Höhe zu erreichen. Damit wurde Berlin zur Stadt der Türme. Und damit wurde manchmal eine günstige, zuweilen eine prachtvolle Belebung der nüchternen Straßen erreicht, so im Schöneberger Westen mit den 90-Meter-Riesen der Luther -, Mathias und Apostel-Paulus- Kirche, nirgends aber so trefflich wie in Moabit, ' wo vor ollem ein Turm mit spitzer Nadel den Himmel förmlich zu stürmen scheint. - Es ist gleichgültig, welcher Bestimmung das meist kleine, den Türmen beigegebene Hau? zu dienen hat man freut sich der Beseelung des Stadtbilde» und man lernt daran Kunstgeschichte. Man wird auch später einmal schöne Prosantürme bauen, vor allem Rathaustürme, die berufen sind, eine Stadt zu beherrschen. Weitere Rathavstürme. Heute stehen sie schon im Ansatz da, einige gelungen, wie Schöneberg und Neukölln, andere mißlungen wie Charlottenburg und Friedenau . Aber dem Turm der Gemeinde wird die Zukunft gehören so wie heute immer noch Berlins stolzester Turm der seines alten Rathauses ist. Der Turm der Tauenhienstraße. Wir wollen nicht Abschied von den luftigen Gegenden nehmen. ohne noch den ungeheuren, 195 Meter hohen Flaschenhals der

Anthony John.

Roman von Jerome S. Zerome. Es war ganz dunkel geworden. Der Pfarrer stieß gegen einen kleinen Tisch, der krachend umfiel. Anthony fand Streich. Hölzer und entzündete das Gas. Der Pfarrer streckte ihm eine gepolsterte Hand hin.Wegen Ihres Onkels ist die Sache in Ordnung. Besprechen Sie die Einzelheiten mit Herrn Grant." Anthony dankte ihm und schickte sich zum Gehen an. Der ehrwürdige Herr Sheepskin hielt ihn zurück.Beurteilen Sie mich nicht allzu streng," bat er lächelnd.Wenigstens nickst, «l)e Sie«in wenig länger gelebt haben. Irgend etwas ver- anlaßt« mich Ihnen gegenüber unbedacht zu reden. Fallen Ihnen meine Worte wieder einmal ein, so denken Sie darüber nach. Vielleicht haben sie mehr Wert, als meine gewöhnlichen Predigten."' Die Tante schien durch Anthonys Nachricht getröstet.Es würde mich gar nicht wundern," meinte sie,wenn er trotz allem durchrutschte. Jedensalls haben wir unser möglichstes getan." Der alte Simon war in den Eisenbahnwagen zurückgekehrt. Es war, als wüßte er, daß alles vorüber sei. Er lebte noch eine Zeitlang, doch hatte er alle Freude verloren. Eines Morgen fanden sie ihn tot. Zwischen Anthony und dem jungen Mowbray entspann sich eine innige Freundschaft. Dies war hauptsächlich Edward Mowbray zuzuschreiben, doch fühlte sich auch Anchony von Edwards Güte und Sanftmut angezogen. Mowbrays Vater empfand ebenfalls Zuneigung für Anthony, und er wurde ein häufiger Gast in der Priory. Herr Mowbray war ein gut aussetzender Mann von fünf- öig Jähren. Es hieß, daß er mehr Sinn für Belustigungen, 9ls für seinen Beruf habe. Er ritt bei den Hetzjagden mit und war einer der besten Schützen der Umgebung. Er war Witwer. Das Gerücht munkelte von einer unglücklichen Ehe, zumindest was die Frau anbelangt hatte, von Vernachlässigung und Untreue. Doch konnte dies nicht recht auf Wahrheit deruhen, denn Herr Mowbray sprach mit großer Zärtlichkeit und cht sogar mit Tränen in den Augen von seiner Frau. Ihr Bi'd. von Orchardson gemalt, hing im Speisezimmer gegenüber von Herrn Mowbrays Sesiel: ein anziehendes Gesicht, wenngleich nicht schön: die Stirn war zu hoch und zu schmal. Der ganze Reiz log in den Augen, die zu sprechen schieneu. Verstummte das Geplauder, so hob Herr Mowbray

bisweilen sein Glas und trank dem Bild zu. Er hatte eine Vorliebe für guten alten Portwein, und viele seiner Freunde teilten diesen Geschmack. Es gab in der Familie nur zwei Kinder, Edward und die um einige Jahre ältere Elisabeth. Sie hatte die anziehenden Augen-der Mutter, doch war ihr Gesicht weniger auffallend. Antlsony hatte sie zuerst etwas gefürchtet: er wurde von ihr kaum beachtet. Elisabeth galt allgemein für exzentrisch, weil sie keinen Sinn für Sport und Zerstreuungen besaß. Darin standen beide Kinder im Gegen- satz zum Vater. Durch Edward und dessen Schwester wurde Anthony in die Politik eingeführt: die beiden waren glühende Reformer. Sie träumten von einer Welt, in der es keine Armen mehr geben wird, und glaubten, dies könnte, wenigstens was England betraf, noch zu ihren Lebzeiten erreicht werfen. Edward war von den beiden der ungeduldigere. Er erwartete die Rettung von der Revolution, Betty hingegen, die früher seiner Ansicht gewesen war, wies auf die französische Revo- lutwn hin, und behauptete, heutzutage könne alles vermittels der Wahlurne erreicht werden. Es würden sich Führer erheben, weise, edle Menschen, und die Massen würden für sie stimmen. Gesetze müßten eingebracht werden, die Selbst- süchtigen und die Bösen gezwungen werden, sich zu ändern. Die baufälligen Häuser sind abzutragen und an ihrer Stelle schöne Gebäude zu errichten, damit jeder anständig leben könne und auch die Armen die Bedeutung des WortesHeim" verstehen lernen. Für alle muß Arbeit gefunden werden, auf daß nicht mehr das furchtbare Gespenst der Erwerbslosigkeit die Menschenleben bedrche. Dies sei gar nicht schwer. In einer vernunftgemäß eingerichteten Welt gibt es Arbeit genug. Die Löhne müssen den Familien Behagen und Erholung er- möglichen. Die Kinder sollen so erzogen werden, daß der Klassenunterschied verschwindet. Bor allem aber bedarf man der Führer: sind diese reich und mächtig.-umso besser. Es müssen Menschen sein, die für das Recht kämpfen und nicht eher das Schwert in die Scheide stecken, bis sie für die Massen Gerechtigkeit errungen habeiu Dieses Glaubensbekenntnis legt« Elisabeth ab, während, sie über das Moor dahinwander- ten. Der starke Wind hatte sie veranlaßt, den Hut abzu- nehmen und rötete ihre Wangen. Anthony fand, daß sie mit den blitzenden Augen unter den geraden Brauen sehr schön aussehe. Ganz in ihr Gespräch vertieft, waren sie vom Weg abgeirrt und an einen Bach gelangt. Das Wasier plätscherte über die Steine und Wurzeln. Edward nahm die Schwester in die Arme, um sie über den Bach zu tragen, blieb aber stehen, zweifelte an seiner Muskellrast.

Bei Anthony wirst du sicherer sein", meinte er und stellte sie nieder. Wozu?" stagte sieEs macht mir nichts, nasse FLfle zu bekommen." Aber Anthony hatte sie schon in die Arme gehoben. Bin ich nicht zu schwer?" Anthony lachte und stieg mit ihr in den Bach. Er trug sie noch eine Strecke weiter, erklärte, der Boden sei sumpfig. Es tat ihm wohl, sie an die Brust drücken zu dürfen.

Es war am Abend vor der Abreise des jungen Mowbray nach Oxford . Betty sollte ihn begleiten, um ihm beim Ein» richten semer Zimmer behilflich zu sein. Sie würden vor Anfang des Semesters noch ein paar Tage zusammen ver» bringen, und Betty wollte Oxford sehen. Anthony war gc- kommen, um von Edward Abschied ,zu nehmen. Herr Mow« bray befand sich�ei einem vom Bürgermeister gegebenen Diner, und die drei jungen Leute waren sich selbst überlassen. Betty war aus dem Zimmer gegangen, um einige Anord» mingen zu treffen-, feit dem Tod der alten Haushälterin führte sie die Wirtschaft. Die beiden Burschen saßen in der Biblis - thek. Der große Salon wurde nur benutzt, wenn Gäste da waren. Komm biswellen her, wenn ich fort bin", bat Edward. Betty hat wenig Freunde und sie plaudert gern mit dir." Auch ich rede aern mit ihr", entgegnete Anthony.Aber wäre es ganz schicklich?" Blödsinn! Ihr seid doch beide nicht so. Außerdem steht man jetzt diesen Dingen anders gegenüber. Weshalb sollte es zwischen Mann und Frau keine Freundschaft geben?" Betty trat eben ein, und der Fall wurde ihr unterbreitet. Ich würde unsere Plaudereien vermissen", meinte sie, wandte sich dann mit einem Lächeln an Anthony.Wie alt sind Sie?" Sechzehn", erwiderte er Sie war erstaunt.Ich hielt Sie für älter." Ich wurde sechzehn", beharrte er.Die Leute Hollen mich immer für älter, als ich bin. Die Mutter stritt stets mit den Trambahnschaffnern, sie wollten nie glauben, daß ich drei und nicht fünf sei. Sie dachte ganz ernstlich daran, meinen Geburtsschein in meine Mütze zu nähen/ Er lachte. Sie sind noch ein Knabe", meinte Betty.Ich bin schon, fast neunzehn. Ja, kommen Sie mich manchmal besuchen." I (Fortsetzung folgt.) j