Menöausgabe Nr. 165 ♦ 42. Jahrgang Ausgabe g Nr. S2
B«>us«bei>in<w»zea Und«nteisenuttis« ftnd in der Mnrgenansgabe angegeben fiebattion: SA». 68. Lindenstrob« 3 Zernsprecher; Vönhoft 292»296 XeL'VbtcffcSejIaltaMaftat Bettln
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Serla« und Snietgenabteil«»«. Gelchlftszett ß— 5 Uhr Verleger: vorwürls-vertag GmbV- Berlin SA». 88, ciadenftrob» s ?er»Ip rechet: VSnheft 2608. 2»«»
�en�ralorgan der Sozialdcmokratifd�cn Partei Deutfcblands
Ins Kut|chcn gekommen! Offensive der Volkspartei gegen Hindenbnrg.— Rncktrittsdrohungen von Jarres. Loebell, Streseman«.
Letzt ist die Geschichte drüben ins Rutschen ge. kommen.� v. chindenburg. Heute tagt die B a y e r i s ch e D o l k s p a r te i- Sie ist in einer taktischen Situation, um die sie keiner beneiden wird. Gibt sie die Parole fürIarres aus, so werden ihre Wähler bis auf den letzten Mann f ü r M a r x stimmen. Gibt sie die Parole für Marx aus, so leidet darunter die Entente, die sie mit den Rechtsparteien hat. Diese Verlegenheit trieb die Bayerische Volkspartei vor dem ersten Wahlgang zu heftigen Ausfällen gegen den Loebell- schen Kursürsten-Ausschuß. gegen I a r r es. gegen S t r c s e- mann, den sie als den Macher der Kandidatur Jarres bezeichnete. Die geharnischten Erklärungen gegen Jarres ivurden nach dem ersten Wahlgang bis in die letzten Tage hinein fortgesetzt. Die Bayerische Volkspartei belieg es nicht bei Erklärun» gen. Sie betrieb seinerzeit die Kandidatur G e ß l e r. um Jarres zu Fall zu bringen. Vor einigen Tagen leitete sie das merkwürdige Experiment mit der Kandidatur S.i m o n s ein, nebenbei bemerkt, ohne Simons verständigt, geschweig« denn seine Zustimmung eingeholt zu haben. Als dies Experi- inent scheiterte, verfiel sie auf H i n d e n b u r g. Gestern Simons, heute Hindenburg ! Das ist doch noch politische Elastizität und Manövrierfähigkeit! S i- m o n s und H l n d e n b u rg? Wo ist da das Gemein- fame? Das Gemeinsam« besteht lediglich darin, daß sie beide nicht Jarres sind. Als die Bayerische Volkspartei er- kannte, daß sie Jarres nicht durch die weiter links stehende Kandidatur Simons exorzisieren tonnte, beschloß sie, es von der anderen Seite her zu' versuchen, und den Teufel Jarres mit Beelzebub Hindenburg auszutreiben. 4 Diese Manöver sind fast«benso schön wie die Manöver des Loebell-Ausschusies. Sie stehen damit in engem Zusam- menhang. Es wäre der Bayerischen Volkspartei nie geuingen. ihren Manövern einige Aufmerksamkeit in der Oeffentlichkest fr verschaffen, wenn nicht im Loebell-Ausschuß e l b st die Absicht bestände, sich der Kandidatur Jarres zu entledigen, um jeden Preis zu entledigen. Es sind die Deutschnationalen der radikalen Färbung, die Herrn Jarres absägen wollen, um ihren Willen durchzusetzen. Sie arbeiten mit der Bayerischen Volkspartei Hand in Hand. H i n d e n- bürg soll jetzt die Funktion übernehmen, die sie einst G« ß- l e r, dann Simons zugedacht hatten: die Funktion, I o r- res hinauszuwerfen. Die Gegenoffensive der Volkspartei. Die Deutsche Volkspartei hat die Quertreibereien der Deutschnationalen gegen ihren Mann Jarres satt. Sie geht zum Gegenangriff über. Die„B. Z" veröffentlicht eine lange Sachdarstellung„von einer sehr tzut unterrichteten volksparteilichen Persönlich- keit". die den ganzen Konflikt im Loebell-Ausschuß an das Licht der OeffentlichkNt zieht. Wie die Dinge nun einmal stehen, scheint es die Führung der Volkspartei für unnötig zu halten, den Riß im L o e b e l l- A u s s ch u ß. den Riß zwischen DeutscherVolkspartei und Deutschnationalen, den Ritz in der Reichsregierung noch länger vor den Augen der Oeffenllichkeit zu verbergen. Diese Darstellung registriert zunächst, welche Persönlich- k�e i t e n von den Deutschnationalen im Loebell-Ausschuß als SturmbockgegendieKandidaturJarres benutzt werden sollten. Zunächst wurde die Kandidatur W a l l r a f erwogen, dann verfiel man auf Hindenburg . Neben der Kandidatur Hindenburg aber läuft noch, wie diese Darstellung versichert, die durchaus ernst gemeinte Kandidatur des katho- lifchen Für st e n Hatzfeld her. Die Verwirrung ist also auf einem Höhepunkt angelangt. Diese Darstellung der Volkspartei führt einen öffentlichen StoßgegendieKandidaturHindenbura. dersie für den Reichsblock wenigstens in seiner heutigen Zusammen- jetzung mit der Teilnahme der Deutschen Bolkspartci— unmöglich macht. Es heißt in dieser Darstellung unter der Ueberschrikt: Die Gründe gegen Hindenburgs Kandidatur: „Es ist nicht abzuleugnen, daß die volksparteiliche Gruppe im Reichsbloik diese neue Kandidatur sachlich für sehr unglücklich häll. Für den eminent politischen Posten des Reich»- Präsidenten ein« vollkommen apolitische Persönlich- keit wie die des großen, greisen Generals in Aussicht zu nehmen, ist das Bekenntnis so evidenter Verlegenheit, daß sie fast dem Dekenalai» völligen völkischen Führermangels im Reichsblock gleichkommt. Di« Kandidatur würde auch nur die o n t t- militaristischen Bevölkerungsteil« noch stärker zusammen- schweißen. Dqzu kommen die außenpollllscheu Alißdeukungeo. denen die Kandidatur Hindenburgs — der General steht bekanntlich in häufigem Briefwechsel mtt dem Kaiser, dem er. was ihn nur ehrt, immer wieder seine unwandelbare Treu« versichert— unbedingt ausgesetzt sein wird. Vor allem aber sind die Volksparteller im Reichsblock dagegen, die hehre Menschengröße des General» den
immerhin unsicheren Chancen, d. h. der immerhin mög- lichen Niederlage eines Wahlkampfes auszusetzen. Hin- denburg soll nicht den Weg Ludendorffs gehen. Der fast achtzig. jährige Held soll nicht für die unsicher« Aussicht, ein siebenjähriges Amt zu bekleiden, das er nlchk ausfüllen könnte und besten jrnif- llouen er talsächlich anderen überlasten müßte, in die politisch« Arena herabgezerrt werden." Mit diesem Stoß gegen die Kandidatur Hindenburg ver- bindet»die Darstellung der volkspartellichen Führung eine heftige Abwehr gegen die„offenen, lauten und unartigen Attacken" der deutschnationalen Presse gegen Jarres, Loebell und die V o l t s p a r t e i. Zum Schlüsse aber geht sie zu offenen Drohungen über. Rücktrittsdrohungcn von Loebell, Jarres und Stresemann! Es wird erklärt, Jarres habe es endlich satt: „Aber wen» statt einmütigen Verhandews. Ratens und Tatens nur Temperamentsirrtümcr durchgesetzt weiden sollen, wenn man sich w i r r s ä l> g allzulange an V e r l e g e n h c i t s- kandidate» klammert, um erst nach dem Scheitern wieder zu ihm zurückzukommen, dann glaubt er. daß man ihm seine Ausgabe aussichtslos macht, kein Kandidat kann es ertragen, eine Woche long nur als Itatsigur behandelt zu werden. An seiner Person liegt Dr. Jarres nichts, aber er will natürlich auch nicht seine Person für ein« dann ganz aussichtslos gewordene Sache verbrauchen." Endlich hat er es also satt! Wir erlauben uns nur hinzu- zufügen, daß er nichtnureine Woche lang als Rot- f i g u r behandelt worden ist. Vor dem ersten Wahlgang hat man ihn bald vorgezogen, bald wieder zurückgestellt. Zu den feierlichen Versicherungen des Reichsblocks, daß seine Kandi- dawr auch im.zweiten Wohlgang selbstverständlich sei. hat jeder politisch denkende Mensch sofort hinzugesetzt: Wer's glaubt! Run hat eres endlich satt. Wir meinen, daß er jetzt weder mit der Rücktrittsdrohung noch mtt einem wirklichen Rücktritt die Würde zurückgewinnen kann, die er verloren hat. Die Charakterprobe, die die VerHand- lungen des Rechtsblocks in der Kandidatenfrage ihm aufer- legten, hat er nicht b e st a n d e n. Mit Herrn Jarres droht auch Herr v. Loebell von seinem Amt als Wahlmacher des Reichsblocks zurück- zutreten. Als stärkstes Druckmittel jedoch dient die Drohung Stresemanns mit seinem Rücktritt. Darüber heißt es in der„V- Z": „wie uns ferner angedeutet wird, ist Reichsaußen- minister Strescmaon durch die dauernden Schwierig. k e i t« a. die sich au« dem Zusammenarbeiten mit den Deutschnationalen Immer wieder ergeben, stark ver- stimmt, weno auch diese Mißstimmung in ihrer Bedeutung für den Weiterbe st and der Reich sregierungs-koalition im sehigen Augenblick nicht überschätzt werden soll, so ist sie doch ein inleressanies Symptom für die ll e b e r r a s ch n n g c n. die man vielleicht schon kurz nach der Reichs- präsidealenwahl erwarten darf." Damit ist der Konflikt im Loebell-Ausschuß auf der Spitze. Es gibt nicht mehr viel zu verbergen. Der große Riß ist der ganzen Oeffentlichkeit sichtbar. Wir sehen nicht. w> e nach solchen Auseinandersetzungen, solchen Manövern und solchen offenen Drohungen noch eine Einigkeit im Rechtsblock zu stände kommen könnte. Die Gruppen des Rechtsblocks hoben sich vortrefflich auseinander manövriert. Selbst für den Fall, daß sich der Loebell-Ausschuß und die beteiligten Organisationen noch einmal zusammen- reißen sollten, damit dem Kandidaten der republikanischen Parteien wenigstens ein Anstandskandidat entgegengestellt gestellt wird, so ist doch ihre Front gebrochen. Da Hilst dann weder das Geld der Schwerindustrie, noch die Hugenberg- Preste, noch die Papierslut des Reichsbwcks. Da hilft keine Schnellzugssahrt durch Deutschland , kein Bannerschwenken und kein Suggestivartikel über den sicheren Sieg. Jetzt ist die Geschichte drüben ins Rutschen gekommen! Jetzt gilt es. fest hineinzuswßen! Wer wird Anstandskandidat? Immerhin nehmen wir noch an. daß der Rechtsblock schließlich einen Mann finden wird, der sich dereit erklärt, die Ztolle des Durchfallskandidaten zu übernehmen, sei es nun Herr I a r r e s, sei es Herr Hindenburg oder der Fürst Hatzfeld . Begeisterung für diesen Kandidaten wird wobl der optimistischste Mann aus dem Loebell-Ausschuß nicht mehr erwarten. Niemand kann im Ernst wollen, daß eine der Personen, die zu dem unwürdiaen Spiel des Rechtsblocks sich haben gebrauchen lassen, Präsident des Deutschen Reiches werde. Denn es ist das reinste Puppenspiel, das der Rechts- block mit seiner Kandidatur aufführt, mit Jarres, aber auch mit Hindenburg . Würde einer von beiden Präsi-
dent— er würde nicht ein Repräsentant des deutschen Volkes, sondern eine Puppe im Spiel eines verantwortungslosen und unfähigen Klüngels sein. Die Kaudidatenverhandlungen des Rechtsblocks sind eine Probe auf seine politischen Fähigkeiten— noch mehr ober noch eine Probe auf die Würde, den Charakter, den politischen Verstand der Männer, mit denen er spiest. Es ist schon zu entscheiden, wer diese Probe schlechter bestanden crt: der Loebell-Ausschuß oder die Jarres und H i n d e n- u r g._
Die Metallarbeiter im stampf. Gegen Lohndruck nnd Arbeitszeitverlängerung. Morgen wird ein Schiedsgericht zusainmentreten, um den Versuch zu machen, ein« Einigung in dem Gesamt- konflikt der Berliner Metallindustrie herbeizuführen. Soweit die Betriebe dem Verband Berliner Metallindustrieller �ange- schlössen sind, beschäftigen sie über LOOliOsi Arbeiter und Arbeiterinnen. Für diese ungeheure Masse besteht gegenwärtig keinerlei Tarifvertrag. Weder die Arbeitszeit noch die Löhne oder irgendwelche andere Bestimmungen des Arbeitsvcrhält- nisies sind vertraglich geregelt. Die Berliner Metallindustriellen haben sich die Inflation und deren Folgen zunutze gemacht, um zunächst die Löhne zu drücken und dann von jedem tariflichen Verhältnis loszu- kommen. Dieses Bestreben der Unternehmer wurde gefördert durch die Zerstörungsarbeit der Kommunisten. Durch die systematische Hetze gegen die Organisation und durch dys Auf- ziehen von Spastungsorganifationen ist es den Kommunisten gelungen, einen erheblichen Teil der Arbeiter und Arbeiterinnen der Metallindustrie aus der Organisation hinauszuekeln. Die Unternehmer haben zunächst versucht, dem Deutschen Metallarbeiterverband und den im Metallkartell vertretenen Organisationen«inen Lohntarif aufzuzwingen, wodurch die Tariflöhne der Metallarbeiter nicht allein weit unter die Friedenslöhne, sondern auch weit unter die Löhne, die in den anderen Industrien Berlins gezahlt werden, hinabgedrückt worden wären.. Einen derartigen Lohntorif abzuschließen haben sich die im Metallkartell oereinigten Gewerkschaften— es kommen außer dem Deutschen Metallarbeitervcroand ins- besondere noch der Zentralverband der Maschinisten und Heizer und der Deutsche Bcrkehrsbund in Betracht— entschieden geweigert. Do jedoch infolge der schlechten Kon- junktur und der Schwächung der gewerkschaftlichen Organi- sationen die Ausnahme des Kampfes nicht zweckmäßig erschien, trat vor ungefähr Jahresfrist für die Löhne ein tarisloser Zu- stand in der Berliner Metallindustrie ein. Für die H i l f s- a r b e i t r r, soweit sie dem Deutscheu Verkehrsbund ange- schlössen sind, wurde dann später ein neuer Lohntaris abge- schlössen, der nominell wohl eine geringe Lohnerhöhung vor- sah, aber praktisch durch den Abbau der Sozialzulagen teilweise sogar eine Lohnmindervuig zur Folge hatte. Die Unter- nehmer hatten sich wohl verpflichtet, derartige Härten zu ver- meiden, diese Verpflichtung jedoch nickst eingehalten. Am I. April lies nunmehr auch der Rahmenvertrag ab, der sowohl die Arbeitszeit, wie aurb den Urlaub vertraglich regelte. Im Anschluß an den Lahnkonflikt der Kupferschmiede in den Lokomotivfabriken, worüber heute zwischen den Organisationen verhandelt wird, soll nun der gesamte Komplex aufs neue ge- regelt werden. Die Berliner Metallindustriellen, die einen Bortrupp der deutschen Unternehmer der Fertigindustrie bilden, behaupten stets, daß sie schlecht beschäftigt sind, und zwar vor allem, weil ihre Konkurrenzfähigkeit dem Auslände gegenüber vermindert ist. Deshalb müßten die Löbne gedrückt und die Zahl der Arbeitsstunden erhöht werden. Ein anderes Heilmittel kennen sie nicht. Run ist es eine unleugbare Tatsache, daß die industrielle Konjunktur sich seit dem Dezember v. I. im stetigen Auf- schwung befindet, wenn wir auch weit entfernt sind, eine Hoch- konjunktur zu haben. Aber andererseits herrscht insbesondere in der Berliner Metallindustrie seit langem ein Mangel an Facharbeitern. Dieser Mangel an Facharbeitern. der für die Konkurenzfähigkeit unserer Fertigindustrie ein schweres Hemmnis und eine Gefahr bildet, ist ausschließlich auf das Konto der U n t e r n e h m c r zu setzen. Sie haben nicht nur während des Krieges und in den Jahren nach dem Kriege die Ausbildung von Facharbeitern vernachlässigt, sie haben gleichzeitig die Lehrlingsentschädigunq so niedrig gehasten, daß es den Arbeiterfamilien insbesondere angesichts der Hunger- löbne, die während der Jnflationsperiode gezahlt wurden, un- möglich gemacht wurde, ihre Söhne als Lehrlinge mehrere Jahre vollständig über Wasser zu halten. So trat ein lieber- angebot von ungelernten Arbeitskräften und ein Mangel an Facharbeitern ein. Aber das ist gegenwärtig noch nicht die wichtigste Ursache der von den Unternehmern mit so viel Uebereifer heraus-