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fr. 168 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 86

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Donnerstag, den 9. April 1925

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Also wirklich- Hindenburg  !

Eine außenpolitische Katastrophe.- Stresemanns Niederlage. Monarchie und Krieg oder Republik   und Frieden?

In den Nachmittagsstunden des gestrigen Tages wurde folgende Meldung ausgegeben, die wir durch einen Teil unse­rer Abendausgabe unseren Lesern noch übermitteln fonnten: Der Reichsblod hat heute vormittag entscheidende Bera­tung über die Kandidatur für den zweiten Wahlgang abge­halfen. Im ganzen Berlauf der Verhandlungen hatte Dr. Jarres feinen Zweifel darüber gelaffen, daß an seiner Person eine Erweiterung der Bdjis des Reichsblods nicht fcheitern dürfe. Nachdem die Bayerische Volkspartei  mitgeteilt hatte, daß fie einer Kandidatur des General­feldmarschalls v. Hindenburg   zustimmen würde, bat Dr. Jarres telegraphisch  , von seiner Aufstellung Abstand zu nehmen und empfahl dem Reichsblock dringend, dem Ge­neralfeldmarschall v. Hindenburg   die kandidatur zu übergeben.

Der Reichsblod beschloß daraufhin heute mittag, die kandidatur dem Generalfeld­marschall v. Hindenburg   anzubieten. Dieser hat joeben angenommen. Die Bayerische Volks­ partei  , die Wirtschaftspartei, der Bayerische   Bauernbund und die deutsch- hannoversche Partei haben sich außer den im Reichsblod vereinigten Parteien diejer Kandidatur ange­fchloffen und find damit dem Reichsblod beigetreten.

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Was ist in den alten Herrn v. Hindenburg   ge­fahren, daß er nach zweimaliger Ablehnung die Kandidatur zum höchsten Amt der Deutschen Republik angenommen hat? Der Geist des alten Herrn v. Tirpitz ist in ihn gefahren, der neben dem Vorsitzenden des Kurfürsten- Ausschusses", Herrn v. Loebell, zu den gefährlichsten Intriganten des Roiferreichs gehört hat.

Die Folgen find unabsehbar.

Für das Ausland ist der alte Herr v. Hindenburg   das Symbol der Monarchie und des Kriegs. Jede Stimme, die er erhält, wird als ein Bekenntnis zur Mon­archie und zur Revanche betrachtet werden. Die Gegner machten der deutschen   Kriegführung den Vorwurf besonderer Grausamkeit, sie machten für sie den Generalfeldmarschall verantwortlich und setzten ihn daher auf die Auslieferungs­liste. Gegen die schmachvolle Forderung der Auslieferung führte die Regierung des Reichskanzlers Hermann Müller  einen erfolgreichen Kampf. Jezt werden die alten Wunden des Weltkriegs wieder aufgerissen, alte Anklagen wieder er­hoben werden. Mögen sie noch so unberechtigt sein diese Geifter zu weden war ein Wahnsinnsstreich.

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Die Ausstellung Hindenburgs ist ein letzter verzweifelter Versuch der Reaktion, sich an der Macht zu behaupten. Ge­lingt er, dann ist der Staatsstreich schon halb voll­bracht und der Bürgerkrieg eingeleitet. Mißlingt er, dann marschieren die Republikaner   über die Trümmer der gefallenen Festung, wir Sozialdemokraten voran!

Diese Kandidatur ist eine dreiste Spekulation auf die Dummheit der politisch Ahnungslosen. Auf den Respekt vor den Generalsborten! Auf die Sympathie mit geiträubten Schnurrbärten! Und auf das sentimentale Mit leid mit einem alten Feldmarschall, der das Unglück gehabt hat, einen großen Krieg zu verlieren.

Sie ist aber zugleich auch ein Signal für alle attiven Elemente der monarchistischen Gegenrevo Iution. Jetzt wittern sie Morgenluft! Jetzt werden sie alle Minen springen lassen! Für sie alle heißt es: Jetzt oder nie!"

Kein Zweifel also, daß wir einem Wahlkampf ent gegengehen, wie ihn Deutschland   noch nicht erlebt hat! Druck erzeugt Gegendruck! Das Gefühl der Gefahr ruft auch Säu­mige auf den Posten. In der Sozialdemokratischen Partei gibt es in diesem Augenblick feine Säumigen mehr. Jeder weiß, was es gilt. Die Partei wird sich prachtvoller schlagen denn je!

Was den 78jährigen Herrn v. Hindenburg   persön­betrifft, ſo ift er das Produkt seiner Um= lich Bon den Dingen, die außerhalb feines gebung. die in Kadettenhäusern und Offizierskasinos zu Hause ist. Die Streifes liegen, hat er nur die dumpfe Borstellung, die in Kadettenhäusern und Offizierskafinos zu Hause ist. Die Politik ist ein Gebiet, das von seiner Denkweise um Sirius­weite entfernt ist.

Es hat in den letzten zweitausend Jahren zwei Feld­herren gegeben, die auch große Politiker waren: Julius Cäsar   und Napoleon Bonaparte  . Beide hatte allerdings schon vor ihrem achtundsiebenzigsten Lebensjahr für die Politik sich zu intereffieren begonnen.

Herr v. Hindenburg   ist, wie man es von ihm nicht anders erwarten fann, Monarchist vom Scheitel bis zur Sohle. Wenn man diesem Kandidaten zum höchsten Amt der Republik   unterstellen wollte, er fei republitanijoh gefinnt, bekäme man- Satisfattionsfähigkeit vorausgefeßt. - eine Pistolenforderung ins Haus geschickt. Dem Obersten Kriegsherrn in Doorn   ist er in unerschütterlicher Traue ergeben. Ist er im Zweifel, wie er sich zu verhalten hat, so fragt er telegraphisch in Holland   an. mie behauptet wurde, auch diesmal getan hat, also nur mit Erlaubnis Seiner Majestät Präsident der Republik zu werden beabsichtigt dafür spricht die stärkste innere Wahrscheinlichkeit.

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Bon Friedenspolitik hält der Herr Generalfed. marschall natürlich nicht viel. Die ist eine sozialistisch- inter­nationale Erfindung und dient nur der Verweichlichung!

Die Politik ist ihm überhaupt ein Greuel, zumal die Politik der Parteien. Freilich ist er eingeschriebenes Mit­glied der Deutsch   nationalen Partei, weil sich das so gehört.

Alles in allem ist also der alte Herr das, was man ,, eine geschlossene. Persönlichkeit" nennt. Wie eine vermitterie Säule aus uralter Zeit ragt er in die Gegenwart hinein, die er nicht versteht und nicht einmal tennt.

Nicht gegen ihn richtet sich unser Kampf. Er richtet sich. gegen die verantwortungslosen Intriganten und Demagogen,

Die französische   Krise.

Kapitalistische Widerstände gegen die Finanzreform.

Paris  , 8. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Finanzausschuß der Kammer ist am Mittwochnachmittag um 3 Uhr nochmals zu fammengetreten. Bei den starken Meinungsverschiedenheiten, die felbft unter seinen der Kammermehrheit angehörenden Mitgliedern über die Zweckmäßigkeit der von der Regierung gemachten Bor­schläge herrscht, hält man es in parlamentarischen Kreisen für wenig Noch stehen wir in jedem Augenblick, in dem es ernst wahrscheinlich, daß die Vorlage vor Sonnabend an das Plenum zu­ist, unter der Gewalt der ehemaligen Feinde. Deutschland   rückkommen wird. Die von den Radikaljozialen am Dienstagabend ift entwaffnet, weite Strecken feines Gebiets sind noch besetzt. unternommenen und im Laufe des Mittwoch wiederholten Be­Benn diese Tatsache uns heute weniger schmerzlich zum Bemühungen, die sozialistische Fraktion zum Verzicht auf die von ihr wußtsein tommt, so deshalb, weil die Parteien der bekundete Absicht zu bringen, an Stelle der von der Regierung in Weimarer Koalition unter zeitweiliger Assistenz der Bolkspartei eine Periode der außenpolitischen Entspannung einleiteten, weil in Frankreich   eine entschieden demokratische Regierung ans Ruder kam und weil man in Amerika   und in England an die Festigung der Deutschen Republik und ihren Friedenswillen zu glauben begann. Diesem Umstand verbanken wir auch die allmähliche Wiederbelebung unserer Wirtschaft, zu der Dames- Plan und amerikanische   Kredit gewährung nicht wenig beigetragen haben.

Das alles wird jetzt zerschlagen oder doch aufs aller schwerste gefährdet. Wenn je das Wort Verbrechen am Baterlande" berechtigt war, so hier.

Der Streich ist von den Regierungsparteien verübt worden. Die stärkste von ihnen, die deutschnationale, hat ihn in Szene gefegt, die Volkspartei fand nicht die Kraft, ihn zu verhindern. Die Reichsregierung selbst, die feit drei Monaten auf den Bericht der militärischen Kontroll­tommission wartet und die inzwischen einen Friedens patt vorbereitete, hat zwar über die Hintertreppe durch die Veröffentlichung des Hindenburgischen Ablehnungsbriefes Rettung gesucht, aber den Mut, die Gefahr zu bannen, die fie erkannte, hatte sie nicht.

Herr Stresemann und die Volkspartei sind geschlagen- was schadefs, fie haben es verdient! Wenn nur nicht das deutsche   Volk der Geschlagene ist! Die Deutschnationalen nach diesem Beweis ihrer Verantwortungslosigkeit aus der Regierung wieder hinauszuwerfen, ist eine patriotische $ flicht, der fich die Sozialdemokraten mit allem Eifer hin­geben merben.

gesetzlichen Geldbeschaffung eingeschlagen hatte, sehr rasch ein Ende gemacht. Allerdings werden auch von sozialistischer und radifaler Seite dem Ministerium Herriot schwere Vorwürfe gemacht, daß es zu diesem Mittel seine Zuflucht genommen hat.

Bertagung der entscheidenden Beratungen. Paris  , 8. April.  ( Eigener Drahtbericht.) In der Mittwochnach

mittagfizung der Kammer wurde von Herriot die Erflärung abgegeben, daß mit Rücksicht auf die Arbeit des Finanzausschusses die Beratung des finanziellen Sanierungsprogramms vertagt werden

müsse. Von der Opposition wurde darauf die Festsetzung des Tero mins für diese Beratung verlangt und mit Zustimmung der Re gierung beschlossen, deß darüber am Freitag Beschluß gefaßt werden soll. Nach dem augenblicklichen Stand der Dinge rechnet man nicht mehr damit, daß die Debatte im Plenum vor Dienstag oder Mitt­woch nächster Woche stattfinden kann. Der Finanzausschuß hat am Mittwochnachmittag seine Arbeit fortgesetzt. Es sind sowohl von der Rechten wie Linken, zahlreiche Abänderungsanträge gesteilt worden. Der Berichterstatter des Ausschusses hat den Auftrag ers halten, auf Grund der von der Regierung gemachten Vorschläge for me I auszuarbeiten. Die von der Opposition verbreitete Be­hauptung, daß es zu scharfen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Finanzminister und dem Vorsitzenden des Ausschusses gekommen sei, wird von der Linken des Parlaments als jeder tatsächlichen Bes gründung entbehrend bezeichnet. Der Finanzausschuß hat sich, um feinem Berichterstatter die nötige Zeit zur Ausarbeitung seines Berichts zu lassen, auf Donnerstagnachmittag 3 1hr vertagt. Vor­mittags um 10 Uhr werden die Gruppen des Linkskartells zu einer mittags um 10 Uhr werden die Gruppen des Linkskartells zu einer neuen gemeinsamen Beratung zusammentreten.

Aussicht genommenen Zwangsanleihe eine Kapitalabgabe vorzu­schlagen, sind bisher ergebnislos geblieben. Auf der anderen Seite scheint sich der Widerstand gegen jede Erfassung des Kapitals, die schließlich auch von dem Plan des neuen Finanz ministers, wenn auch in sehr milder Form, bezweckt wird, nich nur im Lager der Gruppe des Herrn Loucheur zu versteifen, sondern auch auf dem rechten Flügel der Radikalſozialen Anhänger zu ge­winnen. Im Finanzausschuß ist am Mittwoch nachmittag erneut versucht worden, die Erhöhung des Notenumlaufs, die mit Rücksicht auf die Lage der Bant von Frankreich   und des Schatzamtes einer rajchen Lösung bedarf, von der Lösung des Problems der schweben- owie der dazu eingebrachten Zufaganträge eine Kompromiß. den Schuld zu trennen und damit die Entscheidung über die 3wangsanleihe und die Bermögensabgabe auf unbestimmte 3eit zu vertagen. Ein entsprechender Antrag der Opposition ist zwar bereits am Dienstagabend abgelehnt worden; im Lager der Rechten aber glaubt man, Grund zu der Hoffnung auf 3u3ug vom rechten Flügel des Linkstartells zu haben. Die Entscheidung über diesen Antrag, die in den Abendstunden noch nicht gefallen war, dürfte den weiteren Gang der Entwicklung as fchlaggebend beeinflussen.

Die von der Regierung beantragte Ermächtigung zur Aus= gabe von 4 Milliarden neuer Noten bedeutet im Grunde, lediglich die nachträgliche gefeßliche Genehmigung eines bereits jeit längerer Zeit eingetretenen Zustandes. Tatsächlich hat die Bank von Frankreich der Regierung bereits wesentlich höhere Borjausje gewährt als sie nach dem Gesetz berechtigt war. Dem Versuch der Rechtspreise, diese Sachlage gegen das Ministerium Herriot auszu beuten, hat die von offiziöser Seite gemachte Feststellung, deß bereits das ministerium Boincaré diesen Weg der un

Herriot verhandelt mit den Parteiführern. Paris  , 8. April.  ( WTB.) Ministerpräsident Herriot hat über die durch die Senatsabstimmung geschaffene Lage außer mit Kame merpräsident Painlevé auch mit den drei sozialistischen   Abgeord neten Blum, Renaudel und Baul Boncour verhandelt, bie um neun Uhr im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten erschienen sind. Um 9,40 Uhr hat der außerordentliche Kabinettsrat begonnen.