Nr. 168+ 42. Jahrgang
In einem Speisehaus der Studentinnen.
Bliden wir 25 Jahre zurüd: Am 18. Februar 1899 verlieh die Berliner Friedrich- Wilhelm- Universität ihr erstes Doktordiplom an eine Dame, Fräulein Else Neumann. Noch war ein Dispens nötig, und als der Defan der philosophischen Fakultät, der Mathematiker Professor Schwarz, nach der Verteidigung der Thesen die Doktoran din zum Magister artium liberalium( der freien Künste) und zum Dattor der Philosophie ernannt hatte, bestieg die neugebadene Dottorin das Katheder, um dem Stultusministerium für den Dispens zu danken. Richten wir unsere Blide gar auf 50 Jahre zurüc, jo fönnen wir einen klassischen Zeugen in dem Memoirenwerte der Franziska Tiburtius anführen, die als eine der ersten weiblichen Aerzte nach dem Kriege von 1870/71 in Zürich fich den Doktor geholt hatte. Damals gab es nicht nur Skeptiker, sondern traffe Gegner unter den Männern, die auch die deutsche und die west europäische Studentin überhaupt nach den in Zürich umher schweifenden Kosatenpferdchen" beurteilten, wie der Studentenmig die für den Nihilismus schwärmenden und tätigen russischen Studentinnen( mit meist sehr geringer Borbildung aber unendlichem Bedürfnis nach Zigaretten ausgestattet) getauft hatte. Etwas mehr als 50 Jahre sind vergangen heute herrschen der weibliche Doftor, der weibliche Professor, die weibliche Assistentin in allen Stulturländern, und nachdem auch in der Politik der männliche Egoismus fich als besiegt erffären mußte, gibt es tatsächlich kein Gebiet, bas ben Frauen verschlossen ist.
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1200 weibliche Studierende.
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In der Mammut- Universitätsstadt Berlin ist das äußerliche Her portreten des studentischen Lebens auf einen so fleinen Kreis be fahränkt, daß die wenigsten Berliner sich der Empfindung, hier wird die neue Generation herausgebildet, fíar werden können. Die Lehr anstalten und Institute liegen zerstreut, und das Berliner Quartier latin ist längst zur Mnihe geworden. Wie es von der verheirateten Frau gilt, daß die die beste ist, von der am wenigsten gesprochen wird, lo fann man dies auch auf die Studentin anwenden. Trog ihrer großen Anzahl jeber siebente akademische Bürger ist eine Dame spürt man fie nur in dem allernächsten Kreise der Universität und der Bibliothet. Die Zahlen für diesen Winter find: 8148( gegen 12581 des vorigen Winters) beträgt die Gefamiglifer der immatrifufierten Studierenden, davon sind etwa 1200 meiblichen Geschlechts. Der starke Rückgang war die Folge der Geldentwertung und der ersten Geburtswehen der neuen Goldberechnung. Man kann aber aus der steigenden Zahl der Reuanmeldungen schließen, daß die schlimmste Zeit auch für den Studenten der Vergangenheit angehört. Im einzelnen verteilen sich die Zahlen wie folgt: Theo Ingische Fakultät 276( davon 9 weibl.), juristische 1944( 78), medizinische 1810( 310), philofophi che 4118( 806). Der Rüdgang bei den Frauen ist am fchärfilen in der philosophischen Fakultät gewesen. die bekanntlich das große Sammelbeden für alle möglichen Studien bildet; dic betreffenden Zahlen find: 1923/24: 1277, 1924/25: 806 Frauen. In der medizinischen ist dagegen nur ein Rüdgang
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Anthony John.
Die Tante hatte nun neununddreißig Jahre in der Prospekt- Hütte, Moor End- Lane, gelebt. Die Flitterwochen am Meer hatten nur einen Tag gewährt, dann war sie mit Joe in die Hütte eingezogen, hatte seither feine einzige Nacht auswärts verbracht. In jenen Tagen war die Hütte inmitten von Feldern gelegen. Während sie im winzigen Zimmer ftöberte und die wenigen Gegenstände auswählte, die sie behalten wollte, verwünschte sie Anthong mehr als einmal. Am festgesetzten Tag jedoch war sie mit allem fertig und bereit. Sie hatte sich sogar Handschuhe und einen neuen Hut gefauft. In Bruton Square muß man elegant sein.
Anthony bewohnte im höchsten Stockwerk zwei Stuben, ein Schiaf- und ein Arbeitszimmer. Er hatte schon immer gern gelesen; am liebsten Geschichtswerke und Memoiren. Als Schulpreis hatte er sich Emerson und Montaigne gewählt. Als Belletristit genügte ihm Gullivers Reisen". Auf feinem Bücherregal standen noch Selbsthilfe" von Smiles, Franklins Autobiographie" und„ Das Leben Abraham Lincolns". Die Mutter hatte das Schneidern aufgegeben. Tetteridge führte seine junge Frau heim, und der Haushalt für fünf Bersonen nahm Frau Strong'nth'arms ganze Kraft in Anspruch. Abends pflegte sie mit einer Näherei in Anthonys Zimmer zu figen, während er arbeitete.
Es war um die Weihnachtszeit; Anthonn besuchte num die Unterprima. Er wollte zu Weihnachten die Schule end gültig der offen; in der Oberprima murde die meiste Zeit auf Klassiter verwandt, und dies hatte für ihn feinen Sinn. Was willst du tun?" fragte die Mutter. Hast du Hast du schon einen Entschluß gefaßt?"
Ich will beim alten Mowbran im Bureau arbeiten, falls er mich nimmt," entgegnete Anthony. ,, Edward wird wohl ein gutes Wort für dich einlegen." ,, Ja, darauf zähle ich." Anthony wandte sich von neuem seinem Buch zu, die Nabel der Mutter jedoch ruhte.
,, Das Mädchen ist dir doch auch gut gesingt?" fragte fie. ,, Es heißt allgemein, daß der Water ihr feine Bitte abfchlagen
fann.
Anthony gab teine Antwort, schien die Worte zu überhören. Der Mutter entglitt der Fingerhut und rollte über ben Fußboden; Anthony hob ihn auf.
von 331 auf 310 zu verzeichnen. Die Zahl der Ausländerinnen ist hier 124 und übertrifft die der Ausländerinnen in der philosophischen Fakultät: 103. Die Gesamtzahl der Ausländerinnen ift 230. Daß ber dem ärztlichen Beruf eignenden Möglichkeit, verhältnismäßig fic die zumeist Russinnen sind Medizin studieren, hängt mit schnell zur Selbständigkeit zu gelangen, zusammen.
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Auf sich gestellt.
Donnerstag, 9. April 1925
bium nunmehr vollenben, liegt der Gedante nahe, durch Gründung eines bescheidenen Hausstandes Kosten zu sparen. Hier heißt es sehr oft im vollsten Sinne des Wortes: Raum ist in der fleinsten Hütte... Daß der weibliche Student hinsichtlich seiner Lebensgestaltung es schmeret hat als der männliche, ist eine Tatsache, die auch das fretere geistige Berhältnis des Großstädters zu allen Lebensformen nicht beseitigen fann. Noch immer wird die Studentenmutter lieber an männliche als an weibliche Stubenten vermieten, noch immer fehli jene Irabition, mo cine Generation meiblicher Studierender dort cinzieht, wo die andere auszieht wie es z. B. schon früh in Zürich ber Fall war und so bleibt die Studentin fast ganz auf fich gestellt und stürzt sich in die Arbeit, um dem freudeiofen Leben boch das Bichiigste abzugewinnen. Bei den Ausländerinnen dürfte die Zahl derer, die bei den Eltern wohnen, eine ziemlich große sein jene viel besprochene Zuwanderung aus dem Often hat Eltern und Kinder gleichzeitig heimisch gemacht.
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Intereffenvertretungen.
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Wohl fehlt es nicht an Vereinigungen unter den Stubentimmen, aber sie schaffen doch nur im fleinen den Zusammenhang zwischen ben einzelnen; die sichtbare Bertretung der vorhandenen großen Anzahl. das starte Band, das Leben und Universität umschlingen follte, wird erst die Zukunft schaffen müssen. Da gibt es einen Akademischen Frauenbund", der sogar ein Bureau in der Georgen straße befizt, das sich aber meist verschlossen erweist, ferner eine rührige Akademisch- wissenschaftliche Frauenvereinigung, die 1918 Kenntnissen und Förderung der Geselligkeit nach der Revolution gegründet, Berbreitung von wissenschaftlichen bald im fleineren, bald im größeren kreise der Lindenstraße tagend zum Zwed hat, da besteht die katholische Bereinigung Mechthild", in dem bekannten katholischen Hause in und endlich ruft der StudentinnenSportverein" das frohe Bild sportlich- förperlicher Pflege hervor. Einen„ Bierer" nennt dieser auch dem Rudersport huldigende Ber ein bereits sein eigen; für die Anschaffung eines zweiten Bootes Da Intelligenz und Reichtum sich meist nicht zusammenfinden, wird geworben. Eine gewisse afodemische Form ist diesen Frauen die Mehrzahl ter jungen Damen aus reichem Hause auch bei nor rereinen eigen: unter ihrem Wappenschilde in der Universitätshalle handener Intelligenz die Ball- und Sporterfolge höher als wiffen- findet ein Stehlonvent" statt und die Namensunterschriften find Schaftliche Erkenntnis schäzen dürften, so ist es begreiflich, daß die mit den bekannten studentischen Geheimzeichen versehen. Erfreulich Mehrzahl der Studentinnen ein arbeitsreiches Leben führen muß ist, daß auch sonst Wert auf sportliche liebungen gelegt wird; für Arbeit noch immer ein wichtiger Faktor ist. Die Säße der Gebühren ist damit die Möglichkeit gegeben, etwas Lebensfreude in das strenge in dem etwaiger Berdienit durch Stundengeben oder sonstige geistige die in den bekanntlich langen find zudem hoch etwa 150-300 M. pro Semester große Zahl der Stundungsgesuche gibt den besten Beweis für die Gefchiecht bahnt sich auf sportlichem Gebiet am leichtesten an. Der und die Arbeitsbasein zu bringen. Auch der Berkehr mit dem männlichen Knappheit der Mittel, die den jungen Damen zu Gebote stehen. Daß Inpus des jungen Mädchens, das jeden Abend ausgeht", findet sich unter folchen Umständen die Studentenehe sich in neuerer Zeit ein sicherlich nicht bei den Studentinnen, und die Gelegenheit, im Kolleg gebürgert hat, ist begreiflich: auch bei den oft gereiften Männern, oder Laboratorium Freundschaften zu schließen, wird gerade in die das aus den verschiedensten Gründen früher aufgegebene Stu: Berlin fich nur selten einstellen. Daß die jungen Damen dem Wahl recht, das ihnen gegeben, ffeptisch gegenüberstehen, wird bei den cigenartigen Berhältnisjen, die gerade das Berliner Universitätsleben aufweist, nicht wundernehmen der sogenannte„ nationale" Bug ist mit dem Geiste der Unduldsamkeit bekanntlich eng vereint.
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Wie ist sie?" fragte Frau Strong'nth'arm. ,, Sie ist ein nettes Mädchen. ,, Sie ist älter als du, nicht wahr?" Ja, ich glaube, aber nicht um viel.". Mutter fort. Wahrscheilich wilderte er. Er fah euch beide Tom Cripps war unlängst auf dem Moor," fuhr die dort. Und ist ein Klatschmaul. Schadet es?"
Bar der Bater in dich verliebt, als er dich heiratete?" Anthony legte das Buch nieder, und fragte unvermittelt:
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Die Mutter schaute ihn erstaunt an. Was für eine felt fame Frage! Selbstverständlich war er verliebt, wahnsinnig verliebt. Biele behaupteten, ich sei das hübscheste Mädchen Weshalb fragit du?" von Millborough, die Herrschaften natürlich nicht inbegriffen.
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Ferien zu Hause bleibenden
Wer z. B. in der Bibliothek die jungen Damen beim Studium beobachtet hat, wird ihre von jeder Extravaganz freie einfach prat. tische Kleidung wohlgefällig bemerft haben. Die frohe Jugend ers trägt mit dem Idealismus ihrer Weltanschauung im Herzen gern die Fesseln, die Sparfamfeits- und Arbettszwang auflegt; fie weiß, daß hinter dem Didicht der Examensparagraphen das volle pulsande Leben steht, in dem sie sich alle einen Plaß an der Sonne gu erobern hoffen. An Vorbildern fehlt es nicht; ihnen nachzuahmen ist der große Ansporn bei der Arbeit. Betrübend ist nur, daß noc so manche meibliche Intelligenz in den unteren Schichten unseres Roffes von diesen Bildungsstätten ausgeschlossen bleibt wäre zu wünschen, daß die materielle Kraft der Frauenbewegung, die ia mun das Wichtigste erreicht hat, sich mit diefer Frage be faffen würde. Ein vorurteilsfret geleiteter, den ganzen weiblichen Gelehrtenstand der deutschen Hochschulen umfassender Berein, ber. sich seiner Kraft bemußt, dud) finanzielle Mittel zusammenbringen fönnte, würde so manchen Seufzer aus weiblicher Brust und manche Träne aus Frauenaugen verhüten.
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Berbrannte Ostereier. Aleine Ursachen haben oft große Mirfun gen. Das zeigte sich auch auf dem Wochenmarkt am Kranoldplaz in Neukölln mieder. Infolge Wegwerfens einer brennen den Zigarette brach Feuer aus, wodurch 24 Riften mit Eiern verbrannten. Die Feuerwehr konnte den Brand schnell löschen. Der Schaden beträgt über 1000 Mart.
Die Mutter schüttelte den Kopf. Du bist zu vernünftig, mein Junge. Wirst nie einen Narren aus dir machen lassen, und darauf geht es beim Berliebtsein meist hinaus. Du wirst mit offenen Augen heiraten, und deine Frau fann sich glücklich und bereuen, mas du getan hait. Und das ist's, was einer preisen, denn du wirst nicht einmal heiß und einmal talt sein, Frau das Herz bricht." Sie legte die Arbeit zusammen und erhob sich. Geh nicht zu spät fchlafen," riet fie.„ Es hat feinen Sinn, die Kerze an beiden Enden zu verbrennen." Sie beugte sich über ihn, verharrte einen Augenblick. seinen Kopf zwischen den Händen haltend. Weißt du eigentlich, was für ein schöner Junge du bist?" Damit füßte sie ihn und ging.
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Sie wanderten über das Moor dahin; es war an einem
Statt einer Antwort kam die Gegenfrage: Was nennit Mittwoch nachmittag. Betty befand sich auf dem Weg zu
du ,, wahnsinnig verliebt"?"
Die Mutter lächelte für sich, hielt den fleinen grauen Kopf höher, als sonst.
,, Du weißt schon, was ich meine. Er legte allabendlich einen Weg von zwölf Meilen zurüd, nur um fünf Minuten mit mir plaudern zu können. Und er schwor, er ginge ins Wasser, wenn ich ihn nicht heirate. Auch war er furchtbar eifersüchtig, ich durfte mit feinem Geschöpf in Hosen sprechen. Er schrieb sogar Gedichte an mich; freilich waren sie dummes Zeug. Einmal, als ich auf ihn böje war, verbrannte ich sie." Anthonn schwieg. Die Mutter blickte verstohlen zu ihm empor. Und jählings mußte fie, moran er dachte. Es hält nie an," sprach sie. ,, Bismei'en mill es mir scheinen, als fämen die Menschen ohne Berliebtheit besser aus." plauderte weiter, behielt den Sohn noch immer im Auge. Als Sie der junge Tetteridge zuerst zu uns tam, mar er über beide Dhren verliebt. Aber die Ehe wird feine befonders gute fein. Und auch Led Momoran, Und auch Led Momoran, der Alte. Er vergötterte fie, alle Leute sprachen darüber. Dennoch hinderte ihn das teineswegs, fchon nach drei Jahren Seitensprünge zu machen. Sie dürfte wohl gewünscht haben, daß er an' angs weniger heiß gewesen wäre. Dann hätte sie ihn vielleicht länger warm halten tönnen." Sie lachte. Was am meisten zum Glüc beiträgt und auch om längsten währt, ist die Ehe mit einem Menschen, den man ganz gern hat und mit dem man sich gut berträgt. Und wenn die Frau Ged befißt, oder aber einem auf andere Art helfen kann, so schabet das weiter nichts." Sie hielt im Reden inne, um ihre Nadel einzufädeln. Du hast dich noch nie verliebt. nicht wahr?" fragte sie dann. ,, Nein," entgegnete er. Das stört mich ja gerade. Bielleicht bin ich noch zu jung."
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einem ihrer zahllosen Schüßlinge; einem alten bettlägrigen Arbeiter, der in einer einstigen Hegenhütte am Waldessaum lebte. Er wurde von seiner Entelin, einem schönen, wildent sechzehnjährigen Mädchen betreut.
fragie Betty. Seitdem sie entdeckt hatte, daß sie um zwei ,, Bas werden Sie tun, wenn Sie die Schule verlassen?" Jahre älter jet, nahm sie Anthonn gegenüber eine mütterliche Haltung an, die sie nur während des Unterrichts im Rads fahren abgelegt hatte. Anthony frühzeitige Erfahrungen auf dem Gebiet der Mechanit ermög'ichten ihm, allerlei Repara turen vorzunehmen. In seiner Eigenschaft als Lehrer forderte er völlige Autorität. Da fie ganz von seiner Geschicklichkeit fuchend an ihn zu flammern, bezeigte fic Gehorsam und ein und Flintheit abhängig und häufig genötigt mar, sich hilfebescheidenes Benehmen. Als die Stunden jedoch ein Ende nahmen, fehrte sie zu ihrer alien überlegenen Art urüd. ,, Ste jollten eigentlich schon barüber nachdenken," fügte sie hinzu.
Leider habe ich feit Sir William Coombers Tod niemanden. Ich dachte bereits darüber nach," erwiderte Anthony. ber mir einen guten Rat gibt."
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eshalb fprechen Sie nicht mit meinem Bater?" ,, Daran dachte ich auch," lachic er. ,, Aber es erscheint aufdringlich."
,, Würden Sie gerne in feinem Bureau arbeiten?" fragte Betty nach einer kurzen Bause.
,, Glauben Sie, daß er es erlauben würde?" Anthonys Stimme verriet großen Eifer.
Ich werde es herausfinden."
( Fortsetzung folgt.)