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Donnerstag

9. April 1925

Unterhaltung und Wissen

Paul- Louis Courier .

Zu seinem hundertften Todestag( 10. April).

Bon Hermann Wendel

Die schönste Sandlung, deren ein Mann fäbig ist, befeht im Widerstand gegen die Regierungsgewalt. P.-L. C.

Als nach dem Zwischenspiel der Hundert Tage" Ludwig XVIII. mit Hilfe der europäischen Feudalmächte abermals in Paris faß, schien endgültig die Revolution durch die Restauration nieder­geschlagen zu sein. Trotz alledem ließ sich das Rad der Entwicklung nicht bis zum Jahre 1788 rückwärts drehen. In der reaktionären Rammer verfocht eine fleine, fühne Opposition die Ueberlieferungen der Bastillenstürmer; in dem Frankreich , das ganz von Weihrauch schwaden durchzogen war, wurden zwischen 1817 und 1824 weit mehr als anderthalb Millionen Bände des Spötters Boltaire verfauft, und in dem Schwarm literarischer Freischärler, die den Dorrevolutionären Gewalten in einem munteren Kleinfrieg hart zusetzten, ragte neben dem Poeten Béranger der Prosaist Paul. Louis Courier hervor.

Am 4. Januar 1772 zu Paris geboren, erbte er von seinem Bater den Haß gegen einen hoffärtigen Adel und den Geschmack für flaffische Studien, aber statt sich einer wissenschaftlichen Laufbahn zuzuwenden, trat er 1791 in die Artillerieschule zu Chalons ein, um rund zwei Jahrzehnte unter der Trifolore zu dienen. Aber als Offizier stach Courier gründlich von der Masse seiner ehrgeizigen, zuhmberauschten, federbebuschten Kameraden ab. Während sie fich an den Siegesbulletins der Großen Armee entzündeten, entsüdte er fich an Rabelais und La Fontaine, Montaigne und Bascal, und während der Erdteil von Waffengeflirr und Schlachtenlärm widerhallte, unternahm er es, das Idyll der Idylle, die naive Liebschaft von Daphnis und Chloe in französischer Prosa wiederzuerzahlen"; Goethe rühmte später die glückliche Ber wendung des Altfranzösischen bei der Uebertragung und meinte, daß man nicht leicht eine vollkommenere Ueberseßung in irgend einer Sprache von diesem Buche machen wird". Gewann Courier dem Soldatenleben feinen Geschmad ab, so stellten ihn Schicksal oder Bejehl auch nie an die Brennpunfte der Ereignisse.

Seit 1804 sah man ihn hier und dort bei der Armee in Italien . Aber, armer Artillerieoffizier ohne Artillerie", pflückte er auch in dem grausamen Bandenkrieg Calabriens teine Lorbeeren; am Schmerzlichsten empfand er, daß ihm bei einem Ueberfall durch Guerillas sein homer abhanden tam, gerade als er daran war, ihn auswendig zu fönnen. In feinen forgfältig gefeilten, nach­mals herausgegebenen Briefen schilderte er Szenen aus diesem Kleinfrieg: Strafexpeditionen, Raubzüge, Scharmützel, Erpressungen, Hurerei und Tod mit einer plastischen Energie, daß sich sein Freund Stendhal ihrer nicht hätte zu schämen brauchen, und mit einem perächtlichen Abscheu vor dem Schlächterhandwert, daß fie rechtens aufs Bücherbrett der pazifistisch m Literatur gehören. 1809 nahm er den Abschied und ward volle ds von seinem Beruf angeefcit, als er, wieder in Reih und Gated getreten, gerade zu dem furchtbaren Gemezzel auf der Insel Lobau zurecht fam. Genaues Gegenstüd eines eifenfresserischen Grognards der alten Garde, wirkte dieser Major a. D. auch weiterhin wie ein Antimilitarist, bestritt jogar, die Gaben des Feldherrn sehr gering anschlagend, daß es überhaupt eine Kriegsfunft gebe, und blieb von den Ereignissen der Jahre 1813, 1814 und 1815 vollkommen unberührt. Auf ein Landgut in Der Touraine zurüdgezogen, wollte er in den Mußestunden, die Ader und Weinberg ihm ließen, nur den geliebten Schriftstellern der Griechen und Römer leben.

Aber als fich 1816 ber meiße Schrecken auch auf das Dorf ftirzte, in deffen Gemartung er wohnte, und Gendarmen nachts eine Anzahl friedlicher Einwohner wegen schlechter Gesinnung aus den Betten rissen und fortschleppten, erhob er sich, aus der Stille auf den Markt tretenb, in seiner Petition an die beiden Kammern gegen diese Gewalttat. Da das Gefchehnis von Lunnes nur einen leinen Ausschnitt dessen bildete, mas tagtäglich in ganz Frankreich geschah, wurden Couriers paar Seiten, die mit foviel Geift, Wiz und Eleganz geschrieben waren, von ganz Frank­ reich verschlungen, und bald schwirrten weitere Pfeile von der Sehne: Briefe an den Redakteur des Censeur", Den Herren vom Präfetturrat von Tours ", Einfache Ansprache an die Gemeinderäte Don Bereg", Pamphlet der Pamphlete" und andere Schriften, deren bescheidener Umfang im umgefehrten Berhältnis zu ihrer Treffsicher. heit stand. Ob ihn fortan die Größen der liberalen Partei, wie Lafayette und Manuel. als der ihren einen betrachteten und ihn die bourbonischen Justizbüttel zu Béranger hinter Gitterstäbe ftecten, fam der ewige Steptifer doch nicht ganz aus freien Stücken in diese Front. Noch 1816 hatte er zu feiner Partei geschworen und gefunden, daß fie in gewissen Sinne alle recht hätten; wenn es einmal gelie, fich zu entscheiden, wollte er sich allerdings zur Bariei des Boltes schlagen, zur Partei der Bauern, mie ich einer bin". Daß er sich im Leben wie im Schaffen stets als einfachen Bauern aus der Touraine gab, war teine Maste; dieser gelehrte

Auf der Schwelle des Lebens.

Hellenist, dieser feine Stilist, dieser durchaus attische Geist war wirk­lich aus zäheftem, härtestem Bauernholz gefchnißt, und in seinem politischen Wert fanden die Urtriebe des Barzellenbauern, wie ihn die große Revolution geschaffen. hatte, ihren klassischen Niederschlag. Die foziale Grundtatsache der Revolution, die gewaltige Verschiebung in der Besißverfassung der Landwirtschaft erkannte niemand so scharf mie er." Das Bolt ist seit gestern Eigentümer, trunken nod), ein­-genommen, besessen von seinem Eigentum; nur das hat es im Auge, fräumt von nichts anderem und wirft sich, neu befreit, ganz auf die Arbeit und vergißt den Rest und die Religion. Bersilavt vordem, Arbeit und vergißt den Rest und die Religion. Berstlavt vordem,

Das Pleiteschiff.

Dieses ist die Loebell- Barte, Eine tadellose Marte. Deutschlands befter Mann an Bord ( mensch, bleibt dir die Luft nicht fort?), au- und Wifi ger nicht minder und polll'iche w.delfinder;

TINJE CO

Und dann erst die Lügenfracht- Junge, Junge, welche Pracht! Leider nur, verehrte terrn,

Jit der Typ nicht ganz modern Und erheblich überholt Durch den Panzer Schwarzrofgold".

O. K.

hatte es muße, Gottes Wort besinnlich zu vernehmen und an den Himmel zu denken, der sein Hoffen und Troft war. Jetzt denft es an die Erde, die ihm gehört und es nährt." Dieser Grundstimmung tes befig und arbeitsfanatischen Bauern, der, den Pflug durch seine Scholle treibend, sich um die übrige Belt nicht fümmert, enlfiossen alle Angriffe Couriers auf die bestehenden Mächte. Wenn er in einem biffigen und berühmten Bort sagte, daß der Hof ein tief, sehr tief gelegener Ort, meit unter dem Niveau der Nation", sei, weshalb auch nach einem physikalischen Gesez alles Golb des Landes dort zu sammenströme, schmalte der Bauer, der mit seinem sauer Erworbenen feine Schmaroger mästen mill; wenn er den Abel aufs Korn nahm, der durch Prostituierung seiner Frauen zu Gold und Gunst gelangt sei, wandte er sich gegen den Feudalherrn, dem der Bauer einft ge­zinst und gefront hatte und der eben wieder nach Rückerstattung der Nationalgüter gierte. So entsprang Couriers ganze Staats- und Gesellschaftsauffassung dem anarchistischen Individualismus des Freibauern; sein enges soziales und politisches Ideal hieß: Wohl­stand des Landmannes und Sparsamkeit mit den öffentlichen Geldern. Der die Freiheit aus Instinkt, von Natur" vergötterte, und Republik und Kaiserreich, Bonaparte und Bourbonnen gleich unwillig ablehnte, war gegen jede Autorität." Wissen Sie," schrieb er, ein Land, wo es weder Gendarmen noch Zollratten, weder Bürgermeister noch) Staatsanwälte, weder Streberei noch Gehälter, weder Generale nod) Kommandanten gibt? Wenn Sie ei: folches Land auf der Karte fennen, zeigen Sie es mir und besorgen Sie mir einen Baß!"

Etwas von einem L'art- pour- l'art- Menschen, der mehr auf das Wie als das Was, weniger auf den Zweck als die Form eines Projas itüds sieht, steckte in Courier. Aber da er politischen Flugschriften eine Leuchtkraft verlieh, die die franzöfifche Sprache seit Pascal und La Fontaine eingebüßt hatte, da er die leichte gallische Ironie wieder fand, die das donnernde Pathos des National konvents und Napoleons verscheucht hatte, da sein Esprit nach einem

Beilage des Vorwärts

Wort Heines wie der junge Wein der Touraine im Keller brauste und sprudelte und manchmal übermütig emporzischte, griff gerade durch die Form die Wirkung seiner Bamphlete meit über den Tag hinaus. Seine Volkstümlichkeit, die auch in das vormäi zliche Deutschland hinüberreichte und 1830 und 1848 neuen Antrieb erhielt, wurde fast zum Mythos, da sein gewaltsamer Tod von der Menge dahin gedeutet wurde, daß ihn die cagots", die von ihm am meisten befehdeten Mucker, gemeuchelt hätten. Aber der Befizer von La Chavonnière, der in feiner Ideologie nicht über die Bauernpa zelle hinaustam, war auch im Leben ein geldgieriger und geiziger, prozeßfüchtiger und hartherziger, mäkelnder und mürrijcher Bauer, der seine Frau bis aufs Blut peinigte, sein Gesinde roh behandelte und die in seinem Wald Streu suchenden Armen brutal verjagte. Bethaßt in der ganzen Gegend, wurde er am 10. April 1825 von zweien jeiner Knechte, die auch Liebhaber feiner Frau waren, und einem Feldhüter in einem Gehölz wie ein Wild zur Strecke gebracht. Aber mit der hohen Bolitit hatte das nichts zu tun, sondern war ein Stud schmußiger Kriminalgeschichte.

Deutsche Tiefdrud- Kunft. Im graphischen Gewerbe Deutsche lands find in den lezten Jahren insbesondere auf dem Gebiete des Illustrationswesens durch Anwendung des sogenannten Tiefdrucks außerordentliche Fortschritte erzielt worden. In erster Linie wurde diefes neuartige Druckverfahren für die Tagespreffe nugbar gemacht, da es wie fein anderes ermöglicht, sehr große Auflagen in der bet Tageszeitungen erforderlichen furzen Zeit auf Rotationsmaschinen und verhältnismäßig billig herzustellen. Diesen Vorzügen ist es zuzuschreiben, daß namentlich seit dem vergangenen Jahr, im Zue fammenhang mit unserer Währungsgesundung, eine erstaunlich große Anzahl führender wie auch mittlerer und selbst fleinerer Blatter im ganzen Reich den Lesern wöchentlich einmal oder häu­figer aktuelle illustrierte Tiefdruckbeilagen bieten kann. Kleinere Brovinzzeitungen pflegen solche Bilderbeilagen ganz oder teilweise durch einen besonderen Eildienft aus Berlin zu beziehen, wo sich eine ganze Reihe von Druckerejunternehmen diesem Zweige widmen. Gerade in diesem Jahre fann der Tiefdruck, wenn man auf feine Anfänge zurückgeht, eine Art Jubiläum feiern. Es find 25 Jahre, seitdem der Erfinder Dr. Eduard Mertens in Frei­ burg i. Br. das erste Butent für photochemische Kopierverfahren auf Zylinder erteilt bekam, das den Ausgangspunkt einer damals nicht geahnten außerordentlichen Entwicklung bildete. Wie dem Laien wohl nicht allgemein bekannt, beruht das Tiefdruckverfahren im wesentlichen darauf, daß das zum Drud bestimmte photo­graphische Bild mit Hilfe einer Gelatineschicht und bestimmter Aeg­flüssigkeiten in Kupferwalzen( anstatt der Verwendung von Blatten mote beim langsameren Flachdruck) tief eingeägt wird. Aus den Bertiefungen wird die eingepreßte Druckfarbe dann von dem daran Dorbeigleitenden Papierstreifen gewissermaßen herausgesogen. Um das nötige schnelle Trocknen der Farbe zu erreichen, läuft das Papier über besondere Hetzwalzen. Durch dieses Berfahren wird selbst beim eiligen Tempo der Rotationsmaschine eine ungemein flare und zugleich weich und malerisch wirkende Biedergabe der Photographie erzielt, wie sie bei früheren Drudmethoden bei der. artiger Geschwindigkeit und mit so verhältnismäßig einfachen Mit teln nicht möglich war. Daß sich unter so günstigen Umständen der Tiefdrud ganz besonders in unserer schnellebigen Zeit für die prompte bildliche Berichterstattung über Tagesereignisie eignet, liegt auf der Hand. Aber auch zur Juſtrierung kunstgeschichtlicher, geographischer, ethnographischer Buchwerke usw. iſt der Tiefbrud neuerdings mit bestem Erfolg zur Anwendung gelangt.

3m Kampfe gegen die Grippe. Das englische Gesundheits­ministerium hat folgendes Merkblatt für die Bekämpfung der Grippe herausgegeben:

1. Der Krante foll fofort von den Gesunden getrennt merben. Dies ist bei dem ersten Auftreten der Krankheit in einem Haushalt, ciner Fabrik oder einer Werfftätte besonders wichtig.

2. Bersonen, die von Influenza befallen find, follen sofort bas sich besonders darüber klar fein, baß Rückfälle mit ihren Kompli Bett aufsuchen, sich warm halten und einen Arzt zuziehen; sie sollen tationen besonders gefährlich find.

3. Ausscheidungen von Nase und Mund soll man nicht im Taschentuch eintrocknen laffen, auch nicht im Hause oder in der Wert­fiätte ausstreuen. Der Auswurf ist in Papier oder in reinen Lappen aufzunehmen und zu verbrennen Ist dies nicht möglich, so find Papier oder Lappen mit den Ausscheidungen in ein Gefäß mit Wasser zu legen.

4. Infizierte Gegenstände und Räume find zu reinigen und zu desinfizieren.

5. Insiuenzakrante follen während der ersten zehn Tage nach Krankheitsbeginn unter feinen Umständen an einer Bersammlung teilnehmen, da sie sonst die Strantheit wahrscheinlich auf andere übertragen werden. In schweren Fällen soll der Krante drei Wochen von der Arbeit fernbleiben.

6. In Epidemiezeiten ist der Reinlichkeit und Lüftung in Fa briten und Werkstätten besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Arbeiterschaft wird geraten, warme Kleidung zu tragen und unnötige Erkältungsgefahren zu vermeiden.

Warum bist du denn, Knabe, so finster, so nachdenklich, und| Stöhnen hörft, ihre weiße Hand mit den langen, feinen, schwachen lachst so felten?... Man joll fröhlich sein, voll Lebensluft, und Fingern, Aljojchas Rüden, und wie er mit der Hand die nach vorn vertraulich die flaren Augen dem Leben entgegenöffnen Mit fallende Haarsträhne zurückschiebt, sichst.. 9] einem Lächeln auf dem blühenden Geficht soll man auf der Schwelle Autorisierte Heberfegung von Adele Lampert) des Lebens stehen... Es ist ja so schön!.

Bon Eugen Tschirikou.

( Schluß.)

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In der Kirche stand Banja die ganze Zeit mit finsterm, ernsten Besicht und weinte nicht. Als die Zeit dazu tam füßte er Mama dreimal auf die Stirn und flüfterte ihr etwas unmertlich zu. Nur als man den Sarg mit Mama mit einem Deckel zudeckte und zu zunageln begann, fing Wanja an zu weinen und rief:

Diama, warum bist du gestorben?

Schlimm war die erste Nacht ohne Mutterchen. Der Schlaf mollte nicht zu Wanja fommen Immer schien ihm, daß im Gaal die Nonne lieft, oder die Mama an sein Bettchen kommt, um Banja zu füffen, und die Decke über die Füßchen zu stopfen. Er nicht ein, und reißt dann wieder plößlich die Augen auf. Und mit einemmal wird die Erinnerung wach, daß Mama nicht mehr im Saal ist und daß er morgen früh nicht mehr zu ihr fommt, thr Guten Morgen " zu sagen.. Und so, wie er sich dann erinnert, fteckt er das Geficht ins Kissen und weint:

Mutterchen, warum bist du gestorben?!

Und aus der Ede, oben, blickt wie früher Gottes auge" Banja stüßt sich auf den Ellenbogen, dreht den Kopf nach dem Licht und, Tränen schluckend, fagt er leise vormurfsvoll:

Du liebst mich nicht, oh, oh. Was bist du für einer

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Rasch verfliegt die Zeit der schwarze Bogel des menschlichen Lebens. Er fliegt raftlos Tag und Nacht und trägt den Menschen mit zum bunflen Horizont, wo traurige Wolfen ziehen, ohne Farbe, ohne rätselhafte Tiefe, dunkle, langweilige, grauenhafte Wolfen, mit denen die schwarze Nacht des Nichtseins hereinbricht.

Fortgetragen hat der schwarze Bogel den Bater, fortgetragen die Mutter und Aljoscha.

Mit fünfzehn Jahren liegt das ganze Leben von den Menschen, unb man merkt nicht um nach dem, mas hinter uns geblieben ist..

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Alles vergeht, alles wird vergessen, nur diese wenigen Lebens. tage nie. Nie! Bis in den Tod hinein, ob er nun fern ist, dieser Tod, oder nah... Die eiserne Hand eines Jemand hat diese Tage mit unheilbaren Wunden ins Gedächtnis und Herz geprägt. Zehn Jahre sind vergangen, ganze zehn Jahre!. Aber die Herzenswunden sind nicht geheilt. Nicht geheilt! Oft in später Nacht über dem Buch gebeugt, ganz vertieft ins fremde Leben der vom Dichter erdachten Menschen, unterbricht Wanja das Lesen. Als ob ein Unsichtbarer sein Herz berührt und ihn bittet, sich an etwas zu erinnern... Der langjame Schlag der altertümlichen Uhr, das brennende Lämpchen an der Decke vor dem Heiligenbild, vorsichtige Tritte und leises Flüstern im Nebenzimmer, Lautes Lesen hinter der Wand, schläfriges Kinderlallen, vielleicht habt ihr euch in dem Unsichtbaren verförpert, der das Herz berührt, und worilos jagt: Erinnere dich". Und plötzlich wird Unruhe in der Seele geboren, alles verschwindet, was in ihr der zaubernde Dichter geschaffen. Es verschwindet die schöne Fata- Morgana und an ihrer Stelle stehen diese wenigen Tage des eigenen Lebens auf... Und mit jold grausamen Einzelheiten! Als ob dies nicht vor zehn Jahren, sondern nur vor zehn Tagen gewesen wäre... Warum bringt der dumpfe Schlag der Uhr den Garg, bennende Kerzen, den Leichenwagen mit silbernen Quaften mit sich? Warum rufen Flüstern und vorsichtige Tritte im Nebenzimmer erschreckendes Zu fammenfahren hervor und erfüllen die Seele mit dem Gefühl eines nich: wieder gutzumachenden Unglücks? Warum läßt das schläfrige Lallen eines Kindes ein blaues Zimmer, Zinnsoldaten, ein Gitter. bettchen, ein rotes Lichtchen und das milde Antlig des Heilandes mit der segnenden Hand auferstehen?

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Benn du nur die Augen zumachst, scheint es, als ob du noc) tmnier in derselben Wohnung mit dem dunklen Korridor wohnst. mo es eine Tür mit zerbrochener Klinte gibt, daß du der Mutter

ind qualvoll schmerzen die Wunden des Herzens, die von ciner elsernen Hand geschlagen, und zwei Tränen fallen aufs geöffnete Buch, welches noch eben ein Lachen herporries, ein Lachen der Freude und des Entzückens, das die Seele eines Menschen, in der Seele des andern geweckt hatte..

Heftig springt Wanja auf, schüttelt den Kopf, und geht lange auf und ab im fieinen Zinimer. Und gibt sich den Qualen der Er­innerung an Mania und Ahoscha hin und reißt immer stärfer seine blutende Wunde auf mit dem ungestillien Racheburst.. Und die Flamme der Liebe, entbrannt aus den Funken, die das Buch in die Seele geschleudert, gießt sich zusammen mit der Flamme der Rache, zundet in den heilen Augen des Knaben falte blaue Lichter und hartnädige unheilvolle Gedanken spannen alle Mustein seines Gesichts...

Bon der Wand schauen auf Wanja zwet schwarzgerahmte Borträts herab, und als er den Kopf zu ihnen hebt, ist ihm, als ob auch sie unverwandt und forschend aus ihrem Rahmen tief in seine Augen blicken... Als ob fie erraten, moran dieser finstere Knabe dentt, und schon längst wissen, mas geschehen wird...

Meine Lieben flüstert Wanja, und in seinem Flüstern ist so viel Zärtlichkeit und einsame Sehnsucht, daß die Bilder ausleben: und es ist, als ob auch in ihren Augen schwachher milder Antwort. schein leuchtet...

Die Bilder leben auf...

Ich schmöre!.. Hort ihr?... Ich schwöre!..

Und im Halbdunkel scheint es, als ob Aljoschas gutes Geficht streng, fast hart wird, und der Weutter Geficht die ganze Tiefe des durchlebten Kummers miderspiegelte..

Still fließen die heißen Tränen, und er blickt immer noch auf die schweigenden Bilder, als ob er das Geheimnis ihres eigen Schmeigens erraten wollte Meine Lieben!

Ich schwöre Hort ihr's?...

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Ich schwöre..