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Nr. 115.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel­fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret tn's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. proQuartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Defterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.

Vorwärts

12. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pig. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Volksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Reaktionäre Pläne.

Sonnabend, den 18. Mai 1895.

fordert.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Also zwar Wahl recht für jeden Staatsbürger, aber nicht bas gleiche, nicht das geheime, und als Politische Uebersicht. Die sächsische Regierung hat es sich, um den bösen Korrelat des Wahlrechts die Wahl pflicht. Das ist ein Berlin , 17. Mai. Programmi. Der erste und der dritte Punkt find in Ruf partikularistischer Bockbeinigkeit los zu werden, seit Belgien verwirklicht worden, ohne daß es etwas genügt Spezies bekanntlich auf der rechten Seite ſehr stark ver­Aus dem Reichstage. Unsere Beutepolitiker, welche anderthalb Jahrzehnten zur Aufgabe gemacht, in dem Kampf hätte. Mit Hilfe des zweiten Punktes: der Aufhebung treten ist, befinden sich augenblicklich in einer kleinen gegen die Sozialdemokratie zwar nicht die Führung, aber den Vortritt zu haben, und in diesem Kampf alles zu ver- des Wahlgeheininiffes hoffen die Urheber dieses Programms Kalamität. Jagdvergnügen, Rennplätze und die Vor­suchen, was ohne offenen Gesetzesbruch nur irgend gethan offenbar dessen Erfolg zu sichern. bereitungen zur Sommerreife nehmen ihre ganze Auf­werden kann. Die sächsische Praxis" und die" sächsischen sächsischen Konservativen, die mit der sächsischen Regierung einige Stunden ihr Reichstagsmandat ausüben, da andern­Erwähnt sei hier noch, daß das amtliche Organ der merksamkeit in Anspruch und nun sollen sie auch noch auf Praktiken", anfangs von den Neaktionären der übrigen Water- sächsischen länder mit einem gewissen Befremden angesehen, haben mit thatsächlich eins sind: das" Vaterland" in seiner letzten falls absolut keine Aussicht vorhanden ist, die neuen Liebes­dem wachsenden Verständniß mehr und mehr Anklang ge- den Angriffen auf das allgemeine Wahlrecht strotzenden Nummer, unter Uebernahme eines von beschimpfen- gaben bei der Zucker- und Branntweinsteuer einzuheimsen. funden und bürgern sich allmälig auch in allen anderen Artikels des Berliner Reichsboten" die Erhöhung des sie sich wenigstens der Mühe unterziehen, und die Gesetze Wollen die Herren den Raub einheimsen, dann sollen Bundesstaaten ein. Im jezigen Augenblick nun, wo der Krenzzug für wahlfähigen Alters von 25 auf 30 Jahre persönlich votiren, welche ihnen denselben sichern sollen. Religion, Ordnung und Sitte" mit dem Umsturzgesetz ein Das ist der feste Entschluß der Linken, weshalb so schmähliches Fiasto erlitten hat, und wo die Häuptlinge wir diesen Artikel des Baterlands", als aus gleicher oder slimmung die Beschlußunfähigkeit konstatiren ließ. Es wird In jenem Artikel der Leipziger Zeitung"," zu dem dieselbe gestern auszählen und heute durch namentliche Ab­der Reaktion all ihr Dichten und Trachten darauf richten, den Zweck des Umsturzgesetzes sei es mit sei es ohne doch nah verwandter Quelle, hinzufügen können, haben wir also den Schnaps- und Zuckerbaronen und ihren Schlepp­die eine Hälfte des reaktionären Schlachtplans. Staatsstreich, dem Reichstage zum Trotz zu erreichen, trägern im Zentrum und bei den Nationalliberalen nichts haben zwei Artikel, die jetzt, nach dem Scheitern des Regierung, dem Dresdener Journal", enthüllt. Dieses müssen, wollen sie ihren Zweck erreichen. Die andere ist in dem zweiten Organ der sächsischen übrig bleiben, sie werden am Montag zur Stelle sein den beiden amtlichen Umfturzgesetzes gleichzeitig in Aus der Debatte verdient heute besonders die Rede Organen der sächsischen Regierung erschienen sind, Anspruch Blatt bringt an der Spitze seines nichtamtlichen Theils auf ernste Beachtung. Der erste ist ein Leitartikel der welchem, unter Benutzung der sozialdemokratischen Argumente besonders einen durch zwei Nummern gehenden Leitartikel, in unseres Genossen Schippel hervorgehoben zu werden, der Leipziger Zeitung", betitelt, Gleiches Wahlrecht" für den Normalarbeitstag, die Berechtigung Professor Paasche ganz besonders ins Gericht ging. mit dem nationalliberalen Drahtzieher Er führt mit brutaler Logik aus, daß die Versicherungen des gesetzlichen Arbeitstages, und sogar des Dieser vom einstigen Lintsliberalen zum waschechtesten Agra­der Konservativen, sie seien dem allgemeinen Wahlrecht nicht feind, unehrlich und auf demagogische Motive Achtstundentages ausdrücklich und rück- rier ausgewachsene Professor hat noch vor wenigen Monaten man der Wählerschaft vermeintlich noch be- baltlos anerkannt wird. für die Beseitigung der Zuckerprämien plädirt, während er dürfe) zurückzuführen seien. Daß alle wirt Der Artikel des Dresdener Journals" ergänzt den jetzt einen Gesezentwurf eingebracht hat, in dem verlangt lich Konservativen die" Beseitigung des der Leipziger Zeitung". Beide gehören zusammen und wird, die Konsumsteuer auf Zucker zu erhöhen und aus den allgemeinen Wahlrechtes wünschen, und zeigen den Plan der Reaktion: dadurch erzielten Mehrerträgen den Zuckerfabrikanten bei wünschen müssen, tann für niemand ein Bernichtung des allgemeinen, gleichen der Ausfuhr Prämien zu gewähren. So offenkundig wie Geheimniß sein." Das ultrafonservative Blatt, dem Wahlrechts. in diesem Falle hat sich selten ein angeblicher Vertreter der wir für seine Offenherzigkeit nur Dank zollen können, wendet Wissenschaft in den Dienst der Beutepolitiker gestellt. fich dann gegen die geheime Abstimmung Durch den Köder des Normal- Arbeitstages und ähn­in den Sonst verdient aus der Debatte wohl nur hervorgehoben schon sattsam bekannten Wendungen und hierauf, nach mit ihrer politischen Entrechtung ausgeföhnt werden. Posadowsky , auch heute wieder den Reigen der Agrarier und hierauf, nach licher, arbeiterfreundlichen" Maßregeln sollen die Arbeiter zu werden, daß der Staatssekretär der Reichsfinanzen, Graf einer Empfehlung der Wahlpflicht, gegen das gleiche Wahlrecht. Es ist die alte Politit: Peitsche und Zucker- führte und sich als deren begeisterter Vorkämpfer erwies. brot. Bei der von Richter beantragten namentlichen Ab­ohne die deutschen Arbeiter. Diese wissen, daß jede Sozial geordnete anwesend, das Haus also beschlußunfähig war. Die Herren Reaktionäre machen aber die Rechnung ſtimmung über die Vorlage ergab sich, daß nur 186 Ab­reform, die das Proletariat mit dem Verlust seiner staats- Um den gewohnheitsmäßigen Schwänzern Gelegenheit zu ohne die deutschen Arbeiter. bürgerlichen Rechte und seiner politischen Mündigkeit zu geben, hierher zu kommen, soll die nächste Sizung erst am bezahlen hat, ein werth loses Gut ist, das obendrein Montag stattfinden.- jeden Augenblick zurückgenommen werden Arbeitsprogramm des Reichstags. Durch die fann. Das allgemeine Wahlrecht verstößt Ueberweisung des Nachtragsetats an die Budgetkommission Die deutschen Arbeiter werden sich durch kein Danaer- dürfte sich, wie man in parlamentarischen Kreisen annimmt, gegen die Natur, und deshalb wird es Sie haben im allgemeinen, eine Aenderung des getroffenen Arbeitsplanes dahin als einst fallen, wie alles, was wider die geschenk betrügen lassen. gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht den Hammer, nothwendig erweisen, daß der Schluß der Reichstagstagung Natur ist." mit dem sie ihr Geschick selber schmieden können sie nicht am Mittwoch, sondern erst am Sonnabend 25. Mai, werden sich diesen Hammer nicht entreißen und auch nicht erfolgt.- zerbrechen lassen.

( weil

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Gott hat die Menschen ungleich geschaffen und ungleich werden fie bleiben, so lange die Welt steht. Un­gleich schon durch Geburt, Besitz und natürliche Begabung werden sie auch im Leben, wie der Zukunftsstaat es auch gestalten möge, niemals aufhören, ungleich zu bleiben und immer ungleicher zu werden, durch Glück und Unglück, eigene

Schuld und eigenes Verdienst.

Das ist deutlich, und hinter diesen Worten stehen Menschen, die unter Umständen bereit sind, die Natur zu forrigiren, falls sie nicht schnell genug das verhaßte Wahlrecht beseitigt.

Feuilleton.

Berliner Märztage.

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Drill

Sozialreform."

nieder

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Nachwahl in Köln - Stadt. Nach amtlicher Er. mittelung erhielten bei der Reichstagserfahwahl in Köln­

heftigen Windes, der immer noch durch die Gassen fegte einsamung über dem alten, grauen Gebäude, das dereinst, und von Zeit zu Zeit einen leichten Regenschauer herab- genau vierhundert Jahre vorher, vom Kurfürsten Friedrich führte. Vor dem Schloffe zogen dichte Menschenmassen auf dem Eisernen als eine trogige Bwingburg errichtet worden ( Nachdruck verboten.]| und Bürgersleute, Handwerker und Ar war, um die Selbständigkeit der beiden freien Hanſaſtädte beiter, dazwischen Frauen und Kinder, halberwachsene des wendischen Quartiers", wie das Zwillingspaar Berlin­15 Burschen, Handlungsgehilfen, Studenten. Es schien, Kölln ehemals benamset worden war, zu unterdrücken. als ob alle diese Leute das Schloß des Königs von Preußen Mit scheuer Neugier lugte da und dort ein Augenpaar Cine geschichtliche Erzählung von Michel Deutsch. zum ersten Mal in ihrem Leben sähen, oder als ob da aus den Schloßfenstern, um zu erspähen, ob nicht plötzlich Hier ist der lebendige Mensch durch Druck und drinnen irgend etwas Geheimnißvolles vor sich ginge, der Geist jener fernen Zeit, da die Berliner Bürgerschaft für immer verpfuscht," dachte Hans Hartung bei sich ich das mit ihrem eigenen Schicksal im innigsten Zusammen- kühn, und unverzagt gegen Fürsten und Raubritter das fann es nicht glauben, daß der freie Gedanke hier hang stand, und das sie vergebens zu ergründen sich be- Schwert geführt hatte, an irgend einer Straßenecke auf­bald eine bleibende Stätte findet." mühten. tauchte und in die Menschen da draußen hineinfahre. Und Ferdinand trat eben mit verschmitter Miene aus der Die eckigen Gefichter, der düstre, ernste Blick, die großen, mit verächtlichem Lächeln wandte der feindliche Späher sich Hausthür. Sein Streich war, wie er dem Gesellen er- yarten Hände und der altväterische Schnitt der Kleider, wieder ab vom Fenster: nein, nein, das sind nicht die freien zählte, glänzend gelungen. Frau Muckenich habe schon fennzeichnete die Bevölkerungsschicht, mit der man es der Bürger der Hausa, das ist kraftloser Abschaum, elendes lange nicht so große Augen gemacht, wie eben bei der Mehrzahl nach hier zu thun hatte. Nur vereinzelt tauchte Pack, verhungertes Gefindel.... Ueberreichung des Veilchenstraußes. ein eleganter Geck oder sonst ein jemand aus den besseren Hans Hartung war überrascht von dem, was er sah: " Hast gewiß wieder Deine Faxen gemacht," meinte Kreisen" auf, der sich heftig durch die Menge drängte, als es entging ihm nicht, daß sich hier irgend etwas heimlich, Schnick lachend. ob es ihm inmitten derselben nicht ganz geheuer vorfäme. im duuklen Unbewußten der Boltsseele vollzog und mit der " Jott bewahre," versetzte Ferdinand ernsthaft, een Häufiger als soust sah man Leute im Alltagsrock, oder unfehlbaren Sicherheit des natürlichen Instinkts zum Licht Leichenbitter konnte nich jeseter aussehn." gar in abgeriffenen Kleidern. Die in starker Anzahl auf- emporreifte. Die in starker Anzahl auf- emporreifte. Seine Sinne waren von Paris her geschärft

Sie bogen links um das Kölnische Rathhaus herum und gebotenen Gendarmen, denen die herabgelassenen Schuppen- für Erscheinungen dieser Art was den andern, die mitten schritten nach dem Königsschlosse zu. Ferdinand schien mit fetten ein besonders kriegerisches Aussehen gaben, musterten darin standen, vielleicht noch entging, das sah er bereits in aller Welt bekannt. Jeden Augenblick ertönte es: Morjen, diese Sabbathschänder mit mißtrauischen Blicken. Doch seinem Keimen und Werden. Mit einer gewissen Bewundes Nante!' n Tag, Nante! von irgend einem Rubel seiner fanden sie keinen Anlaß zum Einschreiten, da alles ruhig rung ruhte sein Blick auf dem hübschen blonden Knaben Altersgenossen, die nach den freudlosen Tagen der Woche für ein blieb, bis auf ein lautes Gespräch, das ab und zu ein an seiner Seite, der in richtigem Gefühl das Gleiche er paar Stunden der rauhen Zucht des Lehrmeisters entflohen waren. paar junge Burschen führten, oder das hohle, höhnische kannt hatte. Nicht wenig stolz schritt Nante neben seinem zukünftigen Lachen, das aus einer hungrigen Kehle drang. An der Schloßbrücke stauten sich die Menschen: eine Schwager einher, dessen stattliche Erscheinung die Köpfe der Die Durchgänge durch das Schloß standen offen, doch königliche Equipage, in der zwei Generäle in Uniform saßen, meisten Passanten überragte. wurden sie weit weniger benutzt als an anderen Tagen. fuhr nach dem Schlofse. Wenn Ihr wüßtet, wer dieser da ist!" dachte er, Es war, als ob unbewußt eine Scheidung sich vollzöge Der Prinz von Preußen", rief jemand aus der Menge. während er seinen Freunden von oben herab zunickte. Und zwischen den Menschen, die das Schloß bewohnten, Kein Gruß, fein Hurrahruf ertönte nur hier und dann musterte er Hans von der Seite, als ob er beinahe und den Massen da draußen vor demselben. Eine da zog ein chrbarer Bürgersmann seine Mütze. Der Prinz daran zweifelte, daß es wirklich ein Pariser Barrikaden - starke Abtheilung Soldaten war Abtheilung Soldaten war im Schloßhofe auf von Preußen, der kommandirende General des Garde= tämpfer war, der neben ihm einherschritt. gestellt, die Posten waren überall verdoppelt und Korps, hatte wenig Freunde in der Bevölkerung. Man Die Breite Straße war merkwürdig belebt, trotz des mit scharfen Patronen versehen. Es lag wie Verliebte diesen Mann des militärischen Gesichtspunktes"

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