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Nr. 178 42. Jahrg. Ausgabe A fr. 92

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Donnerstag, den 16. April 1925

Für den Kandidaten der Republik  !

Ein Aufruf der Gewerkschaften.

Die Wahl des Reichspräsidenten macht ein flares, eindeutiges| Berfaffung nach ihren Wünschen umzugeftalten, einmütigen Wider­Bekenntnis zum fozialen und demokratischen Bolfsstaat erforderlich. ftand entgegenfehen müffen. Die Gewerkschaften haben sich bei mehr als einer Gelegenheit in den letzten trifenreichen Jahren Monarchie oder Republik  ? als Verteidiger der Republit, als Hüter der Ein­Absolutistischer Obrigkeitsstaat oder Volksherrschaft? heit des Reiches, als mächtige und zielbewußte Schüber der Demokratie bewährt. Sie dürfen auch in dieser entschei­Militarismus oder Völkerverföhnung? denden Stunde nicht verjagen. Die demokratischen Einrichtungen der deutschen Republik find die Grundlagen einer befferen Zukunft für das arbeitende Bolt, an ihnen darf nicht gerüttelt werden.

das find die Fragen, die das merkfötige Bolf am 26. April zu enf­fcheiden hat.

.

Die Mitglieder der Gewerkschaften werden nicht dulden, daß an die Spitze des Reiches ein Repräsentant jener Parteien fritt, die ausschließlich Unternehmerintereffen vertreten und ihre Machtstellung im wirtschaftlichen und polifischen Leben zu verstärken trachten. Die Gewerkschaften rufen deshalb ihre Mitglieder auf, fich gefchloffen für

Der sogenannte Reichsblod, der vom Reichslandbund und vom Reichsverband der Deutschen Industrie  gefragen wird, ist für die furchtbare Not und das große Elend der Inflationsjahre verantwortlich. Er hat die Aussichts­lofigkeit feines ersten Kandidaten Jarres erkannt. Es ließen sich mit seiner Kandidatur teine parteipolitischen Geschäfte machen. So ist der Reichsblod auf den überschlauen Gedanken verfallen, Sindenburg als kandidaten aufzustellen, einen Mann, den Kandidaten der republikanischen Parteien einzusehen. der in richtiger Selbsterfenatnis bisher nic den Anspruch erhoben hat, eine politische Rolle zu spielen, einen Manu, deffen ehrwürdiges Alfer ihn davor schützen sollte, ein Opfer der Ratlosigkeit angeblich nationaler Parteien zu werden.

Diese Spefulation auf den Jamen. Hindenburg   dient nur dem 3wed, hinter einer fáeinbar überparteilichen Kandidatur zu ver­bergen, was der Reichsblock beabsichtigt:

Die Borherrschaft der wirtschaftlichen und politischen Reaffionäre,

die diese Schiebung suftaude gebracht haben, die Feftigung ihres unfontrolierbaren Einfluffes auf die Führung der Reichsgeschäfte Denn darüber faun fein 3meifel bestehen, daß Hindenburg  nur dem Namen nach Präsident des Reiches sein soll. In Wahrheit wäre die Führung des Reiches den geschworenen Gegnern feiner Berfaffung überantwortet, die jede sich ihnen bietende Ge­legenheit benutzen würden, an Stelle der demokratischen Republif das alte Herrschaftsfystem wieder aufzurichten und die Rechte der Arbeitnehmer zu beseitigen, die in mühevollen Kämpfen den Feinden ihres Aufstiegs abgerungen wurden.

Für die Gegner der Republik   ist gerade Hindenburg der ge­eignete Mann. Schon während des Krieges hat er sich von C uden­dorff, Tirpik und den übrigen Kriegsverlängerern dazu miß­brauchen laffen, alle Maßnahmen mit feinem Namen zu deden, durch die das deutsche Bolt in das tiefste Elend gestürzt wurde:

In diesem Kampf fann es für die in den Gewerkschaften zu­fammengefchloffenen Arbeitnehmer feinen Zweifel geben, daß fie dem dreisten Verfuch des Reichsblods und feiner Mitläufer, sich der Führung der Republif zu bemächtigen und auf Schleichwegen die

Es lebe die Republik  !

Marg in Stettin  .

Wilhelm Marx  ,

Arbeiter, Angestellte, Beamte!

Ihr habt die Macht, die Pläne der Reaktion zum Scheitern zu bringen!

Denti an den Weltkrieg und seine entschlichen Folgen! Denkt an die Millionen von Toten, Krüppelu, Witmen und Waisen! Denti an die finnlose Zerstörung von Kultur und Wohl­

stand!

Wieviele diefer Opfer wären den Bölfera erspart geblieben. wenn fie fich rechtzeitig von dem verhängnisvollen Einfluß der Militariffen freigemacht hätten.

Im Kampfe gegen den Imperialismus,

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin   SW. 68, Lindenste.3

Boftschecktonto: Berlin   37536- Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstraße 3

Painlevés Kabinett.

Caillaur Finanzminister?

Paris  , 15. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Painlené hat in Laufe des Mittwoch zahlreiche Unterredungen mit Führern der vier Parteien des Linksblods gehabt und daraufhin am Nachmittag den uftrag zur Bildung des Kabinetts angenommen. Da der Nationalrat der sozialistischen   Partei die Beteiligung an einem bür­gerlichen Ministerium endgültig abgelehnt hat, wird sich das neue Kabinett in gleicher Weise wie das kabinett Herriot aus Politikern der drei bürgerlichen Gruppen des Kartells zusammensetzen. Trotz der ablehnenden Haltung, die Herriot am Dienstag eingenommen hat, glaubt man in parlamentarischen Kreisen Grund zu der An­nahme zu haben, daß er doch noch das Auswärtige Amt übernehmen wird. Für das Gerücht, daß Painlevé die Absicht habe, Caillaug als Finanzminister in das Kabinett aufzunehmen, war bis Mittwoch abend eine Bestätigung nicht zu erlangen. Tatsache ist jedoch, daß Caillaug von Painlevé für Mittwoch abend zu einer Unterredung gebeten worden ist.

Die vom Nationalrat der sozialistischen   Partei am Mittwoch auf Antrag des Genossen Marquet einstimmig ange­nommene Entschließung hat folgenden Wortlaut: Der Nationalrat der sozialistischen   Partei billigt die Durchführung, welche die Be­schlüsse der Partei durch den Borstand unserer Parlamentsfraktion erfahren haben. Durchdrungen von dem außergewöhnlichen Ernst der augenblidlichen politischen und finanziellen Lage ist der Kongres der Auffassung, daß das Aftionsprogramm, das die Partei nach den Wahlen vom 11. Mai beschlossen hat, in Kraft bleiben muß und daß demgemäß die politik der Unterstützung jeder Regierung gegenüber fortzusehen die Pflicht hat, welche die von der Partei seit zehn Monaten aufrichtig geforderte Politik weiterzuführen ent­fchloffen ist. Der Kongreß beauftragt die Parlamentsfraktion und Den Borfland, in engfter Fühlungnahme mit dem französischen   Ge­merkichatsbund die politliche Entwicklung wachsam zu verfolgen und gemäß den Beschläffen des Parteitages vom Juni 1924 im Jnter­wartung des Zusammentritis eines neuen Bartellages." Der Nationairat beauftragte eine Sommission, zusammengefeht aus den Genossen Baut Faure  , Leon Blum  , Renaudel, Auriol, Brade und

gegen die Borherrschaft des Unternehmertums und seiner poli- elle der Partei der Arbeiterklasse und des Landes zu handeln in Er­

fischen Hilfstruppen,

im Kampfe für die politische und wirtschaftliche Freiheit ist es eine Pflicht der Selbsterhaltung aller Gewerkschafter,

am 26. April

gegen Hindenburg   für Wilhelm Marx  

zu ffimmen.

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund  . Graßmann.

Allgemeiner freier Angestelltenbund. Aufhäuser.

Stähr.

Allgemeiner Deutscher Beamtenbund. Faltenberg. Kozur.

öffentlichen Aemtern unabhängig von dem religiösen Bekenntnis ist. Gerade diese Berfassungsbestimmungen müffen mit peinlichster Sorgfalt gewahrt werden, fie entsprechen dem von mir stets verfoch­Grundsaße der bürgerlichen Toleranz. Ihre Inne Stettin  , 15. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Präsidenthaltung in der Borauslegung für das friedliche Nebeneinanderleben fchaftsfandibat ber republifanischen Parteien Marg traf am der Konfeffionen in unserem Vaterlande, das nicht durch die Ent. Mittwoch, abends furz nach 7 Uhr, von Königsberg   kommend, hier fejfelung foufessioneller Leidenschaften gestort werden darf. Das jedem ein. Auf dem Bahnhof hatten sich die Bertreter der preußischen Be- Deutschen in der Berfaffung ebenfalls verbriefte Recht der freien hörden, der Gewerkschaften und des Reichsbanners zum Empfang Meinungsäußerung wird dadurch nicht im geringften be eingefunden. Bor dem Stationsgebäude, wo Tausende von einträchtigt, es gilt auch in Fragen der Religion. Wie sich der Menschen und Reichsbannerleuten Aufstellung genommen hatten, einzelne auch zu diesen lezten und tiefsten Fragen stellen mag, in wurde Marg ähnlich wie in Königsberg   ein begeisterter Empfang dem einen Wunſche sollten wir uns alle finden, daß die positiven zuteil. Die Rundgebungen wurden auf dem Wege zur Turnhalle, religiöfen Krafte in unserem Bolte auch nutzbar gemacht werben für mo die eigentliche offizielle Feier vorgesehen war, fortgefeßt. Hier den Wiederaufbau unferes Baterlandes. erwarteten wiederum Tausende von Republikanern den gemein­jamen Kandidaten der republikanischen Parteien. Marr dankte der begeisterten Menge in furzen Worten und forderte sie dann zu einem hoch auf die Republit auf. Neben der offiziellen Rundgebung mußte er u. a. noch in mehreren Parallelversamm lungen sprechen. In der Hauptveranstaltung äußerte er u. a.:

Der Gedanke, die in der Weimarer Verfassung für das Deutsche Reich festgelegte Staatsform mit Gewalt zu ändern, ist so ab: surd, daß er heute selbst von folchen fallen gelaffen wird, die lange Zeit mehr oder weniger ernsthaft mit ihm gespielt haben. Wir follten Gott danken, daß nach dem militärischen Zusammenbruch im Herbst des Jahres 1918 nicht das Chaos über uns hereingebrochen ist und daß es gelang, in Weimar   eine staatliche Ordnung neu zu begründen. An dieser Ordnung müssen mir festhalten, wenn wir unser Land und unser Bolf vor neuen schweren Erschütterungen bewahren wollen. Bir müssen uns aber auch peinlich hüten, diese Ordnung in den Augen des deutschen   Volkes und des Auslandes ais minderwertig herabzusehen. Die Loderung der Moral im privaten wie im öffentlichen Leben ist tief zu beflagen. Sie ist eine der traurigen Folgen des unglüdjeligen Krieges, an deren Beseitigung wir alle ebenso mitarbeiten müssen, wie an dem wirtschaftlichen Wiederaufbau deffen, was durch den Krieg zerstört wurde. Ich halte es für eine Ehrenpflicht aller Bekenntniffe, hier mit gutem Beispiel voranzugehen. Mit der Kritik allein ist es nicht getan.

Die Weimarer   Berfaffung gewährleistet allen Be­wohnern des Reiches polle Glaubens: und Gewissensfreiheit und die ungeftörte Religionsübung; fie bestimmt ferner, daß der Geng Bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte fomie die Zulaffung zu

Wichtige Beratungen in Wien  .

Wien  , 15. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Parteiführer find telegraphisch nach Wien   zu einer Sigung des Hauptausschusses be­rufen worden. Der Hauptausschuß will sofort alle noch erforderlichen Maßnahmen durchführen, damit der Vertreter Desterreichs beim Bölferbund erflären kann, daß Desterreich alle im auferlegten Ber­pflichtungen restlos erfüllt hat und infolgedeffen die wirtschaftliche und finanzielle Selbständigkeit Desterreichs wieder hergestellt werden soll.

Die belgische Regierungsbildung. Vandervelde verhandelt mit den Parteiführern. Brüssel   15. April( Eigener Drahtbericht.) Bandervelde hatte im Laufe des Mittwoch Besprechungen mit dem Führer der flämisch katholischen Demokraten, dem Antwerpener   Bürgermeister van Gauvelaert, und dem liberalen flämischen Demokraten, dem früheren Kolonialminifter Frand, ohne ihnen jedoch einen Minister posten anzubieten. Beide erklärten, sich erft mit ihrer Parteigruppe beraten zu wollen. Ferner hatte Bandervelbe eine Aussprache mit dem liberalen Justizminister Masson und dem christlichen Arbeits­minister Tschoffen. Bie zu erwarten war, gestalteten sich diese Ver­handlungen Banderveldes mit den führenden bürgerlichen, Politikern ziemlich schwierig. Sie werden aber fortgesezt merden.

Barenne, eine an das Land zu richtende Erklärung zu entwerfen.

Für den Präsidenten der Deputiertentammer Paul Painlevé   bedeutet es tein leichtes Opfer, seinen gesicherten Bosten gegen das Amt des Ministerpräsidenten einzutauschen, das in der gegenwärtigen Situation mehr eine Bürde als eine Würde ist, und obendrein eine sehr unsichere. Denn durch die Tatsache der Neubildung des Kabinetts wird die andere Tat­jache des Konflittes zwischen Senatsmehrheit und Kam­mermehrheit nicht beseitigt. Es ist daher erklärlich, daß Bain­levé zunächst das Angebot Doumergues, die neue Regierung zu bilden, fategorisch abgelehnt hatte. Wenn er sich jetzt, zumal nach dem Mißerfolg Briands, von seinen Freunden hat breit­schlagen laffen, den abermals an ihn gerichteten Auftrag doch anzunehmen, so dürfte der Grund dafür darin liegen, daß er mie faum ein anderer in der Lage ist, die Politik des Kartells der Linken, also die Politit Herriots fortzusehen und dabei trotzdem die widerstrebende Mehrheit des Senats zu besänftigen. Wie lange ihm dies gelingen wird, ist aber eine andere Frage, deren Beantwortung weniger von der Pro­grammerklärung als von den Namen abhängt, die auf seiner Ministerliste stehen werden. Wenn z. B. Briand  , wie all­gemein erwartet wird, ein Ministeramt, vielleicht sogar das wichtige Ressort des Außenministeriums übernimmt, so würde dies auf gewisse schwankende Elemente des Senats zunächſt einen gewissen Eindrud machen. Außerdem bedeutet der Ab­gang Herriots vom Ministerpräsidentenposten jedenfalls eine Entspannung in diesem Konflikt zwischen Senat und Kammer.

Andererseits hängt die Wirkung der Painlevéschen Kabi­nettsbildung auf die Gesamtlage in erster Linie davon ab, ob sich die Gerüchte bestätigen, monach Caillaug das Finanz­ministerium angetragen werden soll. Zur Stunde, in der diefe Beilen geschrieben werden, ist das Ergebnis der Unterredung, zu der Painlevé Caillaur gebeten hat, in Berlin   noch nicht be= fannt. Daß der neue Ministerpräsident auf diese Mitarbeit fein eigenes Dienstauto nach dem etwa 200 Kilometer von einen ganz besonderen Wert legt, geht daraus hervor, daß er Baris entfernt liegenden Städtchen Mamers  , dem ständigen Wohnsiz Caillaur in seiner Berbannungszeit, entsandt hat, damit dieser noch am Mittwochabend in Baris eintreffen fonnte. Dank seiner außerordentlichen finanziellen Fähigkeiten gilt Caillaur allgemein als der einzige Retter in der Not. Auch er würde allerdings Rettung nur mit solchen radikal- demokra­tischen Mitteln bringen können, gegen die sich die Senatsmehr­heit gefträubt und deretwegen sie Herriot   gestürzt hat. Ueber­haupt würde die Berufung des von der Reaktion am meisten gehaßten Mannes auf die Rechte wie eine Brovokation wirken, zumal es noch immer sehr viele Franzosen gibt, die überzeugt sind, daß Caillaug sein Land während des Krieges an Deutschland   verraten hat. Indessen ist der gleiche irrsinnige Vorwurf von den Faschisten um Léon Daudet   auch gegen Painlevé   im Jahre 1917 erhoben worden, weil er eine fiegreich eingeleitete Offensive in der Champagne infolge alar mierender Nachrichten über hohe Berliste vorzeitig gestoppt