8t. 186» 42. Jahrgang
2. Heilage öes VorWärts
DiensNg, 21. Ttyrü 1625
Wer soll Retter sein! Don Hermann M ü l l e r- Franken. An den Plakatsäulen klebt ein Bild Hindenburgs. Es ist keine Neuaufnahme. Der Loebell-Ausschuß hat vorsichtiger- weise ein älteres Bild gewählt, weil der 78jährlge Greis aus älteren Bildern jünger aussieht. Dieses kleine Kunststück ist begreiflich. Neben dem Bilde steht als einziger Text:„Der Retter". Loebell meint den Retter aus der Zwietracht. Näm- lich aus der Zwietracht des Loebell-Ausschusses. Unbestritten ist, dag in diesem Ausschuß sehr gewichtige Stimmen die stärksten Bedenken gegen die Kandidatur des unpolitischen, zur Ruhe gesetzten alten Soldaten bis zuletzt geltend gemacht haben. Daß die Kandidatur Hindenburgs keine überparteiliche sein konnte, sondern die Zwietracht ver- stärken mußte, weil sie zur schärfften Kampskandidatur gegen die verfassungstreuen Parteien werden mußte, das wissen die Loebeller selbstverständlich, es hinderte sie aber nicht, heuch- lerifch so zu tun, als ob in Deutschland nach dem Kriegsver- tust ein ausgesprochener Anhänger des monarchistischen Systems, der Kandidat aller Deutschen werden könnte. Retter Deutschlands kann nur der sein, der aus dem Boden der Tatsachen steht. Tatsache ist, daß Deutschland seit dem militärischen Zusammenbruch, dem im November 1918 durchaus nicht zufällig zunächst in Kiel , dann in München und dann erst in Berlin die Revolution folgte, im Rahmen der europäischen Bölkerfamilie nur als Republik leben kann. An die Spitze einer Republik werden aber nur die einen ausge- sprochenen Monarchisten stellen wollen, die sie nicht retten, sondern zugrunde richten wollen. Wer die deutsche Republik zugrunde richtet, der richtet die deutsche Wirtschaft zu- gründe, der zerstört die Einheit des deutschen Volkes, also gerade das, was die drei Verfassungsparteien seit 1918 von dem Bismarckschen Reiche noch gerettet haben. Es ist kein Zufall, daß in Frankreich die um Poincar6 und Millerand, daß in Polen die nationonalistischen Heißsporne eine unbändige Freude über die Kandidatur Hindenburg empfinden und in- brünstig beten, daß er siegen möchte. Wer Deutschland retten will, kann nicht für Hindenburg , sondern muß für Wilhelm Marx stimmen. Die Rettung Deutschlands kann nicht auf militärischem Wege, sondern nur auf dem Wege erfolgen, den Marx in London erfolgreich beschritten hat. Deutschland unterlag 1918 einer Welt von Feinden, die die Politik Wilhelm Tl. und des Tirpitz chm auf den Hals gehetzt hatte. Im Oktober 1918 wurde Deutschland von allen seinen Bundesgenossen verlassen, weil die deutsche Politik durch die Schuld des Großen Hauptquartiers nicht rechtzeitig den Weg zu einem Lerständigungsfrieden gefunden hatte Dann wurde Deutsch land durch das Diktat von Versailles entwaffnet. Die mili- tärischer Klauseln des Deriailler Vertrages sind so hart, daß Deutschland durch eine Militärperson nicht gerettet werden kann. Gerettet werden kann Deutschland nur durch eine kluge Politik, der die Welt glaubt, daß Deutschland nicht die Absicht hat. der militärische Störenfried Europas zu werden. An die Spitze Deutschlands gehört deshalb k e i n S o l d a t, s o n d e r n ein Politiker. Hindenburg ist aber nach eigenem Ge- ständnis fein Politiker. Er beherrscht nicht einmal das poli- tische Alphabet nicht gelernt hat. der wird es bis zu seinem 85. auch nicht lernen Deshalb ist es am 26. April Aufgabe der Wählerinnen und Wähler, das Deutsche Reich vor der Reichspräsidentschaft eines Hindenburg zu retten. Das Amt des Reichspräsidenten ist keine Sinekure. Darauf haben gerade die Rechtsparteien fo oft hingewiesen. Sic sagten, daß dem vom Volke gewählten Reichspräsidenten gegenüber dem Parlament nach dem Sinne der Verfassung eine stärkere Stelle eingeräumt sei, als sie z. B. der Präsident der französischen Republik habe. Hingegen haben wir betont. daß grundsätzlich auch in Deutschland die Schwerkraft der Politik im Parlament liege. Trotzdem kann nicht geleugnet werden, daß in Deutschland , und zwar als Folge der politischen und konfessionellen Zerrissenheit und des darauf gegründeten Viclparteiensystems der Reichspräsident den Parteien und dem Parlament gegenüber eine stärkere Stellung hat als in Eng- land der Köing. Soll ich daran erinnern, wie oft der erste Reichspräsident, unser unvergeßlicher Ebert, während der letzten 7 Jahre in kritischen Tagen deutscher Geschichte sein Geschick in der Be- Handlung politischer Probleme und Personen zu bewähren hatte. Wie soll dieser Aufgabe ein unpolitischer, 78iähriger bereits zweimal verabschiedeter Soldat gewachsen sein, der in der Politik weder die Probleme noch die Personen kennt? Würde Hindenburg bei bestem Willen und löblichster Absicht nicht ein Spielball jener politischen Drahtzieher werden, die vom ihm die Zustimmung zu seiner Kandidatur erpreßt haben. nachdem sie treulos ohne Beispiel ihren„teutschesten" Iarres in die Wüste gejagt hatten? Die größte Gefahr Hindniburgs ist nicht der Kandidat, sondern seine Umgebung, die nicht un- politisch ist. Schon während des Krieges wurde Hindenburg von seiner Umgebung als Firmenschild benutzt für die Gewalt» Politik gegen Belgien , gegen Nordfrankreich, gegen Polen , ebenso wie für die Verweigerung des allgemeinen gleichen direkten und geheimen Wahlrechts an die Schützengraben- kämpfer. Die Wahl HIndenburgs müßte, weil der greise Marschall der Politik gänzlich fernsteht, zu einer unverant- wortlichen N e o e n re g i e r u n g führen, für die in der Weimarer Verfassung kein Platz ist und die geradezu neue .Krisenherde schaffen würde. Am wenigsten kann die deutsche Wirtschaft solche Krisen brauchen. Wer die deutsche Wirtschaft in eine bessere Zukunft retten will, der muß dem deutschen Volke auf dem Boden staatebürgerlicher Freiheit eine stete Entwicklung gewährleisten. Das ist aber eine Ausgabe, der der alte Hindenburg in keiner Weise gewachsen ist. Der Reichspräsident hat serner nach der Verfassung die in Berlin beglaubigten Botschafter und Gesandten der fremden Mächte zu empfangen. Das ist keine reine Formsache. Nach seinem eigenen Geständnis ist Hindenburg ganz u n- diplomatisch veranlagt. Wer traut ihm zu. daß er diplomatische Gespräche über außenpolitische Fragen führen kann? Hindenburg lebt ganz im Dorstellungskreise einer un- wiederbringlich verlorenen Vergangenheit. Im Kriege sah er ganz falsch in England den Urheber des Krieges. Er gehört nämlich zu den seltenen Leuten, die Tirpitz etwas glauben. Deshalb predigte er Haß gegen England. Er gab hierzu Aeußerungen von sich, die an politischer Taktlosigkeit nur von Dtnigen Randbemerkungen des Deserteurs von Doorn über-
treffen werden. Hindenburg verlangte den unbeschränkten U-Bootkrieg und provozierte so die Dereinigten Staaten von Amerika zum Kriege gegen Deutschland . Kein Wunder, daß der frühere amerikanische Botschafter in Berlin , Houghton, einfach entsetzt war, als er, der große Deutschenfreund, von der Kandidatur Hindenburgs hörte. Oder glaubt jemand, daß Hindenburg die lehten 7 Jahre der Muße benutzt habe, um etwas aus der Geschichte zu lernen? Wer das glaubt, der zahle einen Taler in die Wahlkasse des Herrn Laverrenz. Den außenpolitischen An- forderungen, die an den Reichspräsidenten gestellt werden, wäre Hindenburg nicht einmal physisch gewachsen. Wer es also gut meint mit Hindenburg , muß ihn davor bewahren, der .Retter" Deutschlands zu werden. Zu dem Vertreter der schwerindustriellen TU. hat Tirpitz nach der Aufstellung Hindenburgs gesagt, daß diese Kandidatur dem elementaren Drange des deutschen Volkes nach Führung entspreche. Armes deurfches Volk, daß keinen anderen Führer fände, als einen 78jährigen Greis, dem die Politik ein Buch
mit sieben Siegelst istl Wer sichren will, muß den Weg kennen. Hindenburg betrachtet sich aber heute noch als den treuen Untertan des Mannes, der das deutsche Volk in namenloses Unglück geführt hat. Werr kann im Ernst annehmen, daß nun Hindenburg der Mam» sei, der o h n e W i l h e l m das deutsche Volk herrlichen Zeiten entgegenführen würde? Retter Deutschlands kann vielmehr in Wahrheit nur der werden, dem der Schwur auf die Reichsvers afsung nicht Lippen- bekenntnis, sondern Herzcnsbekenntnis ist. Retter Deutsch- lands kann mir der werden, der auf dem in London beschritte- nen Wege die Befriedung der Welt durch aufrichtige deutsche Mitarbeit sichern will, und so zunächst Köln und das gesamte besetzte Gebiet von fremden Druck befreien wird. Retter Deutschlands kann nur der werden, der in Freiheit und Völker- Verständigung das Hell der Menschheit sieht. Solchen Grund- sätzen huldigt unter den drei Kandidaten des zweiten Wahl- ganges aber nur Wilhelm Marx . Deshalb gibt jeder frei- heitlich« und friedliebende Deutsche , Mann und Frau, die Stimme am 26. April nur Wilhelm Marx .
In den schweren Hiingerjahren, die Deutschland durchlebt hat. sehnte sich das ganze Volt lebhaft zurück nach den Fleischtöpfen der Vorkriegszeit. Es bewahrheitete sich die alte Erfahrung, daß ein kleines Usbel gegenüber dem größeren noch als Glück empsunden wird; denn in Wirklichkeit war schon damals(im Vergleich zu früheren Iahren) ein gewisser Notstand in der Fleischversorgung zu verzeichnen. So ergab z. B. die Viehzählung von 1912 gegenüber der von 1967 einen wesentlichen Rückgang des Viehbestandes, der um so schwerer ins Gewicht fiel, als die Bevölkerung sich inzwischen nicht unbeträchtlich vermehrt hatte. Das Bild sah so aus: Viehbestände 1907 1912 Proz. Rindvieh... 20 630 544 20158 738— 2.3 Schweine... 22 146 533 21885 073— 1,2 Schafe.... 7 703 710 5 787 848— 24,9 Ziegen.... 3 533 970 3 388 971— 4,2 Zu diesem ohnehin aus die Fleischversorgung höchst ungünstig wirkenden Rückgang der Viehbestände wa- es der eigennützigen Agrarpolitik gelungen, die a u s l ä n d i s ch e F l e i s ch z ll f u h r, wie eine dänische Zeitschrift sich ausdrückte,„total abzuwürgen". Die Folgen beider Tatjachen äußerten sich sehr bald in der vom Agrariertum gewünschten Weise: die Viehpreise wurden höher und höher. Sie stiegen von 129 M. für den Doppelzentner im Jahr« 1903 auf 166,2 M. im Jahre 1912. Noch damaligen Begriffen eine unerträgliche Preissteigerung. Sie wirkte sich natür. lich auch im Kleinhandelspreis in voller Schwere aus. Aber alle Forderungen nach Verbilligung des Fleisches durch Freigabe oder Erleichterung der Einfuhr lehnte die Regierung zunächst ab. Einfuhr von Vieh und Fleisch bedeute große Gefahren für Deüischland, weil dadurch verheerend« Seuchen eingeschleppt würden. Das war freilich übles Geflunker-, so oder ähnlich hatten die Agrarier seit je ihre Preistreiberei und habsüchtige Wirtlchasts« politit begründet. Die sozialdemokratische Fraktion forderte daher die sofortige Einberufung des Reichstags. Die deutschen Städte er- hoben durch den Vorstand des Siädteiages Protest gegen die Re- gierung. Endlich mußte die Regierung im September 1912 nach- geben und„im Wege besonderer Genehmigung" die Einiuhr frischen Fleisches zulassen. Und siehe da, nun mußte die amtlich- Fleisch- beschau, sehr zum Leid der Viehzüchter, feststellen und verkünden, daß keine Seuchengesahr vorbanden sei. Im Gegenteil war das ausländische, besonders von Rußland aus dem Gebiet des heutigen Polens eingeführte Fleisch von tadelloser Beschaffenheit. Seit Iahren nun sind die Fleischernährungsverhältnisse in Deutschland weit ungünstiger als die schon ungünstigen der letzten Jahre vor Kriegsbeginn. Nach amtlichen statistischen Angaben war der deutsche Viehbestand am 1. Dezember 1924 aus den Kopf der Bevölkerung gerechnet bei Rindvieh um 12,8, und bei Schweinen sogar um 30,6 Prozent geringer als am 1. Dezember 1913. Nur bei Schafen war eine belanglose Erhöhung von 98 Prozent zu verzeichnen. Infolgedessen ist der F l e i s ch v e r b r a uch noch immer nickt so hoch wie in den Fleischnotsahren vor dem Steiege. Auf den Kops der Bevölkerung entfielen im Jahre 1913 noch 49,5 Kilogramm Fleischnahrung, 1923 ober nur 26,9 Kilogramm. Erst im Jahre 1924 erhöhte sich der Fleischverbratich wieder aus 42 Kilogramm pro Kopf der Bevölkerung. Damit ist aber noch immer nicht die Höhe der Notzeit von 1912/13 erreicht. Ein bedenk- licher Zustand! Er kann folgenschwere Gefahren für Gesundheit itnd Arbeitskraft des deutschen Voltes bringen. In einem vom Reichs- gejundheitsamt herausgegebenen Echriftchen:„Die Ernährung des Menschen " wird mit vollem Rechte aus die umfassende Veränderung hingewiesen, die sich während zweier Menschenalter in der Arbeite weise des deutschen Volkes vollzogen hat. »Die kalorienreichen, eiweißarmen Nahrung«- mittel. Brot, Reis, Mais müssen zurücktreten und müssen zum Teil durch die eiweißreichen und kalorienarmen Nahrungs» mittel. Fleisch, Milch und Milchprodukte, ersetzt werden. Die Tat- jachen sind, sicher und unwiderleglich, und die Aenderungen des Naiirunasmittelbedarfs laufen daher mit der Sicherheit eines Naturgesetzes... Es Ist n i ch t„B e g e h r l i ch k e i t" und„Gr- n u ß s u ch t" der Arbeiter, wenn sie sich einen reicheren Genuß von Fleisch, Milch. Eiern usw. Ku verschaisen suchen, sondern ein der- artiges Verlangen Ist psychologiich begründet. Wir befänden uns vor dem Kriege in Deutschland ossensichtllch auf deni Wege zu der neuen für das Maschinenzeitalter richtigen amerika - nischen Ernährung. Die Umstellung ist verlangsamt worden einmal durch Schutzzoll und Einfuhrerschwe- rung des Fleisches, andererseits durch Festhalten an über- lieferten Eßgewohnheiten und Geschmacksrichtungen. Rückgängig zu machen ist die Entwicklung nicht." Es ist verdienstvoll vom Reichsgesundheitsamt, dem Reichs- ernährungsministerium dieser Art Unterricht zu erteilen. Nur wird Graf Könitz nicht recht begreifen wollen. Darum möchten wir mit aller Deutlichkeit sagen, daß die d e u t s ch- p o l n i s ch e n Wirt- schoftsverhandlungen von Deutschland genützt werden mögen, mit Polen Vereinbarungen zu schließen, die durch Einfuhr polnischer Schlachttiere und geschlachteter Tierkörper Deutschlands Bedürfnisse an Fleischnahrung befriedigen Man komme uns nicht mit dem faulen Vorwand der S e u ch e n- g e f a h r! Polen müßte ssä, selbstverständlich verpflichten, nur erste Qualität zu liefern. Und daß es an diese Verpflichtung gebunden ist. dafür haben die Veterinär« und Beamten der Fleischbeschau in Deutschland zu sorgen. Palen ist in seiner wirtschaftlichen Struktur vorwiegend Agrarland. Es hat wunderbare Schlachttiere in den Ställen. An die zwei Millionen Schweine könnten von Polen nach Deutschland eingeführt werden. Dazu bedürfte e» aber eine« besonderes Abkommens mit Polen und der Schasiung unerläßlicher Verkehrsmittel: für Schlackttiere schnelle Beförderung auf die Schlachthöfe, für geschlachtete Tierkörper die nötigen Kühlwagen. Das bestehende Reichsgesetz über Schlachtvieh und Fleischbeschau macht die Einfuhr— und das ist sein Zweck 7—?
fast unmöglich. Mtt Recht hat die Abgeordnete Frau W u r m in der Sitzung des Reichstags am 12. April 1923 ausgeführt: „Die Vorschrist des§ 12 des Reichsgesetzes vom 3. Juli 1900, das die Schlachtvieh- und Flsischbeschaubestimmungen enthält, nach denen frische» Fleisch nur in ganzen Tierkörpern, bei Rindvieh, ausschließlich Kälber, und bei Schweinen in Hälften zerlegt, ein- geführt werden darf, und daß mit den Tierkörpern Änist, Lunge, Herz, Nieren, bei Kühen auch Euter in natürlichem Zusammenhang verbunden sein müjsen, machen die Einfuhr frischen Fleisches unmöglich. Diese Vorschnst kommt in der Wir- kung einem Verbot der Einsuhr überbaupt gleich. So lange dieses Gesetz besteht, besteht es im Interesse der agrarischen Vieh- züchter— wie es in ihrem Interesse geschaffen und bis heute auf- recht erhalten worden ist.(Zuruf rechts: Aus Gesundheitsrücksichten!) Das sagen Sie immer und haben Sie immer gesagt! Ich wiederhole, daß die Angst der Regierung, die Bevölkerung könnte sich den Dtagen verdetben, dazu führt, sie lieber ver- hungern zu lassen." In diesem Frübjahr hat berette eine geringe Einfuhr von gc. schlachteten polnischen Schweinen nach Berlin stattgesundcn. Im Monat Februar 39 600, im März 28 200. Aber diese 67 800 ein- geführte geschlachtete polnische Schweinekörper sind erst die Hälfte des Verlustes, der allein dem Berliner Markt im 1. Vierteljahr 1925 aus inländischen Zufuhren gegenüber dem 1. Vierteljahr 1924 fehlt.— Das deutsche Unternehmertum in Landwirtschaft und Industrie, mü Ihm die gesamte Reaktion, die jetzt im Rechtsblock für Hin- denburg zusammengefaßt ist. haben im Kampfe gegen den Acht- stundentäg immer auf die hohen Arbeitsleistungen in Am«- rika hingewiesen. Run, dort können die Menschen auch nur geben, was sie haben: ihre Arbeitskraft. Aber da« ist der Unter- schied: dort entfielen im Jahre 1924 nach einer statistischen Veröffent- lichung im„The National Provisoner" aus den Kops der Bevölke- rung 83,5 Kilogramm Fleischnahrung, in Deutschland hingegen nur 42 Kilogramm. Nach der physiologischen Wissenschast aber sollten in Deutschland auf den Kopf der Bevölkerung hinsichtlich seiner indu- striellen Betätigung mindestens 70 Kilogramm Fleisch. Nahrung entfallen. Wir wünschen, daß diese Tatsachen bei den deutsch -polnischen Verhandlungen gewürdigt werden. Nicht agrarische Wittschaftsinteressen sind entscheidend, sondern einzig und allein das allgemewe Vokkswohl.
Was hemmt die Weltproöaktion! Trotz der ungeheuer tiefen Wunden, die der Weltkrieg dem Wirtschaftsleben aller Länder geschlagen hat, sind heute die guter- wittschafllichen Voraussetzungen für«ine gewaltige Steige- rung der Produktion und damit für eine bessere Bedürfnis- befttedigung der Menschen in einem Maße gegeben wie nie zuvor. Vor ollem verfügen wir über«inen sehr großen Zuwachs an Mitteln der Energieerzeugung: Die Erschließung der Oelfelder, die Verbesserung der Wärmekraftmaschinen, die erleichtette Verwertung der Braunkohle und die Ausnutzung der Wasserkräfte haben der Weltwittschoft Energie aus neuen Quellen zugeführt, während wir gleichzeitig infolge der Verbesserungen im Heizwejen und in der Verwendung von Staubkohle gelernt haben, aus der gleichen Stein- kohlenmenge mehr Energie herauszuwittschasten als bisher. Die 21 b s a tz k r i s e. unter der unser Bergbau— und nicht nur der deutsche— leidet, ist nur die Kehrseite dieses stark oergrößetten Energiereichtums. Auch an Lebensmitteln nnd Rohstoff«« ist in der Weltwittschoft keinerlei Mangel. Nach dem Krieg waren die Praktiker und die Theoretiker des Wittschaftelebens dattn einig, daß eie Ueber- industrialisierung d«r Welt vorliege und daß es darauf ankomme, die Landwirtschaft auf Kosten der Industtte auszudehnen. Das hat ssch als großer Jrttum erwiesen. Trotz de» Ausfalles der landwirtschaftlichen Produktion Rußlands ist an den wichtigsten land- wittschafllichen Erzeugnissen im Verhältnis zur Nachiroge U eber- sluß vorhanden, vor allem an Getreide. � Bei wichtigen industriellenRohst»sfen, wie z. L. dem Kupfer, zeigt der gesunken« Preis, wie reichlich sie aus dem Markt zur Verfügung stehen.(Kupferpreis 1914: 1,34; 31. Dezember 1924; 1,32; 30. März: 1,22.) Auch bei manchen straff syndizietten Roh- stoffen, bei denen Preissenkungen durch Organisation der Erzeuger oerhindert wurden, ergibt sich doch der günstige Stand der Pro- duktionsbedingungen aus der Geringfügigkeit der vom Syndikat er- zielten Preiserhöhung im Verhältnis zur Steigerung des allgemeinen Preisindex seit der Vorkriegszeit. So ist Gießereiroheisen, das in Deutschland 1914 75,50 M. pro Tonne galt, nur auf 89 M. gestiegen. Von den großen Rohstoffgruppen sind nur die Rohstoffe der Textilindustrie stark vetteuett. Der Reichtum der Welt an Rohstoffen würde also eine viel stärkere Produktion und damit eine viel reichlichere Güterversorgung der Menschen gestatten. Auf dem Wett- markt zeigt sich ja auch, daß die Rohstoffländer mit dem Absatz ihrer Erzeugnisse noch größere Schwierigkeiten haden als die In- dustrieländer und daß die angeblich« natürliche Ueberlegenheii, in der sich nach Meinung mancher Wirtschaftspolittker die Urproduttions- gebiete stet» befinden, zurzeit durchaus nicht besteht. Ebensowenig fehlt es an Arbeitskräften, gast überall auf der Well liegt der Arbeltsmarkt ungünstig, gibt es unbeschäftigte Hände, die keinen Erwerb finden können. Bis vor kurzem bildeten die Wer- einigten Staaten eine Ausnahme, aber mich dott macht sich jetzt Arbeitslosigkeit bemerkbar. Da ja die Quellen mechanischer Energie aus» reichlichste zur Verfügung stehen, so ist die Frage unabweisbar,