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Abendausgabe

Nr. 18942. Jahrgang Ausgabe B Nr. 93

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Pfennig

Mittwoch

22. April 1925

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Cindenstraße 3 Fernsprechet: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Der bayerische Abfall.

Reichstagsabgeordneter Leicht gegen Hindenburg .

Leute für, gelinde gefagt, ein wenig verrückt halten. Wenn sie untereinander reden, sagen sie sich das selbst ins Geficht. Die Nation alliberale Rorresponden 3" schreibt unter der Ueberschrift Die wahren Saboteure:

München , 22. April. ( Eigener Drahtbericht.) Die Welle des| Direktionslosigkeit in den letzten Tagen beobachtet, muß diese Widerspruchs gegen die unter der Diktatur Heims erlassene Hinden burg- Barole der Bayerischen Volkspartei wird allmählich zur Sturmflut. Jeder Tag bringt dafür neue Belege aus allen Teilen des Landes. Am Mittwoch werden zwei Kundgebungen be­kannt, die um der Persönlichkeiten willen, von denen sie ausgehen, für die Entscheidung der Wähler der Volkspartei am 26. April von ganz besonderem Gewicht sein werden.

Der Fraktionsführer der Bayerischen Volkspartei im Reichstag, Domtapitular Leicht in Banberg , lehnte in einer Versammlung vor hervorragenden Parteimitgliedern Oberfrankens im Kalho­lifchen Kasino in Bamberg Hindenburg glatt ab, während er die persönlichen, politischen und kulturellen Berdienste von Marg hervorhob.

Die Phrasen vom Margismus in der Rechtspresse seien nur auf Sti: nmenfang berechnet. Bon der Versammlung wurde in einer ein­gehenden Aussprache allgemein anerkannt, daß der Beschluß der Parteileitung in München nichts weniger als glüdlich gewesen sei. Die Gefahren einer Reichspräsidentschaft Hindenburg wurden in folgenden Punkten zusammengefaßt: 1. Ein Mann von 78 Jahren, der 60 Jahre lang Soldat gewesen, fann seinen Beruf nicht mehr mit Erfolg wechseln. Hindenburg , der sich eingestandeners mazen niemals um Politif gefümmert hat, wird dem verantwortungsvollsten Posten in der deutschen Politik niemals ge­wachsen sein. 2. Wenn Hindenburg Präsident wird, ist zu befürchten, daß der alte Herr das Werkzeug einiger weniger Rechtsstehender sein wird. 3. Hindenburg , der langjährige Bertrauensmann der Hohen­weniger übrig haben als Marr: ersterer will ein Großpreußen, letterer ein Großdeutschland. 4. Die ausländischen Presse­timmen zeigen, daß die Kandidatur Hindenburg als ein Ausleben des alten preußischen Militarismus aufgefaßt wird. Der völkische Der völlische Spruch, daß man nach dem Ausland nichts zu fragen hätte, ist Unsinn. Die Versammlung wurde geschlossen mit der Feststellung, daß für einen Katholiken die Gewissens bedenken, einem Manne wie Marg das Vertrauen zu versagen, größer sind als die Nicht­eintaltung der nur anempfohlenen Parteidisziplin.

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Ein Teil der Rechtspresse sucht ausgerechnet in den Kreisen des Reichsblocks nach Saboteuren der Kandidatur hin. denburg. Diejenigen, welche diesem sonderbaren politischen Sport huldigen, machen sich keine Gedanken darüber, wie ihr Vor­gehen innerhalb und auch außerhalb des Reichsblocks wirken muß. Zweifellos wollen sie nicht durch ihren Ruf Berrat" Berwirrung im Reichsblock hervorrufen, sondern glauben in ihrer naiv- findlichen Weise diejenigen, die sie für fäumig halten, durch öffentliche Ber­dächtigungen zu größerem Eifer anspornen zu können. In dieser Weise betätigt sich nach wie vor Herr Dr. Desterreich in der Börsenzeitung ", dann aber auch das" Deutsche Tage blatt" u. a. m. Wir wollen aber hier auf die Dinge nicht näher eingehen, da es sich zweifellos um frankhafte Erscheinun­gen handelt, für deren Behandlung nicht die Politiker, sondern der Arzt in Betracht kommt."

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Na also, wenn sie untereinander sich schon selber für ver­rückt erklären mer kann dann einem vernünftigen Menschen noch zumuten, auf ihren Leim zu kriechen? Bollste Harmonie und Loyalität in der Verrücktheit!-

zollern, der Preuße in Reinzucht, wird für uns Bayern beſtimmt Todesurteile im Tschekaprozeß.

3ur gleichen Zeit hat der Vorsitzende des Bayerischen Priester vereins, Dom probst Stahler in Regensburg , in einer Zu­schrift an das Präsidium der katholischen Arbeitervereine Bayerns fich mit der Aufstellung Hindenburgs durch die Bayerische Bolts: parici nicht einverstanden erklärt und das Eintreten der fatholischen Arbeitervereine für Marg lebhaft begrüßt. In gleichem Sinne sind auch von vielen Bezirksgruppen der Partei zu schristen an die Leitung der katholischen Arbeitervereine in Bayern gerichtet worden.

Vollste Harmonie und Loyalität." Der Reichsblock gegen sein Wahlmaterial. ,, Es ist aber ebenso festgestellt worden, daß, nachdem die Ent­scheidung gefallen war, sämtliche beteiligten Gruppen und Personen jegt in vollster Harmonie und Loyalität und mit gleichem Eifer und Hingabe zusammenarbeiten."

So steht zu lesen in der komischen Beschwichtigungs­proflamation des Reichsblocks, die den Krach im Reichsblock verberger. soll. Die 3eit", das Organ der Volkspartei, gibt dies Berlegenheitsprodukt fommentarlos wieder. Bollste Harmonie und Loyalität! In der Nationalliberalen Korrespondenz", der Parteiforrespondenz der Volks­partei, aber steht zu lesen:

Der Vorwärts" bringt in Nr. 96 Auszüge aus dem an­geblichen Wahlmaterial des Reichsblocks. Darin wird Herr Marg persönlich in scharfer Weise angegriffen und u. a. als Reichskanzler, der uns verknechtenden Dawes- Politit" bezeichnet. Zu den Veröffentlichungen des Vorwärts" haben wir zu er­klären: Der Reichsblod hat nur einen einzigen Redeentwurf herausgebracht mit der Ueberschrift Verfall oder Aufbau?"( Druc nummer 210.) In diesem Entwurf befindet sich kein einziger der Dom Vorwärts" zitierten Sätze.

Sollte aber eine der dem Reichsblock angeschlossenen Bar teien von sich aus tatsächlich Material versandt haben, das die vom Borwärts" zitierten Behauptungen und Angriffe gegen die Regierung enthält, so würden wir das aufs schärffte verurteilen. Der Reichsblock selbst und auch die Deutsche Volkspartei würden die Berantwortung dafür in aller Form abzulehnen haben."

So geht es, wenn die Deutschnationalen im Reichs­block die Führung an sich gerissen haben und sie nicht wieder abzugeben gedenken! Dann machen sie, was sie wollen, und Herr Stresemann hat nur noch die Fußtritte einzu stecken. Wir sind auf die schärfste Verurteilung wirklich gespannt. Die Deutsche Volkspartei gegen das Wahl­material ihrer unbestrittenen Führung im Reichsblod: welche Harmonie und welche Loyalität, welcher Eifer und welche ing abe!

Sie halten sich selber für verrückt. Wer die Tätigkeit des Rechtsblods jeit der Entstehung des Loebell- Ausschusses verfolgt, und seine Zerfahrenheit und

Neumann, Skoblewski, Poege zum Tode verurteilt. Im Tscheka - Prozeß verkündete der Borsitzende folgendes

Urteil:

Neumann wegen Mordes in einem Falle, Berabredung in 6 Fällen, Vorbereitung zum Hochverrat und Bergehen gegen§ 7 Ziffer 4 und 5 des Republikschuhgesetzes zum Tode, 8 Jahren Zuchthaus und 500 Mark Geldstrafe.

Poege wegen mordes in einem Fall, Berabredung in 6 Fällen und Bergehen gegen§ 7 3iffer 4 und 5 des Republitschuh­gefehes, 3 um Iode, 7 Jahren Zuchthaus und 500 M. Geldstrafe. Stoblewski wegen in stiffung zum Mord in einem Fall und 5 Fällen von Berabredung zum Mord zum Tode, zwölf Jahren Zuchthaus, 500 m. Geldstrafe und Ausweisung aus dem Reichsgebiet.

margies wegen Beihilfe zum Mord in einem Fall, Verabredung in fünf Fällen zu 15 Jahren Zuchthaus, 500 m. Geld­strafe, Ehrverlust auf 10 Jahre aberkannt und Zulässigkeit der Stellung unter Polizeiaufficht.

Mörsner zu 1 Jahr 9 Monaten Zuchthaus und 200 m. Geldstrafe.

strafe.

König zu 5 Jahren 6 Monaten Zuchthaus und 300 M. Geld­Diener zu 5 Jahren einen Monat Zuchthaus und 300 m. Geldstrafe.

strafe.

Lesnisse( Ehemann) zu 1 Jahre Gefängnis und 100 2. Geldstrafe. Lesniffe( Ehefrau) zu 6 Monaten Gefängnis und 100 m. Geldstrafe. Meus zu 3 Jahren Zuchthaus und 300 m. Geldstrafe. Huke zu 2 Jahren 9 Monaten Gefängnis und 200 m. Geld­Hallup zu 2 Jahren Gefängnis und 300 m. Geldstrafe. 3ntorf zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis und 200 M. Geld­S3on zu 8 Jahren Zuchthaus und 500 M. Geldstrafe. Mayer zu 6 Jahren Zuchthaus und 500 mt. Geldstrafe. Kuhls zu 2 Jahren 3 Monaten Gefängnis und 200 m. Geld­

ffraſe.

straje.

Die Begründung teilen wir auf der zweiten Seite mit.

Generalleutnant gegen Feldmarschall.

,, Widerstand gegen erneute Betörung."

Die Schuld Hindenburgs und Ludendorffs an dem Zusammenbruch Deutschlands ist bekanntlich auch von vereinzelten deutschen Offizieren rückhaltlos anerkannt worden. zu ihnen gehört der Generalleutnant a. D. Otto Löffler, von dem die folgenden Worte stammen:

Für den Zusammenbruch trifft gewiß die ursächliche Verant­wortung die Führung. Aber eine Schuld liegt auch auf dem Volke. Es hat sich treiben und von einer lauten Stimmungsmache urteiletos betören laffen. Diese Stimmungsmache ist mit fast ver­mehrtem Eifer wieder am Werk. Wenn ihre Strömung richtung gebend wird, zieht sie nach innen wie nach außenrettungslos in den gleichen Sturz.

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Davor muß in Gorge um unser todwundes Volk und unser verstümmeltes Baterland die warnende Stim me erhoben werden. Für unsere Rettung ist eine ruhige Entwicklung die erste Loraussetzung. Ohne sie geht es in das Berderben. Das ruft zu besonderem Widerstand gegen erneute Betörung auf. Dazu braucht man nur die wahren Ursachen des Zusammenbruchs nicht zu ver geffen.

Diefe Worte stehen in der Schrift des Generalleutnants Löffler Die Ursachen des Zusammenbruchs. Eine Barnung

vor neuem Sturze!" Sie sind vor fünf Jahren geschrieben, gelten aber heute noch mit verstärkter Kraft. Wann wäre Widerstand gegen erneute Betöung" nötiger gewesen als eben jett?

Pariser Einzugsmarsch.

Hindenburgs Revancheträume.

Die Welt ist bekanntlich zum Wahlkampf auf den Kopf gestellt. Die größten Hetzer verwandeln sich in harmlose friedfertige L. bürger. Niemals. hat der Reichsblock Revancheanwandlungen gehabt. Hindenburg ist kein General, sondern ein braver 3ivilist im Gehrod und wer an seiner Friedensliebe zweifelt, ist ein Landesverräter. Wie jeder, der nicht deutschnational ist. Vor Tisch hörte man's anders. Im Hannoverschen Volkswillen" finden wir die folgenden Worte aus Hindenburgs Rede an die Musiker der Peiner Stadtkapelle, die er im Sommer 1924 begrüßte. Da­mals war er noch nicht Zivilist, sondern noch General und deshalb

sprach er:

" Ihr seid alles junge Leute und habt mir den Bariser Ein­zugsmarsch so gut gespielt. Ich hoffe aber, daß Ihr den Pariser Einzugsmarsch auch einmal da spielen werdet, wo er hingehört, an Orf und Stelle und wo ich schon 1870 gewesen bin."

Welcher Hindenburg ist nun echt? Der General des Jahres 1924, der hofft, daß die Musiker der schönen Stadt Peine bei Han­ nover den Pariser Einzugsmarsch in Paris spielen mögen oder der Zivilist des Jahres 1925, der frei nach Tirpiz - den europäischen Frieden bringen will?

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Friedrich- Ebert- Straße in Berlin .

Neue Budapester Straße im Westen.

Der Magistrat von Berlin hat in seiner Sizung am 22. April dem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung, die Buda­pester und Sommerstraße in Friedrich Ebert Straße um­zubenennen, zugestimmt. Er hat aber beschlossen, dem Teil des Kurfürstendammes zwischen der Kaiser- Wilhelm- Gedächtniskirche und der Cornelius- Brücke den Namen Budapester Straße zu geben.

Eine neue Enttäuschung für Hindenburg .

Die Sparer geben die Stimmabgabe frei.. Bom Hypothekengläubiger und Sparerschutzverband wird uns geschrieben:

" Die Delegiertenversammlung des Hypothekengläubiger- und Sparerschutzverbandes für das Deutsche Reich( Sparerbund), Berlin W. 66, Wilhelmstraße 49 II, hatte in ihrer Sigung vom 4. April d. I. folgende Entschließung. gefaßt:

" Da der zweite Wahlgang eine Entscheidung bringen muß, glaubt der Verband, die Barole der Stimmenthaltung für den zweiten Wahlgang nicht wiederum ausgeben zu fönnten und überläßt die Stellungnahme im zweifen Wahlgange dem freien Ermessen jedes Mitgliedes."

Borstand und Beirat haben diesen Beschluß in der Sizung am 21. d. M. endgültig bestätigt. Der Sparer bund erwartet, daß jedes Mitglied am 26. April seiner a 1. pflicht durch Stimmabgabe genügt und ohne Gewissens: zwang den Mann wählt, von dem es die Ueberzeugung hat, daß er die Rechte der Sparer. Rentner und Gläubiger nach Recht und Gerechtigkeit, Treu und Glauben wahrnehmen wird."

Im ersten Wahlgang hatte die Sparerorganisation trotz ihrer ausgesprochen rechtseingestellten Leitung sich gezwungen gesehen, die Barole der Stimmenthaltung auszugeben, weil nach dem Auftreten der Deutschnationalen im Reichstag tein Mensch mehr darüber im Unflaren sein konnte, wo die größten Feinde der Auf­mertung fizzen.

Marx im Rheinland . Riefenversammlungen in Neuwied und Koblenz . Koblenz , 22. April. ( Eigener Drahtbericht.) Der Präsident­schaftskandidat des Volksblocks, Reichskanzler a. D. Wilhelm Marg, erlebte am Dienstag bei seiner Fahrt durch das Rheinland geradezu einen Triumphzug. Er legte die Fahrt von Köln nad Koblenz mit dem Automobil zurück: Ueberall begeisterter Emp­fang. Bu vielen Tausenden waren die Anhänger der republikanischen Parteien in Neuwied und Koblenz zusammengeströmt, von Rhein , Mosel und Lahn , rom Westerland , von der Eifel und vom Hundsrück. In Neuwied hörte eine Riesenversammlung der Rede von Marg mit Begeisterung zi: In Koblenz erwarteten unzählige Tausende den Kandidaten des Volksblocks an der Schiffs brüde. Auf dem Wege zum Versammlungslokal wurden Marg laute Kundgebungen bereitet. Die Schiffshalle war überfüllt. Zu 3000 Menschen im Saal und ebenso vielen am anstoßenden Gorten sprach Marg, häufig von tosendem Beifall und Zustimmungs­rufen unterbrochen. Genosse Kleinmeyer, der nach Marr sprach, erntete ebenfalls starken Beifall und feuerte die Versamm lung zu einem begeisterten Gelöbnis an, für den Sieg der Republik am Wahltage alle Kräfte aufzubieten.

Die Masse feierte Marx mit Begeisterung. Auf ihn und auf die Republik wurden Hochrufe ausgebrad und unter dem Klang rheinischer und republikanischer Lieder verlief sich die Masse in Festtagsstimmung.