Nr. 19642. Jahrg. Ausgabe A nr. 101
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Sonntag, den 26. April 1925
sid
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Die Republik muß siegen!
Für Freiheit und echtes Heldentum in den Kampf!
Wir stehen erschüttert an einem offenen Sarg. Erich| wir preisen das namenlose Heldentum, das in den Schulz ist für uns alle gestorben. Er fiel unter den schwarzrotgoldenen Farben seines geliebten Reichsbanners, ein guter Kamerad. Nun hat er das letzte höchste Opfer gebracht, und wenn die Schlacht geschlagen ist, werden wir ihn zu Grabe tragen, den toten Soldaten der Republik !
Wen wundert es, wenn die Reichs blodpreffe den feigen Mord zu einem berechtigten Aft der Notwehr umlügt. Der Ermordete hat schuld! Wann ist es bei dieser Presse anders gewesen? Wo ein Offizier einen Soldaten mißhandelte, da ergriff sie die Partei des Offiziers. Wo es eine militaristische Ausschreitung gegen schutzlofes Zivil gab, hat sie diese Ausschreitung beschönigt, gedeckt, verteidigt. So war es in der Kaiserzeit. In der Republik hat sie sich dann ihre Opfer ausgesucht und sie so lange gehetzt, bis sie blutend dalagen: Erzberger ! Rathenau ! Nur das Recht fann mit guten Gründen fechten, das Unrecht braucht als Waffe Lüge und blutige Gewalt.
Gegen seine Macht führen wir heute mit dem Stimmzettel in der Hand einen heiligen Krieg.
Wir flagen uns an! Lässigkeit der republikanisch Gefinnten hat es so weit tommen lassen, daß wir heute noch einmal um einen Sieg fämpfen müssen, der längst ge= fichert sein sollte. Wir als Sozialdemokraten fämpfen zuerst um die Republik , dann um ihren sozialen Inhalt. Noch einmal sehen wir uns auf den Kampf um die Staatsform selbst zurückgeworfen. Drohend erhebt sich die Macht Der Reaktion, fie glaubt sich ihres Sieges am heutigen Tag schon sicher. Sie wähnt schon die Stunde gekommen, da sie die Republikaner in der Republik , schließlich die Republik selbst als Freiwild betrachten fann.
Soweit hätte es gar nicht erst kommen dürfen! Was immer der heutige Tag bringen mag, aufs höchste gesteigerte Energie wird auch weiter nötig sein. Die Macht, die in der organisierten Masse der Werftätigen ruht, muß sich noch ganz anders entfalten. Darum für heute das Geständnis an die Vergangenheit, das Gelöbnis an die Zukunft:
Mich reut, ich sag' es mit zerfnirschtem Sinn, Daß ich nicht dreifach fühn gewesen bin.
Nach dem ersten Wahlgang am 29. März sah die Reaktion ihr Spiel verloren. Das Volk hatte sich gegen sie entschieden. Da griff sie zu einem letzten Mittel der Verzweiflung, indem sie einen von vielen als Helden verehrten politisch ahnungslosen Greis als ihren Borfämpfer in die Arena schob. Sie glaubt, mit Hindenburg müsse sie siegen.
Wenn sie aber heute mit Hindenburg geschlagen wird, was dann? Dann ist der Beweis, der endgültige, schlagende Beweis dafür geliefert, daß sie überhaupt nicht mehr siegen fann. Wir fönnen zehnmal geschlagen werden, wir stehen wieder auf und kommen stärker zurüd. Aber verlieren die drüben am heutigen Tage, dann stehn sie nicht mehr auf, dann sind sie nicht nur geschlagen, sondern vernichtet.
Dann wird sich auch in ihrem Lager die Anklage er heben darüber, daß der alte Mann von falschen Freunden in die Niederlage hineingejagt wurde, daß seine gerade doch jenen anderen beinahe heilige Person mißbraucht und verbraucht wurde in einem schnöden Parteimanöver!
verloren!
Die Zukunft gehört der Republik und dem Sozialismus. Auch ein Fehlschlag, den niemand für möglich hält, der an den gefunden Sinn unseres Boltes glaubt, tönnte uns nicht entmutigen. Komme, was fommen mag, es wird sich erweisen, daß die Sozialdemokratie fämpfen fann!
Mögen andere die Generäle als Helben preisen, die Schlachtpläne entworfen oder auch nur unterzeichnet haben,
Massen des arbeitenden Volkes lebt, jenes namenlose Heldentum, das in den Schüzengräben blutete und daheim schuftete, hungerte und fror für den Schutz des Landes, während die anderen tolle Pläne von Ruhm und Macht spannen, bis alles elend zu Ende war. Warum blickt denn die demokratische Welt mit solchem höhnischen Staunen auf diesen Wahlfampf? Weil drüben mit den siegreichen Feldherren durchaus nicht der gleiche Göhenfult getrieben wird wie bei uns mit den geschlagenen. Weil man drüben nicht an den Billen penfionierter Generäle, sondern an dem Grabe des unbekannten Soldaten zur Huldigung vorüberzieht. Das Heldentum der Generäle ist nur ein Bopanz. Das Heldentum des Volkes ist echt, bewiesen nicht nur in blutigen Schlachten, sondern auch im harten Existenztampf um das tägliche Brot und im verpönten, darum nicht minder notwendigen Klassentampf um eine beffere Zukunft.
Dieses schlichte, namenlose Heldentum geht seinen Weg weiter, ob die Sonne scheint oder ab es stürmt. Vom Schicksal nicht verwöhnt, hart geworden, tann es weder durch Rückschläge entmutigt, noch durch Siege übermütig gemacht werden.
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Der Sieg, um den wir heute kämpfen und der nach unserer aller frohen Zuversicht heute abend in unseren Händen fein wird, ist für uns nur ein Teilsieg wir wissen es! Reiner unter uns ist so furzsichtig, zu sagen, deshalb verlohne es sich nicht, für ihn zu kämpfen. Alle fühlen, daß fie an einer weltgeschichtlichen Entscheidung beteiligt find. Alle Kräfte sind bis aufs äußerste angespannt. Im Aufmarsch der Millionen entspinnt sich ein ungeheures Ringen von einer Art, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Mit angehaltenem Atem erwartet sie den Ausgang.
Zwei Lager! Die Hasardeure des Weltkriegs sind auch die Hasardeure dieses Wahlkampfs. Sie setzen alles auf einen Mann. Wir sehen alles auf eine Idee. Ihr Mann ist alt, unsere Idee ist jung. Jahrhunderte, die ihr gehören, See ift ju liegen vor ihr.
Diese Idee, auf die wir alles setzen, ist die Idee der Republit. so wie sie Friedrich Ebert auffaßte als die Idee der politischen und sozialen Demokratie. Um ihretwillen tun wir heute, jeder Mann und jede Frau, unsere Pflicht.
Heute, morgen, und immerdar: Es lebe die Republik !
Ein Killingermann schießt auf Reichsbanner.
bruder Straße verbreitet das Polizeipräsidium folgenden fucht. Ueber die atentreuzermorbtat in der Inns-| ziehung zur Brutalität, zur Gewalttätigkeit und zum Morde Bericht:
Am 25. April um 1,50 Uhr nachmittags durchfuhr ein Propaganda- Möbelwagen des Reichsbanners die Innsbruder Straße. Er war von etwa 15 Reichsbannerleuten begleitet. An der Badenschen Straße standen der Landwirt Alfred Rehnig. Innsbruder Straße wohnhaft, der Schüler Horst Benoit, Barbarossastraße wohnhaft, und der Schüler Günther Pfundt, Hauptstraße mohnhaft. Diele gerieten mit den Reichsbanerleuten in Streitig feiten, in deren Berlauf dem Rehnig sein schwarzweißrotes Fähnchen entrissen wurde. Als ihn angeblich die Reichsbannerleute be drohten, zog er seinen Revolver, schoß in die Luft und darauf in die Reichsbannerleute und tötete dabei in angeblicher Motwehr den Lagerverwalter Erich Schulz. Es soll noch eine weitere Person verlegt worden sein, doch tonnten deren Spuren bisher nicht ermittelt merden. Die Leiche des Schulz wurde von der Kriminalpolizei beschlagnahmt und dem Leichenschauhause zu geführt. Rehnig ist festgenommen und der Abteilung IA des Berliner Polizeipräsidiums zugeführt worden. Die weiteren Verhandlungen sind noch im Gange.
Der Bericht ist sehr zurückhaltend und stüßt sich zum großen Teil offensichtlich auf die Aussagen des Mörders. Dem gegenüber muß festgestellt werden, daß der Zwischenfall von den Hakenkreuzlern provoziert wurde und daß von einer Notwehr schon deshalb nicht die Rede sein kann, meil die Reichsbannermitglieder unbewaffnet waren, während der nationalistische Mörder Schußwaffen bei sich trug.
Festgestellt werden muß ferner, daß der Mörder Rehnig in dem denkbar übelsten Ruf steht. Wie gemeldet wird, haben sich auf dem Polizeirenier bereits mehrere Personen gehaben sich auf dem Polizeirevier bereits mehrere Personen ge meldet, um auszusagen, daß sie von dem Hafentreugler wiederholt mit dem Revolver bedroht wurden. Das Bild rundet sich, wenn man erfährt, daß der Mord bube Mitglied des Wifingbundes und sein Vater Mitglied der Deutsch nationalen Partei ist. Der Wikingbund ist als Brutstätte der Meuchelmörder bekannt. Er stand in den intimsten Beziehungen zu der letzten Jahre zuzuschreiben sind. jenen Mörderorganisationen, denen die politischen Attentate
Der Freund der Erzberger Mörder, Ril. finger, ist heute Borsigender des Wiking. bundes!
Diese Tatsachen sprechen für sich. Das Reichsbannermit glied Schulz ist ein Opfer jenes nationalistischen Hakenfreuzlertums geworden, das seine Hauptaufgabe in der Er
Die Mordtat in der Innsbruder Straße ist die Folge jener Hege, die in den Hindenburg - VersammIungen der letzten Tage von den nationalistischen Führern des Reichs blods betrieben wurde. Sie ist eine Folge jener hundsgemeinen" Methoden, zu denen die Führer des Reichsblocs aufgefordert haben.
Dem Reichsblock und den Souffleuren Hindenburgs wird es nicht gelingen, den Mordbuben von sich abzuschütteln. Der Wikingbund und sein Führer Killinger haben die Wahl Hindenburgs offen begrüßt. Killinger und sein Bund find von den Machern der Hindenburg - Kandidatur als Wahlhelfer angenommen worden.
Der Mörder Rehnig ist einer der Wahlhelfer Hindenburgs . Seine Gesinnung ist teine ZufallserScheinung. Sie ist ein Teil jenes Geists, der von den Wikingern und anderen offiziösen Wahlhelfern Hindenburgs bewußt großgezüchtet wird. Es ist der Geist des Bürgertrieges!
Ueber die Bluttat erfahren wir folgende Einzelheiten:
Die schamlose Mordheße des Rechtsblocks hat ihre ersten blutigen Opfer gefordert. Zu einer empörenden Bluttat völkischer Elemente tam es gestern nachmittag um 2 Uhr am Bayerischen Platz. Drei Propagandamöbelwagen Des ,, Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold", die durch den Besten fuhren, wurden am Bayerischen Platz von einer
Gruppe uniformierter Nationalisten aufs unfläfigste beschimpft.
Nicht nur das. Die nationalistischen Rowdies versperrten den Fahrdamm und hinderten die Propagandawagen des Boltsblocks am Weiterfahren. Als ein Reichsbannermann gegen die schamlosen tegeleien der Hakenkreuzler protestierte und die offensichtlich Händel suchenden monarchistischen Krateeler aufforderte, den Weg frei zugeben,
30g einer dieser Burschen, der 20jährige Alfred Rehnig, Innsbruder Straße 7, Sohn eines Architeffen, einen Revolver und schoß wie besessen auf die Reichsbannerleute ein. Das 27jährige Reichsbannermitglied Erich Schulz von der Kameradschaft Kreuzberg , Trebbiner Straße 10 mohnhaft, wurde
von zwei Lungenschüssen tödlich getroffen.
Des Publikums hatte sich ob diefer feigen Attentate eine ungeheure Empörung bemächtigt. Nur dem Eingriefen der Polizei ist es zu verdanken, daß der monarchistische Mordbube nicht von der wütenden Menge gelyncht wurde.