Nr. 20042. Jahrg. Ausgabe A nr. 104
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Neuer Kampf in Preußen.
Otto Branns Regierungserklärung.- Auflösung in Sicht!
3mei Tage nach dem Siege des Minderheitspräsidenten beginnen die Parlamente ihre Arbeit wieder. Jm preußischen Landtag stellte der wiedergewählte Ministerpräsident Otto Braun das von ihm gebildete Kabinett vor ist das gleiche, das schon Marg ernannt hatte und gab die angekündigte Regierungserklärung ab, deren Wortlaut wir an anderer Stelle wiederholen.
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es
scheiden, ob die Wahl Hindenburgs auch eine Auslieferung| angenommen habe und das gleiche Kabinett unverändert dem Hause Preußens an die kommunistisch- deutschnationale Reaktion be- verstelle, so tue ich das deuten soll.
Die Sozialdemokratie ist bereit, ihre Pflicht in Preußen zu erfüllen. Sie ist zu einer neuen Kraftprobe, zu einer Abrechmung in Preußen gerne bereit!
eröffnet die Sigung 2 Uhr 20 Minuten. Der Landtag trat gestern wieder zusammen. Präsident Bartels eröffnet die Sigung 2 Uhr 20 Minuten.
2bg. Konrad Haenisch ( Soz.), Regierungspräsident in Wies Das Haus ehrt zunächst das Andenten des verstorbenen baden, in der üblichen Beise. baden, in der üblichen Beise.
Auf der Tagesordnung steht als erster Punkt die Entgegen nahme der Erflärung des Ministerpräsidenten.
in der Erkenntnis, daß der sich nunmehr fast drei Monate hinziehenden Regierungskrise ein Ende gemacht werden muß. Ich bin mir wohl vewußt, daß es keine leichte, teine angenehme Aufgabe ist, an deren Lösung ich herantrete. Es ist wahrlich nicht das Streben, Minister zu sein, wie flägliche Gesinnung in den Kreisen meiner politischen Gegner mir unterstellt hat, das mich leitet. Rein, mich leitet Pflicht bewußtsein und das tiefe Gefühl das mich als mehrjährigen Leiter der preußischen Staatsgeschäfte der Verantwortung für die Geschicke des preußischen Volkes,
erfüllt.
Diese Regierungserklärung war teine übliche Aufzählung von Ansichten und Absichten, von Rückblicken auf getane und Ankündigung von neuer Arbeit. Sie war vielmehr in ihrem Haupteil eine Anprangerung der Krisenmacher, wie sie schärfer und deutlicher faum sein fonnte. Sie schenkte der Deutschen Volkspartei nichts, die die Dauerkrise durch Verlassen der Regierung hervorgerufen hat, deren Politik sie bis zuletzt mitgemacht und in allen Tonarten gepriesen hatte. Aber sie zeigte vor allem das grinsende Gesicht des deutschnational tommunistischen Blods" auf, der bisher jede Regierungsbildung verhinderte, ohne doch im der ungerer Wirtschaft wesentlich beitragen konnten. stande zu sein oder auch nur den Versuch gemacht zu haben, felbst eine Regierung auf die Beine zu stellen.
Wütende Zwischenrufe der gestreichelten deutschnationalen Hindenburg - Berehrer bestätigten die Richtigkeit dieser Kennzeichnung. Die Hindenbürger in Preußen haben so oft mit den Ehrenhindenbürgern gefuhhandelt, so oft mit ihnen gemeinsam ein Ministerium niedergestimmt, daß sie die Tat fachen nicht gut ableugnen fönnen. Aber sie wollen von ihren Kampfgefährten nicht Unter den Linden gegrüßt werden. Sie wollen ihre Blodgenossenschaft nicht öffentlich ausgesprochen missen, zumal das Techtelmechteln bei Tageslicht an Reiz verliert.
Aber die wütendsten Zurufe aus dem Hindenburg - Lager fönnen so wenig wie das Geschrei von den Moskaubänken die Tatsachen auslöschen, die offen vor aller Welt liegen. Tatsachen nur berichtete der Ministerpräsident, als er von der Sabotage und der Zerstörungsmut des deutschnational- tommunistischen Bloces sprach.
Ministerpräsident Braun
nimmt das Wort, dankt für das durch die Wahl bekundete Bertrauen und stellt dem Hause das neue Kabinett vor, dem angehören als Juftizminister Am 3ehnhoff, als Innenminister Severing, als Wahlfahrtsminister Hirtjiefer, als Kultusminister Dr. Beder, als Finanzminister Höpter- Aichoff, als Handelsminister Schreiber halle und als Landwirtschaftsminister Ste i ger. Es ist das gleiche Kabinett, das bereits der Amtsvorgänger bes jezigen Ministerpräsidenten, Herr Marg, am 18. Februar dem Landtag vorgestellt hat und das durch Ablehnung des Bertrauensantrages zurücktreten mußte.
Ministerpräsident Braun dankt feinem Amtsvorgänger für die während seiner kurzen Amtstätigkeit dem Lande geleisteten Dienste und führt dann weiter aus: Wenn ich die auf mich gefallene Wahl
Es war bis zum Anfang dieses Jahres unser Stolz, daß wir im Gegensatz zum Reiche und anderen Ländern Breußen vor öfteren Regierungskrisen bewahrt hatten und durch eine zuletzt 3½ Jahre währende konstante Regierung, die von einer festen Mehrheit im Barlament getragen wurde, zur Konjoudierung unseres staatlichen Lebens und zur Geſundung und zum Neuwahl des Landtags am 7. Dezember vorigen Jahres Neuwahl des Landtags am 7. Dezember vorigen Jahres gab wahrlich feinen begründeten Anlaß, jierin eine Aenderung eintreten zu lassen und auch über Breußen eine Periode der RegierungsPrisen herauszubeschwören.
Diese Periode wurde heraufbeschworen durch die Deutsche Voifspartei, die die von ihr 3 Jahre lang getriebene und bis zur Wahl gebilligte und gelobte Politit nach der Wahl perhorreizierte.
Die
Es ist nun wochenlang versucht worden, eine aktionsfähige Regierung zu bilden. Die Parteien waren zum weitestgehenden Entgegenfommen bereit.
,, Mit diesem Außenminister feinen Schritt weiter zusammen!"
Die Deutsche Zeitung", das Sprachrohr des radikalen Boz allen Dingen ist es unumgänglich, daß das nahezu mystisch Nach all dem Vorhergegangenen ist allerdings taum Flügels der Deutschnationalen , veröffentlicht in auffälliger Auf gewordene Aide mémoire"( die Denkschrift) des Herrn Strese: damit zu rechnen, daß der Appell Brauns an des Staats- machung eine angebliche Zuschrift eines Diplomaten mann der Deffentlichkeit unterbreitet wird, damit sie diejen Staatsbewußtsein Erfolg haben und seinem Ministerium endlich Berbindungen unterhält, um hinreichend unterrichtet zu fein". pen der alten nationalen Opposition dies erfahren, damit sie sich alter Schule, der mit dem Auswärtigen Amt noch soviel mann in seiner ganzen Größe erkennt. Erst recht müssen die Grupeine gedeihliche Arbeit gestatten wird. Heute und morgen Heute und morgen Die Zuschrift verfolgt den 3med, den Sturz Strefe darüber flar werden, daß sie mit diesem Außenminifter keinen Schrift soll über die Regierungserklärung debattieren und dann am Mittwoch nächster Woche über ein Vertrauens- und Billigkeitsmanns herbeizuführen. votum abgestimmt werden.
Sollte der deutschnational- kommunistische Antiregierungsbloc auch dann wieder die Arbeit verhindern wollen, jo bliebe nichts anderes übrig als ein neuer Appellandie Wähler, also Auflösung des Landtages, der durch die Zerstörungswut der deutschnational- kommunistischen Rorporation arbeits unfähig gemacht wurde.
Ihr Verfasser mag wirklich ein Diplomat alter Schule" fein. Denn seine Zuschrift ist eine Must erleistung der 3ntrige, wie sie zu Zeiten des Kaiserreichs in allen Aemtern und zwischen allen Aemtern ihre Fäden spann.
Der hinreichend unterrichtete Diplomat alter Schule" stellt zunächst fest, daß im Auswärtigen Amt der Plan des Garantiepafts mit zähem Eifer weiter verfolgt wird. Nach feiner Unterrichtung geschieht das aber nicht aus fachlichen, aus persönlichen Gründen. Denn: fendern natürlich!
Augenblicklich scheint den Deutschnationalen, die wie im Reichsblod so auch im preußischen Oppositionsblod die„ Füh. rung an sich gerissen" und die Bolkspartei an die Band gerüdt quetscht haben, der Kamm geschwollen zu sein, weil sie mittels gemeiner Flugblattfälschungen und hundsgemeiner" Agita tion ihrem Präsidentschaftskandidaten zu einem Minderheitsfiege verhelfen fonnten.
Sie vergessen in ihrer Siegesstimmung aber ganz, daß selbst bei der Stimmungswahl, die durch den Nimbus ihres Kandidaten beeinflußt wurde, die Hindenburg - Stimmen in Preußen hinter denen des republikanischen Kandidaten zurückgeblieben sind. Sie vergessen ganz, daß bei einer Neuwahl zum Landtag, bei der über Parteien, nicht über einen Heldennimbus, abgestimmt wird, in Preußen ein wesentlich anderes Bild herauskommen wird, als bei der Wahl am letzten Sonntag, da die Unpolitischen den unpolitischen General
wählten.
Wenn der deutschnational- fommunistische Block also weiter wie bisher die Arbeit der verfassungsmäßig gewählten Regierung verhindert, dann wird diesmal der Appell an die Wähler den Ausmeg aus einer Sackgasse öffnen.
Unsere Genossen, die im letzten Wahlkampf mit nie ermüdendem Eifer gearbeitet haben, um der Republik einen republikanischen Präsidenten zu sichern, sind durch die Wahl des Monarchisten Hindenburg nicht entmutigt. Sie stehen bereit, den Kampf um Preußen aufzunehmen und der deutschnational- tommunistischen Brüderschaft ein Ende zu bereiten!
Die Reaktionäre von rechts und links spekulieren auf die Bahlmüdigkeit! Diese Spekulation fann nicht verfangen. Der Rampf um Breußen ist auch ein Kampf um die Sicherheit der Republik ! Bollen die borussisch- russischen Berbündeter ihr Spiel fortsetzen, nun mohlan, dann mögen die Wähler ent
In dem Augenblid, wo die Regierung von dem Plane ab: rückt oder ihn so bepadt, daß er offensichtlich unaus. führbar wird( Diplomatie alter Schule. Reb. d.„ V."), ist es um Herrn Strejemann geschehen und er wird dann eine so schwere Miederlage erlitten haben, daß seine Stellung unhaltbar geworden ist.
wird perneint.
Es wird dann die Frage aufgeworfen, ob Herr Stresemann mit dem Reichskanzler, Herrn Luther, einig sei. Diese Frage Es wird behauptet, Stresemann habe den Reichskanzler von seinen Plänen nicht unterrichtet, er habe persönliche Politit auf eigene Faust" getrieben. Der Reichsfanzler habe mur später in unbestimmten Aeußerungen„ eine Deckung seines Außenministers vorgenommen, und zwar lediglich, um die Koalition nicht vor der Präsiden tenwahl in die Brüche gehen zu lassen".
Also, nach der Präsidentenwahl soll sie in die Brüche gehen. Zu diesem Zweck erläßt der Diplomat alter Schule" folgende Kampfansage:
Man wird wohl die Zurückhaltung verstehen, die die natio nale Presse(!) sowie die hinter ihr stehenden politischen Gruppen während der Präsidentenwahl in dieser Frage be obachtet haben, aber nun ist es an der Zeit, damit zu brechen und den nicht vermeidbaren Kampf um die Person des Urhebers dieses reichsgefährlichen Planes zur Entscheidung zu bringen. Dies scheint um so mehr geboten, als das Auswärtige Amt mit einer Zähigkeit, die für das politische Urteil der beteiligten Leute höchst bedenklich ist, an Herrn Stresemanns Plan weiterarbeitet. Hier muß reiner Tisch gemacht werden, damit es nicht wie im Falle der Domes- Geseze geht, daß das Ausmärtige Amt vollendete Tatsachen schafft, die nachher von den Barteien, auch der Rechten, als zwangsläufig wirkend angesehen werden.
weiter zusammengehen dürfen.
Damit wird der volksparteilichen Presse, die naturgemäß die Politik ihres Führers unterstützt, die Zugehörigkeit zur nationalen" Presse abgesprochen.
mußte es tommen!"
Der Außenminister der Rechtsregierung und polksparteiliche Führer Stresemann wird als Urheberreichs= gefährlicher Biän e" gekennzeichnet. Es ist also nur fonfequent, wenn„ reiner Tisch" gefordert und erklärt wird, mit diesem Mann tönne man feinen Schritt weiter zufammengehen".
Die„ Deutsche Zeitung" ist nicht nur das Organ des Abg. v. Freytagh Loringhoven, sondern auch das Lieblingsblatt des Reichsinnenministers Schiele, der ihm neulich zu einer Jubiläumsnummer einen Festartikel voller Lobpreifungen geschrieben hat. Es wird damit endlich flar, wovor„ Hindenburg , der Retter," uns retten soll. Bor Stresemann !
kein Wechsel der Reichsregierung.
Offizieller Beschluß des Reichskabinetts.
Das Reichskabinett trat gestern abend zu einer Sigung
zusammen, um die politische Lage zu erörtern. An der Sihung
nahmen, wie amtlich gemeldet wird, fämtliche in Berlin anwesenden Reichsminister teil, bis auf Minister Dr. Stresemann, der durch krankheit am Erscheinen verhindert war, dem Kabinettsbeschluß jedoch nachträglich beitrat. Es wurde Uebereinstimmung darüber festgestellt, daß das kabinett aus Anlaß der Neuwah! des Reichspräsidenten nicht zurüdtreten werde, da ein verfassungsrechtlicher Grund hierfür nicht vorliegt. Der Reichskanzler erstattete über seine am Bormittag staffgehabte Unterredung mit dem fünftigen Reichspräsidenten dem Kabinett Bericht.
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Amtlich wird gemeldet: Reichskanzler Dr. Luther hat gestern den erwählten Reichs. präsidenten v. Hindenburg aufgesucht, um mit ihm die die Amtsübernahme betreffenden Fragen zu besprechen. Bei dieser Gelegenheit hat auch der erste politische Meinungsaustausch über die michtigsten schwebenden Fragen stattgefunden. Die linterhaltung hat volle lebereinstimmung ergeben.