Mittwoch 2H.�pril 1925
Unterhaltung unfl AAssen
Seilage öes vorwärts
haenifch als Kultusminister. Von ZNinisterialrat ZNenzcl. Als Konrad Hoenisch in drn Novembertogen 1918 zusammen mit Adolf �offmann in das Preußisdie Kultusministerium einzog, war er im Aufgobenkrcis dieses Ministeriums kein Fremder. Schon jahrelang zuvor hatte er als Mitglied des alten Preußischen Abge- ordnetenhouscs bei den Debatten über den Kultusetat für seine Partei das Wort geführt und sich durch seine tiefgründigen, die Sache tref- senden Ausführungen bekannt gemacht. Nun übernahm er die Lei- rung der Kunst- und� Unioersitälsabteilung, während Adolf Hoff- mann das gesamte Vchulwejen und die kirchliche Abteilung oer- waltete. Hier auf dem Gebiete der K u n st p f l e g e leistete Konrad Haenisch alsbald außerordentlich wertvolle Reformarbeit. Er fegte zunächst die Zuständigkeit seines Ministeriums in allen Kunst- und Theaterfragen gegen erhebliche Widerstände durch Ihm gelang die Ueberführung der ehemaligen Hoftheater in die staatliche Vermal- tiing unter Ileberwindung zahlreicher Schwierigkeiten. Er leitete einen Neuaufbau des gesamten Theaterwesens in die Wege, unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens von Volksbildung und Theater, wie es heute in der Krolloper seinen Ausdruck gefunden hat. Daneben förderte er das g'emeinwirtschaftliche Theaterwesen und die Tarifentwickiung. Nach Adolf Hoffmanns Ausscheiden und nach der Bildung des ersten preußischen Kabinetts wurde Haenisch alleiniger Leiter der preußischen Kulturpolitik. Nun erstreckte sich seine Arbeit vornehm- lich auf das Gebiet des Schulwesens. Mit Zähigkeit und allem Nachdruck bekämpfte er die immer wieder auftretenden Versuche, die höheren Schulen zur Pflanzstätte der Reaktion zu machen. Und wenn ihm nicht überall Erfolg beschieden war, so lag das gewiß nicht an ihm, sondern an Verhältnissen, die er selbst beklagte. Im Hoch- s ch u l w e s e n hat er durch die Gründung der Arbeiterakade- m i e in Frankfurt a. M. neue Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen. Unter seiner Hand und mit seiner lebhaftesten Förderung entstand zu dieser Zeit eine völlig neue Form der Voltsbildungsarbeit im V o l k s h o ch s ch u l w c s e n. Zu dessen Pflege richtete er eine besondere Abteilung im Ministerium«in, in der vieles von dem, was er gesät hat, erst jetzt sich zu entfallen beginnt. Das Volts- s ch u l w e s e n verdankt ihm die ersten Grundlagen einer völligen Umgestaltung. Die einem gesunden, pädagogischen Fortschritt Rech- nung tragenden„Richtlinien für die Grundschule* tragen seine Unter. schrist. Niemals ober wird ihm die preußische Vollsschullehrerschaft vergessen, daß er es war, der sein Amt zur Verfügung stellte, al» die Gefahr einer gehaltlichen�Einstufung der Volksschullehrer drohte, durch die sie auch im neuen«taote hinler den mittleren Beamten zurück- geblieben wären. Haenisch ist der einzige Kultusminister Preußens gewesen, der in dieser entschiedenen Weife für die Volksschule und ihre Lehrer eintrat. Mit Entschlossenheit ging er an die Reform der Volksschullehrerbildung, injiem er die alten Lehrer- bildungsanstallcn kurzerhand schloß und dadurch die widerstrebenden Stellen zwang. Neues an ihre Stelle zu sehen. Daß er die preußisch« Volksschule von der geistlichen Schulauisichr befreit«, war selbstverständlich. Durch seine grundlegenden Verordnungen über die Bildung der E l t e r n b e i r ä t e gab er der Zusammenarbeit von Schule und Haus, von EUern und Lehrerschaft neue Grundlagen. Denn die Demokratisierung aller ihm unterstellten Verwoltungszweig«, die Durchsetzung aller Aeamtenkörper mit treuen Republikanern gall.ihm als eine Lebensnotwestdigkeit' für den neuen Staat.' Liebenswürdig in der Form, wußte er als Minister manche Gegensätze auszugleichen, erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden. aber auch mit Kraft und Entschlossenheit über manchen Geheimrat „Bedenklich* zur Tagesordnung überzugehen. Dazu kam bei ihm ein angeborenes pädagogisches Talent und eine tiefgründige Allge- meinbildung. Zahlreiche Besuche höherer, mittlerer und Volksschulen, die ich mit ihm gemeinsam vorgenommen Hobe, legten davon Zeugnis ob. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß Haeiiisch als Minister ollein mehr Schulen besucht und in ihrer Arbeit kennengelernt hat, als alle anderen früheren preußischen Kultusminister zusammen-
genommen. So regierte bei ihm nie die Erwägung des grünen Tisches, sondern die praktische Erfahning. Mit welch großer Liebe Konrod Haenisch an seinem Amte als Kultusminister hing, wissen nur die wenigsten. Fond er doch hier ein Feld der Tätigkeit, das, wie kein anderes, seinem Wesen, seinen Neigungen, seiner ganzen Einstellung entsprach. Keine Reise war ihm zu mühselig, keine Stunde zu spät für die Arbeit der ihm unterstellten Sache. Wie schwer es ihm wurde, das Ministerium zu verlassen, haben nur seine engeren Freunde und Mitarbeiter erfahren.
Reichskabinett.
211. h! Ich habe Ihnen«ine schmerzliche Mitteilung zu machen. Wir haben gesiegt! Ich sehe, dah Sie sich zum Zeichen der Trauer von Zhrea Sitzen erheben. Zch danke Ihnen!
Die Spuren seiner 2� jährigen Arbeit an dieser Stelle werden noch lange sichtbar bleiben. Seine Arbeit hat unsere gesamte Kulttirpolitik neu befruchtet. Sic konnte nicht überall Vollendetes schaffen— dazu war die Zeit zu kurz und der Widerstand zu groß. Aber sie war reich an wertvollen Ansätzen und Entwicklungsmöglichkeiten, deren Nochwirkung noch lange zu spüren sein wird. Än uns, die wir seine Mitarbeiter waren, und die wir ihn überleben, ist es, in feinem Geiste fein Werk fortzusetzen, sein Erb« zu pflegen— trotz oller Widerstände.
Das helßi Faschismus? Der Faschismus ist heut« eine der am meisten genannten politischen Bewegungen, und so haben wir uns auch an dos merkwürdige Wort gewöhnen müssen, lieber die Entstehung und die eigentliche Bedeutung dieser Bezeichnung herrscht aber noch viel Unklarheit. I. W. Monnhordt, der dem Faschismus im Verlag von C. H. Beck zu München ein eingehendes Werk ge- wihmet hat, berichtet ausführlich, wie Nenn« und Bewegung ent- standen. Es war während des Krieges. Mussolini , der sich aus einem Sozialisten bereits zu einem Vorkämpfer des Eintretens in den Welt- krieg entwickelt hatte, kämpfte in Zeitungsartikeln und Reden für feine Idee. Aber er wußte, daß man politische Gedanken nur durch ein« Organisation in di« Tat unsetzen kann, und da ihm die sozio- listischen Verbände nicht mehr zur Verfügung standen, so ging er daran, sich nach ihrem Vorbild eine«igen« Organisation zum Zweck der Kriegsvorbereitung zu schaffen. Zur Benennung dieses neuen Bundes bediente er sich eines Wortes, das bereits von einer revo- l lutionären Bewegung der frühsozialistischen Zeit in Sizilien oer-
wendet worden war. Es war das Wort„fascio*, im Plural„fasci*, das im Deutschen eigentlich„Bund* heißt. Für d?n Italiener klingt ober in diesem altertümlichen Ausdruck noch die Erinnerung an die Diktorenbündel an, die den oltrömischen Konsuln vorangetoogen wurden, und dieses Zeichen oltrömischer Macht und Größe hat später Mussolini zum Wahrzeichen seiner Bewegung gemacht.„Diese Um- stände und die Farblosigkeit der Bezeichnung in der politischen Ter- minologie, verbunden mit der geschichtlichen Erinnerung*, sagt Mann- Hardt,„mußten Mussolini das Wort besonders empfehlen, das er dann für sich und feine Verbände ausschließlich in Anspruch nahm". Bereits Ansang 1915 sprach er von einem„Movimento fazcista", und nachdem er in den größeren Städten die ersten Verbände geschossen hotte, nannte er die Gesomtorganisation„Fascio inierveniisto". Ende Februar 1915 gab es bereits 195 einzelne„Fasci " mit 9009 Mitgliedern, unter denen Mussolini seine persönliche Werbung ent- faltete. Dies war aber nur die Vorgeschichte der eigentlichen Bc- wegung. Erst im März 1919 ging Mussolini in Mailand zu einer weiteren Ausgestaltung der Organisation über, in die er die über- lebenden Getreuen aus dem alten Fascistsnbund übernahm. Auch der alt« Name wurde beibehalten, aber es bestanden Mischen den beiden Bünden doch wesentliche Unterschiede. Der von 1915 war nur zur Herbeiführung der Krieges gegründet worden. Jetzt wurde das Zeil der Faschistenbewegüng di« innere Umwandlung des italienischen Volkes und als Folge davon oder als gleichzeitige Ent- Wicklung auch eine äußer« des Staates. Mozarts Geige. Mozarts berühmte Geig« hat seltsame Schick- sole. Vor längerer Zeit wurde sie in London für einen wahren Spottpreis verkauft. Sie brächte nämlich noch nicht einmal 1999 M. Diese Tatsache ist um so verwunderlicher, als gerade in London für Raritäten, die aus dem Nachlaß großer Männer stammen, oft ganz ungeheure Preise gezahlt werden, selbst wenn es sich um an sich wert- lose Dinge handelt, die ihren Welk nur durch die Person ihres Bc- sitzers erhalten. Mozarts Geige ober war auch als Musikinstrument schon zu Mozarts Lebzeiten das Werk eines Meisters, dessen Er- zcugnisse in großem Ansehen standen und stehen. Sie ist van dein bekonnten Geigenmocher Maggini hergestellt und trägt als Zeit- angab« ihrer Verfertigung dos Jahr 1615. Mozart hatte sie von seinem Vater geschenkt bekommen, als er sich im Jahre 1761 mit feiner Schwester Maria Anno, die auch bedeutendes musikalisches Talent hotte, in London auf einer Gastspielreise befand. Der Vater hatte sie hier für einen vpottpreis gekauft, da er ein großer Kenner war, und sie seinem Sohne geschenkt, der erst im Jahre vorher als siebenjähriges Kind' das Geigcnspiel erlernt hatte. Bei seiner hervor- ragenden Begabung für Musik, die ihm den Namen eines„Wunder- kindes* eingebracht hotte, als er 6 Jahre alt, im Jahre 1762 am Wiener Hofe austrat, deherrschte er schon nach einem halbjährigen Studium die Kunst des Geigenfpiels vollständig. Er trennte sich auch späterhin nicht mehr von dieser Geige, die er stets als ein Ge- schenk seines Vaters lieb und wert hielt. Die Geige hat heute noch den allen, vollen schönen Ton. Die Kanada zu seinem Namen kam. Als der spanische Aben- teurer Caboto. der, von dem Hunger nach Gold oerlockt, mit heißem Bemühen das sagenhafte Dorodo suchte, an der, kanadischen Küste landet«, war er nicht wenig enttäuscht, als«r mit seinen Gefährten das unwirtlich« Land betrat. Die Eingeborenen hörten, wie die verärgerten Spanier angesichts des öden Landes wiederholt die Worte:./cas neäa!* ausriefen, zu deutsch :„Hier ist nichts zu holen!* Zu ihrer Freude sahen sie dann, wie die enttäuschten Seefahrer schleunigst wieder ihr« Schiff« bestriegen und dcwonsegellen. Sie ließen sich diese Sektion dienen, als im Jahre 1512 französische Ansiedler unter Führung Cortiers erneut landeten. Aus Leibes- kräften schrien sie den Franzosen zu:„/Zea naiia!" Aber die Hoffnung, daß diese Worte genügen würden, um die Fremden zu ver- scheuchen, erwies sich als trügerisch. Die Franzosen dachten gar nicht daran, die Warnung zu beachten, sondern nahmen das Land in Besitz und nannten es nach den fallch verstandenen Bearüßiinqs- warten der Eingeborenen Kanada , weil sie annahmen, daß dies der Name des Landes sei. Hierbei mag bemerkt werden, daß die sponi- scheu Endecker Florida nach der üppichen Blütenpracht des Landes und Venezuela in Erinnerung an Venedig , an das sie die Landschaft gemahnte, tauften.
Der Sahnhof. Von Franz Rothenfelder. I. Tagsüber waren hier Hallen, in den Nächten aber stieg ein Tempel in Fieberraujch der Zeitlosigkeit. Dann hört« man nicht den Ruf der Züge und die Reisenden waren belanglose Erscheinungen. Der Lahnhof wollte auch etwas für sich haben. Schon kurz nach Mitternacht begann er noch Menschen zu greifen und preßte jeden an sein rotes Herz, der kein Obdach hatte. Sie kamen nicht herangeflottert wie die Vögel der Nacht, sie schlichen scheu, quer und kurz wie di« Ratten, mit denen man sie auch sonst zu vergleichen belieble. Uni lsl Uhr setzt« die Massenwonderung der Rallen ein. Dann kamen auch die weniger Mutigen und di« Nutznieher der Nacht, die irgendwo noch ein Geschäft erledigt hatten. Und dann wuchs der hohe und weite Bahnhof ins unheimliche Große und zeigte das macht- volle Antlitz eines Weltsiudldomes. Das mußte so sein, denn hier war alles, was wirklich wachte und jede einzelne der blinden, ge- hetzten Seelen hielt vielfache Wacht. Da wälzt sich der dicke rothaarige struppige Fürsorgezögling heran, dessen Hosen der nächtliche Wind ganz besonders gern und boshaft lüftete, feit sie in fliegendem �Schwung an einem Stachel- drahtzaun hängen geblieben waren. Listig und ängstlich zugleich huschten die kleinen Etahläuglein an den verschlafenen Blicken des Vuhnhofportiers vorbei, aber als es gelungen war, da kam die olle Fröhlichkeit und Keckheit wieder. Eine laute knarrende Stimm«, zu der sick ein Zungenfehler gesellt«, begrüßte die Kameraden im Wartesaal der dritten und vierten Klasse. Es waien meist recht jugendlich« Gesellen, die einen in Lumpen, die anderen gut und sogar auffallend getteidet. aber sie gehörten zchanmien. Die Hübschen hatten die netten Kleider und die Haß- lichen das zerriffen« Zeug. Dagegen waren di« anwesenden Frauen, soweit sie nicht wirklich Reisende waren, nach den Launen der Gesellschaft gekleidet. Es störte daher nicht, wenn mitten drunter auch der und jener Lebemann faß', nur die Reisenden schloffen sich aus und nioncher schüttelte den Kops, ohne indes ein Wort zu wagen, wenn«in junger Mann einer zungen Dame plötzlich Schläge ins Gesicht versetzte, oder wenn ein« sehr betrunkene junge Dame deutlich von Dnigen sprach, die man im ollgemeine» nicht berührt«. Em kleiner hübscher Bursche mit frauenhaft zarten Zügeir flüsterte dem Fürsurgezögling gespamit« Fragen zu: „Wcim du Geld host—* erwiderte dieser unverändert laut. „Ich habe angeschasft...' „Wieviel willst du?* ,E>b mir drei Päckchen— dann ist das Geld wieder alle. Aber für den Vormittag bin ich ins Hotel bestellt.'
„Laß n-ich den erst erledigen, wehrt« der Rote ab, wenn ihr Geld habt, könnt ihr alle bekommen, verpumpen tu ich nicht.* Der zarte Junge verschwand aus dem Wattesaal. Nach einer Weile kehtte er mit freudiger Miene zurück. Dafür gab er täglich Jugend und Schönheit preis, dafür machte er die Nächte zum Tay. Und dafür wird er eines Tages— o, was wird er nur? Es ist. nicht viel Auswahl und doch äußerlich«in starker Unterschied darin: Di« Spree , das Zuchthaus oder das Irrenhaus— aber nur eins ist sicher, umkehren kann er nicht mehr. Das weiß der Bahnhof, und ehe der Morgen lahm und fazeu kommt und die Züge wieder von Fern« rollen und pfeifen, reckt und streckt er sich wie ein arg selbstbewußter Gewalthober— und dann überschleicht es einen Menichen mit feiner Seelensatt wie fahle Er- tenntnis, daß Großstadtbohnhöje nur Leichenhallen sind. Aber der Mensch mit der seinen Seele dringt rncht tiefer ein— er flüchtet. Draußen glotzt er den vleiichweren Tag an— der kümmert sich aber nicht um ihn, weil er zu lärmen und zu toben hat und sich über- Haupt aus lemem Menjchcn etwas macht.. II. Stieg die Sonne über die Dächer, dann glitt man die Stufen der Kellcrkneipe hinunter, um sich in ihr den Tag über aufzuhalten. Dem Bahnhof gegerniber lag die Berberkneipe. Es war, als hätte sich die Kriegsjugend um den Bahnhof ein Lebensstelldichein gegeben. Man lebte um den Bahnhof und man lebte von ihm. Und inner den Berbern, polizeilich nüchtern und menschlich nicht zu- treffend wilde Gepäckträger genonnt. hausten die anderen der inngen Leute, deren Tageswerk mit der einbrechende» Dämmerung begann. Sie waren bei weitem nicht oll« so ungeschlacht und rauh wie der rote Geselle. Nein, im Eegeirteil, viel Schönheit, männlichen und weibliche» Antlitzes, bevölkert« di« finstere Kellerstub«. Und viel Zarlhett ergriff und Poesie kletterte an den Wänden umher, di« Sonnenitreisen ersetzend, die nur ganz flüchtig zu kommen pflegten, und viel imiiger und sehnsuchtstrunkener als sie. Do saß dann auch der Maler, der sich aus der Gesellschaft ent- wurzelt hatte, weil ihr Boden ihm brach dünkte, und wurde nicht satt vor Sehen, schloß auch, um tiefer schauen zu können, die Augen. Aber wenn er zeichnete, dann wurden es nicht die Gestalten um ihn— Eilande, Tempel wuchsen aus senieii Händen und der Tempel- hafte t>ug inimer das Gesicht des Bahnhofs. Du bist doch ein Götze, lächelte er vor sich hin. Ein Zwingherr. Schon muß ich jede Nacht in den Hallen deines Unweihrauchs ver- bringen. Und was fängst du nicht erst mit diesen Leuten an, die du vollständig zu Sklaven gemacht hast? Ja, Sklaven, das waren sie. Der Zug ist da, rief einer, und dann sprangen sie selbst voni Glücksspiel auf und jagten«uf die Straße. Auto, Zimmer, Gepäckträger? Nur leise durfte es ge- sprechen werde», die polizeilichen Häscher wachten und die autori-
sicrten Gepäckträger besaßen gute Gunimilnüppcl, die sie erbarmungs- los aus den Rücken der jungen Menschen sausen ließen. Langsamer, al» sie gegangen waren, kamen sie auf» neue di« morschen Holzsiufen herunter. Manch einer fehlte. Der eine hatte einen größeren Gang zu machen, der andere einen Ausländer als Freund gewonnen, ein dritter saß oben im Kaninchenstall der Polizeiwoche, wenn er nicht gerade von dem Wachthabenden jämmerlich oerbläitt wuid«. Dies geHörle doch zu den täglichen Gewohnheilen, die Grausamkeit des Krieges wirkte noch und feierte auf Kelten der Armen Feste, und es gab kein« Behörde, die dagegen Schutz gewöhtt hätte. Aber man konnte auch menschlich sein. Ein braver, fleißiger Mensch konnte sich jederzeit vor dem eintägigen nohrungslosen Auf- enthalt im Kaninchenstall retten— die Bezeichnung paßte nicht ganz — Stallhasen wären aus Mangel an Lust und Licht eingegangen, man brauchte nur die Wachtroume fein säuberlich auszufegen. Dafür erhiell man allerdings nichts, aber auch die Prügel wurden zurück- behulten. Saßen der Maler und die Wirlslcute allein, dann gab es be- wegte Auseinandersetzungen über die Wandlung der Welt. „Früher war all das nicht, da kainen die Leute vom Land mit ihren Körben und kehrten hier«in und unser Lokal hatte seinen ehrenhafte» Ruf. Und jetzt sagt jeder Schupo:„Gehen Sie nicht in diese Kaschemme* Di« gutmütige Wirttn mit der schönen von weißen Haaren umrahmten Stirne warf den Nacken höher:„Muß ich mir dos ge- fallen lassen, daß man meine Kneipe eine Kaschemme nennt?* Der kleine dick« Witt braust« auf:„Steuern zahlen bis zum letzten, die Dlutstropfen laugen sie einein aus— aber sie zerstören einem auch das bischen Enftenz: zwei, dreimal in der Woche kommen sie mit den Lastautos und nehmen alle» mit—* „Und lassen dann, wenn sie die Leute unnütz sistiert haben, olle wieder laufen— well sie jeden einzelnen längst kennen und weil sie di« Waffen vor der Krankheit der Zell strecken müssen. Es ist der Krieg, den sie wie«in Stück Bieh auf di« Autos werfen, der Krieg. den sie blutig schlagen und vor dem sie zuletzt immer ohnmächtig mit den Zähnen knirschen. Es ist der Krieg, den sie verschuldet und gegen dessen Opfer sie wüten.* „Aber muh denn da» fein, das mit dem...* meinte di« Wirtin und machte die Bewegung des Schnupfens. La. liebe Frau, das muh sein,* versetzt« der Maler und sah sehr ernst vor sich hin.„Es gibt heute so viele Menschen, die haben nicht Heimat noch Heim und haben nicht Recht und Glück und müssen sich selbst ausrotten. Wer vaterlos und hungernd während des Krieges heranwuchs, der ist au» dem Frieden gestoßen* „Aber trotzdem— da»«ine muß doch nicht sein—* La, es muß schon sein, es ist das Erbarmen, mit dem das Schicksal den Untergang begnadet.* „Da? sogen Sie, ein Mann— Sie also auch?*(Schluß folgt)