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fr. 204 42. Jahrg Ausgabe A nr. 106

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Freitag, den 1. Mai 1925

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Erster Mai.

Achtstundentag!- Weltfrieden!

Nicht den letzten Zielen des Sozialismus, sondern einer bestimmten Arbeiterforderung, der Forderung nach dem Achtstundentag, follte nach den Beschlüssen des Inter­nationalen Sozialistentongresses von Paris im Jahre 1889 die Feier des Ersten Mai gelten. Die Lehre des Sozialismus war damals in weiten Gebieten der Welt noch so gut wie unbe­tannt, die Forderung nach dem Achtstundentag dagegen überall populär. Sie war es vor allem in dem damals gänzlich un­fozialistischen England, wo die ersten Kämpfe um den ge­feßlichen Marimalarbeitstag geschlagen worden waren. Man stiert sehr oft das Wort von Karl Mart, daß das Zehn­stundengesetz für die Textilindustrie in England, e in Sieg des Prinzips" gewesen sei, nicht so allgemein bekannt find leider jene Abschnitte seines Kapitals", in denen die gewaltigen Klaffenfämpfe um die Berkürzung des Arbeitstags in England mit dramatischer Bucht und heiß blütigem sozialen Empfinden geschildert sind. Erst aus ihnen wird die Bedeutung des berühmten Wortes pom, Siege des Brinzips" völlig flar. Und so mar der Beschluß des Bariser Sozialistentongreffes, der unmittelbar an das lebendige Leben und die praktischen Forderungen der Arbeiterklasse anknüpfte, im besten Sinne des Wortes ,, marristisch".

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Bon dem Pariser Sozialistentongreß bis zur Arbeiter. schußkonferenz in Washington im Jahre 1919 dreißig Jahre später ist ein weiter Weg, aber dieser Weg führt aufwärts. Er ist gekennzeichnet durch blutige Weltereig­nisse, aber auch durch das Erstarken der politischen und ge­werkschaftlichen Arbeiterbewegung in allen Ländern der Welt. Wenn der Friedensvertrag von Versailles ein besonderes Kapitel über den internationalen Arbeiterschuh enthielt und darin die allgemeine Einführung des achtstündigen Arbeitstags als erstrebenswertes Ziel aufstellte, so war auch das ein Sieg des Prinzips". Seitdem hat es an Kämpfen um die praktische Durchführung dieses Prinzips und auch an Rüd­schlägen auf diesem Gebiet nicht gefehlt. Aber niemand, der fich nicht etwa absichtlich blind stellt, kann bestreiten, daß die dreißig Maifeiern von Paris bis Washington und die harte, nüchterne Arbeit des politischen und gemerkschaftlichen Werk­tags Erfolge gebracht haben.

Demokratie!

flammten Bölter. Vier Jahre lang donnerten die Kanonen,| gleiche demokratische Recht aller erwachsenen Deutschen ohne braufte eine Orgie der Bernichtung über die Welt. Behn Unterschied des Geschlechts. Millionen Gräber, ein ungerechter Frieden und eine zerrissene Arbeiterbewegung blieben als Reft.

Dennoch, aus den blutigen Schlachtfeldern, aus den Trüme mern zerschossener Städte, aus dem Bahnsinn des Brudermords und der Selbstzerfleischung erhob sich von neuem die Inter­nationale! Sie war noch nicht start genug gewesen. den Krieg zu verhindern, aber sie war schon start genug, ihn zu überstehen. Mit erstaunlicher Schnelligkeit fanden fich ihre Glieder wieder zusammen, und es zeigte sich, daß sie in zwischen, jedes für sich allein, an Kraft und Einfluß ge­wonnen hatten. Heute steht das Ganze da, als achtung gebietende Macht. Und diese Macht allein ist es. die uns an die Zukunft der europäischen Menschheit noch glauben läßt.

Biele Jahre hatten wir so am Erften Mai für den Acht stundentag und den Weltfrieden demonstriert. Dann famen die Wahlrechtsfämpfe in Preußen, und an manchem Ersten Mai vor dem Kriege stand für die deutsche Arbeiterklaffe die Forderung der Demokratie im Bordergrund. Gewaltig hatte sich bei jeder Reichstagswahl die Zahl der sozialdemokratischen Wähler vermehrt. Aber die große foziale und politische Bewegung brandete scheinbar machtlos an den Dämmen des persönlichen Regiments und des preußischen Dreiflaffenwahlrechts empor. Noch galt der Grundja nicht, daß die Staatsgewalt vom Bolte ausgeht, noch hatten die Hochgeborenen und die Befihen. den, dank ihrer Geburt oder ihrer Steuerleistung, einen Ein­fluß, der den der Besizlosen fast vollständig erdrückte. Wie ein Gebet vor der Schlacht flangen nun an jedem Ersten Mai die

Liedesworte:

Das freie Wahlrecht ist das Zeichen, In dem wir fiegen. Nun wohlan, Nicht predigen wir Haß den Reichen, Nur gleiches Recht für jedermann! Wer vermag zu sagen, mie lange diefer Kampf noch ge­dauert hätte ohne die blutige Lösung des Weltfriegs? Sie ist Für den Achtstundentag demonstrieren wir auch an diesem erfolgt. An dem Tag, an dein alles Morsche, Berjährte zu Ersten Mai. fammenbrad, rief Scheidemann die Republik aus, und Ebert proffamierte als Reichskanzler des 9. November das

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Später, durch den Kongreß von Brüssel, wurde das Programm der Maidemonstration erweitert. Neben die Forde rung des internationalen Achtstundentags trat die der Siche= rung des Weltfriedens, des Krieges gegen den Krieg". Das war eine bedeutungsvolle Wendung. Denn weder Marg noch Lassalle waren in dem Sinne Bazifisten" gewesen, daß sie der Arbeiterklasse die Kraft zu­getraut hätten, nor ihrem endgültigen entscheidenden Sieg- der in unbestimmten Fernen hing- das alte Erbübel der Menschheit, den Krieg, auszurotten. Als nüchterne Beobachter der geschichtlichen Entwicklung und in realpolitischer Ab­fchäzung der gegebenen Kräfte sahen sie noch immer, wie Schiller, im Kriege ,, den Beweger des Menschengeschlechts", einen eruptiven, Borgang, der den Fortschritt weit vorwärts tragen konnte.

Inzwischen war auf der einen Seite die Macht der Arbeiterbewegung erstartt, auf der anderen Seite waren die Fortschritte der Kriegstechnik so gewaltig, zeichneten sich die Umrisse der drohenden Wettfatastrophe in so furchtbarer Deutlichkeit ab, daß sich der Gedanke unwillkürlich aufdrängte: aus den Massen der Arbeiterbewegung eine Macht zu schaffen, die den Weltfrieden vor jeder Bedrohung schüßte.

Die Verfassung des neuen Deutschland erstand entsprechend den politischen Forderungen des sozialdemokratischen Erfurter Programms.

Erster Mai 1925. Deutschland und die Welt stehen unter dem Eindruck der Wahl Hindenburgs zum zweiten Präsidenten der deutschen Republik. Noch einmal hat die Reaktion einen großen Sieg erfochten dank der Zersplitterung der Arbeiterbewegung, dank der Hilfe der Kommu­nisten! Wohl ist diese Zersplitterung im großen ganzen überwunden, die sozialistisch denkenden und empfindenden Maffen haben sich schon mit Bierfünftelmehrheit zur praktischen, Stüd für Stück aufbauenden Arbeit der Sozial­demokratie und gegen die wilde Zerstörungsarbeit der Kommu niften bekannt. Aber das in Berirrung und Verwirrung zu­rüdgebliebene Fünftel wurde zum Zünglein an der Wage, und es hat nicht die Disziplin beseffen, seine Entscheidung so zu fällen, wie es dem Willen der erdrückenden Mehrheit der Arbeiterschaft entsprach. Berleitet von abenteuernden Führern, in beren Munde die proletarische Solidarität" nur eine lügne­rische Phrase ist, hat es den schlimmsten Feinden der Arbeiter­flaffe den Weg zu ihrem Siege geebnet.

Die Lehre ist deutlich. Die Arbeiterbewegung kann sich den Lurus einer auch noch so geringen Zersplitterung, einer noch so fleinen kommunistischen Partei nicht mehr gestatten. Einig und geschlossen muß sie unter den Fahnen der deut­Ichen Sozialdemokratie und der Sozialistischen Arbeiter- Internationale den Kampf Kampf aufnehmen, gegen die Gefahren, die durch die verbrecherische Torheit der kommu­mistischen Arbeiterzersplitterer bergehoch aufgewachsen sind. Nur unter diesen Fahnen Sieg des Acht stundentags, mur unter diesen Fahnen Sicherung des Weltfriedens, mur unter diesen Fahnen Schuß der demokra tischen Republif!

Heute sind wir, weil uns ein kleiner abgesplitterter Teil der Arbeiterbewegung in den Rüden fiel, ein Stück zurückge­drängt geschlagen sind wir nicht! Wir stehen fester denn je!

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Der Erste Mai hat den Weltkrieg überlebt, der Erste Mai wird auch Hindenburg überleben. Durch Einigkeit zum Sieg!

Schliebens Steuerprogramm.

Rücksicht auf das Kapital.

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Der Gehalts- und Lohnempfänger fann warten. öffentlichen Körperschaften fieuerlich gleichzustellen, follen ge­laffen morden ist. Er hat jedoch gleichzeitig das Verlangen nach Erhöhung der Bier- und Tabafsteuer energisch vertreten, den Abbau der Umsatzsteuer überhaupt nicht erwähnt und bezüglich der Lohnsteuer auf die Prüfung im Steueraus­schuß verwiesen.

Mit Reben des Finanzministers Schlieben und des Justizministers Frenten wurde am Donnerstag die Be retung der Steuer- und Aufwertungsgefeße im Reichstag ein geleitet. Begeisterung haben beide Redner nicht hervorgerufen, ebensowenig aber auch Enttäuschung. Man fennt seit Wochen die Absichten der Reichsregierung in diesen bedeutungsvollen Fragen und weiß, daß von Ministerreden lleberraschungen nicht zu erwarten sind. Wenn der Finanzminister Schlieben einleitend betonte, daß das jezige Gejezgebungswert auf Jahre hinaus eine Festlegung der Sieuer- und Finanzverhältnisse bedeutet, und die Entscheidung über die Gesundung der deut schen Wirtschaft auf das stärkste beeinflußt, so ist ihm darin rückhaltios zuzustimmen.

Dieser Hinweis aber ist zugleich die stärkte Antiage gegen die Reichsregierung. Ihre Vorschläge ent­halten nur eine Milderung der Steuerlasten der Besigen den, zugleich aber auch eine Erhöhung der Lasten der Besitz­lofen. Dieser Zustand foll also für Jahre hinaus Gel­tung haben. Die unfoziale Gestaltung des deutschen Steuer rechts, die durch die Inflation veranlaßt und in der Stabili­rechts, die durch die Inflation veranlaßt und in der Stabili­fierungsfrise aus äußeren Gründen aufrechterhalten murde, wird fomit verewigt. Die Rede bes Finanzginifters hat Aber der Sieg blieb aus. Den Gesang der Internationale diese Befürchtungen in feiner Beife abgeschwächt. Er hat übertönten die Schlachtgefänge der in Leidenschaften entzwar mitgeteilt, daß die Absicht, die Versorgungsbetriebe der

Dieser internationale fozialistische Kampf gegen den Krieg vor dem Kriege gehört zu den größten und erhebendsten Rapiteln der Geschichte. Die Namen August Bebel und Jean Jaurès leuchten ihnen voran.

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Gerade hierin aber zeigt sich die rein plutokratische Dentweise der Reichsregierung. Jede Steuer, die den Befig trifft, ist überaus forgfältig geprüft und bei den meisten dieser Steuern ist dem Verlangen der Interessenten nach er abfegung entsprochen worden. Bei der Ein­tommensteuer wird eine so wesentliche Senkung des Tarifs vorgeschlagen, daß neben den innerpolitischen und sozialen Bebenten auch außenpolitische Bedenken nicht unterdrückt werden können. Das gleiche ist bei der Vermögens-, der Erbschaftssteuer und den Kapitalverkehrssteuern der Fall.

Ganz anders find die Steuern auf den Arbeitslohn und den Verbrauch behandelt worden. Bei den letzteren lehnt die Regierung jebe Milderung schroff ab und beabsichtigt fogar ihre Erhöhung. Bei der Lohnsteuer, deren jezige unhalt­bare Höhe non niemand bestritten werden kann, tut fie von sich aus nichts, fondern vertröstet auf die Initiative des Reichs­tags. Wenn man nicht annehmen foll, daß die Furcht vor eigener Berantwortung die Triebfeder dafür ist, so bleibt mur