Abendausgabe
Nr. 205/206+ 42. Jahrg. Ausgabe B Nr. 101
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auf der Reichs- Retlame- Messe: Wilhelm 5744
Vorwärts
Berliner Volksblatt
5 Pfennig
Sonnabend
2. Mai 1925
Berlag und Anzetgenabteil
Geschäftszeit 9-5 Uhr
Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2537 Fernsprecher
auf der Reichs- Rellame- Mefie: Withelm 5744
Die Maifeier.
Starke Beteiligung- ungestörter Verlauf.
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In der Republik Polen verlief die Maifeier der sozialdemokratisch organisierten Arbeiterschaft in vollkommener Ordnung. In Warschau versuchten Kommunisten aus den Vororten auf den Theaterplatz zu gelangen, um die sozial demokratische Kundgebung zu stören. Die Bolizei trieb die Kommunisten auseinander, wobei auf die Polizei gefchoffen, aber niemand getroffen wurde. Gegen 100 Personen wurden verhaftet.
Das Eisenbahnunglück im Korridor.
Die politische Seite.
Die furchtbare Eisenbahnkatastrophe, die sich in der Nacht zum 1. Mai im polnischen Korridor ereignete, und über die wir an anderer Stelle ausführlich berichten, hat auch ihre bedeutungsvolle politische Seite Ein deutscher Zug, von polnischen Eisenbahnern durch polnisches Gebiet geführt, war es, der von diesem grauenvollen Unglüd betroffen wurde. Die 28 Toten find zum größten Teil Deutsche , die auf diese Weise aus einem Teil ihres Vaterlandes nach dem an dern reisten!
Nach den uns vorliegenden Berichten ist die Maikund| Ludauer Straße zu einer Feier, an der auch der neue Gegebung der organisierten Arbeiterschaft in ganz Deutschland sandte, Prof. Dr. Krofta, und das gesamte Personal der ungestört verlaufen und übereinstimmend wird aus vielen Gesandtschaft teilnahm. Städten gemeldet, daß die Beteiligung an der Kundgebung größer gewesen set, als im vorigen Jahr, was ein Zeichen für die gesteigerte Kampfbereitschaft der fozialdemofratischen Massen nach dem Ausgang der Präsidentenwahl ist. In Braunschweig , wo die reaktionären Parteien im Landtagsausschuß mit einer Stimme Mehrheit eine Rotver ordnung" im Interesse des Staatswohls beschloffen hatten, wodurch de m 1. Maider Charatter als Staatsfeier tag aberfannt wurde, hatte diefer Anschlag auf die hergebrachte und den Arbeiterherzen teuere Kundgebung die Kluft zwischen unseren eGnossen und den Kommunisten für diesen Tag überbrückt und statt der vorher geplanten getrennten Beranstaltungen demonstrierten sie gemeinsam in Bersammlungen und durch einen Umzug, und gemeinsam waren auch die abend lichen Beranstaltungen, da das Gewerkschaftskartell die Leitung der Maifeier übernommen hatte. Aus dem Groß- ham burger Städtegebiet wird ein überaus imposanter Berlauf der Kundgebung gemeldet, den selbst das besonders schlechte Wetter dieses Maientages nicht beeinträchtigen konnte. In Leipzig war die Festversammlung im Parlmengarten" überfüllt, die Abendveranstaltungen überaus stark besucht, während die Kommunisten faum 2000 Personen, darunter Hunderte Kinder vor das Reichsgericht entbieten konnten. In Mainz maren fommunistische Störungsversuche gegen unsere eindrucksvelle Maifeier erfolglos. Zu einer großen Manifestation für die Bereinigung Deutsch österreichs mit dem Deutschen Reiche wurde die Maifeier unserer Stutt garter Genossen in der Liederhalle". Die Festrede hatte der eine Präsident des deutschösterreichischen Nationalrats, unser Genosse Mathias Eldersch Wien , übernommen. Ueber den Anschluß gebanken erklärte er, daß die bürgerlichen Barteien in Desterreich mit der Annahme der Weimarer Betfaffung die Luft zum Anschluß verloren hätten, weil ihnen die Deutsche Republit zu freiheitlich war. Die Christlichsozialen hätten schon mit dem ersten französischen Gesandten in Wien pattiert und den Anschluß verraten. Genosse Eldersch forderte unter begeisterter Zustimmung der Versammlung den Anschluß aus nationalen, fulturellen, politi schen und wirtschaftlichen Gründen. Aber, fügte er hinzu, die Begeisterung der großen Masse der Bevölkerung in Desterreich ist etwas gedämpft durch die Wahl Hindenburgs. Sie will feinen Rechtsfurs und ist anschlußfreudiger, wenn der Kurs links geht. Uns. zwingt zum Anschluß die Lebensunfähigkeit des österreichischen Wirtschaftstörpers, dessen Arterien durchschnitten find. Am Schluß forderte Eldersch auf, der Reaktion den Krieg zu erklären und zu demonstrieren gegen den Zug nach rechts, der sich in der Hindenburgwahl zeigt.
Zu gleicher Stunde demonstrierten auch die Arbeiter Wiens für die Vereinigung mit der Deutschen Republik. In Wien hat von jeher die Maifeier den allergrößten Umfang angenommen, und es wird uns berichtet, daß die Teilnahme an dem Marsch aus den Stadtbezirken auf die Ringstraße und an den vier Masseyversammlungen vor dem Parlament, dem Rathaus, dem Burgtheater und der Universität noch stärker gewesen sei als im vorigen Jahre. Eine besonders würdige Kundgebung für den Anschluß an Deutschland war die Verjammlung vor dem Parlament.
Außer dem Genossen Dr. Deutsch sprach Genosse Hölter mann aus Magdeburg . Vorsitzender des dortigen Reichsbanners. Dr. Deutsch erklärte, daß auch nach dem Siege Hinden burgs der Anschlußwille der österreichischen Arbeiterschaft hier feierlich befundet werden müsse: Feierlich erklären wir, daß wir an der Seite der deutschen Genossen in einer großen, einigen deutschen Republik fämpfen wollen. Wir geloben, daß wir treu und fest zur, Republik stehen und sie mit allen Mitteln verteidigen wollen!" Genoffe öltermann überbrachte die Grüße der reichsdeutschen Sozialdemokraten und Republikaner, insbesondere die Grüße des Reichs bånners an den österreichi schen Republikanischen Schutzbund.„ Wir haben," sagte er, ..eine Schlacht verloren. Aber Hindenburg hat im Kriege manche Schlacht gewonnen und den Krieg doch verloren. Hindenburg het eine Schlacht gegen die Republik gewonnen; er wird den Krieg gegen Die Republik verlieren, wenn er ihn versuchte. Wir in Deutschland find nicht entmutigt. Wir werden uns von neuem messen im Kampfe um Breußen, und diese Schlacht werden wir nicht verlieren." Die Rede Holtermanns wurde mit großem Beifall und Hochrufen auf die reichsdeutsche Sozialdemokratie aufgenommen. Vor dem Rothaus Sprach Bürgermeister Genoffe Seiß, der ebenfalls die Solidarität mit den reichsdeutschen Arbeitern und die Entschlossenheit zum Rampfe für den Anschluß cn Deutschland fundgab. Es dauerte sehr lange, bis die riesigen Versammlungspläge von den Maffen geräumt waren. Am Nachmittag fand vor dem Rathaus ein großes Schauturnen der Wiener Arbeiterturner statt. Abends waren in zahlreichen Theatern und großen Sälen Festlichkeiten und Theatervor Stellungen.
Die tschechoslowakische Republik hat schon im Beginn ihres Bestehens auf sozialdemokratischen Antrag den 1. Mai zum Staatsfeiertag der Arbeit erhoben. Dem entsprechend trug das Leben in den Stätten unserer Nachbarrepublik Sonntagscharakter, und in imposanten Umzügen marschierten die Arbeiterparteien der Völker dieses Staates auf. Die in Berlin lebenden Tschechoslowaten versammelten sich aus Anlaß des Staatsfeiertages in einem Saal in der
Kein Wunder, daß nun das Korridor- Problem lebhaft erörtert wird. Dieses Problem ist ja schon durch Stresemanns GarantieDorschlag neu aufgerollt worden, der in Bolen vielfach als eine Aktion zur Herbeiführung einer ander weitigen Grenzregelung im Osten aufgefaßt wurde. Nun hat weitigen Grenzregelung im Osten aufgefaßt wurde. Nun hat die Strömung im deutschen Bolke, die nach dieser neuen Grenzregelung hinstrebt, durch das Unglüd im Korridor neue Nahrung erhalten.
Bon Alwin Saenger München . Fürwahr! Dieser fönigliche Freistaat Bayern ist gefegnetes Land, und die Geschichte politischer Charaktere wird Anfang und Ende dem fröhlichen Treiben der bajuwarischen Hemisphäre entnehmen.
Kaiserreich, dessen Sturz Rupprecht von Wittelsbach 18 Mo Zunächst einige Erinnerungen. Das hohenzollernsche nate vor dem Dolchitoß" in seinem Schreiben an Hertling Eine schwarzweißrote Fahne wurde da an einem wilhelmianfündete, war in das dritte Jahrzehnt längst eingetreten. nischen Geburtstag in der Residenzstadt Würzburg auf einem föniglich banerischen Regierungsgebäude aufgezogen.
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Die Treue zum Reiche, in der wir Bayern uns von feinem übertreffen lassen", holte sie in 10 Minuten herunter, und ein föniglicher Regierungserlaß mußte erst 25 Jahre nach der Reichsgründung!- Schwarz- Weiß- Rot feierlichst im weißblauen Land sanktionieren. Daher eben stammt heute schen Imperiums und die freundliche Beschimpfung des das rasende Begehren nach der Flagge des protestantis Schwarz- Rot- Gold in der Ordnungszelle.
Und dann überhaupt die Preußen. Das fatholische Gerstenberger fegnete das Kaifertum des MarschallFränkische Volksblatt" des verstorbenen Abgeordneten präsidenten in bayerisch - vorbildlicher Weise in der guten alten Beit des Jahres 1891: Deutschland bleibt immer, nur die Form muß wechseln; die preußische Hegemonie ist reif für müsse seine Beute von 1866 herausgeben und Bayern die Bernichtung Es fann alles unblutig gehen." Preußen fatholische Vormacht eines, füddeutschen Bundes" werden. Treue am Münchener Hauptbahnhof noch refpefivell ausge Wilhelm, der Bielfältige im Herbst 1888 von der teutschen piiffen- bemühte sich. Kaiserliche rKeuze und Abtstäbe wanderten in katholische Klöster. Und siehe: auf der Rückreise von Palästina, 12 Flaschen Jordanwassen, versiegelt unter der
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Die polnische Regierung hat sofort erklärt, daß das Un Bagage für fünftige Taufzwecke führend, konnte der Herrlicheglück auf einen verbrecherischen Anschlag zurüdseiten Mann bereits im Fürstensalon des Münchener Hauptzuführen fei. Auch in diesem Fall würde die Verantwortung Militärgerichtshoheit verfrühſtüden. Aber er blieb ein zurüdbahnhofes mit dem alten Regenten die ganze bayerische der polnischen Regierung bestehen bleiben, die nicht für die protestantischer Preuße und genügende Sicherheit des Betriebs in ihrem Gebiet zu sorgen Kirche, doch wohl nur weiß: Andere Stimmen, auch polnische, behaupten, das Unaus der er glüd sei auf eine ungeheuerliche Mißwirtschaft der polnischen Eisenbahnverwaltung und auf die völlige Vermorschtheit der Eisenbahnschwellen zurückzuführen. In diesem Fall würde die Sache für Bolen noch ungünstiger liegen, da Polen zu sorgfältiger Instandsetzung der Durch fuhrftrede nach Ditpreußen vertraglich verpflichtet ist. Auf der anderen Seite versteigt sich ein polnisches Blatt zu der Behauptung, es sei ein Attentat ausgeführt worden usw. von -preußischen Agenten", die damit die Unmöglich feit des Korridors beweisen wollten!
Schon diese durch feinen Beweis gestützte Behauptung zeigt, welche politische Aufregung durch das Unglück hervor gerufen worden ist. Wenn aber ein an sich unpolitischer Vorfall, wie eine Eisenbahnkatastrophe, sofort zu politischen Erregungszuständen führt, so ergibt sich schon daraus allein ein Rückschluß auf die Ungesundheit der gegebenen Verhältnisse, aber die nachzudenken nun auch das Ausland einigen Anlaß finden wird. Dennoch wäre es falsch, zu glauben, daß das Unglüd im Korridor zur Ursache einer entscheidenden Wendung werden könnte. So sehr mir auch eine im Ein verständnis der Beteiligten getroffene Neuregelung begrüßen würden, so sehen wir doch einstweilen noch nicht die Ansätze zu ihr.
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Marx und Hindenburg in Preußen. Tros Oftelbien Vorsprung der Republikaner. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, sind nach amt. licher Zusammenstellung auf Grund des vorläufigen Ergebnisses der Reichspräsidentenwahl am 26. April im Freistaat Breu Von diesen entfielen auf: Ben insgesamt 19054 502 gültige Stimmen abgegeben worden.
$ 827 155
8 984 030
1 231 451
11 866 Stimmen.
Nach Prozenten berechnet hat Hindenburg 46,3, Marr 47.1, Thälmann 6,5 Prozent erhalten; auf die zersplitterten Stimmen fällt 0,1 Prozent.
Das Wahlrecht der Alten.
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Was nie im Vorwärts" gestanden hat. Der Tag" zitiert einen angeblichen Ausspruch des Borwärts: Mit dem begonnenen 66. Lebensjahre hätte unbedingt das Bahlrecht aufzuhören."
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Wir stellen fest, daß ein derartiger Unsinn niemals im Vormärts gestanden hat. In einer nicht parteioffiziellen Zeitschrift, der Glocke", hat ein Jungfozialist, Gen. Walter Schuhmann, einen wohl nur ironisch gemeinten Gegenstoß gegen die Forde rung der Alten gemacht, den Jungen das Wahlrecht zu nehmen. Seinen Vorschlag, es lieber den Alten zu entziehen, wird er wohl felber nicht ganz ernst gemeint haben. Wenn der„ Tag" daraus eine, Aeußerung des Borwärts" macht, so ist das, wenn nichts schlimmeres, eine nicht zu überbietende redaktionelle Leicht fertigteit.
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Geschenkte die katholische aus der Gesinnung heraus, Borern die gepanzerte Fauft und irgendeinenm ihm geistig franzöfifchen Kadetten Schokolade, ben verwandten Drientalen einen Springbrunnen gab: Grunde blieb es bei der evangelischen Berachtung der ll I tramontanen, die wert find, alle aufgehängt zu werden!( Siehe Näheres: Briefwechsel mit dem liebsten Nifi" und Bannfluch über die fatholisch gewordene Landgräfin von Hessen .)
Bon allem aber: die Katholifen fonnten
nichts werden. Mit jenem lutherischen Dünkel, der sellschaftsschicht ist, sah man im Katholiken den intellektuell Tradition der sogenannten gebildeten" protestantischen Ge stets und immer Minderwertigen, den Dummen, der nicht ' ran durfte. Der hofpredigende Gärtner im verwelften Weinberg des faiserlichen Herrn, Döring, der taptere Mitstreiter für die fatholische Sache, gibt uns ja noch angemessene Proven, berg des faiserlichen Herrn, Döring, der tapfere Mitstreiter wie es sein soll. Gottlob, daß einer von den Reformierten der Bayerischen Volkspartei den Ruhm auf sich nahm, den Feldmarschall nach dreimal gegebenem Wort umzustimmen. Was wäre aus der feit 60 Jahren ob fonfeffioneller Imparität kochenden bayerischen Bolfsieele geworden, wenn sie statt des protestantischen Preußen, des wilhelminischen Generals, den überzeugten Katholiken des Rheinlandes, den katholischen
Staatsmann hätten wählen müffen!
der
lind so erschien dieses Mysterium murde in einer Hofbräuhausversammlung der katholischen Bolkspartei inmitten Bierbonzen feierlich verkündet- dem ertranften Dr. Heim im Fieber Hindenburg , und der Führer der katholischen Sache ließ die Kunde wörtlich übermitteln: Mary bedeute eine nationale Gefahr. Natür lich dachte Herr Heim bei dieser Feststellung an die Rede Bismarcs, die am 13. Februar 1872 im preußischen Abgeordnetenhaus über die nationale Gesinnung des bayerischen Klerifalismus gehalten wurde. Es ist doch wahrlich ein erbärmliches Spiel, daß sich unter den Epigonen der Schädler, Daller und Drterer Leutlein befanden, die jene den Präsidentschaftskandidaturen anwandten; diese Helden Nomenklatur non national" und" unnational" gegenüber vergessen in ihrer Begeisterung für den Stockpreußen, daß das Bekenntnis ihrer lleberzeugung einft mit ,, nationaler" Berachtung geschmäht wurde. Und die jüngste Bundesgenossenschaft des bayerischen Ordnungszellen- Katholizismus hat es ja an artigen Romplimenten über Roms Zepter" ,,, deutsch proteftantische Kulturintereffen" ,,, fatholische Pfaffen" usw. nicht fehlen lassen. Was Wunder? Schildträger und Knappen der überparteilichen, deutschnationalen Barteikandidatur waren ja die Autochthonen des spezifisch preußischen Proteftantismus; wer sich in diese Gesellschaft begibt, muß fich schon etwas Los- von- Rom- Beschimpfung gefallen lassen. Und menn Wilhelm Marg am Abend des Wahltaaes non einem offiziellen Führer der Bayerischen Volkspartei öffentlich durch die dreiste Behauptung verdächtigt werden konnte, die Kommunisten hätten für ihn gestimmt, dann fann man auch den Evangelischen Bund, Erich Ludendorff und die lutherischen Hofprediger a. D. in die fatholische Anti- Marr Runde mit einbeziehen. Herr v. Heim freilich nahm in der Zeitung, die ihn zwei Jahrzehnte hindurch in beispielloser