Zlbg. Dr. Veusch(Ztr.): Die Steuerreform steht im Zeiten des Steuerabbaues, nicht des Aufbaues. Die Möglichkeit dazu hat uns die Annahme der Dawes-Gefetze gewährt. Es ist darum kein Zeichen politischer Einsicht, wenn man auch bei dieser Gelegenheit eine rein parteipolitisch eingestellte Agitation gegen das Dawes-Abkommen führt. Es darf nicht vergessen wer- den. daß der Ruhrkampf uns 15% Goldmilllarden gekostet hat. Wir dürfe» nicht den U e b e r s ch u ß des Jahres 1024 als die dauernde Grundlage unserer Finanzpolitik für die nächsten Jahre an- sehen. Ein Finanzminister, der so handeln würde, würde die größten innerpolilischen Gefahren, ja eine Gefährdung unserer Währung heraufbeschwören Die falsche Beurteilung unserer Finanzlage hat der Finanzminister selbst teilweise dadurch verschuldet, daß er die Einnahmen vielzu gering in den Etat eingestellt hat. Hätte er sie richtig eingestellt, dann wären auch auf der Ausgaben- feite die Ueberweisungen um 800 Millionen höher erschienen, und wir härten ein klares Bild. Wenn der Vorredner über man- gelnde Sparsamkeit der Länder und Gemeinden klagte, so muß doch daran erinnert werden, daß der mit vielen Härten ver- bundene Beamtenabbau durchgeführt worden ist, daß aber seine finanzielle Wirkung kaum ins Gewicht gefallen ist. Beim Ueberleitungsgesetz ließe sich vielleicht ein Mittelweg in der Weise finden, daß man bei den großen Einkommen und Lerinögen mit der Veranlagung weiter zurückgeht. Die Einkommensteuer muß die Zenkralsteuer unseres ganzen Steuersystems werden. Um so schneller kann die Umsatzsteuer abgebaut werden, deren Verschwinden wir alle wünschen. Abg. Rolle(Wirtsch. Vgg.) verlangt größere Klarheit und Einfachheit in der Steuergesetzgebung. Den unteren Steuer- behörden fehlt vielfach das Verständnis für die wirtschaftlichen Nöte des Mittelstandes. Die Weiterberatung wird gegen 6 Uhr ausDienstag,2Uhr nachmittags vertagt. Oilanz. Ein Jahr Verantwortung. Ein Jahr ist seit dem Wahlerfolg der Deutschnationalen vom 4. Mai vergangen. Sie sind nach diesem Wahlerfolg in die Reichsregierung eingetreten und haben die Verantwortung für die Reichspolitik auf sich nehmen müssen. Was ist von ihren Zielen, ihren Wahlversprechungen, von den Illusionen, die sie in verantwortungsloser Agitation als Oppositionspartei bei ihren Wählern hervorgerufen haben, übrig geblieben? In der„D e u t s ch e n Z e i t u n g" gibt ein Deutschnatio- naler selbst darauf die Antwort: „Laut, scharfgefaßt und unmißverständlich waren die deutschen und nationalen Grundforderungen der Deutschnatio- nalen Partei all den Scharen der auchdeulschen Internationalisten und ihren Schildhaltern entgegengeschleudert worden, u. a.: Be- freiung von Rhein und Ruhr, Revision des L e r s a i l l e r Vc r t r ag s, Zurückweisung des Dawes-Gutachtens und des Londoner Abkommens, Kampf gegen die Erfüllungspolitik überhaupt, Kampf besonder» gegen die Kriegsschuldlüg«, Verweigerung des Eintritts in den Völkerbund. So waren sie noch vor einem Jahr die Vorkämpfer nationaler Ehre und Selbstbestimmung. Was ist von jenen Kampfzielen, von jenem trotzigen Nein und aber Nein heute übrig geblieben? Wahrheitsgemäß gibt es nur eine Antwort: EinBergvonScherben." „Grell trat bei dem Siamesischen Handelsvertrag hervor, wie man sich im eigenen Netz rettungslos verstrickt hatte. Von. der Kriegs s chultilüge.jst es oölllg�till.gemarden über den Nöwässernr so still, als säße rächt ein einziger nationaler Mann in Ter Regrerung. Es folgte das schmähliche Garant keange» bot, die freiwillige Bästätigung und Verewigung des Dersailler Zwangsfriedens. Wieder einmal machen wir größte Einräumungen. sprechen unerträgliche Verzichte aus, ohne irgend etwas anderes da- für einzutauschen als vage Aussichten, eitle Hoffnungen, bestenfalls billige Versprechungen. Auch diese neuest« Leistung von Herrn Stresemann hat kaum mehr als ein Murmeln der Unzufriedenheit von feiten der durch eigene Schuld und Schwäche gebundenen Partei ausgelöst. Und doch ist das nicht die bloße Forlsetzung der Wirth- Miarxschen Erfüllungspolitik, sondern eine Steigerung, ihr Som- varatio. wie ihn vielleicht kein deutscher Außenminister in» werk zu setzen gewagt hätte, solange die venlschnationalen in Opposition der Regierung fern und gegenüber standen." Eine melancholische Bilanz! Der Artikelschreiber der ..Deutschen Zeitung" spricht von einer Hekatombe nationaler Opfer, alles ohne den geringsten Gegenwert,.ein großer Auf- mänd schmählich ist vertan." Das, was von den Parteien der Weimarer Koalition, vor allem von der Sozialdenwkratie, in verantwortlicher Arbeit gegenüber der verantwortungslosen Opposition der Deutsch - nationalen geschaffen worden ist, hat sich als st ä r k e r u n d dauerhafter erwiesen, als die deutschnationalen Agitationsphrasen. Es hat die Deutschnationalen gezwungen. ihre Illusionen und ihre demagogischen Versprechungen selbst zu erledigen. Mögen sie deswegen ein Jahr nach ihrem Wahl- erfolg vom 4. Mai«ine melancholische Bilanz aufmachen: wir sehen um so siegessicherer in die Zukunft.
Rückkehr nach öpzanz. Der rasende Poet bei Hiudeuburg. Die Monarchie sind wir bis auf weiteres los, ober der B y- zantinismus ist schon wieder da. Er feiert rund um den n e u en Reichspräsidenten seine Orgien. Einer, der„das Glück hatte, vom Feldwarschall selbst empfangen zu werden", gießt in die Nachtausgabe des„Tag" seine Gefühle aus. Er hat bemerkt, daß Hindenburg „der größte lebende Deutsche " ist. Sein Auge ist„weise und gütig", sein Schritt ist „rüstig", sein Händedruck— ach!—„krafwoll und warm". Seine Worte, von denen keines wiedergegeben wird, sind teils„herzlich", teils„von tiefcmpolitischenVerständnis zeugend". Sein Arbeitszimmer ist„ein Museum" und darin: „Das Packendste: Der durchschossene Gardehelm, den Hinden- bürg bei Königgrätz trug. Ein paar Millimeter tiefer, und«in törichtes Bleistückchen hätte vielleicht ein heldisches Leben im frohen Beginn jäh unterbrochen und damit der Welt- gefchicht« einen anderen Lauf gegeben." Die„törichten Bleistückchen" haben seit 1866 den Reiz der Seltenheit verloren und haben gründlich Geschichte gemacht. Im übrigen ist der rasende Poet von der Nachtausgabe des„Tag" sehr im Irrtum. Auch ohne Hindenburg hätte die Weltgeschichte den- selben Lauf genommen, auch ohne ihn wäre der Krieg so aus- gegangen, wie er ausgegangen ist. Ein Boll, das so im Geiste kritik- loser Götzenanbetung erzogen war und zur Vergötterung alles dessen, was Offiziersuniform trug, vom„Obersten Kriegsherrn" bis herunter zum jüngsten Leutnant, ein solches Volk muhte ja den Krieg verlieren! Den Krieg vom 1866 hat bekanntlich„der preußische Volksschul- kehrer" gewonnen. Aber den Krieg von 1914—1918 hat letzten Endes der deutsche Zeitungsschmock verloren. Ja, rasender Poet von der Nachtausgabe des„Tag"— du hast diesen„Lauf der Weltgeschichte' bestimmt!____...... r
die kritische Lage in Preußen. Zur Sluflösung entschloffeu. Am Montag fand im Preußischen Landtage eine i n t e r- fraktionelle Sitzung der drei preußischen Regierungs- Parteien statt, an der auch der Ministerpräsident Otto Braun teil- nahm. Es bestand bei ollen Beteiligten volle Einmütigkeit darüber, daß endlich auch in Preußen klare Verhältnisse geschaffen und die Zeit der ewigen Regierungskrisen beendet werden müsse. Bleibt die Regierung bei der Abstimmung am Freitag in der Minderheit, so muß nach einmütiger Auffassung der Betelligten die Auflösung des Parlaments erfolgen. Der preußische Ministerpräsident schloß sich dieser Auffassung an und teilte mit, daß der Auflösungzausschutz (Ministerpräsident Braun, Landtogspräsident Bartels und Staats- ratsprästdent Dr. Adenauer) am Frettag zusammentreten und im gegebenen Falle unverzüglich die Auflösung vornehmen werde. Die für den S. Mai einberufene Sitzung des Reichspartei. ausschuffes der Zentrumspartei ist um eine Woche oerschoben worden, well der Parteioorsitzende Dr. Marx erkrankt ist. Die Rechtspresse hatte schon sehnsüchtig gewünscht, das Zentrum möchte tn dieser Sitzung der Sozialdemokratie eine Absage erteilen, am Frettag die Regierung Braun stürzen und in Gemeinschaft mit den Hinden- burgern auch dem Freistaate Preußen eine Rechtsreglerung be- scheren. Einstweilen sind die Rechtser also„aus Wartegeld" gesetzt worden.
Deutsthnationale Konkurrenzmethoüen. Das Gericht fährt duzwische«. Vor einigen Wochen erschien die erste Nummer der von Frau Katharina v. Oheimb herausgegebenen„Aktuellen Bilder- zettung"(„21. B. Z."), die sich einer überparteilichen Haltung auch im Präsidentenwahlkampf befleißigte. Daraufhin wurde von deutschnationaler Seite ein äußerlich ähnlich aufgemachtes Blatt in den Straßenhandel geworfen, lytt dem Titel„A. B. E." Dieses auf plumpe Täuschung ausgehende Organ machte natürlich eifrige Reklame für die Kandidatur Hindenburg . Ein solches Beispiel unlauteren Wettbewerbes ist nach dem Urteil von Fachleuten des Zeitungswesens noch nie dagewesen. Indessen dürste der Schwindel am längsten gewährt haben, nach- dem die Herausgeber der„A. B. Z." durch Anrufung der Gerichte eine einstweilige Verfügung erwirkt haben, die das Erscheinen des„A. B. C." unter Geldstrafe in unbegrenzter Höhe stellt. Es ist kaum anzunehmen, daß die deutschnationalen Zeitungs- Unternehmer große Lust verspüren werden, eine Sache durchzusech- ten, die für jeden Menschen mit normalem Rechtsempfinden von vornherein aussichtslos erscheint. Jedenfalls bleibt diese Epi- jode kennzeichnend für die Unanständigkeit der Mittel, mit denen die Deutschnationalen ihre Wahlpropaganda betrieben haben.
Zweifelhaste Geschäfte öee Lanübunübant. Unsere Veröffentlichungen über die merkwürdigen Umstände bei der Einverleibung der Potsdamer Kreditbank in die Bank für Landwirtschast durch Erwerb der 2lktienmehrhett haben bei den früheren Aktionären der Potsdamer Kreditbank nicht geringeres Aufsehen erregt, wie bei den Inhabern der Aktien der Bank für Landwirtschaft, denen allmählich das schlechte G e- s ch ä f t, das sie mit der Potsdamer Fusion machten, zum Bewußt- sein kommt. Die Bank für Landwirtschaft zeigt ja auch, wie wir aus eingeweihten Kreisen erfahren, das Bemühen, die Vorgänge vor und beim Erwerb restlos aufzuklären und die Verantwor. lung diejenigen tragen zu lassen, die dazu berufen sind. Zunächst hat sie ihre Beziehungen zum früheren Börsenvertreter der Potsdamer Kreditbank gelöst, dem ja die Lage der Bank unter dem Regime Gebhardt nicht unbekannt sein konnte. Die Agrarbank ist jetzt auf der Suche nach Beweisunterlagen für die Bedenk- ttchkest der Mittel, mit denen damals die Fusion eingelettst wurde. Anderseits beabsichtigt die Minderheil der Aktionäre der Potsdamer Kreditbank, die vor dem Abschluß der Fusion nicht zu Worte ge» tonunen ist. auf Grund eines Zehntels des Aktienbesitzes eine Gene- raloersammlung der Bank für Landwirtschaft zu erzwingen, um die ganzen Berhällnisse der Potsdamer Kredttbank vor dem Uebergang an die Rechtsnachfolgerin gründlich zu beleuchten. Ins- besondere soll die Kreditsähigkeit einiger Eroßkunden nachgeprüft werden. Man weiß auch in Akttonärkreisen, daß eine erhebliche Ab» f i n d u n g an andere Danken, die am Konkursverfahren gegen die
Bureaumöbelfabrik Bero in Trebbin nttsrefsiert sind, geleistet werde» muß, wenn die Bank für Landwirtschaft als Hauptgläubigerin den Betrieb ausrecht erhallen will, um aus dieser von Anfang an zweifelhaften Forderung besser herauszukommen. Ferner soll über die gegenwärtige Lage einiger mtt der der Kredttbank übernommenen Eroßkunden Auskunst verlangt werden. Prozesse, die vor dem Potsdamer Landgericht schweben, dürsten näheren Auf- schluß geben. Für verschiedene Interessenten ist es kein Geheimnis mehr, daß mtt der Potsdamer Kreditbank die Bank für Landwirtschaft eine arge Belastung übernommen hat. Umso begreiflicher ist es. daß sie mit ihren Regreßansprüchen nicht zurückhallen will. Ob sie aus der Transaktion mit der Kreditbank mit einem Verluste herauskommen wird, der weit.unter 1 Million bleibt, ist noch sehr ungewiß. Ehemische Werke Michendorf und Bero-Trebbin sind starke Passiv- Posten, mit denen die Reihe der Enttäuschungen noch nicht abge- schlössen sein dürste. Das Inflationsgebaren mancher Bank hall eben einer strengen Kritik nach der Rückkehr zur festen Währung nicht mehr stand. Die Potsdamer Kreditbank wird sicher gewußt haben, warum sie unter die Fittiche der Agrarierbank flüchtete. Hoffentlich haben es die Herren der Bank für Sandwirtschaft auch gewußt.
Attentate oüer Schlamperei? Tie polnischen Eisenbahnkatastrophen. lvarschan. 4. Mai. (OE) Der Eisenbahnminister hat für heute eine Konferenz aller Eisenbahndirektoren einberufen. Nach der Zeitung„Warszawionka" oertrill das Eisenbahnministerium auch weiterhin den Standpunkt, daß die Schnellzugentgleisungen bei R o g o w(Linie Warschau -Krakau ) am 22. März und am 23. April sowie die Stargarder Katastrophe durch verbrecherische A n s ch l a g e herbeigeführt worden seien, und zwar von geschulten Leuten, die von einer Zentralstelle geleitet würden. Die „Rzeczvospolita" berichtet, die polnische Polizei hätte unweit der Unglücksstelle Fußspuren von süns Personen gefunden, in denen sie die Attentäter vermute. Unterdessen ist nun bei Minke- wicze ein Attentat auf den Lubliner Schnellzug im letzten Augen- blick oerhinder t worden, das durch große, auf die Schienen gelegte Steins verübt werden sollte: durch diese Mitteilung ist die Aufregung über die Bombenexplosion in der Wohnung des Redarteurs Trojanowski noch gesteigert worden, und Go- rüchte über geplante Attentate mehren sich. Es heißt jetzt, Troja- nowski habe an der Herstellung einer Höllenmaschine gearbeitet, um nach bulgarischem Muster den Festgottesdienst in der Kathedrale am gestrigen Nationalfeiertage zu einem großen Mord- anschlage zu benutzen. Infolgedessen wurde die Kathedrale vor dem Fest von der Polizei genau durchsucht. Nach dem Festgottesdienst verhaftete die Polizei in der Kathedrale mehrere Personen, die Mitwisser der angeblichen Trojanowskischen Mordpläne gewesen sein sollen. Trojanowski soll eine Zeitlang Polizeispitzel gewesen sein! Die Untersuchung des Stargarder Unglücks. Danzig , 4. Mai. (TU.) Die Polnische Telegraphenagentur Niel- det:„Die Untersuchung des Eisenbahnunglücks bei Stargard hat als feststehende Ursache einen verbrecherischen Anschlag festgestellt. Im Zusammenhang hiermtt wurden bisher z w e i P e r- Ionen verhaftet, die der Betetti�ung an dem Verbrechen ver- dächtig sind."— Die ministerielle Untersuckungs- k o m in i s s i o n weilt immer noch am Orte des Unglücks. Sie dürfte sich also über die Ursache der Katastrophe noch nicht schlüssig ge- worden sein.— Warschauer Blätter melden, daß am Tatorte Werk- zeuge gefunden worden seien, die vom Gut Kokoschken in der Nähe Ende vorigen Monats gestohlen worden, fein sollen.— Ferner will man ein geheimnisvolles Auto gleich nach dem Passieren des vorhergehenden Zuges auf dem Wege zur Eisenbahn - strecke gesehen haben. Das Lluto soll dort eine Zeitlang gestanden haben. Alle diese Gerüchte sind bisher von keiner amtlichen Stelle bestätigt. Die polnische Eisenbahnbehörde hat die Belohnung für die Aufklärung des Unglücks auf 20000 Zloty«höht.
ßafchiften in Litauen . Abg. Gea. Tarkelis überfalle» trab schwerverletzt. S o tv u o, 4. Mai. (Eigener vrahlberichi.) Der sozlaldemokraiische Sejmabg. varkells leitete am 1. Mai in Schauten eine Volks. Versammlung. Auf dem Helmwege wurde er gegen 12 Uhr nachts aus der Straße von'zwei mit Schußwaffen bewaffneten Männern überfallen und in bestialischer Meise zugerlchiek. Der Schwerverlehke blieb aus der Slraße liegen und wurde am nächsten Morgen von p a f s a n l e n gefunden und ins kranken« haus gebracht. Als Täler kommen faschistische Elemenke in Frage.
Paris , 4. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Wenn auch noch immer zahlreiche Gemeindewahlergebnisse ausstehen und bei der großen Zahl der erforderlichen Stichwahlen das Wahlergebnis ziffernmäßig genau noch nicht erfaßt werden kann, so steht doch der e n t s ch e i- dende Sieg der Linken bereits außer Zweifel. Nach einer vorläufigen Statistik haben von den Gemeinden mtt dem Sitz einer Profektur oder Unterpräfektur bereits in 12 die Sozia- listen, in 4 die republikanischen Sozialisten, in 91 die Radikal- sozialisten und in 8 die radikale Linke die Mehrheit. Das macht 118 Gemeinden, in denen sich das Kartell den enifcheidenden Einfluß zu sichern vermocht hat gegen 21 Gemeinden, in denen die gemäßigten Republikaner und 32, in denen die Rechte die Mehrheit erlangt haben. Auch in Poris selbst ist die Lage für das Kartell weit besser, als nach den ersten Ergebnissen zu erwarten war. In den 49 Bezirken, in denen bereits der erste Wahlgang entschied, hat zwar der Nationale Block seinen bisherigen Besitzstand zu behaupten und 39 Kandidaten gegen 8 Mitglieder des Kartells und 2 Kommunisten durchzubringen vermocht. Dagegen stehen die Kandidaten der Links. Parteien für die Stichwahl durchweg sehr günstig, so daß auch für Paris , das von jeher eine Hochburg der Reaktion ge- wesen ist, eine nicht unbeträchtliche Verschiebung nach links zu erwarten ist. Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse ist neben der Nieder- läge der Reaktion die Massensluchi aus den Reihen der Kommunisten. In Paris sind ihre Stimmen von 131 386 am 11. Mai 1924 aus 96 739 zurückgegangen, während die sozialistische Liste mit 117 327 an 20 000 neue Anhänger gewonnen hat. Roch empfindlicher ist die Niederlage der Kommunisten in der Pariser Umgebung. Dort hatten sie bei den Kammerwahlen 1924 nicht unbeträchtliche Stimmen- erfolge, aus Grund dessen sie sich zu der Hoffnung berechtigt glaubten, den größten TeU der meist von Arbeitern und Angestellten bewohnten Gemeinden der nächsten Umgebung der Hauptstadt zu erobern Seit Wochen hatte die„Humanitä" damit geprahlt, daß die Kommu- nisttsche Partei die Hauptstadt mit einem„roten Gürtel" kommu- uistischer Gemeindeverwaltung«» umgebe» werde. Moskau hatte,
wie die intensive Agttation der Kommunisten gezeigt hat, mtt Geld und Propagandamaterial nicht gespart. 2lber der erhoffte Erfolg ist ausgeblieben, und auch in d« Pariser Umgebung haben die Kommunisten«inen starten Rückgang an Stimmen zu verzeichnen, der ausschließlich dem Kartell, und insbesondere den sozialistischen Kandidaten zugute gekommen ist. Eine ganze Reihe ihrer Führer, an deren Erfolg die Kommunisten nicht ge- zweifelt hatten, sind bereits im ersten Wahlkampf durchgefallen oder sind zwar in die Stichwahl gekommen, haben dort aber keinerlei Aussicht, gewähll zu werden. Der„Paris Söst" mag nicht ganz Unrecht haben, wenn er diese neue schwere Niederlage des Kommunismus zu einem Teil auf die Wahlhilfe zurückführt, die „ie deutschen Kommunisten dem Kandidaten der Reaktion und des Militarismus geleistet haben, und als eins der erfreulichsten Ergebnisse der Wahl die Tot- jach« bucht, daß man in den Kreisen der französischen Arbeiterschafl endlich zu begreisen beginnt, daß der Kommunismus, sei es aus Dummheit oder politischer Berechnung, der gefährlichste Bundes- genösse der Reaktion ist. Nach einer am Montagabend um 7 Uhr vom Ministerium des Innern herausgegebenen amtlichen Statistik hat der erste Wahlgang der Gemeinderatswahlen in 181 von insgesamt 382 Kreishaupt- städten die endgültige Entscheidung gebracht. In 204 Städten ist erst die Stichwahl entscheidend für die Zusammensetzung des Gemeinderats. In den 131 bereits gewählten Gemeinderätcn haben die absolute Mehrheit errungen- Die Sozialisten in 12(-st9), die Republikanischen Sozialisten in 2(+ 1). die Raditalsozialisten in 03(4-8), die Radikalen Republikaner in 8(—2), die Linksrepubli- kaner in 25(— 14), die Nationalrepublikaner in 29(— 8), die Konservativen tn 6(— 4), die Kommunisten in 0(— 0.) Demnach hat das Kartell bereits im ersten Wahlgang in 28 Gemeinden die bisherigen reaktionären Mehrheiten ver- drängt. Einen besonders starken Zuwachs haben die Linksparteien m E l s a ß- L o t h r i n g e n. Da die Parteien dort vielfach den Wahlkampf getrennt geführt haben, wird sich dieser Erfolg allerdings erst in der Stichwahl auswirken.
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