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Dienstag

5. Mai 1925

Unterhaltung und Wissen

Das Deutsche Museum und die

Arbeiterschaft.

Bom 5. bis 8. Mai findet in Münden die feierliche Eröffnung des seit rund zwei Jahrzehnten im Bau befindlichen Deutschen Museums ftatt. An den Feierlichkeiten nimmt die gesamte deutsche Deffentlichkeit teil. Diese Schöpfung des Iebendigsten Lehrmittels auf technischem Gebiet was bis heute

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fertig murde, ist erst ein fleiner Teil des großzügig angelegten Blanes, ist in der Hauptsache der jugendlichen und zielbewußten Spannkraft des bald 70jährigen Ostar Don Miller zu danken, der sich damit ein dauerndes Dentmal im deutschen Bolt gefchaffen hat. Ostar von Miller hatte die Freundlichkeit, über fein" Museum dem Bertreter des SPD ." in München folgende Auskunft zu geben:

Das Deutsche Museum, das die Entwicklung der verschiedenen Zweige der Naturwissenschaft und Technik darstellt, ist im wahren Sinne des Wortes ein Arbeitermuseum, nicht weil es wie sonstige Arbeitsmuseen Wohlfahrtseinrichtungen zeigt, sondern weil es eine Anstalt ist, in der in erster Linie der Arbeiter Belehrung und An­regung findet, weil es eine Sammlung ist, die dem ganzen Bolk Kenntnis gibt von der oft so mühsamen, schwierigen und gefährlichen Tätigkeit der Arbeiter und dadurch dazu beiträgt, die Achtung vor dem Arbeiter in allen Kreisen des ganzen Voltes zu erhöhen.

Bon diesen Gedankengängen lebendig durchdrungen, waren es gerade auch die Arbeiter, die den Bau des Museums gefördert haben. Nicht nur reiche Unternehmer und leistungsfähige Firmen haben das Museum unterstützt, nein, gerade in den Zeiten der schlimmsten Not, in denen die Museumsleitung faum wußte, wie sie die Arbeiten fortsetzen sollte, haben Arbeiter und Lehrlinge die Samstag­nachmittage und die Sonntage geopfert, um die Maschinen aufzu stellen, die Apparate herzurichten und zu montieren. Das Erhebende für mich: dafür nahmen diese Arbeiter teine Bezahlung an, denn sie wollten zeigen, daß sie bereit sind, eine große Idee, eine große Kulturaufgabe mit Opfern zu fördern.

Die Museumsleitung hat in voller Erfenntnis der Bedeutung, die das Deutsche Museum gerade für die Arbeiterschaft hat, be­stimmt, daß das Museum jeden Tag geöffnet ist, und zwar an Werk­tagen von 9 Uhr früh bis 9 Uhr abends und an Sonntagen von 10 Uhr früh bis 6 Uhr abends, damit auch der Arbeiter nach Schluß feiner Arbeitszeit das Museum besuchen und auf diese Weise eine Mehrung seines Wissens nach des Tages Last und Mühen viel ein­facher sich verschaffen fann, als wenn er aus Büchern und theoreti schen Bemerkungen lernen und studieren muß. Dieses lebendige Buch der Wissenschaft, der Technit und des Fortschrittes wird eine Förde rung und Hebung der Kultur im allgemeinen und insbesondere auch eine Hebung des Arbeiterstandes begünstigen, wie es fein anderes Wert zu leisten vermag.

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Der Eindrud bei dem erstmaligen Rundgang durch das Museum ift überwältigend. Die ganze Strede, die bei einem solchen Rund­gang zurückzulegen ist, beträgt nicht weniger als 16 Kilometer. Man braucht also nahezu 4 Stunden, um das Museum nur zu durch­wandern und dabei einen flüchtigen, ja ganz flüchtigen Blick auf seine ungeheuren Schäße, die munderbaren Anlagen der Maschinen und Apparate aus der frühesten Zeit der Naturwissenschaften und der Technik bis herauf in die jüngste Gegenwart zu werfen. Staunend hält man bei dem einmaligen Rundgang da und dort an, um dies oder jenes Meisterstück zu bewundern Bom Keller bis zur Dachtuppel findet man einen so unermeßlichen Reichtum aufgehäuft; daß man gerne glaubt: diefes Museum mit seinem fezt schon 40 000 Quadratmeter Ausstellungsraum ist das größte und bedeutendste seiner Art auf der ganzen Welt. Auf dem Plaze vor dem Museum soll später ein Bibliothefbau mit Vortragssälen und anderem er­richtet werden.

Alles ist in erstklassiger Form von erstklassigen Kräften darge­stellt. Bei pielen Maschinen und Apparaten fann der Besucher selbst Experimente anstellen und überall find die Vorgänge in den Maschinen deutlich erkennbar gemacht.

In die Tiefe des Bergwerks gelangt man mit Hilfe einer Rutsch­bahn. In naturgetreuer Größe und Aufmachung sieht man hier den Bergarbeiter bei seiner schwierigen und gefahrvollen Tätigkeit. Der Einblick in die verschiedensten Arten von Bergwerfen ist vollkommen. Man sieht, wie Salz, Kohle und Erze gewonnen und verarbeitet werden. Eine fulturhistorische Bergmannsstube mit einer Orgel leitet zum Hüttenwesen über. In der Halle der Kraftmaschinen be­finden sich historisch wichtige Originale, so die Wassersäulenmaschine von Reichenbach aus dem Jahre 1817, die erste in Deutschland ge­brauchte Wafferturbine und eine genaue Nachbildung der in London stehenden Dampfmaschine von Watt aus dem Jahre 1788. Die Ent wicklung des Fahrrades und des Automobils wird gezeigt an Hand der Laufmaschine von Drais, daher die Draisine, bis zum voll endetsten Auto.

Bitte, kein Mißverständnis!

Beilage des Vorwärts

House

Erst komme ich... Und dann käme ja zunächst noch der Herr Papa!"

Es ginge zu weit, alle Einzelheiten des Museums so aufzuzählen, daß man einen einheitlichen Gesamtüberblick erhält. Man möchte jedem Deutschen wünschen, daß er einmal in seinem Leben seine Schritte in das Deutsche Museum lenten tann, um staunend die Werke körperlicher und geistiger Arbeit, die hier beisammen sind, zu bewundern. Dieser schaffende Geist ist es, der die Volksgenossen einer Nation und die Zeitgenossen aller Länder zusammenführen foll zu frohem, schaffendem Leben.

Buchhändlerreisen in alter Zeit.

B.

Im Keller befindet sich auch eine Erdbebenstation. Am Eingang zur Geologischen Abteilung bleibt man mit Bewunderung vor einem Modell stehen, das einen vollendeten Einblick in den Aufbau unserer händler zu Leipzig gegründet, deffen großartige Organisation heute Am 10. Mai 1825 wurde der Börsenverein der Deutschen Buch­Erde gewährt. Auf allen Gebieten werden hier nicht nur die neuesten den ganzen Buchhandel zusammenfaßt. Das hundertjährige Einrichtungen vorgeführt, sondern immer in naturgetreuen oder echten Modellen gleichzeitig die Entwicklung des betreffen zurück zu den mühseligen Anfängen, aus denen sich diese Einrich Jubiläum wird festlich begangen werden, und die Blicke schweifen den Zweiges gezeigt. Gerade diese Darstellungsart macht den Besuch des Deutschen Museums so außerordentlich lehrreich. tung, namentlich durch die tatkräftige Mitwirkung von Friedrich In der Abteilung Schiffbau und Luftschiffahrt findet man alle Andreas Berthes, entwickelt hat. Leipzig ist schon seit dem 16. Jahr­diese Verkehrsmittel vertreten. Bom Einbaum bis zum vollendeten hundert die Messestadt der Buchhändler gewesen, aber erst gegen Baffagier- Ozeandampfer und dem modernen Linienschiff. Im Unter­Ende des 18. Jahrhunderts führte der Wunsch nach einem gemein­geschoß befindet sich auch das erste deutsche Unterseeboot U I , das fchaftlichen Abrechnungslokal, nach einer Buchhändlerbörse, zu einzige U- Boot, das nach dem Diftat der Entente nicht zerstört wer­einem Zusammenschluß, der bis 1924 ein Privatunternehmen blieb. den mußte. An der Decke des Gewölbes winimelt es von Flug- Hier kamen nun die Buchhändler aus allen Teilen Deutschlands zeugen aller Art; man sieht hier das Originalflugzeug von Lilien- usammen, und es war ihnen in jenen fernen Tagen wahrlich nicht thal, die erste Metallmaschine von Junkers, und dazwischen den leicht gemacht, das Meffa des Buchhandels" zu erreichen. Apparat Blériots, mit dem er den ersten Flug über den Kanal aus­führte. lleberall dazwischen sind die Modelle der Zeppeline und der anderen Luftschiffsysteme, sowie Freiballons und zahlreiche Originalförbe von Ballons, mit denen frühere Rekordfahrten aus­geführt wurden. Interessant ist das perspektifische Deckengemälde im Saale für Mathematik. Das erste elektrische Telegraphon Sömmerings aus dem Jahre 1809 erweckt in uns ein überlegenes Lächeln; Sömmering brauchte 25 Drähte, für jeden Buchstaben einen besonderen Draht. Bei den Musikinstrumenten findet man die primitivsten Neger­trommeln, die gerade so flingen, als ob man ein Bierfaß anzapfe, und daneben ein großartiges Orgelwert, das sogar Glockentöne mit Fernwirkung nachahmt. Ferner fann man auch den klängen des Hammertlaviers, auf dem Mozart spielte, lauschen.

Das alchimistische Laboratorium enthält alle Einrichtungen des alten Goldfuchers und die berüchtigten Herenküchen des Mittelalters. Gleich daneben gewährt der Saal Nahrungsmittel einen Ueberblick über die Physiologie der Ernährung und der Untersuchung der Nährstoffe.

Das Prachtstück des Museums bildet aber in der großen Mittel­tuppel das von der Firma Zeiß in Jena geftiftete Planetarium. Man fann hier tatsächlich um die Erde fahren und fieht, wie die Blaneten mit ihren Trabanten sich in Wirklichkeit bewegen. In vier Minuten fann man ein ganzes Erdenjahr bewegen. Und wer glaubt, daß sein Schicksal in den Sternen geschrieben sei, der kann genau sein Horoskop stellen, denn mit Hilfe des Planetariums fann die Stellung der Weltförper für jeden beliebigen Zeitpunkt vor oder nach Chriftus festgestellt werden.

Wer dann, voll von den Wundern der Technif, ausruhen und feine leiblichen Bedürfnisse befriedigen will, findet dazu in einer eigenen Restauration Gelegenheit,

Von den beschwerlichen und gefährlichen Reisen der Buch­händler plaudert Richard Alberti in einem Aufsatz des Börsen­Leipzig besuchte, so machte sich die schlechte Jahreszeit unangenehm blattes für den Deutschen Buchhandel. Da man zur Ostermesse bemerkbar, und ältere Leute fonnten sich bei der mehrtägigen Fahrt im flapprigen Bostwagen, gar wenn sie durch Eis und Schnee wie durch hohe Mauern fahren mußten", leicht Erkältungen zu= ziehen. Im 16. Jahrhundert legten die Buchhändler die Reise rielfach zu Pferde zurück. Manchmal machte ihnen die schlechte Witterung die Fahrt auch ganz unmöglich; so berichtet z. B. der Breslauer Buchhändler Joh. Ernst Meyer aus dem Jahre 1785, er hätte mit seinen Kollegen nur bis zur ersten Station tommen fönnen, weiter ging es nicht, weil man wegen Wasser und Schnee nicht die mindeste Spur eines Weges fand". Während des Dreißig jährigen Krieges mußte der Messebesuch der Buchhändler wegen Unsicherheit für Leib und Leben oft unterbleiben, und auch später nech brachten Kriegsereignisse große Gefahren mit sich. So machte während des Siebenjährigen Krieges der Vertreter pen Friedrich Nifolai in Berlin auf der Reise zur Leipziger Messe eine recht peinliche Bekanntschaft mit einer 12pfündigen Kanonenkugel, die während des Aufenthaltes in Wittenberg in seine Stube flog und ihn beinahe im Bette erschlagen hätte. Die Reise, die heute so leicht und schnell zurückgelegt wird, war immer ein großes Er­cignis, bei dem man von der Familie gerührten Abschied nahm und sein Haus für alle Fälle" bestellte. Umständliche Vorbereis tungen mußten getroffen werden. So ließ fich Nikolai einen be sonders eingerichteten Reisewagen bauen und schaffte sich auch für die Fahrt eine Taschenschreibfeder an, die beständig Tinte enthielt. Weniger begüterte Buchhändler mußten in der Postfutsche Plaz nchmen, und vorsichtige Leute nahmen Schinken und Würste mit, um nicht Hunger zu leiden.

Raffenhygienische Familienberatung. Unsere Kenntnis von der Bererbbarfeit vieler Krankheiten ist schon so groß, daß es den Aerz­ten gestattet werden fann, Ehekandidaten mit gutem Gewissen zu einer ehelichen Verbindung zu raten bzw. abzuraten. Dies trifft ganz besonders für die Geistestrankheiten zu.

Grundsäglich soll der Geistes- oder Gemütskranke nicht heiraten, vor allem aber feine Kinder in die Welt setzen. Ebensowenig sind die sogenannten Psychopathen für die Ehe und Kindererzeugung geeignet( hierher gehören Morphinisten, Kofainisten. Alkoholisten, Willensschwache, Leute mit feruellen Triebanomalien usw.). In ist aber der Einzelfall fachärztlich zu prüfen, ehe ein Rat erteilt diese Gruppe der Gefährdeten gehören auch diejenigen, die franke oder halbkranke Blutsverwandte haben. Bei allen diesen Menschen wird. Die Folgefrankheiten, der Syphilis an sich, wie Paralyse nicht besonders zu fürchten. Von den eigentlichen Geisteskrankheiten ( Gehirnerweichung) und Hirnsyphilis find als erbliche Belastung besitzt das manisch- depressive Irrfein eine starte Vererbungskraft, weshalb hier vor einer Ehe dringendst zu warnen ist. Bei der Schlaffrankheit" und Geistesstörungen nach schweren Kopfver­legungen können sehr häufig die Bedenken nach eingehender Unter­suchung zerstreut werden.

Bei Hilfsschulkindern soll den Eltern rechtzeitig eingeprägt wer­den, daß der heranwachsende Mensch darauf vorbereitet wird, nie­mals zu heiraten. Bei Ausbruch einer vererblichen Geisteskrankheit davon absehen, weiter Kinder zu zeugen. während der Ehe ist vom Arzt darauf zu dringen, daß die Eltern

Diese Sanierung der breiten Massen ist aber erst durchzuführen, wenn das sozialpolitische Programm des Hauptverbandes deutscher

Krankenkassen in die Praxis umgesetzt wird.

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Entdederfreuden. Eine neue wissenschaftliche Entdeckung be deutet für den Forscher die größte Freude des Lebens. Einige Bei­spiele für dieses Entzücken führt Dr. Federschmidt in der Frankfurter Wochenschrift Die Umschau" an. Kepler, der Entdecker der Pla­netenbewegung, begann seine Weltharmonie" mit den Worten: Hier werfe ich die Würfel und schreibe ein Buch, zu lesen für die Mitwelt und Nachwelt oder die Nachwelt allein. Es wird seiner Lejer Jahrhunderte marten, wenn Gott selbst 6 Jahrtausende den erwartet hat, der sein Werk beschaute." Als der Naturforscher Leeuwenhoef die Infusorientierchen in einem Tropfen Waffer unter dem Mitrastop entdeckte, geriet er darüber in solches Entzücken, daß der würdige Gelehrte zu tanzen anfing. Der große Botanter Linné war auf seine Entdeckungen so stolz, daß er unter dem Titel loras Leibregiment" eine Rangordnung der Botanifer nach mili­tärischen Graden aufstellte, in der er selbst als General den obersten Blas einnahm. Auch Goethe hat die Entdeckung des Zwischen­tieferfnochens am menschlichen Schädel stets als einen der glücklichsten Momente seines Lebens gepriesen. Seine Freude darüber beschreibt er mit den Worten: Mir bewegten sich alle Eingeweide." Der dänische Naturforscher Der steb nannte das Jahr 1828, in dem er Den Elektromagnetismus entdeckte, jein Glücksjahr." Nichts", sagt er, fann feelenstärkender sein als die große Wahrheit, welche die Naturwissenschaft nicht bloß lehrt, sondern auch beweist, nicht bloß beweist, sondern auch vor Augen stellt, nämlich die Wahrheit, daß die Natur ewigen Gefeßen gehorcht, und daß diese Gesetze so be­schaffen find wie die Geseze einer ewigen Bernunft."