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Menöausgabe Nr. 224 42. Jahrgang Ausgabe g Nr. 11»

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( 4 pfsnnio) Mittwoch 13. Mai 1�25

Verla» und Anzeigenabiellnn», Selchärt-zeit»-S Übe varl»g«r:vorn,är>o-verlag»mbH. v-rU» SS. M. Cinbenftrob« 3 Zernsprecher: VSnhoss 2508-2502

Zentralorgati der Sozialdemokrat» sdien parte» Deutfdilanda

Haussuchung imvorwärts. Uebergriffe der Staatsanwaltschaft.

Heute morgen erschienen in der Redaktion desVorwärts" drei Kriminalbeamte, um im Auftrag der Oberstaatsanwalt- fchaft eine Durchsuchung des Arbeitszimmers und des Schreib- tisches unseres verantwortlichen Redakteurs, des Genossen Reuter, vorzunehmen. Seit 1908 hat in den Räumen des Vorwärts" keine Haussuchung melir stattgefunden. Warum diese Haussuchung? Lag die Gefahr vor, daß Beweismittel verschwinden könnten, die dem Nachweis dienen, daß die Redaktion desVorwärts" ein Derbrechen oder Ver- gehen begangen hat? Ach nein, nicht einmal eines einfachen Preßdelikts wird der verantwortliche Redakteur desVor- wärts" beschuldigt, sondern nur einer Uebertretung preßpolizeilicher Vorschriften! Die Oberstaatsanwaltschast sucht nach dem Original einer Berichtigung, deren Abdruck die Redaktion desVor- wärts" ablehnte, da sie den Anforderungen des Preßgesetzes nicht entsprach. Die Oberstaatsanwaltsä)ast hat in Abwesen- heit des verantwortlichen Redakteurs desVorwärts" seine Wohnung nach dieser Berichtigung durchsuchen lassen. Sie hat heute durch drei Kriminalbeamte in den Räumen der .,Borwärts"-Redaklion haussuchen lassen. Aber es handelt sich um eine Berichtigung des deutsch - nationalen Herrn v. Kries. DerVorwärts" hatte ihm Beziehungen zur Scharlachbank nachgesagt. Herr von Kries sandte eine Berichtigung. Sie entsprach nicht den Anforderungen des Preßgesetzes. Trotzdem veröffentlichte derVorwärts" sowohl die Tatsache als auch den wesentlichen Inhalt der Berichtigung. Herr v. Krieg aber stellte Straf- antrag, weil dem 11 des Preßgesetzes formell nicht genügt fei. Die Staatsanwaltschaft leitete die Vorunter- suchung ein. Der verantwortliche Redakteur desVorwärts" wurde vernommen. Er gab zu Protokoll, daß er die Be- richtigung erhalten, den Abdruck aber berechtigterweise abge- lehnt habe. Die Staatsanwaltschaft weiß, daß die Berichtigung der Vorwärts"-Rcdaktion zugegangen ist. Sie kennt die Stel- lungnahme derVorwärts"-Redartion. Sie kennt auch den Inhalt der Berichtigung, die sie zugleich mit der Strafanzeige erhalten haben muß, da sie sonst keine Untersuchung hätte ein- leiten können und dürfen. Wozu die Haussuchung? Wir möchten erfahren, auf Grund welcher Bestimmungen der Strafprozeßordnung sich die Staatsanwaltschaft zur An- wendung dieser Untersuchung für berechtigt hielt.

Der Paragraph 105 der Strafprozeßord»»ung schreibt vor: Die Anordnung von Durchsuchungen steht dem Richter, bei GesahrimBcrzug auch der Staatsanwaltschaft zu." Wo ist hier, wo es sich um die angebliche Uebertretung einer preßpolizeilichen Vorschrift handelt.Gefahr im Verzug"? Diese Durchsuchung ist ein Uebergriff. Sie ist eine Schi- kane gegen die Presse. Sie ist ein Glied in der Kette der Uebergriffe, die sich die Berliner Staatsanwaltschaft seit einem halben Jahre hat zuschulden kommen lassen, ohne daß die zu- ständige Zentralbehörde eingeschritten wäre. Diese Uebergriffe sind System. Die Staatsanwallschast fühlt sich als politische Behörde. Sic ergreift Partei. Sie weitet ihre Besiignisse aus, sie überschreitet ihre Befugnisse, ohne daß sie zur Ordnung gerufen wird. Die rechtsgerichteten Staatsanwälte, die die Vorunter- suchung in der bekannten Skondalaftäre geführt hoben, ar- beitcn als Bundesgenossen der rechtsgericksteten Skandal- fobrikanten. Gedankenlos und rücksichtslos setzen sie sich über alle Rechtsgarantien hinweg. Sie schieben die Vorschriften, die die Rechte und Freiheiten des Staatsbürgers schützen, bei- feite. Für sie gibt es kein Recht mehr. An die Stelle des Rechts tritt Willkür die Willkür hemmungsloser, karriere- lüsterner, politisch rechtsstehender Staatsanwälte. Diese Durchsuchung ist ein Glied der Hetze, die seit einem halben Jahre gegen die Sozialdemokratie geführt rourde. Nie ist der parteipolitische Charakter der Betätigung der Staatsanwaltschaft so kraß zutage getreten, wie in diesem Falle, dervion einer Lappalie seinen Ausgang nimmt. Diese Durchsuchung wirkt aber auch wie ein Racheakt. Die Staatsanwaltschaft ist durch unsere Feststellungen über ihre Methoden und Uebergriffe getroffen. Sie mißbraucht ihre Stellung, um aus Rache die Presse zu schikanieren. Wie lang« soll dieser Skandal weitergehen? Die Uebergriffe der Staatsanwaltschaft zerschlagen alle Rechtsgarantien. Sie diskreditieren die Justiz. Sie setzen an die Stelle der Rechtsprechung eine völkische Feme . Die Berliner Staatsanwaltschaft ist zu gründlicher Untersuchung und zu gründlicher Säuberung r e i f. Der Fall K u ß m a n n muß geklärt werden. Der Tod Höfles hat unerhörte Zustände aufgedeckt. Es ist höchste Zeit, daß die zuständige Zentralbehörde aus ihrer Lethargie er- wacht und dem Skandal ein Ende macht.

Kpd. -<dpportunismus. Gegen Wortradikalismus. Für Kompromisse und Manöver. Durch die Hindenburg-Thälmann-Wahl ist die schleichende Krise in der KPD. akut geworden. Wieder einmal werden Parolen gewechselt und Führergarnituren abgesägt. Die Säge wird auch diesmal von Ruch Fischer gehandhabt, aber nicht mehr gegen dieRechten", wie Thalheimer und Brandler, sondern gegen dieLinken", wie Schalem und Katz. Schon der Aufruf des Zentralausfchusscs vom 10. Mai wandte sich mit größter Schärfegegen alle, die versuchen, sei es aus Unverstand, sei es aus bösem Willen Verwirrung indieParteizu tragen". Er gab zu. daßFehler gemacht" worden seien, und daß man nicht vermocht habe,die Richtigkeit unserer Politik den Massen verständlich zu machen". Schließlich wurde eine Wendung der Taktik, namentlich in Preußen, mit folgenden Worten angekündigt: In einer Situation, wo unsere Partei das Zünglein an der Wage zwischen einer Rechts- und einer sogenanten Linksregierung bildet, ist es durchaus zulässig, und unter bestimmten Ver- Hältnissen geboten, ein« solche Parlamentstotüt zu befolgen, daß wir derLinks''koalilion gegen der Rechtskoalition die Existenz er- möglichen. DieRote Fahne " veröffentlicht nun einen Bericht über die Tagung des Zentralausschusses selbst. In dieser erklärte derVertreterdesExekutivkomiteeszur Preußen- frage, daß esunter gewissen Bedingungen, unter denen eine Enllarvung und«ine Zersetzung der Bourgeoisie erreicht werden kann, zweckmäßig ist, sich derStimmezu ent» halten". Die Wahl Hindenburgs, sagte er weiter, sei der Vorposten eines reaktionären Angriffs auf Sowjetrußland". Hätten dann die Kommunisten nicht erst recht Anlaß gehabt, diese Wahl nicht zu fördern, sondern zu verhindern? Der Vertreter der Zentrale beklagte die began- fenen Fehler.. Man hätte sich bereit erklären müssen, die .hälmann-Kandidatur unter bestimmten Bedingungen zurückzuziehen.Wie ganz anders." jammerte er. stunden wir dann nach der Wahl Hindenburgs dal" Heute aber beiße es, die Kommunisten seiendie Verbündeten der Reaktion", und man habe esnicht verstanden, dieses Argument den Gegnern aus dem Munde zu schlagen". Folge- rung: rechtsum marsch! Bedenken gegen diese Wendung suchte der Vertreter der Zentrale folgendermaßen zu beschwich- tigen:

Man fragt uns: Wo sind die grenzen eurer Politik? Sagt uns konkret, wie weit wollt ihr gehen. Bis hierher ist es ganz schon, aber was steckt dahinter? Solche Fragen verraten einen wirtlichen Opportunismus. Ueber Kompromisse und Manöver gibk es kein Schema. Man kann nicht eine Tabelle aller mög. lichen Manöver, die noch kommen werden, machen. Lenmismus heißt nicht nur. den Leninismus in der Vergangenheit kopieren, sondern ihn praktisch anzuwenden aus die neuen Fragen der Gegenwart, wo sind die Grenzen des Opportunismus? Es gibt kein Mittel gegen ihn, als unbedingt auf der Grundlage des Leninis- mus zu stehen und ihn aiizuwenden. Man kann weiter sagen, orga- nisatorisch gibt es noch die Bindung mit der KPR. Das Zusammen- gehen mit ihr ist die zweite Garantie gegen den Opportunismus. Die Genossen in Ruhland sind ein bißchen erprobt. Wir sind noch sehr wenig erprobt, darum sollen wir viel stärker gemeinsam mit der KPR. gehen. Nach dieser Berufung auf die Stützung des neuen oppor- tunistischen Kurses durch Moskau wandte sich der Vertreter der Zentrale scharf gegen dieu l t r a l i n k e n T e n d e n- z e n". Man werdenicht erlauben, daß irgendein Mißtrauen in die Partei hineingetragen wird", sondernsehr rasch diese Störenfriede zur Ordnung rufen". Gegen diese Störenfriede wendet sich auch Ruth Fischer in derRoten Fahne" mit einem Leitartikel, in dem es heißt: Aber die Partei muß gleichzeitig lernen, eines der schlimmsten Erbtest« der alten Brandler-Zeit über Bord zu werfen: das ist jener Woctradlralismu». jene» blutrünstige Geschwäh. bei dem man die konkreke Situation übersah, jenes Täuschen der Milaliedschaslcn über die wahre Lage der Arbeiterklasse in Deutschland , jene Verhängnis« voste Vorstellung, als ob man ohne klares Aussprechen dessen, wa» ist, die Arbester westerbringen könnte. Das sind ja ganz nette Geständnisse! Aber wird die So- zialdemokratie nicht auch heute noch wegen ihres Kampfes gegen diese wortradikale Täuschung der Arbeiterklasse als bürgerliche Arbeiterpartei" und.Verräterin am Proletariat" behandelt? Wenn man jetzt plötzlich umkippt und Kompro- misse und Manöver, Opportunismus ohne Grenzen predigt, so geschieht ja auch das nur eingestandenermaßen zu dem Zweck, in die Reihen der sozialdemokratischen Arbeiter Der- wirrung zu tragen. Das Mißtrauen, das man sich im eigenen Lager verbittet, wird als Exportartikel behandelt, und man sucht sich unter der Maske des Kämpfertums gegen den Mon» archismus in das sozialdemokratische Lager einzuschleichen. Diese ganzen Manöver, dieser Opportunismus ohne Grenzen ist weiter nichts als ein letzter Versuch, das schnell sinkende und heftig schwankende Schiff der KPD. über Wasser zu halten. Er wird mißlingen.

Mussolini alsHllumfasser". Rom , im Mai 1925. Ich datcke, ich stille selbst" soll, einem schnöden Berliner Witz zufolge Wilhelm der Zweite in seiner Blütezeit einmal geantwortet haben, als man ihm«ine Amme anbot. Et wirkte damals, außer als Kaiser, als Bild- Hauer, Maler, Dichter, und es erschien also nicht weiter verwegen, wenn er sich auch die Verrichtungen einer Amme zutraute. Was würden aber die Berliner erst für Witze reißen, wenn es ihnen vergönnt wäre, sich von Mussolini regieren zu lassen! Gegen den ist ja der verflossene Wilhelm nur ein Waisenknabe. DosRisorgiinento" meldet, daß Mussolini interimistisch das Ministerium der Marine über- nehmen werde. Zurzeit ist er Ministerpräsident, Minister des Auswärtigen, Generalkommissär für Luftschisfahrt und Krregsminister, außerdem schreibt er Lustspiele, ist Heerführer der faschistischen Partei, oberster Befehlshaber der Miliz und seiner Ansicht nach, die sich freilich nicht mit der der Verfassung deckt, auch oberster Befehlshaber aller bewaffneten Macht des Landes von Machiavelli - Studien, Chauffeurkünsten und Lömenbändigerei ganz zu schweigen. Es geht offenbor auch ohne ererbte Monarchie.... Der böseBecco Giallo" bracht- neulich eine Karikatur, in der Mussolini den Minister- rat eröffnet: um den Tisch sitzen lauter Mussolinis, nachdenk- lich auf das Portefeuille des Unterrichts gebückt, kampfbereit von dem der öffentlichen Arbeiten aufschauend, sorgenschwer mit dem der Volkswirtschaft beschäftigt. Ein einziger Mann als Minister für alles, eine einzige Partei als Herr über alles: damit die Suche nicht etwa eiritönig werde, haben wir zum Glück zweierlei Recht. Auch ehe man die von Farinacci geplante Justizreform. die für die an Faschisten begangenen Vergehen die Todesstrafe, das Zwangsdomizil und die Verbannung einführen will. durchgesetzt hat, fangen die Herren Geschworcnen an. zu be- greifen, daß man es mit der strafrechtlichen Ahndung beim Umbringen von Nicht-Fafchiften nicht so genau nehmen soll. Wir haben da unlängst einen zweiten Frei- spruch nach dem Vorbild des Falls Regazzi gehabt. Wieder handelte es sich um einen Mord in M o l i n e l l a, wieder haben die Geschworenen von Bologna den Wahrspruch gefällt. Das Opfer war auch diesmal ein Sozialist, Genosse G a i a n i, der Präsident des Schwurgerichts wie der Ober- staatsanwalt waren die gleichen. Gaiani wurde am 6. April, am Tag der Parlamentswahlen, beim Verlassen des Wahl- lokals auf offenem Markt durch zwei Knüppelhiebe nieder- gestreckt. Man ließ den Sterbenden liegen, bis ihn zwei vier- zehnjährige Burschen wegtrugen, und die faschistischen Aerzte weigerten sich, ihm beizustehen, so daß Gaiani mit zerschmet- terter Schädeldecke nach Bologna geschafft werden mußte, wo er bald nach der Ankunft starb. Mehrere Personen hatten den Mord gesehen und den Mörder erkannt. Sie waren, wie der Staatsanwalt sagte, heldenhaft genug, Zeugnis ab- zulegen, was die sichere Anwartschaft auf schwerste Miß- Handlung bedeutet. Trotzdem der Tatbestand des Verbrechens mit absoluter Gewißheit festgestellt war, wurde der Faschist freigesprochen und im Triumph auf den Schulten: durch die Stadt gstragew Ganz wie im Falle Regazzi. Nachdem Genosse L a b r i o l a als Vertreter der Angehörigen des Ge- töten gesprochen und die Anklage begründet hatte, sagte der Oberstaatsanwalt zu ihm:Es ist besser, daß Sie abreisen. Hier gibt es keine Gerechtigkeit mehr." Wenn es in einem Lande so weit kommt daß man ein Held sein muß, um vor Gericht gegen die herrsckzende Partei zu zeugen, und als Rechtsanwalt keines Bleibens hat, nachdem man einen Ver- brecher dieser Partei Verbrecher genannt, dann ist der Boden dieses Landes mit Drachensaat bestellt. Auch die Faschisten sehen in diesen Prozessen in der Provinz nicht einen Selbstzweck. Wenn es ihnen bloß um die Befreiung der Ihren zu tun wäre, wäre es ja viel ein- facher, sie der Verhaftung zu entziehen. Die Freisprechungen notorisch schuldiger Faschisten bereiten den Boden für den Freispruch der Mörder M a t t e o t t i s. Das konnte man in Bologna immer wieder hören. In der Tat ist nicht ein- zusehen, warum der sozialistische Wähler Freiwild sein sollte, dem man ungestraft den Schädel einschlagen darf, während der Mord eines sozialistischen Abgeordneten gesühnt wird. Aber der Prozeß Matteotti sollte dach überhaupt nicht vor die Assisen kommen? Der Senat als oberster Ge- richtsbof sollte ihn, im Anschluß an den Prozeß gegen de Bona anfordern. Den neuesten Informationen zufolge, die nicht beschlagnahmt, also offiziös sind, wird aber de Bona in der Voruntersuchung freigesprochen, so daß die ganze An- gelegenheit an ihren natürlichen Richter, an die Geschworenen Roms zurückfällt. Aber die Geschworenen Roms sind nicht zuverlässig. Um Geschworenen faschistisch« Disziplin beizu- bringen, braucht man das Milieu einer kleinen Stadt. Also kommt der Prozeß Matteotti immer auf grund der nicht beschlagnahmten Information vor die Assisen von Mace- rata(Marken), denen man schon klar machen wird, daß Matteotti eines natürlichen Todes gestorben ist. Im faschi - stlschen Sinne war es in der Tatunnatürlich", daß man ihn so lange hatte leben lassen; es ist Zeit, daß dieser Mensch nicht mehr redet," sagte eine hochgestellte Person mich Matte- ottis Kammerrede vom SO. Mai. In der Tat hatdieser Mensch" nie wieder geredet. Die faschistische Presse kann sich nicht genug tun über den Maifrieden. Offenbar hatte sie zum 1. Mai«ine Revo- lution bestellt. Der Frieden war nicht übertrieben. Auf die Frage, warum er nicht arbeite, antwortete«in Maurer in Musocco bei Mailand weil heute Festtag ist", Diese Ant-