Nr. 120.
Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit tllustr. Sonntags- Beilage„ Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. proQuartat. Unter Kreuz band : Deutschland u. DefterreichUngarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Breisliste für 1895 unter Nr. 7128.
Vorwärts
12. Jahrg.
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fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Sonnabend, den 25. Mni 1895.
Expedition: SW. 19, 33enth- Straße 3.
Die Reichstagsfelton, Diesmal war es ähnlich. Es handelte sich um einen| sturz- Vorlage" ausgearbeitet
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Beseitigung Caprivi's, der zu ehrlich und weitsichtig war, um sich zu der Verschwörung herzugeben. Und Aufregung und Verwirrung der Wähler durch das Rothe Gespenst, sodaß sie, blind vor Angst, wie 1878, in das Netz der Junker hineinstürzen, und freudigen Herzens den Arm für den großen Aderlaß hinreichen, sich selbst einen Maultorb anlegen, und das allgemeine Stinim recht, die Grundursache alles sozialdemokratischen und anarchistischen Uebels, aus freien Stücken in den Orkus hinabschleudern würden.
Der erste Theil des Aktionsprogramms machte teine Schwierigkeiten- wo türkische Zustände sind, da ist ein unbequemer Großvezier rasch aus dem Wege geräumt. Das wissen wir schon aus Tausend und Eine Nacht.
Desto schwieriger zeigte sich die Durchführung des zweiten Programmtheils.
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Am 5. Dezember trat der Reichstag zusammen. Die Umfturzvorlage, deren unbedingte und ungefäumte Annahme noch vor Berathung des Haushalts. Etats die Regierungspresse brutal gefordert hatte, war noch gar nicht fertig. Und der Reichstag ging ruhig an die erste Bes rathung des Etats. Jeder Tag legte neues Zeugniß ab für die Rathlosigkeit der Regierung, die Verworrenheit der Lage. Kein Zweifel, der neueste Kurs" hatte keinen Kurs. Kein Zweifel, Fürst Hohenlohe war nur ein provisorischer Reichskanzler, der einem Unbekannten und Ungewissen als Plazhalter diente. Kein Zweifel, der neueste Kurs" war ein Sprung ins Tunfle.
hütete sich jedoch wohlneuen Raubzug der Junker und, damit das Volk keinen weislich mit ihr an die Deffentlichkeit zu gehen. Dem Reichs welche heute- am 24. Mai 1895 unter einigem Nach- Widerstand leisten könne, um die Knebelung des Volkes tag wurde von der Regierungspresse teck die Pistole vorgedonner und Geblige und scharfer gegenseitiger Abrechnung und um seine Entrechtung. Ein neuer Aderlaß bis gehalten: Sofort annehmen oder Der Geder betrogenen Betrüger von Volksfeinden schloß, war eine zur Weiß blutung zu Ehren Molochs und Mammons, dankenstrich konnte Auflösung bedeuten und auch ute hr. der stürmischsten und ereignisvollsten, vielleicht die stürmischste ein Riesenalmosen für die Junker, Liebesgaben in Tas Spielen mit dem Staatsstreich hatte schon und ereignißvollste, die der Deutsche Reichstag, mit sammt Permanenz und Vernichtung der Preß angefangen. seinem Vorgänger, dem Norddeutschen Reichstag, gesehen freiheit und des allgemeinen Stimmrechts Nun der Reichstag wurde für den November, wo hat. Nur die erste Session des Norddeutschen Reichstags, das war der Plan. Zu seiner Verwirklichung war gewöhnlich die Session beginnt, zusammenberufen. Allein die Session des französisch deutschen Bruderkriegs, dessen zweierlei nöthig: bald stellte sich heraus, daß der neueste Kurs" seinen Kurs düstere Schatten ein Bierteljahrhundert lang auf dem polinoch nicht gefunden hatte; und so mußte die Gröffnung des tischen Leben Deutschlands gelegen haben, so daß das Gift zu Reichstags um einige Wochen verschoben werden- der Bismarck 'schen Blut- und Eisenpolitik in das Mark der eine Maßregel, die in Deutschland ohne Beispiel war und Nation dringen konnte, war annähernd so stürmisch. die Rathlosigkeit des neuesten Kurses" sofort in grelle Bes Diesmal waren es Stürme auderer Art. Dank der leuchtung brachte. Entwicklung der sozialdemokratischen Partei hat ein organischer Gesundungsprozeß begonnen, das Gift der Knecht seligkeit und fittlichen Fäulniß scheidet sich allmälig aus dem Körper der Nation aus, und unter den Fahnen der Sozialdemokratie hat sich Alles geschaart, was unter der sozialen und politischen Mißwirthschaft leidet, und fämpft den großen Kulturkampf des Menschenthums und der Gerechtigkeit gegen die mehr und mehr in Barbarei zurückfinkende Welt des Mammonismus, die, an sich selbst verzweifelnd, keine anderen Argumente mehr hat, als den letzten Grund der Könige: Kanonen, Flinten und Säbel. Nicht äußere Fragen, wie 1870, sondern innere Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Und der Rothe waren es, die diesmal den Reichstag beschäftigten. Die Schrecken des Attentatsjahres 1878 hatte dem deutschen Gegensätze, die im deutschen Staatswesen unvermittelt Seite Michel, der damals auf den Leim ging, vier bis fünf an Seite enthalten find, platten auf einander, und ist auch tausend Millionen Mart, alles in guten, schweißgedingten urch keine Entscheidungsschlacht geschlagen worden, so wird Arbeitergroschen, gekostet. Mochten die Junker und ihre fie doch vorbereitet die Entscheidungsschlacht zwischen Hurrah- brüllenden Echlepper, die Nationalliberalen, seit den zwei feindlichen Prinzipien, die in der deutschen Reichs- der Ermordung des französischen Präsidenten durch einen verfassung stecken: der Volkssouveränität, ruhend italienischen Epileptiker noch so laut nach Schutz der Gesell- Auch die rohe Entrüstungs- Posse, welche die auf der Granitbasis des allgemeinen Wahlrechts, und dem schaft" gegen die„ Umfturzparteien" zetern- das Volk bewahrte Junkerfippe zur Einweihung des neuen Reichstagsbaues am mit der Pickelhaube bekleideten und mit Feßen mittel- fich den Muth der Kaltblütigkeit", der den Lentchen am Steuer zweiten Tage der Session, am 6. Dezember, aufführte, weil alterlichen Feudalsputs verbrämten Polizei- und ruder so kläglich abhanden gekommen war es fonnte sozialdemokratische Abgeordnete bei einem Hoch auf den Kaiser Militär Regimente. nicht begreifen, warum wir Deutschen dafür gezüchtigt im Reichstage sitzen blieben, konnte ihren Zweck der Die Session hub an im Zeichen des Um sturze 3. werden sollten, daß wir teine anarchistischen Verbrechen" Reklame für das Monstrum nicht erreichen und das Einen Monat vor der Frist, wo gewohnheitsmäßig die verübt oder geduldet hatten. Und die Umsturz- Komödie Pfui! fiel auf die ungeschickten Ordnungs- Radaubrüder Reichstags- Session ihren Anfang nimmt, war plötzlich der fiel elend ins Wasser. Denn etwas anders als zurück. Reichskanzler, der die vorherige Session als Triumphator eine Komödie war es nicht gewesen. Und die Art und und gefeierter Günstling seines Monarchen geschlossen hatte, von demselben Monarchen knall und fall entlassen worden. Um die Serail- Verschwörung, der Caprivi zum Opfer fiel, zu mastiren, war einige Monate vorher der Um sturzradau in Szene gesetzt worden wie weiland 16 Jahre früher der Attentats Spektakel, der nur die homerische Wolte bildete zur Verhüllung der Rüstungen für den großen Raubzug, den die verbündeten Schlot- und Krautjunker gegen die Taschen des arbeitenden Volkes geplant hatten.
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Feuilleton.
[ Nachdruck verboten.]
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Endlich wagte die Umsturzvorlage sich aus Tageslicht. Kein Wunder, daß sie es gescheut, wie das höllische Feuer. Juristisch und politisch ein Monstrum. Die Willkür auf den Richterstuhl gehoben. Jeder geächtet, der den Gewalt habern des Tages mißfiel. Nie hat ein Gesetzesvorschlag ein beschämenderes Fiasko erlitten.
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Noch weniger konnte die vom Polizeiminister des neuesten Weise, wie Herr von Caprivi, der trotz seiner junkerlich- Kurses, dem inzwischen durch seine Wurstigkeits- Späße bemilitärischen Beschränktheit durch die Geradheit seines rühmt gewordenen Herrn v. Köller, veranlaßte Erhebung einer Charakters und den Ernst seines Strebens sich Vertrauen Anklage auf Majestätsbeleidigung gegen Liebknecht von erworben hatte, aus seinem Amte entfernt und durch wegen der Hoch- Verweigerung bei jener Gelegenheit die Auss einen, gewiß sehr ehrenwerthen, aber auch sehr schwachen, sichten des Umsturz- Wechselbalges verbessern. Die großen rückgratlofen Greis ersetzt worden war, machte vollends Unbekannten" in diesem Falle freilich sehr kleine( wenn die öffentliche Meinung fopffchen; und als die Zeit heran- auch hohe) Personen die hinter dem polternden Köller fam, wo der Reichstag zusammentreten sollte, konnte die und den zum Himmel schreienden Wechselbalg des Umsturzsogenannte„ Umsturzbewegung" bereits für gescheitert gelten. gesetzes standen, hatten sich zu früh verrathen. Die Regierung hatte mit Ach und Krach eine„ Um
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Herr
Hermann stellte den Ankömmling seinen Gästen vor: Mein liebster Jugendfreund, Herrschaften Johannes Hartung !"
Er nannte die Anwesenden der Reihe nach, doch ging die Vorstellung so rasch von statten, daß Hans die Namen 20 nicht behalten konnte. „ So - und nun, Monsieur Nikolaus, bringen Sie Eine geschichtliche Erzählung von Michel Deutsch. ' mal eine von den Gelbgefiegelten", wandte sich Hermann Aber ich komm' eben von der Reise, Hermann ich an den Burschen. bin nicht vorbereitet..." Er schenkte zwei Gläser des föstlichen Burgunders ein und stieß mit Hans an, während die andern höflich an ihren Gläsern nippten.
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" Paperlapapp- und wenn Du in Hemdsärmeln und Unterhosen bist, herein mußt Du! Etwas Schöneres fonnt ich mir ja gar nicht wünschen zu meinem Geburtstag." Auf unsere Jugendzeit!" rief Hermann, und leerte So machte denn Hans gute Miene zum bösen Spiel sein Glas in einem Zuge. Hans trant nur einen Schluck und ließ sich den Mantel abnehmen. Er sah nicht eben und stellte das Glas auf den Tisch zurück. elegant aus in seinem Reise- Anzug, aber doch immerhin„ Willst Du etwas essen?" fuhr der gastfreie anständig genug, um nicht Anstoß zu erregen. Der Lieutenant fort.
französische Bartschnitt gab seinem brünetten Gesichte einen Hans erklärte, daß er zum Abendbrot anderwärts er Stich ins fremdartige, was ihm in dem Kreise, in den er wartet werde. eingeführt werden sollte, eher zum Vortheil als zum Nach-„ Nun, dann trinten wir um so flotter," versette theil gereichen konnte. Hermann, indem er sich ein neues Glas einschenkte und auch Hermann öffnete die Thür, und Hans trat mit dem Hans' Glas nachfüllte. Laß uns anstoßen auf Els Gastgeber in ein behaglich möblirtes, mit Waffen und beth! Die kleine Waldfee soll leben!" triegerischen Gemälden ausgeschmücktes Zimmer. Es war ein Hans stieß schweigend mit ihm an, und zwei oder drei Chambre garnie, das von seiner Vermietherin seit zehn der übrigen Herren ließen gleichfalls ihr Glas an dem Jahren immer wieder an Offiziere abgegeben worden war, seinigen erklingen. die in Berlin eine der militärischen Anstalten besuchten.
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Das Echicksal des Wechselbalgs war entschieden. Bei ihr Geld, ihre Gesundheit und nicht selten auch sich selbst sammt ihrer Ehre zu opfern pflegen. Er war ein fleißiger, strebsamer Offizier, der seinen Beruf ernst nahin und ihn stets von der idealen Seite aufzufassen be= müht war. Um so mehr wunderte sich Hans über die ungewöhnliche Lebhaftigkeit, die aus Hermann's sympas thischem, wenn auch nicht gerade schönem Gesichte sprach. Sollte er doch noch das Weintrinken gelernt haben?" fragte sich Hans im stillen. Nikolaus meldete, daß die gelbgefiegelten Flaschen bis auf die letzte geleert seien. dann gehen Sie doch noch' mal' rüber zu dem Manichäer drüben, dem Weinhändler, und holen Sie ein halbes Duhend von der gleichen Sorte. Einverstanden, Herrschaften?"
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Kein Widerspruch erhob sich, und Nikolaus ging. Eine kleine Pause trat nach dem Weggang des Burschen ein. Es schien, als ob man sich durch das Erscheinen des als ob man verneuen Gastes ein wenig genirt fühlte gebens darauf käme, die plöglich unterbrochene Unterhaltung, die nach dem Ausdruck der meisten Gesichter zu schließen, ziemlich lebhaft gewesen sein mußte, wieder in Fluß zu bringen.
Hans ließ einen flüchtigen Blick über die Gesellschaft gleiten. Die drei Garde- Offiziere in Uniform hatten nichtssagende Physiognomien von dem bekannten Typus des Welch ein Kontrast!" dachte Hans- hier trinki Ihr deutschen Junkers. Unter den Zivilisten interessirte Hans Bücher, Zeitungen und Modelle waren hier und da zer- nun vergnügt auf ihre Gesundheit, und sie liegt inzwischen ant meisten ein neben ihm sitzender junger Mann von streut. Drei oder vier junge Offiziere und ebenso viele blaß und verhärmt, eine lebende Verkörperung des Elends, höchstens zwanzig Jahren, allem Anschein nach ein Student, Herren in Zivil saßen in bequemer Haltung und offenbar auf ihrem ärmlichen Lager! Ich wollte, Ihr sähet sie, die eine sympathische Erscheinung mit energischen Zügen, die recht angeregter Stimmung um einen Tisch herum, auf dem arme kleine Waldfee wie würdet Ihr Euch voll durch ein um die fräftig geschnittenen, bartlosen Lippen die Ueberbleibsel eines von einem benachbarten Restaurant Entsetzen abwenden von dem Bilde des Jammers!" spielendes Lächeln einen eigenthümlichen Ausdruck erhielten. gelieferten kleinen Soupers nebst einer Batterie von leeren Noch ein paar Gelbe, lieber Nikolaus!" rief Hermann Weiter war da ein Herr Lieutenant a. D. und Redakteite" Dhrivurm, ein ältlicher Lebemann mit schlaffem Gesichte und halb geleerten Flaschen umherstanden. Man rauchte, dem Burschen zu. der trant Kaffee und plauderte und verlebte eine jener an- Hans hatte den Freund noch niemals so aufgeräumt und einer gewissen verdächtigen Freundlichkeit genehmen Stunden, wie sie eine gute Mahlzeit, ein guter gesehen. Lieutenant Rehberg war, wie er wußte, kein einzige übrigens, dessen Namen sich Haus sogleich gemerkt Trunk und heitere Gesellschaft den Auserwählten dieser gläubiger Anbeter jenes Dreigestirns Wein, Weib und hatte. Erde zu bereiten vermögen. Spiel", dem die auserwählten Söhne des Mars so häufig Ein fernerer Gast, offenbar ein Lieutenant in Zivil,
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