fir. 233 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 120
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Verlag: Dönhoff 2506-2507
Dienstag, den 19. Mai 1925
Große Woche der Außenpolitik.
Eine Reichstagsrede Stresemanns.
Herr Stresemann hat gestern die angekündigte große außenpolitische Rede im Reichstag gehalten. Sie war lang, aber nicht groß. Wer sich von dieser Rede eine Sensation versprochen hat, ist enttäuscht worden. Diese Rede war instruktiv. Sie unterrichtete über die Beziehungen Deutsch lands zu den Staaten der Welt in einer Aufzählung, die fatalogmäßig, monoton und trocken wirfte. Sie zeigte die. gewaltige Arbeit, die der Abschluß der Handelsper träge, die Wiederherstellung normaler Handelsbeziehungen zum Ausland für die deutsche Außenpolitik bedeutet. Sie unterrichtete über die politische Problematik der deutschen Außenpolitik. Alles in einer trodenen Borlesung, deren Unterschied zum sonstigen Redefluß des deutschen Außenpolitik. Alles in einer trockenen Borlesung, deren Unterschied zum sonstigen Redefluß des deutschen Außen ministers sehr bemerkt wurde.
Diese Rede war sehr maßvoll. Nicht nur aus außenpolitischen Gründen, Herr Stresemann muß darauf Rückficht nehmen, daß sein außenpolitischer Kurs auf starke Widerstände innerhalb der Regierungstoalition selbst stößt. Wenn er eine außenpolitische Rede hält, spricht er nicht nur zum Ausland gewandt. Er muß seiner eigenen Regierungsmehrheit gegenüber entschuldigen, darlegen, überzeugen, über-" reden. Das gilt für die handelspolitischen Fragen. noch mehr für die politischen Fragen, wie Räumungsfrage, Sicherheits problem, Eintritt in den Völferbund.
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Im Rahmen der Besprechung der Handelsvertragsver handlungen wies Stresemann auf die kleine 3ollpor: lage hin, die morgen dem Reichsrat zugehen wird, Er bai um befchleunigte Erledigung dieser Borlage, da eine Ber zögerung die Situation bei den Handelsvertragsverhandlungen ungünstig beeinflusse und Deutschland teuer zu stehen fommen fönne. Wenn man will, fann man darin eine versteckte Polemit gegen die agrarischen Kreise und gegen die Ministerkollegen Stresemanns erblicken, die um der engftirnigen agrarischen Interessentenforderungen willen die Fertigstellung und die Verabschiedung der kleinen Zollvorlage bisher verzögert haben. Die Begründung, die der Außenminister für die Zollvorlage unter dem Gesichtspunkt der Handelspolitik gab, die Rolle, die er ihr als Instrument der Handelspolitik zuwies, ist nicht zu vereinbaren mit der Vorwegnahme der wichtigsten Aufgaben der großen Zollreform
in der kleinen Zollvorlage.
Jerr Stresemann will die Räumung der nörd. lichen 3one' erreichen. Das wollen wir auch. Er weiß dafür keinen anderen Weg als den, den die Reichsregierungen vor der Regierung des Rechtsblocks bisher eingeschlagen hat. Er fürchtet schwerwiegende Forderungen der alliierten Mächte in der Entwaffnungsfrage. Er wandte fich mit ziemlicher Schroffheit gegen die Stellungnahme deutscher Bazifisten, denen er Begünstigung des Standpunktes der Alliierten vorwarf. In diesem Punkte redete er, um den Rechtsverbänden, die einen Teil seiner Regierungsgrundlage bilden, eine Konzession zu machen. Er verlor fein Wort darüber, daß die Tätigkeit von Verbänden, wie Stahlhelm, Werwolf und Widing der Durchführung einer auf Verständigung abzielenden deutschen Außenpolitik hundertmal mehr Schwierigkeiten bereitet als die inopporfunfte pazifistische Beröffentlichung. Es ist die Eigenart der Situation des deutschen Außenministers, daß er die Außenpolitif, wie sie unter Hermann Müller , unter Wirth, unter Rathenau eingeleitet und geführt worden ist, fortführen muß, weil für Deutschland feine andere Außen politit möglich ist, daß er aber für die Führung dieser Bolitik nicht mehr mit der Einsicht und der Festigkeit des Willens der Kräfte rechnen fann, die seine Regierung tragen.
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Das gilt für die Entwaffnungsfrage wie für die Sicher heitsfrage. Seine Darlegungen zur Sicherheitsfrage waren ein Kolleg für die Deutschnationalen um FreytaghLoringhoven und Everling. Er wies darauf hin, daß seine Borschläge in der Sicherheitsfrage zurückgehen auf die Pläne des Reichskanzlers Cuno. Er prägte die Formel, daß die Re gierung eine Lösung der Sicherheitsfrage mit Deutschland anftrebe, weil eine Lösung ohne Deutschland eine Lösung gegen Deutschland sei. Er verzeichnete die Tatsache, daß bisher feine Antwort auf seine Vorschläge eingelaufen fei. Gr zog daraus nicht mit den Deutschnationalen um Freytagh Loringhoven die Schlußfolgerung, daß nunmehr der Kurs der deutschen Außenpolitik geändert werden müsse, sondern stellte fest, daß er nach wie vor bereit sei, an der Lösung der Sicherheitsfrage mitzuarbeiten.
Die kommende Entwaffnungsnote.
voll, als die schwebenden Streitfragen nicht erledigt feien, vor allem, solange die nördliche Zone nicht geräumt sei. Es wäre beffer gewesen, in diesem Zusammenhang seine Formel über den Sicherheitspatt finngemäß zu erweitern: DeutschI and muß in den Völkerbund, denn ein Völker bund ohne Deutschland ist ein Völkerbund gegen Deutschland .
Der Gesamtinhalt dieser Rede ist: Fortführung der Außenpolitik, die von den republikanischen Regierungen betrieben worden ist. Die Regierung des Rechtsblocks kann feine andere Außenpolitik betreiben. Ob freilich aus der Zusammensetzung der Regierung, aus den Tendenzen der diese Regierung tragenden Parteien und Berbände nicht Hemmungen der deutschen Außenpolitik entstehen, das ist eine andere Frage. Herr Stresemann mag sich bemühen, diese Kräfte zu belehren und zu überreden er wird sie und ihre ungünstigen Rückwirkungen auf die deutsche Politit nicht aus der Welt schaffen.
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Ein offiziöses Dementi.
Kein Garantieangebot für die Ostgrenzen. BIB. meldet: Ausländische Zeitungen bringen Meldungen, wonach die deutsche Regierung fürzlich den alliierten Regierungen zu verstehen gegeben haben soll, daß sie im Rahmen der Sicherheitsverhandlungen auch zu einer Garantierung der deut schen Ostgrenzen bereit sei, falls dafür der Anschluß Desterreichs an Deutschland zugelassen werde. Wir erfahren hierzu von zuständiger Stelle, daß diese Meldungen völlig aus ber Luft gegriffen sind.
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Die Entwaffnungsnote der Alliierten.
Ueberreichung in dieser Woche.
Condon, 18. Mai. ( WEB.) Wie Reuter erfährt, tonne angenommen werden, daß die Note der Alliierten in der Frage der Entwaffnung Deutschlands im Laufe dieser Woche in
Die französische Antwortnote an Deutschland auf die lehten deutschen Borschläge für einen Sicherheitspakt, die der brififchen Regierung bereits mitgeteilt ist, wird aller Wahrscheinlichkeit nach dem britischen Kabinett in seiner nächsten Sigung vorgelegt werden.
Schwere Bedingungen.
Paris , 18. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die aus England Paris , 18. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die aus England flammende Meldung, daß die Note der Alliierten in der Entwaff nungsfrage bereits am Mittwoch oder Donnerstag in Berlin überreicht werden wird, hält man in den unterrichteten Kreifen von Paris für wenig glaubwürdig, zumal die nächste Sigung der Botschafferfonferenz noch nicht endgültig anberaumt ist und feineswegs vor Mittwoch stattfinden wird. Nach den vorliegenden Informationen scheint es, daß in den Verhandlungen der letzten Tage ein völliges Einvernehmen zwischen London und Paris über die noch ftriflig gewesenen Punkte herbeigeführt werden konnte. Wenn es den Bemühungen der englischen Regierung auch gelungen sein sollte, durch Beseitigung gewisser Zweideutigkeiten in dem franzöfifchen Entwurf späteren Schifanen vorzubeugen, so wird man sich doch in Deutschland darauf gefaßt machen müssen, daß die Forderungen, die die Botschafterkonferens an Deutschland stellen wird, außerordentlich schwerer Natur sind, und daß für die Räumung von Köln Opfer verlangt werden, von denen einige, wie die völlige Neuorganisierung der Schuhpolizei, von der deutschen Linken stets mit großer Schärfe befämpft worden sind.
Erfolge der Linken.
Paris , 18. Mai. ( WTB.) Bei den gestern in den meisten Gemeinden Frankreichs vorgenommenen Bürgermeistermahlen sind viele Radikale und Sozialisten gewählt worden, so in Lyon Herriot mit 56 von 57 abgegebenen Stimmen, in Bordeaux der sozialistische Abg. Marguet, in Nimes der sozialistische Abg. Rouger, in Grenoble der sozialistische Abg. Mistral, in Angers der radikale Abg. Levasseur, in Avignon der sozialistische Abg. Gros, in Orleans der radikale Abg. Chollet, in Tours der sozia liftische Abg. Morin, in Amiens der sozialistische Abg. e. cointe, in Lorient der sozialistische Abg. Serol, in Nantes der radikale Abg. Bellan und in Marseille der sozialistische Senator Flaissières.
In seinen Darlegungen über den Völkerbund be= In Frankreich , wie in vielen anderen Staaten, ist der Gemeindezeichnete er ein Zusammenarbeiten Deutschlands mit den ratsvorsitzende zugleich Bürgermeister und Chef der Gemeindever alfiierten Mächten im Bölferbund solange als nicht zwed- waltung.
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Sicherheit und Völkerbund.
In französischer Auffassung.
( Bon einem besonderen Pariser Korrespondenten.) Der Entwurf der französischen Antwortnote auf die Vorschläge der deutschen Regierung über die Sicherheit ist fertiggestellt: Durch den Tod Eberts, durch den Sturz des Kabinetts Herriot und schließlich durch die für die öffentliche Meinung Frankreichs start überraschende Wahl Hindenburgs find Ver3ögerungen hevorgerufen worden, die zum Teil rein technische, zum Teil aber auch psychologische und politische Ursachen hatten.
für Frankreich die Frage aufgeworfen, ob die Vorschläge, fo Durch den Tod Eberts und die Wahl Hindenburgs wurde worden waren, aufrechterhalten werden können. Durch den wie sie im Februar von der deutschen Regierung übermittelt Sturz Herriots war die Frage entstanden, ob das neue Kabinett den gleichen prinzipiell wohlwollenden Standpunkt gegenüber dem„ Sicherheitspaft" einnehmen würde wie das Kabinett Herriot . Am unklarsten erschien die Situation unmittelbar nach der Wahl Hindenburgs. Sowohl in den französischen Regierungsfreifen, als auch in den Reihen der führenden Linksparteien fragte man sich, ob die deutschen Vorschläge noch ernst genommen werden könnten und ob sie nicht dem tiefsten Mißtrauen, das der Sieg der Nationalisten wachgerufen hatte, am besten entsprechen würde, wenn die Regierung jede Diskussion über die Borschläge vor dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ablehnte. Wenn es schließlich nicht dazu fam, so liegt das in erster Linie daran, daß die deutsche Regierung wiederholt wissen ließ, an den Borschlägen würde sich nichts ändern, und der neue Präsident, Herr v. Hindenburg , habe sich voll und ganz mit ihnen einverstanden erklärt.
tischen Kreifen start erstaunt, weil man doch weder gewisse 3war zeigte man sich deshalb in den führenden polifrühere Erklärungen des neuen Reichspräsidenten, noch nor allem die Feldzüge seiner begeisterten Anhänger, die von irgendeinem Berzicht auf Elsaß nichts missen wollten, vergessen hatte. Aber da Berlin , da die Herren Luther und Stresemann ausdrücklich betonen ließen, daß der MarschallPräsident auch die nochmalige freiwillige Bestätigung des Berzichts auf Elsaß- Lothringen gutheiße, so glaubte man in gewissen nationalistischen Manifestationen, die noch in allerjüngster Zeit stattfanden und die in schärffter Weise gegen jeden„ Sicherheitspaft gerichtet waren, feinen genügenden Grund zu sehen, um die Verhandlungen zu verschleppen oder gar abzubrechen.
lage von Marr zum Troz; doch nicht genügend Vertrauen in Allerdings würde man in den Linkskreisen, der Niederdie Stärke der republikanischen Parteien Deutschlands haben, wenn nicht der feste Glauben vorhanden wäre, daß Deutsch lands Arbeiterschaft im Notfall jeden monarchistifidentenwahlfieg ermutigt fühlen könnte, zu ersticken imstande fchen Butsch, zu dem sich die Reaktion etwa durch ihren Bräwäre. Ohne dem hätte das Kabinett Painlevé es nicht wagen fönnen, zu handeln, als ob feit dem Eintreffen der deutschen Vorschläge nichts geschehen wäre. Selbst der Friedenswille des neuen Außenministers hätte nicht genügt, um die Widerstände zu brechen, die seit dem Sieg Hindenburgs auf dem Boden des Mißtrauens in die Höhe wucherten, wenn eben nicht trok Hindenburg - Ueberraschung ein Vertrauen in die deutsche Demokratie übriggeblieben wäre; in diesem Zu fammenhang hat die Rückkehr Otto Brauns in das preußische Ministerpräsidium eine große Rolle gespielt.
Allerdings wird das Ergebnis des 26. April doch nicht ganzipurlos bleiben. Die gleiche Antwort, die Deutsch land erhalten hätte, wenn Marg gewählt worden wäre, wird wohl nicht nach Berlin abgehen. Sie wird fnapper, zurüdhaltender sein als der erste Entwurf. Jedoch wird sie nichts enthalten, was die Fortführung der Verhandlungen irgendwie erschweren könnte sie wird keine Bedingung stellen, die Deutschland als unerträglich empfinden müßte.
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Zwar wird sie den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund als ein logisches Resultat der unmittelbaren Entwicklung betrachten, aber sie wird ihn nicht als Borbedingung zum Abschluß eines Sicherheitspattes stellen, sondern eher als dessen selbstverständliche Folge erscheinen lassen. Die franzöfische Regierung wird vielleicht gerade, was diese Frage betrifft, etwas hinter den Forderungen ihrer Mehrheit zurüdbleiben; denn für denjenigen, der die Ansichten kennt, die sowohl innerhalb der sozialistischen, als aud) der radikalen Fraktion vorherrschen, ist es fein Zweifel, daß der Eintritt Deutschlands in den Bölterbund von ihnen als fast noch wichtiger betrachtet wird als der Abschluß eines Sicherheitspattes. Es würde ein schwerer Konflikt entstehen, wenn man etwa in den französischen Linksfreisen die Empfindung hätte, daß Deutschland den Sicherheitspakt abzuschließen sucht, ohne zu gleicher Zeit in den Bölkerbund einzutreten. Ja, es ist sogar feineswegs ausgeschlossen, daß in diesem Fall die Linksparteien, in erster Linie die Sozialisten, die Ratifikation des Patts verweigern würden. Jedenfalls tut man gut daran, durch die vorsichtige Formel, die von