Die Neuregelung der Lohnsteuer. Das Steuerunrecht bleibt.— Nut? die Sozialdemokratie gegen die Ueberbelastung der Massen.
Die Lohnsteuer ist die sicherste Steuerquelle des Reiches. Neben der U m s a tz st e u e r bringt sie auch den gröhten Ertrag. Die Mehreinnahmen aus diesen beiden typischen Maffensteuern haben im Jahre 1824 den erheblichsten Teil des Zwei-Milliarden- Ileberschusses des Reiches erbracht. Von Monat zu Monat stieg die Einnahme aus der Lohnsteuer, well infolge der steigenden Nominal» löhne die Belastung der einzelnen Lohnsteuerpflichtigen ständig zunahm. Auch die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums im Dezember 1S24 von 50 auf 60 M. monatlich ändert« daran nichts. Immer stärker wurde deshalb das Verlangen der Lohnsteuer» Pflichtigen nach Ermäßigung der Lohnsteuer, die das ohnedies ge» ringe Einkommen erheblich schmälert und soziale und wirtschaftliche Schädigungen zur Folge hat. Trotzdem hat die Rechtsregierung keine veranlassung gesehen. von sich aus eine Ermäßigung der Lohnsteuer vorzuschlagen. Ihre Steuergesetzentwürfe enthalten für jede Steuer, die den Besitz trifft, eine Ermäßigung. Nur für die Lohn» und Gehaltsempfänger nicht. Die Ermäßigung der Lohnsteuer wurde so von Anfang an zum Schachcrobjekt gemacht. Es sollt« der Anschein erweckt werden, als ob die Regierungsparteien die Dorlagen der Reichs» rsgierung verbessern wollten, um so leichter die Entlastung des Be- sitzes durchsetzen zu können. Diese Handlungsweise läßt die unsoziale Gesinnung der Rechtsregierung ohne weiteres erkennen. Sie ist zugleich die Ursache für das durchaus ungenügend« Entgegenkommen an die Lohn» und Gehaltsempfänger. In mehrtägigen Beratungen hat der Steuerausschuß des Reichstags beschlossen. daß vom 1. Juni ab das steuerfreie Existenzminimum von 60 Mark auf 80 Mark monatlich(18,60 Mark wöchentlich) her- aufgesetzt werde. Es soll ferner die Ermäßigung des Abzugs von 10 Proz. bei Einkommen unter 250 Mark monatlich für dos zweite und jedes weitere Kinod um Zwei Prozent eintreten, statt wie bisher ein Prozent, Bei Einkommen über 250 Mark monat- lich wird diese Ermäßigung erst vom dritten Kind an gewährt. Außerdem wird künftig auf Antrag bei Verdienstausfall infolge Arbeitslosigkeit. Krankheit usw. ein Rechtsanspruch auf Er» stattung zuviel gezahlter Steuerbeträge durch die Finanzämter gewährt werden. Das ist das ganze Zugeständnis, das die bürgerlichen Parteien den so schwer belasteten Lohn- und Gehaltsempfängern gemacht haben! Bleibt es bei den jetzigen Löhnen, so wird selbst nach den zu hohen Angaben der Reichsregierung diese Ermäßigung höchstens eine Mindereinnahme von rund 300 Millionen Mark für das ganze Jahr bedeuten. Also nur wenig mehr, al« die Reichsregierung durch den Verzicht auf die halbe Vermögenssteuer freiwillig preisgegeben hat. Rechnet man hierzu den Ausfall durch die Milderung der Ein. kommensteuer, der Erbschaftssteuer und der sonstigen Kapitals» steuern, so kommt man zu der Feststellung, daß den besitzenden Schichten ein Mehrfach« von dem an Cr» Mäßigung freiwillig gewährt wurde. was die Sozialdemokratie in hartnäckigem Kampf der Rechts» regierung und den bürgerlichen Parteien füftr die Lohn» und Gehalts» »mpfänger abringen mutzte. In Wirklichkeit wird dieser Ausfall von ZOO Millionen nicht ein- treten. Di» Löhne müssen sich den Preisen anpassen und den arbel- tenden Schichten wenigstens die kümmerliche Existenz ermöglichen. Daher wird der Ausfall wesentlich geringer sein, als ihn die Regierung schätzt, zumal ihre Angaben auf absolute Richtigkeit, keinerlei Anspruch erheben können. Da selbst die Regierungsparteien sich dieser Erwägung nicht entziehen tonnten, war die Anregung ent» standen, die Einnahme aus der Lohnsteuer auf 1200 Millionen Mark jährlich zu begrenzen und die Regierung zu verpflichten, wenn dieser Betrag überschritt»» wird, eine entsprechende Ermäßigung vorzunehmen. Aber selbst das ist von der Regierung bekämpft, von den bürgerlichen Parteien preisgegeben worden. Es besteht deshalb erneut die Gefahr, daß die Lohnsteuer die veranschlagten Beträge wesentlich überschreiten wird und mil der Besteuerung de« Hungers die Enklastung des Besitzes bezahlt wird. Die Sozioldemokralie hatte die Forderung gestellt, erstens das steuerfreie Existenzminimum auf 100 Mark monatlich(24 Mark wöchentlich) zu erhöhen, zweitens die prozentualen Ermäßigungen
für die Familienangehörigen von je einem Prozent durch feste Cr- inäßigungen von je 10 Mark bzw. 20 Mark mouallich(2,40 Mark bzw. 4,80 Mark wöchentlich) zu ersetzen und drittens den Steuersatz für die unständigen Arbeilskräfle von 4 aus 2 Proz. zu ermäßigen. Es kann nicht bestritten werden, daß diese Forderungen sich im Rahmen des Erfüllbaren und Möglichen hallen. Die letzige Finanzlage des Reiches g e st a t t e t diese Ermäßi- gung, die unerträgliche steuerliche Ueberbelastung der Massen macht sie notwendig. Der Reichswirtschaftsrat hat das anerkannt, denn er sprach sich ebenfalls für ein Existenzminimum von 100 Mark monat» lich aus. Das war auch die Forderung sämtlicher Richtungen der Gewcrkschaslcu. Der Deuische Gewerkschasksbund ging über dies« Forderung sogar noch hinaus, indem er verlangte, daß die Ermüßi- gung für i ed e s Kind zwei Proz. beträgt. Angesichts der Einmütigkell der Stellung der Gewerkschaften aller Richtungen war die Hoffnung begründet, daß nun endlich das steuerliche Unrecht an den Lohn» und Gehaltsempfängern erheblich gc» mildert würde. Der Zustimmung der Sozialdemokratie konnte man in jedem Fall gewiß sein. Und mußte nicht die Zustimmung der bürgerlichen Regierungsparteien ebenfalls leicht zu erreichen fein, da die parlamentarischen Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes. der die weitestgehenden Forderungen aufgestellt hatte, in deren Reihen sitzen? And hallen nicht gerade diese Parteien heilige Eide geschworen. daß ihnen nichts so am Herzen liege wie der Abbau des Steuer- unrecht? gegenüber den Massen? Diese Hofjnungen sind schmählich getäuscht worden. Da» Steuerunrecht bleibt. Die Ermäßigung der Lohnsteuer ist so ge» ring, daß immer noch eine Steuerpslicht bleibt auch dort, wo der Lohn nicht einmal ausreicht, den Hunger zu stillen und die Arbeits» fähigkeit zu erhalten. Das Sleuerunrecht bleibt aber besonders im Vergleich zu der Sleuerleistung der übrigen Gruppen. So hartnäckig die Regierung und die Regierungsparteien der Ermäßigung der Lohnsteuer widerstrebten, so entgegenkommend sind sie bei der Er» Mäßigung der Steuerlasten aller übrigen Gruppen. Und wenn ent» sprechend den Forderungen der Regierung auch noch die Bier- und Tabakbesteuerung erhöhl wird, dann wird die Gesamtsteuerlast der Massen nicht kleiner, sondern größer sein. 3m Kampf gegen das Sleuerunrecht stand und steht die Sozialdemokratie allein. Die bürgerlichen Barleien verstehen unter.Entlastung der Wirtschaft" Entlastung der Unternehmer. Don ihnen ist für die Lage der Lohn- und Gehaltsempfänger Verständnis nicht zu erwarten. Hätte es sonst vorkommen können, haß der Sprecher der Zenlrumopartei die Forderung nach einem Existenzminimum von 100 Mark monatlich als ein„Endziel" bezeichnete, das nur „etappenweise" zu erreichen sei? Ebensoweniig aber haben die Lohn» und Gehallsempfänger etwas von den Kommunisten ZU erwarten. Sie haben den Antrag gestellt, den Lohnabzug zu be- selligen und stall dessen die allgemeine Einkommensteuer auch für die Lohnsteuerpslichtigen«inzuführen. Wäre es ein Porteil, wenn dem Arbeiter. Angestelllen oder Beamten der Steuerbetryg künftig vierteljährlich statt wöchentlich oder monatlich abverlangt würde? Wir sagen nein. Die Kommunisten haben ferner oer» langt, daß Einkommen unter 3600 Mark jährlich vollständig steuerfrei sind. Es wäre schön, wenn man das durchsetzen könnte. wenn aber schon eine Steuerfreiheit von 1200 M. nicht zu erreichen ist, so ist es sinulos. aus agitalorifchen Gründen 3600 M. zu verlangen. Die Beschlüsse des Steuerausschusses sind allerdings noch kein« endgültigen Entscheidungen. In der kommenden Woche dürste die Frage der Lohnsteuer auch das Plenum des Reichstags beschäftigen. Noch ist also die Möglichkeit gegeben, die unzulängliche Ermäßigung der Lohnsteuer zu verbessern. Die Broteste aus den Kreisen der Lohn- und Gehaltsempfänger, die der Empörung Ausdruck vor» leihen, sind zahllos. Die Sozialdemokratie wird es als ihre Pflicht ansehen, ihr bei den Beratungen Ausdruck zu geben. Sie wird er» neut versuchen, die Forderungen durchzusetzen, die allen Lohn» und Gehaltsempsängern gemeinsam sind. Sie wird durch die Tal be- weisen, daß eine soziale Steuerpolitik und die gerechte Verteilung der Lasten abhängig sind von einer starken Sozialdemokratische« Barkel.
vas Martprium Höfles. Immer wieder erschütternde Aussagen. Der Höfle-Untersuchungsausschuß vernahm am Montag vor- mittag den Skrafanstalisoberdtrekkor Bully(Moabit ) über die Frage der ärztlichen Organisation in Moabit . Die Dienst- ordnung schreibe vor, daß bei lebensgefährlichen Erkran- k u n g e n die Angehörigen benachrichtigt werden müßten. Der Zeuge hat Dr. Thiele am Sonntag gefragt, ob die Benachrichtigung der Angehörigen nötig fei: Dr. Thiele habe, woran der Zeuge sich genau erinuerl. diese Frage verneint. Erst in der Rocht zum Montag seien die Angehörigen benachrichtigt worden und der Geistliche geholt worden. Auf Fragen des Abg. Dr. weyl(Soz.) erklärt der Zeuge, daß sich Dr. Thiele bei ihm wiederholt mündlich über die Härte des betreffenden Erlasses beklagt hohe- einen Antrag auf Milderung des Erlasses habe aber Dr. Thiele nie gestellt. Am Sonnlag abend habe Dr. Thiele die Ueberfühnwg in ein Krankenhaus nicht für nötig erachtet, well der Kranke auf dem Transport sterben könne. Wenn Dr. Thiele vor dem Ausschuß be- hauptet habe, er habe wiederholl die Ueberführung befürwortet, so iire er. Dr Thiele habe noch o>n Sonnabend und Sonntag vor- mittag den Zustand Höfles nicht für lebensgefährlich gehalten. Der Zeuge gr t aus Befrazen durch den Abg. Wcster(Ztr.) zu. daß er am Sonnabend über die Verschlimmerung im Befinden Dr. Höfles zu spät benachrichtigt wurde. Am 3M Uhr wurde Dr. Höste bewußtlos gefunden, und erst um 4 Ahr 50 Ai.nuten ist der Zeuge davon beuochrichti st worden. Die Dienstordnung schreibt vor, daß der Oberdirettor von allen wichtigen Vorkommnisien in der Anstalt„sofort" benachrichtigt werden muß. Wezhalb Dr. Thiele erst so spät am Sonnabend im Lazarett erschienen ist. kann der Zeuge nicht aufklären. Dr. Stör» mer habe gesagt, es bestehe starker Verdacht einer Vergiftung. aber ausdrücklich erklärt, es liege keine Lebensgefahr vor. Am Sonntag habe Dr. Thiele erklärt, der Zustand sei ernst, weil die Bewußtlosigkeit anhalte. Aber die Frage des Zeugen, ob die An- gehörigen venachrichtigt werden sollten, hat Dr. Thiele ausdrücklich verneint. Für Den Zeugen ist es ein„furchtbarer Gedanke", dojj einer feiner Beamten oder Pfleger Dr. Höste die Tabletten über- bracht hätte. Auf Fragen des Abg. Ouaat-Faslem(Dnat.) gibt der Zeuge feiner Anficht dahin Ausdruck, daß der oft erwähnte Erlaß von den Aerzten al» Beeinflussung empfunden wurde. Sachverständiger Brofessor Lewin fragt, ob die Verteilung der Medikamente ordnungsmäßig vor sich gegangen sei. Der Zeuge kann nicht sagen, ob die Anstalt direkt die Erlaubnis zum chatten einer Apotheke habe: sie fei eben da. Die Medikamente würden aus dex benachbarten Moabiter Apotheke gekauft und unter Verschluß aufbewahrt. Auch ein besonderer Giftschrank sei da, wie in jeder Apocheke. Die Schlafmittel ständen nicht separiert im Gistschrank, sondern in dem allgemeinen Arzneischrank. Bon einer besonderen Erlaubnis zur Führung einer Apotheke weiß Zeuge nichts. Außer Luminal, Veronal und Pantopou sei auch Morphin da; der Pfleger bekomme so und so viel Ampullen und Tabletten, von letz- tersn einige mehr als gerade verordnet feien. Jede einzelne Tablette zu oerbuchen, fei unmöglich, wenn auch über Zu- und Abgang Buch geführt würde. Der Sachverständige bemerkt, auch ihn, der doch viel mit solchen hoffen umgehe, komme ein gewisses Gruseln an, wenn er au» den Verzeichnisse« ersehe, wie leichtfertig hier mit solchen starken Mittel« um- gegangen sei. deren Dosierung gesetzlich vorgeschrieben sei. Die weitere Klärung der von dem Sachverständigen angeregten Fragen soll im Ausschuß in einer besonderen Abendsitzung am Dienstag erfolgen, zu der auch Dr. Thiele hinzugezogen werden soll, der in den nächsten Tagen»m«m«»«rw«xch-ig«n ttr.laub antritt. Di« medizinischen Sachoerständigen und Ausschußmitglieder werden am Dienstag vormittag 8� Uhr sich nach Moabit zur Be- sichtioung des Lazarett» und der Apotheke begeben. In der Rachmittagssitzung wurde der Wachtmeister Rietz vernommen, der den Dr. Höfte ständig feit dessen Einsieferung gesehen hat und häufig in dessen Zimmer gekommen ist. Das erstemal, als Dr. Höste vop dem Zeugen gesehen wurde, machte dieser aus ihn einen gesunden Eindruck. Vom April ab fiel Rietz auf, daß Dr. Höste abnahm, obwohl die Nahrungeausnahme gut war. Oberinspektor Schmidt hat, wie.Zeuge be- kündet, sich seden Tag nach Höfles Befinden bei Rietz erkundsgt. und Rietz sagte ihm nun, der Zustand könne nicht allein vom Alkohol herrühren. Der„Dämmerzustand" Dr. Höfles, wie der Zeuge sich ausdrückt, dauerte fort. von Dienstag ab sei. so lange es Rietz beobachten tonnte, der immer nur bis 3 Ahr Dienst hatte, das Bett Höstes nicht gemacht worden. Ob Laken oder Hemd beschmutzt waren, weiß der Zeuge nicht, nur einmal sah er ein zerrissenes Hemd........ Daß Dr. Höste dieses dein Arzt gezeigt habe mit dem Be- merken, er sei besinnungslos gewesen, davon ist dem Zeugen nichts bekannt. Am Sonnabend turz vor 3 Uhr wurde ein Paket ge° bracht: der Zeuge ging mit in die Zelle und bekundet, daß Dr. Höste kaisächlich den Eindruck eines Sterbenden gemacht habe. Gegenüber dem Zustand bei der Visite am Vormittag sei ein b«d e u- tendcr Unterschied gewesen. Der Zeuge ist durch den Staate- anwattschastsrat Duden vernommen worden, ebenso wie andere Beamte. Einer der vernommenen Kollegen hat dem Zellgeii, wie er aus Befragen durch den Abg. Hoffmann(Komm.) mitteilt, crzähtt, Staatsanwaltschaftsrat Duden habe zu diesem gesagt:„Für Sie wäre es besser, wenn Sie Zentrumsmann oder mosaisch wären." (Dgr Beamte hatte auf die Frage nach dem Bekenntnis erklärt, er evangelisch.) Hierauf werden die Verhandlungen auf Dienstag vormittag 11 Uhr vertagt. Schluß 5 Uhr.
Schlieben auf üer Zlucht ..... in den HauShaltsausschuh. Auf der Tagesordnung der Sitzung des Haushallsausschusses vom Montag stand die seit längerem zurückgestellte Beratung des Haushalts des Reichsministeriums des Innern. Vor Eintritt in diese Beratung erbat der Reichsfinanzminlster v. Schlieben das Wort, um an Hand eines den Mitgliedern des Ausschusses zuge- stellten Fiuanz-Exposäs ein Bild der gegenwärtigen Kassenlage und de» voraussichtlichen Ausgabebedarfs des Reichs in den Jahren 1925 bis 1930 zu geben. Seine Darlegungen liefen darauf hinaus, er könne sich der finanziellen Ansprüche aus den Reihen der Regierungsparleiea nicht mehr erwehren und müsse von dem Haushallsausschuß verlangen, daß er ollen anderen Ausschüssen gegenüber ein Machtwort spreche. Herr von Schlieben erklärt« u. a. wörtlich:„Es erscheint mir nicht angängig. daß die Ausschüsse des Reichstags in dieser für die ganze künftige Finanzgebarung so überaus kritischen Zeit völlig unabhängig von- einander arbeiten, und jeder für sich allein Beschlüsse faßt, welche in ihrer Gesomtwirkung die finanzielle Leistungsfähigkeit des Reichs jetzt oder in späterer Zeit zu geföhrden geeignet sind... Bei aller Anerkennung der mit den einzelnen Anträgen verfolgten Ziel« müssen die Wünsche doch auf«in erträgliches Maß zurückgeschraubt werden, und es tut dringend not. daß der Haushattausfchuß sich alsbald«ingehend mit diesen Dingen beschäftigt und die Beträge bestimmt, über die keinesfalls hwausgegange« werden darf."
Der Vorsitzende des Ausschusses, Genosse Heimann, bemerkte auf diese Darlegungen, daß die Rolle, die der Reichsfinanzminister dem Haushaltausschuß zuweisen wolle, zwar für die Regierung erwünscht und bequem und für den Haushattausschuß ehrenvoll sei, aber die Veranttvorlung für die Finanzgebarung des Reichs doch in unzulässiger weife von der Regierung auf den Haushallaus- schuh verschiebe. Der haushattausschuß sei zu einer Nachprüfung aller Ausschuß- beschlüsse, die eine finanzielle Auswirkung hätten, schon ein äußer» lich vollkommen außerstande. Aber ganz abgesehen davon erscheine das System, nach dem der Finanzmlnister vorzugehen wünsch«, falsch und ungeeignet. Es sei Bssicht der Regierung, in den ein- zelnen Ausschüssen durch ihre Kommissare stiren Standpunkt besonders in allen finanziellen Fragen mit dem größten Nachdruck vertreten zu lassen. Setzten diese Kommissare sich nicht durch, so obliege dem Minister die Aufgabe, die Regierungsparteien zu der Verantwortung zu erziehen, die mil der Reglerungsgewalt verbunden ist. Es entspann sich eine mehrstündige Debatte, in der alle Redner, mit Ausnahme der Kommunisten, dem Standpunkt des Vorsitzenden beitraten. Selbst der Sprecher der Deutschnatio- nalen, der Abg. Hergl, war der Ansicht, daß die Einheit unserer Fftianzgebarung in Gefahr sei. Trotzdem müsie man sich dagegen wenden, daß dem haushattausschuß d i e Rolle unter den Aus- schüssen zugewiesen werde, die der R e i ch s f i n a n z m i n i st e r innerhalb des Kabinetts hat, nämlich die des absoluten Vetos. Redner verlangte mehr Jniatioe von der Regierungl Das Finanz-Erpofä selbst wurde dem ständigen Unterausschuß zur Nachprüfung überwiesen und man beschloß, an den Bericht des Unterausschusses eine finanzpolitische Aussprache im Plenum de» Haushaltausschusses anzuknüpfen.
Japan räumt Sachalin . Aus Tokio wird gemeldei: Durch Unter. zeichnung der erforderlichen Protokolle wurde die Uebergabe Sachalins an die Sowjet regierung vollzogen. Die Sowjelregierung hat gestattet, daß japanische Flugzeuge Sibirien ü b e r f l i e g« n �dürfen: sie lehnt icdoch die Ausdeh- nung der Flüge bis nach Moskau ab. s
vas marokkanische fibenteuer. Wachsende Opposition bei den französischen Linkspartei««. Barle. 18. Mai.(Eigener Drahtbericht.) Die französischen Ope» rationen in Marokko nehmen einen Umfang an. der bei der Linken wachsendes Befremden erregt und selbst bei einem Teil der Radikalsozialisten neuerdings auf Opposition stößt. So hat der neugcwählte Gemeinderat von Lyon , der am Sonntag Herriot als Bürgermeister wiedergewählt hat, eine Entschließung ange- nommen, in der die Regierung aufgefordert wird, jede Politik tolo- nialer Eroberungen, die eine Quelle europäischer Konflikt« sei, ab» zulehnen. Genosse R e n a u d e l. der am Sonntag in der Povinz über die politische Lage sprach, hat in unzweideutiger Schärfe er- klärt, daß Frankreich mchl zu gleicher Zeit VLlkerbundspolitik machen und sich in das gefährliche Abenteuer einer kolonialen Croberungs- Politik einlassen könne. Aus einem am Montag vom„Oeuvre" veröffentlichten Artikel geht einwandfrei hervor, daß die amtlichen und halbamtlichen Mel- düngen über die Vorgänge in Marokko nur einen schwachen A b k l a tsch dessen geben, was in Wirklichkeit in Marokko vorzugehen scheint. Vor allem sollen die französischen V e r l u sie bei den letzten Kämpfen weit größer gewesen sein als in den amtlichen Berichten bisher zugegeben wurde. Die vom französischen Haupt- quartier in Fez ausgegebenen amtlichen Berichte lassen sehr deutlich durchblicken, daß es Abd el Kerim gelungen ist, die französische Ope- ration zum Stehen zu bringen. Aus Frankreich selbst sind in den beiden letzten Wochen sehr beträchtliche Berstarkungen nach Marokko abgegangen, und in den südfranzösischen Häsen dauern die Truppenverladungen in unverminderter Stärke an. Die.Jnformatton" teitt am Montag in einem Lagebericht mit» daß die Ersahrungen der beiden letzten Wochen die Notwendigkeit ergeben hätten, den Krieg gegen Abd el Kerim nach europäischer Art zu führen. Vor ollem müsse schwere Artillerie und die anderen Mittel der mordernen Kampftechnik eingesetzt werden. Das Blatt deutft weiterhin an, daß, wenn die französischen Truppen auch bisher die Grenze der spanischen Zone noch nicht überschritten haben, dies sich doch wahrscheinlich im weiteren Verlauf der Operation als not- wendig erweisen werde: auf diplomatischem Wege sei darüber bereits mtt der spanischen Regierung verhandett worden.