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vienstag 19. Mai 1925
Unterhaltung unö ANissen
Vellage ües vorwärts
Saint-Simon  . (17. Ottober 1760 bis 19. Mai 18SS.) von Rastignac. Saint-Siinons Lehre ist am leichtesten durch jene Parabel ver- ständlich, die er 181 S publiziene. Er setzt den Fall, Frankreich   ver- löre plötzlichseine fünfzig besten Physiker, Cheiniter, Dichter, Maler, Bildhauer, Mustler, Literaten, Mechaniker, Ingenieure, Aerzte, Uhr­macher, Bankiers, Maurer  , Tischler, Schlosser kurzum die begabtesten Männer der Wissenschaft, Kunst und des chandwerks,im ganzen die dreltzigtausend ersten Gelehrten, Künstler und Arbeiter Frankreichs  / Dasselbe Land verlöre nun zu gleicher Zeit den Bruder des Königs, 1)erzög«, Herzoginnen, alle Grohwürdenträger, Staatsminister mit und ohne Portefeuille, alle Staatsräte, Marschälle, Kardinale, Erz- bischöse, Großvikare, Mönch«, Präfetten und Unterpräsetten,alle Richter und vor allem die zehntausend vornehmsten unter den Be- sitzenden des Landes': hier insgesamt ein Verlust von dreißig» taufen Menschen. Frage ist nun: welcher Verlust ist größer: der von dreißigtausend oroduktioen Menschen oder der von dreißtgtausend Nutznießern? Saint-Simon   weist nach, daß nichts leichter sein würde, als die Pflichten des Bruders des Königs durch irgendeinen anderen Franzosen erfüllen jsu lassen; daß viele Französinnen ebenso gut dt« Honneurs niachen können wie die Herzogin von Angouleme  oder von Orleans  : daß genügend Pfarrer vorhanden sind, ebenso brauchbar wie Kardinäle, Erzbischöse und Großvitare;und wieviel Angestellte wiegen unsere Staatsminister aus!" Saint-Simons Kampf gilt dem Adel und der Geistlichkeit, weil sie die Drohnen im Staate sind. Den Reichtum des Lande» zu mehren, bedarf der Techniker, der Handwerker, der Kaufmann, der Gelehrte jeder Förderung. Er schlägt ein neues Eigentumsrecbt und Gesetz vor, da» so gestaltet sein soll, daß e» produktiv wirke: derart, daß e» den Besitzer anspornt» die Produktion möglichst zu fördern/ Er sieht den sich mehrenden Reichtum eine» Landes nur Im Zu- sammenhana mit besten Industrie, die wieder in engster Verbindung sein soll mit der Wissenschaft. Saint Simon   glaubte, daß mit der französischen   Revolution der Klastenkampf und die Klastengegensätze aufgehört haben, er erkannte nicht die Trennung des Voltes, die durch die Revolution bedingt war. In dem vierbändigen WerkDie Industrie' erkennt Saint- Simon   den Zwiespalt seiner Epoche in diesem: die politisch« und besitzrechtliche Versastung steht im Widerspruch zur industriellen Eni- wicklung; noch ist die Industrie selbstherrlich organisiert, und zudem bilden Pfaffentum und Adel einen Staat über dem wirklichen Staat: über der Klaste der Werktätigen. Da die Industrie die breit« Basis de» Dolksganzen ist, kann nur durch sie Reichtum erzeugt werden: dieser Reichtum jedoch kommt nur der Oberschicht zugute, denndie Arbeit steht unter der Herrschaft des Eigentums/ Zu dem«nt- scheidenden Schritt, der Enteignung bürgerlichen Eigentums, kam Saint-Simon   nicht; erst seine Schüler, die Saint-Simonisten, die fein« Lehren ausbauten und systematisierten, führten die Lehren ihres Meister» konsequent weiter. Zu den wesentlichsten Arbeiten Saint-Simons zählt die Schrift Dos neue Christentum', die er kurz vor seinem Tode verfaßte. Die immer stärkere Hinwendung zu der Lage der Arbeiter in den letzten Iahren seines Lebens langeregt durch den Kampf der Maschinen- stürmer in England), ließ Saint-Simon   eintreten füreine mög- llchst rasch« Derbesterünq des Loses der ärmsten Klaste/ Ms   Haupt- stützen und Förderer dieses neuen Christentum» proklamiert« er die Macht der Moral und der öffentlichen Meinung/ Cr wendet sich an die Besitzenden, suckt ihnen klar zu machen, daß ihr Glück und Wohlergehen aufs engste mit dem der arbeitenden Moste ver- Kunden sei; ja, Saint-Simon   geht sogar so weit und mahnt den König und den Adel,«tngedenk zu sein der Pflichten, die da» Christentum dem Mächtigen aulerlegt:olle Kräfte der möglichst raschen Steiaeruna de» sozialen Glück» der Armen zu midmeni' Kurze Zelt später starb Saint Simon  , dieser erst« Vertreter lozioliltischer Ideen in Frankreich  . Er war ein gemäßigter Sozialist, der für die Ausrechterhaltung des Privateigentum» eintrat, sedoch einschränkende Maßnahmen vorschlug, die er mit historisch soziolo- gischen Argumenten und christlich-reNgiöscn Einwänden fundierte. In der letzten Vorrede ,umKommnnisttschen Manifest' schrieb Friedrich Engel  »:Unter Sozialisten verstand man 1847 zweierlei Arten von Leuten. Einerseits die Anhänger der ver- schieden«» utopistischen Systeme, andererseits die mannigfaltigen sozialen Quacksalber: in beiden Fällen Leute, die außerhalb der Arbeiterbeweaung standen und die vielmehr Unterstützung suchten bei dengebildeten' Klasten.' Saint-Simon   gehörte zu den Utopisten, denn er versucht« die Gesellschaft mit Hilf« der gebildeten Klaste zu erneuern und glaubt« überdies, allein durch Ideen, nicht aber durch die Masten selbst,
So siehste aus!
ÜB 3APaBCTByeT KOMMHTepHl (Es lebe die 3. Jalernationale.) Au« der Mainummer derprawda': Das Idealbild eine» revolutionärea Proletariers, wie die rujsischeu volschewisteu ihn sich vorstellen.
ein« sittlichere Gesellschaftsordnung zu schaffen. Wie dem auch sei: er konnte in seiner Zeit keine Fragen klären, die erst De- zennien sväter akut wurden. Und diese Tatsache rechtfertigt wieder einmal, daß der verschriene Utopismus nichts anderes ist, als ein« verfrühte Wirklichkeit.
vraunkohlenfunde tu INederbayern. Bayern   ist im großen und ganzen arm an Kohlen. Steinkohlen finden sich nur in unbedeuten- den Vorkommen im rechtsrheinischen Bayern  , im nördlichen Ober- franken und in der nördlichen Oberpfalz  . Wichtiger ist die bayerische  Pechkohle, die vor allen Dingen zwischen Lech   und Inn   in Ober- bayern abgebaut wird. Diese Pechkohle besitzt einen Heizwert von 5800 bis 6000 Kalorien. Sie ist reich an Gas und eignet sich aus diesem Grunde für Hausbrand und Industrie. Man gewinnt aber nur so viel von dieser Pechkohle, daß ein Drittel des Bedarss in den Elsenbahndirektionsbezirken München   und Augsburg   gedeckt wird. Die Pechkohle steht zwischen der Steinkohle und der Braun- kohle. Braunkohlen werden in Bayern   erst seit jüngster Zeit gewonnen. E» ist das Verdienst der Bayerischen Braunkohlen-Jndustri« A. G.  in Schwandors, der bayerischen Braunkohle die Bedeutung zu er- ringen, die sie in Bayern   besitzen muß. Die bayerische   Braunkohle
wird sowohl für den Hausbrand als für die Industrie mit gutem Erfolg oerwendet. Man ging nun daran, neue Braunkohlenlager In Bayern   zu erbohren. Mit diesen Bohrungen hatte man bis jetzt nur in Niederbayern   Erfolg. Die von der Niederbayerischen Braun- kohlen-Industrie A. G- in Deggendorf   gegründete Tochtergesellschaft, die Bergbau A. G. in München  , hat in letzter Zeit in der Nähe von Straubing   in Niederbayern   Bohrungen auf Braunkohle angesetzt. Hier bei Straubing   hatte schon im Jahre 1909 dieHadwiga' zwei Bohrungen ausgeführt, die ohne Erfolg waren. Die neue Gesellschaft hat bis jetzt 9 Bohrungen ausgeführt. Dadurch hat m m folgendes erfahren können: In 80 bis 100 Meter Tief« finden sich Kohlen in einer Mächtigkeit, die man durchschnittlich aus 4 Meter annimmt. Damit hat man zwar Kohlen nachgewiesen, aber über die Ausdehnung der Kohlenflöze über das 2700 Hektar umsasiende Feld noch keinen Anhalt. Deshalb plant man in der Zukunft, da» ganze Gebiet mit mehreren Bohrapparatsn obzubahren. Die Strav- Inger Kohlenvorkommen sind für Bayern von allergrößter Be» deutung, denn die Kohlen liegen in unmittelbarer Nähe der Donau  .
Die berühmtessen Sergeroberungen. Der Versuch, den höchsten Gipfel der Erde, den Mount Everest  , zu bezwingen, der in den letzten Iahren dreimal, aber noch ohne völliges Gelingen, unternommen wurde, bildet das letzte Glied einer langen Kette von Bergeroberungen, in denen der Mensch allmählich die höchsten Erhebungen der Erde unterworfen hat. Der plan» mäßige Angriff auf die Hochgipfel hat erst in der zweiten Hälfte de» vorigen Jahrhunderts begonnen, und Jahrtausende Hot es gedauert, bevor der Mensch die Bergbesteigung als Sport aufnahm. Nur wenige einsame Vorläufer gibt es in der Geschichte, die ohne beson» deren Zweck auf hohe Berge stiegen; so Hadrian  , der 126 n. Chr. den Aetna   bestieg, fo Petrarka   und Leonardo da Vinci  . Selbst Goethe, der aus seinen Schweizer Reisen als einer der ersten die Wunder de» Hochgebirges genoß und beschrieb, war noch kein Al» piaist im modernen Sinne. Die Eroberungen der Mpen wird durch Sausture eingeleitet, der 1787 den Montblanc   bezwang. Die damit beginnend« Entwicklung des Hochgebirgssports hat Alfred Steinitzer in seinem bei R. Piper u. Co. erschienen Werk»Der Alpiniemus in Bildern' dargestellt, besten reiches Jllustrationsmaterial durch einen aufschluß» reichen Text ergänzt wird. Saussures Bezwingung des Moni» blancs erregte die höchste Bewunderung der ganzen Menschheit: unter den folgenden Besteigungen des höchsten Berges Europas   ist keine mehr bewundert worden, als die der 44jährigen Mademoi- selle d'Angeville, die vor der Besteigung ihr Testament macht« und unterhalb des Gipfel» wirtlich zu sterben glaubte.Tragt meine Leiche hinauf und laßt sie oben, sagte sie zu den Führern. Aber dann erreichte sie doch glücklich den Gipfel. Was die Eroberung des Montblanc   für die Westalpen, be» deutet die des G r o ß- G l o ck n e r s für die Ostalpen. Nachdem eine große Expedition des Fürstbischofs von Gurk   1799 mißlungen und auch der jpätere Bischos von Linz  , Siegmund von Hohenwart, nur den Gipfel des Klein-Glockners erreicht hatte, bezwang 1500 der Pfarrer Horasch von Dölsach als erster die Groß-Glocknerspitze. Am meisten gerungen worden ist um das Matterhorn, dessen Besteigung durch den englischen Bergsteiger Eduard Whympcr 1865 wohl die merkwürdigst« Besteigung überhaupt ist. Whymper hatte den Aufstieg mit dem italienischen Führer Carrel beabsichtigt: aber dieser wollte den Berg aus Nationalstolz von der italienischen Seite erobern, während Whymper von der Schweizer   Seite her aufstieg. Er war nun von der Angst gequält, die Italiener   könnten den Gipfel vor ihm erreichen, und so fand ein Wettlauf statt, wie er in der Geschichte des Mpinismup efnzia dasteht. Am 14. Juli 1865, um Uhr nachmittags, betraten Whymper und die Seinen als erste den Gipfel; ste sahen auf der anderen Seite hie Italiener   noch ziemlich weil entfernt. Sie schrien und rollten Felsblöcke herunter; da flohen die Italiener und erzählten später, böse Geister hätten ste bedroht. Unten herrschte große Begeisterung über den Sieg, als man mtt Fernrobren di: von Whymper aufoevslanzt« Fahne be» merkte. Aber auf dem Abstieg rächte sich das Matterhorn grausam; dos Sell riß, und die vier vorderen Teilnehmer stürzten in den Ab- grund: nur Whymper und die beiden Führer Tougwalder, die sich mit oller Gewall festg-stemmt hatten, blieben am Leben. Zwei Tage später kam Earrel von der italienischen Seit« hinauf. Di« Bergfahrten der Brüder Zsigmondy zusammen mit Ludwig Purtscbeller bilden den Höhepunkt in der Eroberung der Alpenwett: denn sie dehnten zuerst dos führerlose Gehen auf das vergletscherte Hochgebirge aus und erlangten 1879 mit der Erstersteigung des schier unbezwinglichen F e l d k o p f s in den Zillcrtaler Alpen   einen be- sonderen Triumph. In den außereuropäischen Hochalpen war Alexander von Humboldt   der Bahnbrecher, der bei seinen Bestei- gungsversuchen des Chimborasto und Cotopaxl 1802 die größte bis dahin von Menschen erreichte Höhe von 5810 Meter bezwang.
Zlurnachbarn. Vau Jean Rochou. Di« Wohnungen der Kartonnagenarbeiterin und de» Kofferarbeiter, Miete 160 Frank, Kammer und Küche grenzen aneinander, lmd ihr stet» freundliche» Einvernehmen ihrer Nachbarschaft hotte seit den vier Jahren nie eine Trübung erfahren. Sie war moger, oufgeschosten wie«ine Hopfenstange, ihre Gesichtsfarbe durch viele Nachtarbeit fahl geworden: die von Sorgen verzehrten, der Schön- hell und Anmut baren Züge wiesen einen einzigen Reiz auf: ein kaum merkliches, schwach«, Lackeln aus blosien Lippen. Er war, im Gegensatz zu ihr. brünett, muskulös, gedrungen, von heiterem, dabei etwas schuckternem Wesen: man vermutete in ihm den in fester Stellung befindlichen Arbeiter, der sein genügendes Auskommen hatte. Eine, Morgen» paßte das Mädchen verstohlen seinen Weggang ab. Sie hört« ihn den Schlüssel drehen und trat, hinter sich die Tür  « anlehnend, auf den Flur. Morgen. Herr Maillefer../ Guten Morgen. Fräulein Martha... Wie gehts der Mutter?' Sie näherte sich und erwiderte kaum vernehmbar: Immer weniger gut... gestern war noch der Arzt da... er meint, sie hat nur nochlechs Wochen zu leben.' Sl« unterbrach sich, flüsterte dann errätend: Wollen Sie mir einen großen Dienst erweisen, Herr Maillefer? Wenn ich das kann../ Da, wohl... es hat weiter nicht» auf sich... aber wie soll ich'» Ihnen nur sagen?' O, ganz ohne Umschwelf... man kennt sich ja fo lange!' Sehen Sie', fuhr sie leise fort.Mutter quält sich so... es ist wohl begreiflich, sie weiß nicht, was nach ihrem Tode mit mir werden soll... wir sind dem Doktor schuldig, dem Apotheker, dem Bäcker... mit der letzten Miete noch im Rückstand... Mutter denkt, sie werfen mich aus die Straße... Ihr« Rede ist immer: Arme» Kind, was fängst du bloß an? W?» soll au, dir werden? Wüßt« Ich dich ver- beiraiet, würde ich mich nicht so ängstlqen, könnte ruhig sterben. Aber der Gedanke dich aNein zurückzulassen, macht mich ganz wirr im Kopf... Da, wiederhol« i!« mir jeden Tag zwanzig-, dreißigmal und dabei rinnen ihr die heisien Tränen nieder. Ganz umsonst, daß ick sie zu beruhigen such«. Es nützt nichts. Sie jammert dann nur Ell vor sich hin. da» ist alle,... wenn ich sie so sehe, laus« ich oft hie Küche, mich auszuweinen. Jetzt... nun da bin ich auf einen Einfall gekommen: Würden Sie nicht so gut sein, uns manchmal zu besuchen?... so daß man
sich an Mutters Lager ein paar Minuten recht nett unterhielte... Sie verstehen mich?... Ahnen Sie, welchen Glauben ich in ihr erwecken möchte, damit sie in Frieden scheiden kann?... Mutter schätzt Sie hoch, Ihren Fleiß, Ihre Rechtschaffenheit. Gott  , wie glück- sich würde sie sein!... Und für Sie bedeutet es nur eine geringe Störung Ihrer freien Abende, denn das Ende ist so nahe... Ich komme von heute ob,' sagte ernst der Arbeiter. Aber. Herr Mailleser, Sie denken nichts Falsche» von mir?../ Ich danke.' Am nämlichen Abend wurde die Klingel gezogen... Martha stürzte herein:Mutter. Herr Maillefer. er will fragen, wie dir's geht.' Der Kofferarbeiter trat ein und unterhiell sich vertraulich mit der Kranken, während Martha am Tisch zu ihrer Arbeit niedersaß. Sie nehmen mir'» nicht übel, wenn ich weiter arbeite?' O, warum nicht gar?' Ihr« schnellen, geübten Finger fügten das zerschnittene, mit etwas Kleister angefeuchtete Kartonpapier zusammen und verwan- betten es in hübsche, farbige Kästchen, die sich nach und nach symmetrisch an den Tisckecken oufscbichteten... Sie sehen, Herr Mailleser, die Kartonnagearbeit ist sehr ein- fach. Sie geben einem Pappstreiien in allen Färbungen, blaue, weiße, rote, schwarze, gelb« und grün«... dl« nur zu sortieren und sauber zusammenzukleben sind... auf den Deckel kommt eine grelle Etikette und fertig haben wir di« kleine, elegante Parfümerieschachtel! ... Di« Hauptsach« ist Geschwindiokeit/ Ja, darauf kommt es an/ warf Maillefer«in, der nicht umhin tonnt«, die berufsmäßige Geschicklichkeit der Arbeiterin zu bewundern. Nach Berlauk einer Stund« empfahl er sich. Ein lieber Mensch, unser Nachbar/ meinte die Kranke. Wirklich, das ist er/ rief Martha. Mit«inen, rätselhaften Lächeln aus den Lippen gelang es ihr, den Ton zartesten Gestöndnisies zu treffen. Weißt du. Mutterchen, bis heute habe ich dir's verschwiegen,... du wirft mir nicht böse sein... ich merkte es schon lange... och, seit langer Zeit, daß ich ihm gefiel... bloß, er ist so zaghast, schüch- terner als du dir Überhaupt vorstellen kannst... denk' nur. er hat sich beim Portier all« Tage nach deinem Befinden erkundigt, weil er nicht hereinzukommen wagte../ '.' Der Kofferarbeiter wiederholte sein«, Beluch an den folgenden Tagen. Der Kranken bereitet« sein Eintritt sichtliche Freude. Ihr« Kräfte schwanden jäh, aber aus ihrem Antsitz spiegelle sich hohe Freud«, ihr Blick drückte die letzte Resignation eine» ruhigen Gv- wissen» au», einer Seele, die ohne ein« Spur de» Bedauern» abzu->
scheiden bereit ist. Nur zuweilen fragte ste:Glaubst du sicher, Martha, daß er dich liebt?' O, ich weiß es so gewiß!' versicherte da» junge Mädchen. Und sie konstruiert«, sammett«, erfand Beweise, die über die vorgebliche Neigung, welche ihr der Kofferarbeiter entgegenbrachte, keinen Zweifel ließen. Die kindliche Liebe Ihres Herzens entfesiette «inen wahrhast überschwenglichen Reichtum der Erfindung. Ihre Vorspiegelung atmete jenen begeisterten Schwung, welcher dem ge- sprochenen Wort«inen so machtvollen Klang der Aufrichtigkeit ver- leiht. Wenn sie Zeuge des moralischen Friedens war, der ihre teure Kranke überkommen, dann konnte sie wohl sogar für Slugenblicke des Alleinseins die Niedergeschlagenheit und Trauer vergessen, in welche sie der drohende Verlust versetzen mußte.Der Arzt'. flüsterte sie zuweilen, beim Abschied, auf dem Flur dem Arbeiter zu. hat für Mutter« Krankheit kein Mittel ausfindig machen können, ich aber habe durch Sie das Mittel gefunden, ihre letzten Augenblicke zu verschönern und sie in Frieden scheiden zu sehen.' Sie trennten sich jedesmal Schlag zehn Uhr. Die stille Kameradschaft ihres ge- meinsamen Liebesdienstes lag in einem kaum gehauchten:Danke, Herr Maillefer/ worauf er:Keine Ursache, Fräulein Martha/ erwiderte... '.' Als der Knfferarbeiter eines Abends eintrat, offenbarte ihm da» oerweinte Gesicht des jungen Mädchens das traurige Ereignis. .Es ist voriiberl..' hauchte sie schluchzend. Er folgte ihr ins Sterbezimmer. Lange betrachtete er teilnehmend das Anttitz der Toten, deren friedliche, verklärt« Züge keine Spur des Schmerzes mehr oerrieten. Dann wandt« er sich dem jungen Mädchen zu und jagte mit ernster, halb erstickter Stimme, welche eine starke Erregung durchzitterte: Ihre Mutter ist in der Ueberzeugung dahingegangen, Fräu- lein Martha, daß wir»ms   heiraten werden... wollen Sie. daß wir ihren letzten Wunsch erfüllen?' Sprachlos, verwirrt, errötend stand sie da: eine Betäubung, die sie fast taumeln mackte, befiel sie. Die Freude dämpfte ihren Schmerz und hielt sene zurück. Ibre Schläken hämmerten. Ihr schien, al» wenn plötzlich«ine neue Lebenskraft In ihr erwacht sei. um die Bs- nommenheit ihrer Gedanken und das Tote aus ihrer Seele hinweg- zuscheuchen. Wollen Sl«?'>.. wiederhotte er. Da legte sie in leidenschaftlicher Aukwovunq den Kopf auf die Schulter de» jungen Mannes: ihre Hände falteten sich, ihre Augen umflorten sich, und andächtig still sanken sie vor dem Totenbett in die Knie. Oerechtiqt» tUbttMm»»» 4«»* KBcealet«.)