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Nr. 237 42. Jahrgang

1. Seilage ües vorwärts

Donnerstag, 21. Mai 1425

Gerad« die Vark lind ganz besonders die Gewässer um Berlin find wie geschaffen für den wanderlustigen Äonufahrer. Slbgesehen nom Schwimmen, ist der Äaniisport der relativ billigste Wassersport. Fahnen mit dem Kanu erschließen Schönheiten unserer märkischen lSewösser, die dem. der nur zu Fuß wanden, verborgen bleiben müssen. Bei Sonnenschein und Sturm zeigen diese Gewässer ihre Seele. Bei WandersahNcn aus dem Wasser komnit es nicht aus spoN» liche Höchstleistungen an. Hier handelt es sich oiestnehr darum, offenen Auges durch die Landschaft zu fahren, das Wirken der Natur- kräfte zu erkennen, wirklich Erholung zu gewinnen für Körper und Geist. In einer Reihe von Artikeln an dieser Stelle wird ein solcher Wasserwanderer, der sich mit seinem Fallboot auf märkischen Ge- wässern tummev, seine Fahrten in schlichter Weise schildern. Ttaf dem Tegeler See . Es war noch im April. Wenn auch die Sonn« warm vom Himmel schien, so hatte sie ihre Wärme dennoch nicht dem Walser mit- geteilt. Dazu wehte ein eisiger Ostwind, der die Wogen peitschte, daß sie mii weißen Kämmen dahinjagten, dos rechte Wetter für ein tüch« llges Faltboot. Mein Freund Otto und ich sahen uns auf der User- Promenade in Tegel umringt von einer wißbegierigen Kinderschar. Wir mühten uns im Schweiße unseres Angesichts, unser Boot auf- zubauen, um aus der Mitte der kleinen Gesellschaft herauszukoinmen, die weder von uns noch der begleitenden Lehrerin zu bändigen war. Da« Glück war uns auf dieser Fahrt, anfänglich wenigstens, nicht hold. Gleich zu Deginn war eine Schraubenmutter von der Achs« unseres kleinen Bootswagen» verlorengegangen, die wir nicht wieder- gefunden hatten, denn das Rad war merkwürdigerweise auf der Achs« geblieben. Halbserttg hatten wir da» Boot in» Wasser geworfen, imi den Kindern und ihrem Forschungseifer zu entgehen. An der Aufbaustell« waren wir im Windschutz des Ufers, dos Walser war kaum bewegt. Auf der dem Ostuser vorgelagerten Insel Hasselwerder wollten wir da» Boot für die wettere Reise fertig machen. Aber schon nach wenigen Paddclschlägev war das Boot im bewegte» Wasser, das alsbald von der vollen Kraft des Winde» getroffen wurde, der immer mehr zunahm. Dazu kam der Rückstau der Wasser- Massen vom Nordwestufer her. so daß das Gewog« bei dem offenen Boot- alles andere als gemütlich mar. Dementsprechend gestaltete sich auch die Landung auf Hasselwerder recht schwierig. Das Boot wurde hier nun völlig fahrrbereit gemacht, Steuerruder und Spritzwasser- decke vollendeten die Ausrüstung. Zwei andere Faltbootfahrer, die den gleichen Bootstyp wie wir benutzten, landeten ebenfalls nach einigen vergeblichen Bemühungen. Als sie abfuhren, verabredeten wir, uns in Tegclorl. am Westousgang des See», zu treffen. Diese Verabredung sollte uns später übel bekommen. Wir fuhren im Norden um Hasselwerder herum. Bald lag dieses mit Bäumen dicht bestandene Eiland hinter uns. Da der Kurs parallel zu den Wellc» lag, mußten wir ständig kreuzen, um die wellen zu schneiden und ihrem selllichen Anprall zu entgehen. Der Kurs iührte immer läng» des Ztordweftufers. Leider hatte eine Neuerung, die den Aufbau de, Bootes beschleunigen sow«. sich wohl beim Zusammenbau, aber nicht im Wasser bewährt; sie war unvollständig. Am Heck war eine fingergroß« Oeffnung nicht abgedeckt. Bei schönem Wetter war da, belanglos. Jetzt aber brachte jede überkommende Wog« Wasser in da« Boot hinein, so daß ich al» Steuermann alsbald

nicht mehr im Trockenen faß und so meinen Leichtsinn zu büßen hatte. Wir wollten daher so schnell wie möglich die größte Insel de» Sees, Scharfenberg, erreichen, um in ihrem Windschutz den Schoden zu beheben. Das flache Ufer. Kurz vor Scharfenberg waren die beiden anderen Faltbootfahrer am Nordwestufer gelandet. Sie winkten«isrig, so daß wir annahn, en, daß man hier glatt landen könne, oder ober daß sie Pech gehabt hätten und unsere Hilfe brauchten. Leider war der Strand auf etwa 10 lNeler hin so flach, daß selbst der gering« Tiefgang unsere« Bootes nicht ausreichte, um«ine Strandung zu vermeiden. Freund Otto, der vorn im Boote saß, war zum erstenmal auf dem Wasser. Er tonnte die Loge nicht übersehen. Die Spitze rannte auf. d,r Ostwind drehte fast tm Augenblick das Boot, das nun längsseits aus dem tand lag und von den wogen hin und her geworfen wurde. Das war im Hin- blick auf die Haltbarkeit der Bootshaut sehr unangenehm. Zuweilen gingen die Wellen auch noch über das Boot hinweg. Es mußte schnell gehandelt werden. Ich iprang in das kalte Wasser, zog das erleichtert» Boot hinter mir her, so wett als möglich zum Ufer, und doirn mußte auch Freund Otto heraus. Da» Boot war halb voll Wasser, und mitten drin schwammen im holden Berein Kissen, Proviant und andere Kleinigkeiten. Di« beiden Fallbootkameraden, die un» durch ihr Winten diese unglückliche Landung beschert hatten, hatten gerade auch kein Glück gehabt. Sie wollten ganz besoiiders klug sein und hatten einen Holzboden in da» Schiff gelegt. Dadurch verschob ssch der Schwerpunkt de» Bootes nach oben, so daß sich die Fahrt recht gefahrvoll gestattete. Also auch hier hatte sich«ine Neuerung, gerade so wie bei inis, nicht bewährt. Mit gutem Humor fanden wir uns in unser Unglück, fischten die Kissen und da« andere Zeug aus dem Wasser heraus, kippten das Boot um und liehen alles von Wind und Sonne trocknen. Inzwischen wurden einige Dauerläufe veranstaltet, um einer Erkältung infolge des ungewohitten katten Fußbades zu begegnen, und der wettere Feldzugsplan festgesetzt. Die?nfeln ües Tegeler Sees. Wir hatten versäumt, uns mit der Lage und den Wafierverholt. nissen des Tegeler Sees oertraut zu machen, und mußten die» nun hier nachholen. Der Tegeler See ist der Rest einer brettcn Schnielz- wasserrinne, die auch heute noch durch das fchmale, in südwestlicher Richtung oerlaufende Hermsdorser Fließ gekennzeichnet wird, das bei feiner Mündung in den Tegeler See zu einer Hafenanlage gestaltet wurde. Nicht weniger als siebeii,ZnseIn überragen die Wasserfläche dieses Sees, der im Durchschnitt kaum tiefer als vier Meter, also recht flach ist. Zwischen haffelwerder und Scharfenberg liegt das winzige, von einigem Gelträuch und zwei Bäumen bestandene Eiland Lind- werder. Südlich bzw. südöstlich von Scharfenberg liegen die Inseln Reiswerder und vaumwerder. An diese Insel schließt sich genau westlich, nur durch eine schmale Straße getrennt, valentinswerdcr, das auch von Dampfern angelaufen wird. Im Süden dieser zweit- größten Insel des Tegeler See » liegt Maienwerder, der Siedlung Saalwinkel am Ausgang der Zungfernheide gegenüber. Damit war der Kur» der weiteren Fahrt gegeben. Wir wollten iin Windschutz dieser größeren Inseln das Südwestuser erreichen und so, vor dein Angriff de» Windes geborgen, zurückkehren. Don dem eiskalten Wasser hatten wir genug, wir trugen das Boot etwa hundert Meter

wett zu einer besseren Abfahrtsstelle und hofften, von hier ohne ein kaltes Bad das freie Wasser gewinnen zu können. Das war leider auch wieder ein Irrtum. Das Steuerruder blieb ständig auf dem schmalen vorgelagerten Strand hängen, die Wogen gingen wieder über dos Verdeck hinweg. Ein Versuch, das Boot mit dem Paddel vom Ufer abzudrücken, brachte zu allem Ueberfluß dem Deck noch ein Loch, dos natürlich repariert werden mußte, wodurch wieder eine gute Stunde Aufenthalt verursacht wurde. Dann half kein Mundspi'tzen, es mußte gepsijfen werden, d. h. ich mußt« ins Wasser und das Boot durch die Brandung schieben, um von diesem übten Strand los-

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zukommen. Nach wenigen Minuten schon waren wir aus der spicgcl- glatten Fläche Zwilchen der Insel Scharfenberg und dem. Nordwest- user. Die hohen Bäume ließen auch nicht einen Windhauch auf die Wasserfläche treffen. An einem Bootssteg, bei dem das Landen ver- boten ist, machten wir unser Boot endgültig in Ordnung und konnten nun bei schönstem Sonnenschein unsere Fahrt fortsetzen. Die Insel Scharfenberg ist berühmt geworden durch die aus ihr befii!k>liche Schule, und man kann sich wirklich keinen angenehmeren Ort für die llnterrichtung und Belehrung aufnahmefähiger und lernbegieriger Jugend denken. Dichter Baumwucho läßt die Insel säst wie einen heiligen Hain erscheinen. Früher war diese Insel im Besig des Bo­tanikers Olk. Carl Bolle , der hier ganz seinen Pslanzenstudien lebte. Zwischen Scharfenberg und Palcrninswerder hindurch, vorüber an Fijchwehren, flüchteten wir in den Windschutz, den die Iungsernheide gewährt, und konnten nun in aller Ruhe die Rückfahrt beginnen.

q Schnock. Ein Roman von See«ad Sümpfen. Don Svend Fleuron . (Aus dem Dänischen von Thyro Iokstein-Dohrenburg.j Der Kopf war groß und quabbelig, mit einem gewaltigen Haifchlund und winzigen, verschlafenen Augen ausgestattet. Sechs lange, wurmähnliche Bartfäden, deren Spitzen in Locken und Windungen ausliefen, schlängelten sich aus ihren Mundwinkeln: mit ihnen fühlte sie sich vorwärts, wenn sie sich besinnlich über den Modderboden auf dem Bauche weiter- schleifte. Sie besaß weder einen Hals noch eine Brust: gleich hinter der Kehle hing wie bei einer alten Muttersau der ge- räumige Bauchsack herab. Der Sack war immer gespannt und dem Anschein noch so schwer, daß der Rücken des Un» tieres ganz hohl wurde. Ein uuheimsiches, lichtscheues Schleichtier war Uaah, ein Schrecken für jedes armselige Fischgeschöpf, das zu Schaden gekommen war und nicht mehr munter umherzuschwimmen vermochte. Wie ein moosüberwucherter Eichensiamm, begraben im Schlamm, liegt sie da, als Schnock, unerfahren wie sie ist. zwischen den Grundquellen herangepoltert kommt und ahnungslos zu wiederholten Malen über ihren nackten. fchmutziggrünen Körper hin und her streicht. Sie ist voll- kommen unsichtbar: nur die beiden längsten ihrer Fühlfäden ragen aus dem Schlamme auf. sich unaufhörlich biegend und krümmend, als feien es zwei Regenwürmer, die in der Ahnung vom Rahen des Feinde« eilends im Erdreich Schutz suchen. Als Schnock. wie immer aufs Fressen erpicht und Desi. katesien gegenüber nur wenig widerstandsfähig, dieWür- wer" zu Gesicht bekommt, schießt sie wie ,m Falke hernieder, ohne auf da, lauernde Glimmen in zwei kleinen, bernstein. sarbenen Steinen zu achten, die bebend auf dem Grunde des Schlammreiche« liegen Sie schnappt voll Eifer nach dem zunächst schwimmendenWurm": der aber scheint Ihr aus- zuweichen und schlüpft, indem er sich zusammenrollt, be- hende fort- Der zappelnde kleine Junahecht ist noch zu weit entfernt von den Kartälschenhaken von Zähnen, die in dem Munde des plumpen Grundräuders drohen; er muß näher herangelockt werden, den anderen Wurm zur Strecke zu bringen und da

nun auch dieser mit einer für einen Wurm ungewöhnlichen Geschwindigkeit sich zu einem Klumpen zusammenballt und abwärts taucht, steigen ihr instinktiv Bedenken auf. sie kurbelt ihre Schwanzschrauoe gewaltig an. als gerade die hinlerhällige Wasserhyäne mit einem Schlage die Schlammask« fallen läßt und einen wilden Ausfall gegen sie unternimmt. Hals über Kopf gibt Schnock jetzt Fersengeld... von Grauen gepackt, das ihr kaltes Fischblut erstarren macht, ent- flieht sie aus der schwarzen Wolke, die Uaah tn ihrem Jagd- eifer aufwirbelt. Es ist gerade, als fei das ganze Sumpfloch lebendig ge- worden, alles gleitet und schaukelt, alles bewegt sich unter ihr, sie schwimmt wie in pechschwarzer Nacht, einen hitzig schnap- penden Saugschlund hinter sich. Unablässig muß sie stärkstss Eiltempo In den Schwanz legen und mit allen Bauch- und Rückenflossen luven, um nicht angesogen zu werden. Ehe noch das Wasser klar zu werden und der Tag hin» durchzuleuchten beginnt, befindet sie sich mit einem Male in- mitten eines Schwarmes mimtercj Fischchen, die bei ihrem so plötzlichen Austanchen wie eine Schar Star«, in die sich der Sperber wirst, auseinanderfahren. Sie spürt ein hitziges Sieden und Brausen, von all den lebendigen kleinen Schwanz- schlagen herrührend und unwillkürlich schließt sie sich ihnen an und versteckt sich um die Wett« mit ewigen der Schnellsten des Schwarmes in einem großen, langgestreckten Schilfholm. Hier hielt Schnock sich etwa einen Monat auf, beruhigte sich und wurde der grimmigen, gierigen Natur, die in ihr selber wohnte, vollauf gerecht. Und eine« Tages, al» sie am Außenrande ihre« neuen Jagdgrundes entlanglaufte, stieß sie mit einem Male auf steile Hänge: sie stiegen. Stein Uber Steht, senkrecht aus dem Grunde auf. voller Löcher und Oeffnungen. Sie schwamm durch große, schleimiggrüne Höhlen, in hohe Grotten hinein /es waren die Ueberrest« de» alten Mönchklosters, das sie hier aufgesunden hatte. Ueder den See zurück wagte sie sich vorläuflg nicht. Die Begegnung mit Uaah hatte eine Ahnung in ihr aussteigen lassen, daß draußen in der Tiefe Geiahren lauerten, denen sie bei weitem nicht gewachsen war. Sie suchte wieder Zuflucht in den nächsten W-eken mtd verlor sich in einer Reibe großer Nöhrichtwälder. Sie schwamm in der Richtung des Buchttiefo dem Lande zu» bis die Welt um sie herum enger und immer enger wurde; Wasserspiegel und Seegrund näherten einander, und das gefürchtete Element, in dem sie nicht zn atmen ver-

mochte, tat seine Uebermacht durch mannigfache und starke Laute kund. Ein mächtiger Waldmantel säumte an dieser Stelle den See und veranlaßte sie. kopfüber umzukehren.... Die Marodeur« des Sees. Bau einem schwachen, warmen Lufthauch getragen, kommt eine große Bachschnake aus dem Walde hcrbeigesegelt. Sie liebte es außerordentlich, ihre langen Beine im Fluge zu kühlen, indem sie sie über die Wasierftäche streifen läßt. Die Taumelkäfer verfolgen sie. aber sie geht ihnen mit Leichtig- keit aus dem Wege. Da wird sie plötzlich überrascht; M Fisch- maul schießt hoch und klappt seinen stumpfen Schereuscl>ll/td um ihre Stielbeine zusammen spurlos verschwindet sie in- mitten schaukelnder Wasserringe.* Der See liegt spiegelblank: eine schimmernde, lackblanke. grüm'chwarze Fläche, voll segelnder Sommerwolten. Das Schilf spiegelt sich und erscheint doppelt\p hoch, die Bäume sptegeln sich und ihr Laub steht doppelt so dicht;«in rotes Haus mit einer weißen Fahnenstange auf einer.der Böschun- gen wird zu einem wahren unterseeischen kleinen Schloß Rosenborg. Weitere Schnaken folgen... Und Kreise auf Kreise bilden sich... wie Maulwurfs- Hügel die Einförmigkeit einer Wiesenfläche unterbrechen, so zerstören die Fischmäuler den Wasserspiegel und schießen zu Dutzenden dicht nebeneinander hoch. Wir befinden uns in einem sener Täler des unterseeischen Gebirgslandes, wo dieser Plötzenschwarm, nach Tausenden zählend, sich aufhält. Cr nimmt«inen Platz ein, so groß wie ew Markt, und macht das Wasser klaftertief lebendig. Auf der einen Seite erhebt sich der Tangwald, wie die Fichten auf den Felsen Norwegens : auf der ungarischen Fluß- ebene das grüne, dicht« Seegras. Aber nach vorn und hinten zu schlängelt sich das Tal weiter zwischen den Hügelkuppen chin- durch, bis olles Ineinanderläuft und sich In der öden, iandigep Wüstenei verliert. Plötzlich siedet und schäumt es am Ausgang des Nochbar- tales. Unaufhörlich wird das Wasssr mannigfach zerrissen vom Grunde bis hinauf zur Oberfläche. Blasen steigen auf und Wirbel bilden sich ein langer Streifen des Sees steht in Schaum und Brandung. Es scheint nicht ein einzelnes, großes Tier, das dnrch blitzschnelle Windungen des Schwanzes sich voruiärtskurbell und Kielwasser und Dünung bildet: dieses Massengebraus läßt. die Tief« in Millionen von Schuppen aufleuchten. ........._,_ tFortjetzung jnlgtl.