Einzelbild herunterladen
 

t

Bald ist das Berliner Wasserwerk erreicht, bald grüßen die Türme der Gasanstalt herüber. Dann aber gilt es wieder, Wind und Wogen zu trotzen. Kein Boot ist mehr auf dem Wasser, und am Ufer stehen die Leute und schauen nach uns herüber. Sie schütteln sicher die Köpfe über die tollen Kanufahrer. Mit harten Paddelschlägen zwingen wir das Boot zum Ufer. Wie zum Hohn grüßt der Borsig- Turm vom sicheren Land herüber und recken die Krane des Borsig- Werkes ihre Arme. Doch langsam schiebt sich das Ufer heran. An einer prächtig vergitterten und abgeschlossenen Landungsbrücke, die jedem Zugang wehren soll, legen wir an. Nach einigen turnerischen Uebungen haben wir festen Boden unter den Füßen und blicken zurück auf die schäumende Fläche des Sees. Und wäre die Zeit nicht gemessen gewesen, wir hätten die Fahrt noch einmal gemacht, denn Sonnen- schein. Wind, Wogen und Wolken locken- immer wieder.

Ohne Hut! Man kann sich in die bitteren Gefühle der Huthändler hinein- fühlen, die in den letzten Sommern die Beobachtung machen mußten, daß die sommerliche Kopsbedachung des Mannes, der obli­gate Strohhut, einfach nicht mehr gekauft wurde. Nun war das allerdings weniger eine hutloseMode" als ein Zweckgebot der Not, eine Folge der Inflationszeit, denn Mode ist Bestimmung der Kleidung durch Geschmack, wenn auch nur Zeitgeschmack, dessen ständiger Wechsel früher aber nie vermocht hatte, den Hut in dem Umfange aus seiner Herrschaft zu verdrängen, wie es jetzt der Fall ist. Aber dann kamen wir in die Inflation, jene schreckliche Zeit, in der sich der Wert des Geldes noch in der Hand verringerte, die es soeben empfangen hatte. Wir sparten, schränkten uns ein! Auch der Hut muhte ein Opfer der Zeitverhältnisse werden; wir gaben so vieles auf. warum hätte er eine Ausnahme machen sollen! Gr wurde nicht einmal, sondern mehrere Male umgeformt, mit neuem Kopfleder und Band oersehen, bis er steif war wie ein Bock und cines schönen Tages gingen wir barhäuptig. Zunächst etwas zögernd, peinlich berührt, wenn wir Bekannte trafen, etwas linkisch beim Gruß. Wir spielten die Wandervögel, aber ohne die letzten Folgerungen daraus zu ziehen; wir ließen nämlich uns nicht das Haar, den natürlichen Schutz des Kopfes, lang und wild wachsen, sondern gaben dem Friseur nach wie vor, was ihm gebührte, und trugen unseren modern, feindurchzogenen Scheitel stolz im Lichte der Sonne. Man soll die Frage, ob die ParoleCos vom Hut!" den hygienischen Anforderungen entspricht, nicht in die Debatte ziehen, denn für den Städter, der in seinen Straßen auch beim brennendsten Sonnenschein meistens irgendwo im Schatten wandeln kann, liegt diese Frage anders wie beim Landbewohner. Gewiß baben wir unsere Ansichten in manchem Punkte auch in bezug auf die Art unserer Kleidung und auch des Hutes geändert; derHart- nionn" wich dem Filzhut in seinen wechselnden Formen, aber un- veränderlich blieb die Tatsache, daß die Kopfbedeckung ein unent- bchrliches Requisit ist. Es mag sein, daß dies auf historische Gründe zurückzuführen ist, daß in unserem Unterbewußtsein das frühere nusschließliche Recht der Freien, sein Haupt bedeckt zu halten, während der Sklave barhäuptig gehen mußte, sich noch immer aus- wirkt. Es mag sein, daß wir lediglich einer jahrhundertelangen Gewohnheit folgen. Die Huthändler wollen in diesem Jahre wieder den Strohhut aufs Tapet bringen. Ob sie damit Erfolg haben werden ist eine Frage der persönlichen Ersahrungen, die die Mutlosen" in den letzten Sommern gemacht haben dürften. vertauschte Nolle«. Der AnNäger nnrd zum Aogeklaglen. Eine eigenartige Meineidsanklage beschäftigte das Schwur- gericht des Landgerichts III. Angeklagt war der in New Fork ge- borene Artist Perry Stern. Dieser befand sich im November 1922 auf einem Gefangenentransport von Bamberg nach Würzbnrg, wo es ihm gelang, zu entweichen. Erst nach einem Jahr konnte man seiner habhaft werden. Aus dem Ctrafgefängnis in Plötzensee er- stattete er nun Anzeige gegen den Ziviltransporteur, den jetzigen Mützenmacher Weigner aus Würzburg . Stern behauptet, daß Weigner ihn habe entweichen lassen, nach- dem er ihm 2999 M. und ein Paar Handschuhe gegeben hatte. Der Transporteur habe ihn in Wllrzburg genötigt, in ein Cafe mitzukommen und ihm dann erlaubt, nachdem er Mantel und Hut abgelegt hatte, Zigaretten zu holen. Dabei fei ihm die Flucht gelungen. Der Transporteur war wegen fahrlässiger Gefangenen- besreiung und Bestechung angeklagt worden, aber vom Schöffen- gericht nur wegen des ersten Vergehens verurteilt worden, da das Gericht die Aussage Sterns, der schon vielfach vorbestraft war, als unglaubhaft erachtete. Stern erhielt nun eine Anklage wegen Mein- cides. Jetzt waren die Rollen vertauscht. Der frühere Angeklagte war der Belastungszeuge und der frühere Anschuldiger Angeklagter. Stern hatte in Plögensee vor dem Amtsgericht Wedding feine Aus- sage beschworen. Es wurde ihm zur Last gelegt, daß diese Aussage in verschiedenen Punkten unrichtig wäre. Der Zeuge erhärtete auch unter seinem Eide , daß er kein Geld bekommen habe und daß es unrichtig sei, daß er den Gefangenen aufgefordert hätte, ins Cafe zu gehen. Vielmehr habe er auf vieles Bitten mit Rücksicht auf die Kälte schließlich eingewilligt, daß Cafe aufzusuchen. Staats- anwaltschaftsrat Schwieger hielt den Angeklagten des Meineides für überführt und beantragte i'A Jahre Zuchthaus . Der Verteidiger hiell den Beweis für die Schuld des Angeklagten zu einer Ver- urteilung nicht für ausreichend, da sich Eid undEid gegen- überstehe und beide Parteieß in der gleichen Weise interessiert seien. Es sei aber auch zu bemängeln, daß der Angeklagte überhaupt ver- eidigt worden sei, denn der Richter habe ihn dabei in Eidesnot gesetzt. Sollte der Angeklagte eine falsche Bezichti- qung gegen den Beamten erhoben haben, dann hätte er sich selbst bei Angabe der Wahrheit einer strafbaren Handlung bezichtigen müssen. Das Schwurgericht kam zu der Ileberzeugung, daß die be- ichworene Aussage des Zeugen Weigner den Vorzug vor der Aus- sage des Angeklagten verdiene, billigte diesem aber die Straf- Milderung des tj 57 zu. Infolgedessen wurde er an Stelle einer an sich verwirkten Zuchthmisstrafe zu 9 Monaten Gefängnis ver- urteilt. Eine literaturverständige Strafkammer. Eine Sammlung von ponographischen Büchern und Zeichnungen wäre dem Puchhändler M. beinahe verhängnisvoll geworden und hätten ihn ins Gefängnis gebracht. Das Schöffengericht Mitte hatte ihn nämlich wegenVerbreitung unzüchtiger Schrif- ten" nach Z 184 zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt. Zu der Annahme, daß die Schriften zu Veiwreitungszwecke» im Besitze des Buchhändlers gewesen seien, kam das Gericht durch die Totsache, daß bei der Haussuchung nicht nur in der Privatwohnung ein Koffer mit solchen Schriften vorgefunden worden war, sondern auch einige Bücher im Geschäftslokal des Angeklagten, einige Bücher in den Mantel- und Rocktaschen und eins sogar im Ofenloch. Außerdem war dem Gericht besonders verdächtig, daß ver- fchiedene Bücher in mehreren Exemplaren vor- banden gewesen waren. Gegen das Urteil hatte der Berteidiger Berufung eingelegt und behauptet, daß diese Bücher einer Privat- sammlung des Angeklagten entstammten. Buchhändler und Literatur- kundige besäßen sehr häufig Sammlungen von Kuriositäten und hätten ebenso häufig Dubletten zum Zwecke des Tausches', da erfahrungsgemäß Sammler Stücke aus ihren Sammlungen nicht gegen Geldeswert abgäben, sondern nur auf dem Wege des Tausches. Das Gericht verneinte den Beweis, daß

der Angeklagt« mit den Büchern Handel treiben wollt«. Da dt« Möglichkeit einer Privatsammlung bestehe, hob die Stras- kammer das Urteil auf und erkannte auf Freisprechung. Naöiobaftler vor Gericht. Milderungen der Gesetzesbestimmungen. Mit zeitgemäßen Angeklagten, den sogenannten Radiobastlern, die sich gegen das Gesetz zum Schutze des Funkverkehrs vergangen haben, mußte sich das Potsdamer Schöffengericht beschäftigen. Vom schlichten Arbeiter bis zum Diplomingenieur saßen mehrere solcher Radiosünder auf der Anklagebank. Ein Aneklagter hatte u. a. ohne Genehmigung der Reichspost- Verwaltung sich einen Funkapparat gebaut und gehört. Er machte zu seiner Entschuldigung geltend, daß er vorher einem funktech- Vost-Monnenttt?

Sie regelmäßige Zustellung Ses »vorwärts" im nächsten Monat keine unllebsame Unterbrechung erleiSet, bitten wir unsere post-slbonnenten, Sas flbonne- ment für Sen kommenSen Monat bei Sem zuständigen Postamt sofort zu erneuern. vorwärts- Verlag V. m. b. 6.

* Nischen Verein beigetreten sei, Beitrag bezahlt habe und dann erst an die Bastelei gegangen sei. Er will nur im guten Glauben ge- handelt haben, da der Vorstand des Vereins ihm ausdrücklich ge- sagt habe:Jetzt können Sie arbeiten, Sie sind Mitglied." Nach- dem der Angeklagte die Erklärung abgegeben, daß das beschlag- nahmte Rundfunkgerät in den Besitz der Reichstelegraphenverwal- tung übergehen darf, kam das Gericht zur Einstellung des Ver- fahrens, da die Schuld des Angeklagten nur gering sei. Ein an- derer Angeklagter war so unvernünftig gewesen, seinen geneh- migten Einröhrenapparat ohne Erlaubnis zu verstärken, indem er heimlich zwei weitere Röhren eingebaut hatte. Das Urteil erging an Stelle einer oerwirkten Gefängnisstrafe von einem Tag auf 3S M. Geldstrafe und Einziehung des Apparates. In einem anderen Falle mußte Freisprechung erfolgen, da der An- geklagte sich daraus berief, daß Berstärkungen jetzt erlaubt seien. Der als Sachverständige geladene Postrat Hermann aus Potsdam führte aus, daß die Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze des Funkverkehrs vom 8. März 1924 gemildert feien, um d i e Beteiligung am Rundfunk zu erleichtern. Diese. Verfügung lautet:Die Verwendung von Niederfrequenzverstärkern, sowohl von selbst hergestellten, als auch von fertig gekauften, ist künftig ollgemein auf Grund der einfachen(weißen) Runvfunkteil- nehmergenehmigung zulässig. Eine Stempelung von Niederfrequenz- Verstärkern findet künftighin nicht mehr statt."

Die Milchversorgung Berlins gerät in» Stocken! vor den Milchläden und an den Bolle-Wagen stehen schon wieder lange Schlangen". Di«Kunden' erhalten nur einen Teil der ge- wünschten Menge.

Das Rundfunkpro�ramm. Donnerstag, den 21. Mai. 9 Uhr vorm.: Moreenfeier. 1. S. Karg-Ehlert: Dein ist die Kraft und die Herrlichkeit(Dr. Artur Böhme am Harmonium). 2. Ed. Grell: Erhaben, o Herr(Berliner Solistenqnartett, Dir.: Dr. Artur Böhme, Marg. Böhme-Heidenreich, Ilse Mohr, Manja Barkau. Hannes Aulert. Max Spiegel, Gustav Polzin, Herbert Schmidt). 3. L. Cherubini: Sanctus(Heine, Siede, Violine; Dr. Sprenger, Klavier; Dr. Artur Böhme am Harmonium). 4. Jos. Haydn: Schon eilet froh der Wandersmann, Arie aus denJahres­zeiten". b. Ansprache des Herrn Pfarrer Koch, Lichterfelde . 6. H. Hink: Preis und Anbetung(Berliner Solistenquartett). 4.306 Uhr abends: Xachmittagskonzert der Berliner Funk­kapelle. Leitung: Konzertmeistor Ferdj- Kauffman. 6.05 Uhr abends: Fünfzehn Ufa -Minuten(Paul Morgan ). 7.30 Uhr abends: Dr. Leopold Schmidt spricht über Wagner als Einleitung zum Sende­spiel. 8 Uhr abends: Sendespieie. Abteilung: Oper. Leitung: Cornelis Bronsgeest . Zum Vorabend des Geburtstages von Rick Wagner.Der fliegende Holländer ". Romantische Oper in drei Teilen. Text und Musik von Richard Wagner . Für den Rund­funk eingerichtet von Cornelis Bronsgeest . Dirigent: Selmar Meyrowitz . Daland, ein nordischer Seefahrer: Dirk MagrÄ; Senta, seine Tochter: Emmy Bettendorf ; Erik, ein Jäger; Paul Stieber-Walther; Mary, Sentas Amme: Grete Mancke; Der Steuer­mann Dal an da: Marcel Noe; Der Holländer: Cornelis Brons­ geest Matrosen Dalands, Mannschaft dos Holländers, Mädchen. Ort: Die norwegische Küste. Anschließend: Diitte Bekanntgabe der neuesten Tagesnachrichten. Zeitansage. Wetterdienst, Sport­nachrichten, Theater- und Filmdienst. 10.3012 Uhr abends: Tanzmusik. KSnigswusterhansen, Donnerstag, den 21. Mal. 11 3012.50 Uhr mittags: Konzert Mitwirkende: Künstler­kapelle Dajos Bela (mit frenndlicher Genehmigung der-Odeon- Werke, Berlin ). 1. Hildach; Der Lenz. 2. Thomas; Ouvertüre zur OperMignon". 3. Verdi: Fantasie aus der OperRigoletto ". 4. Zwei Violinsoli; a) Schubert : Ave Maria, b) Dvorak : Humo­reske(Dajos Bela ). 5. Johann Strauß : Geschichten aus dem Wiener Wald , Walzer. 6. Pierre Blauer: Die Spieluhr(The clock is playing), Glockenintermezzo. 7. Hugo Hirsch : Träume sind zarte Blüten, Fox aus der OperetteDer blonde Traum". 8. Misch a Spolenzky und James Alden: Der Wink mit dem Zaunpfahl, Raußschmeißer. 12 Uhr mittags: Esperantoeinlage. Freitag, den 22. Mai. Außer dem üblichen Tagesprogramm; 4.306 Uhr abends: Nachmittagskonzert der Berliner Funk­kapelle. Leitung: Konzertmeister: Ferdy Kauffman. 6.30 Uhr abends: Zehn Minuten für die Frau(.Aus Liebe zu mir?") 6.40 Uhr abends: Vortragsreihe:Der Naturschutz". 3. Vortrag. Dr. Heinroth:Vogelschutz". 7 Uhr abends: Wege zum Wissen:Die Schönheit von Assur und Babylon". 7.30 Uhr abends: Dr. Ing. Seiter:Das Taylor-System, seine Vorzüge unb Nachteile. 8 Uhr abends: Chemiker Vostell:Gifte und Gegengifte". 8.30 Uhr abends: Bunter Abend. 1. a) Neßler: Benüt1 dich Gott, b) Albert Schmidt: Ocarinawalzer, c) Jodler (Albert Schmidt, Ocarinasolo; Rudolf Schmidt. Klavier; H. Rut- kowski, Violine). 2. a) Weißenbom: Mitternächtliche Wachtparade, b) Fucik; Der alte Brummbär(Nordisches Fagott-Trio: Artur Menser, Albert Brockt, Willi Heese). 3. Albert Schmidt: a) An Ilse, Lied, b) Wanderlieder, c) Bayerischer Walzer und Jodler. d) Brehms: Guten Abend, gute Nacht(Albert. Schmidt, Rudolf Schmidt, H. Rutkowski). 4. a) Rohde: Elfengeflüster, b) E. Schulz: Im Luftschiff, Galopp(Nordisches Fagott-Trio). 9.30 Uhr abends: Die Verlobung bei der Laterne. Operette in einem Akt nach dem Französischen des Michel Carre und Leon Battu . Musik von Jacques Offenbach . Für den Rundfunk eingerichtet von Cornelis Bronsgeest . Dirigent: Dr. Wilhelm Buschkötter. Peter, Pächter: Harry Steyer; Liese, seine Muhme: Anni Frind ; Anne Marie, Witwe, Bäuerin: Charlotte Freyer; Katharina. Witwe, Bäuerin: Frieda Wolf; Nachtwächter, Bauern und Bäuerinnen. Ort: Plat in einem Dorfe vor Peters Pachthof. Anschließend: Dritte Be­kanntgabe der neuesten Tagesnachrichten, Zeitansage, Wetter­dienst, Sportnachrichten, Theater- und Fünjdienst.

Holzmanns Selbstmoröversuch. Der endlose Dienstweg. Zur Ergänzung der kürzlich gebrachten Meldung über den Selbstmordversuch J)olzmanns werden noch Einzelheiten bekannt: Entgegen onderslaulendeii Nachrichten hat Holzmann schon am Abend des 13. Mai(M i t t w o ch) de» Versuch gemacht, sich mit einer aus Bettlakenstreisen gedrehten Schlinge zu erhängen, konnte dann aber von einem zufällig in die Zelle kommenden Wärter recht- zeitig abgeschnitten werden. Der Vorfall hat sich nicht im Unter- suchungsgefängnis Moabit , sondern im Strasgesängnis Lehrter Straße zugetragen, wohin Holzmann als Unter- ' suchungsgefangener nach der in Moabit vorgekommenen Kassiber- angelegenheit übergeführt worden war. Hier konnte er mit Rück- ficht aus die Gesängnisordnung nicht ganz so" behandelt werden, wie es im Untersuchungsgefängnis der Fall gewesen wäre, er hatte nicht seine regelmäßigen Freistunden und ander« Bergünstigungen, so daß er immer mehr in eine starke Aufregung geriet. Sein Zu- stand gab sowohl dem Direktor wie den Aerzten dieses Gefäng- nisses Anlaß, bei den zuständigen Stellen auf eine Rückverlegung Holzmanns nach Moabit hinzuwirken. Eine eingehende Unter- suchung durch die Gesängnisärzte ergab die Feststellung, daß Holz- mann von einer schweren Hastpsychose befallen und»ach Ansicht der Mediziner h a f t u n f ä h i g war. Daraufhin stellten seine Verteidiger, die Rechtsanwälte Dr. Alsberg und Dr. P e s ch k e am<i. M a i den Antrag, Holzmann nach der Charitezu überführen. Dieser Antrag ging an den U n t e r s u chu n g s- r i ch t e r, der sich aber für n i ch t zuständig erklärte und die Angelegenheit an die Strafkammer weiter verwies. Diese hat dann endlich am D o n n e r s t a g, den 14. Mai, diesem Antrag stattgegeben und die Ueberführung Holzmanns in die Charite beschlossen. Am Abend zuvor hatte dieser aber schon den Selbstmordversuch gemacht. Trotzdem dieser Strafkammerbeschluß nur seit 48 Stunden vorliegt, ist aber Holtmann bis zum gestrigen Sonnabendabend 6 Uhr noch nicht nach der Nervenklinik der Charite übergeführt worden. Der Dienstweg ist scheinbar e n d- l o s. Sein Zustand hat sich inzwischen nicht gebessert, er leidet nach wie vor an schwerer Haftpsychose. Es kann nunmehr nach Erkrankung auch dieses Angeklagten als ausgeschlossen bezeich- net werden, daß der Fall Holzmpnn Bartels noch vor den Ge- richtsferien zur Verhandlung kommen wird. Ueberhaupt sieht es bei der gegenwärtigen Sachlage so aus, als ob die Prozesse wegen der Finanzskandale noch in weitem Felde liegen, da von den Haupt- beteiligten kaum einer sür die nächste Zeit verhandlungssähig ist.

Großfeuer bei Netter, Volf u. Jacob». Am Mittwochnachmittag kam angeblich durcki eine Feuerung in der Vcrzinkcrei der Firma Netter, Wolf u. Jacob i in deren Walzwerk in Adlershof Feuer zum Ausbruch und griif rasend schnell um sich. Als die Wachen von Berlin an der Brand - stelle ankamen, standen die Gebäude an der Oppenstr. 3/9 schon in großer Ausdehnung in Flammen. Die Lage für das große Blech- Walzwerk erschien recht bedrohlich. Die Züge 8(Reichenberger Straße) aus Niederschöneweide , Köpenick , Oberschöneweide , Karls- harst, Alt-Glienicke , Adlershof usw. waren auf die Meldung G r o ß f e u e r" in kurzer Zeit zur Stelle. Es wurde von allen Seiten mit 4 B- und 12 L-Rohren von 19 Dampsspritzcn unausgesetzt Wasser gegeben. Zufolge des heftigen Nordwindes wurde das Feuer bald hier, bald dort, kaum daß man es gelöscht hatte, von neuem entsacht. Der Oualm und der Feuerschein waren weithin sichtbar. Die Straßen in der Umgebung der Brandstelle mußten von Landjägern und Polizei abgesperrt werden. Dem Brande sind wertvolleMaschincn, Transmissionen und andere Einrichtungsgegenstände zum Opfer gesolle n. Trotz- dem soll der Betrieb ausrecht erhalten werden. Der Schaden läßt sich noch aar nicht übersehen. Beteiligt sind mehrere Versicherungs- gesellschafteN.' Unter der Einwirkung der großen Hitze sind Eisen- träger vollständig verbogen, der Mörtel zerstört worden, und Wände, sogar: Mauern, aus dem Lot gegangen. Personen sollen nicht ernst- lich zu Schaden gekommen sein. Erst nach einstündiger Tätigkeit konnte das Gros der Wehr wieder abrücken. Die vollständige Ab- lösung und Aufräumung nahm noch viel Zeit in Anspruch. Nach den bisherigen Ermittlungen ist�dsr Brand Oppenstr. 9 7 ausgekommen, und zwar in einem Schuppen der tfilz- fabrik Adlershof A.-G., in dem Filzballen. Tierhaare, Jute u. a. lagerte. Bevor die Feuerwehr eintraf, standen zwei Holz- schuppen von 159 Quadratmetern, ein dritter Holzschuppen von 599 Quadratmetern und ein vierter massiver Schuppen von 899 Quadrat- meiern mit Inhalt in Flammen. Diese hatten so schnell und reiche Nahrung gefunden, daß die angrenzenden Gebäude der Verzinterei der Walzwerke Wolf Netter u. Iakobi in größter Gefahr schwebten. Bevor man aber des Feuers Herr war, stand die Dachkonstruktion der Verzinkerei in Flammen. Das Flammenmeer war gewaltig und die Anstrengungen der Feuerwehr ganz außerordentlich. Diesen ist es zu verdanken, daß die angrenzenden Nachbarfabrikgebäude rest- los geschützt werden tonnten, so daß der Besrieb des Blechwalzwertes mit der Verzinkerei fortgeführt werden kann.

Umänderung des Belle-Alliance-Platzes. Der Belle-Alliance-Platz. der erst kürzlich nach Fertigstellung der Untergrundbahn und des dortigen Bahnhofes, Wiederaufstellung der Friedenssäule usw. seine frühere Gestalt wieder erhalten hat, soll nun nach einem Beschluß des Bezirksamts Kreuzberg umge- ändert werden. Die Gleisanlagen der Straßenbahnen und der Straßendamm sollen eine andere Gestaltung erhalten. Geplant ist die Umgestallung und Asphaltierung des Platze s, ein zehn Meter breiter asphaltierter Fahrdamm, e i n Bürgersteig von 6i49 Meter Brette, ein eigener Bahnkörper und die Verbreiterung der bestehenden Grün- und Parkflächen. Der Kosten- aufwand sieht eine Bausumme von 229 999 M. vor. Diese Mittel sind auch schon in den neuen laufende» Haushaltsplan eingestellt worden. Diese bedeutende Ausgabe hätte man zweifellos sparen können, wenn man gleich nach der Fertigstellung der Untergrundbahn mit der Umänderung des schönen Platzes begonnen hätte. Es muß jetzt aber auch erwartet werden, daß auf dem neu gestalteten Plag hinreichend Raum für einen Kinde rsspielplatz ausgespart wird. Schutt gegen Ausschreitungen am Himmelfahrtstage. Wohl an keinem Sommertage wird soviel Bacchus und Gam- brinus geopfert, wird soviel Unfug getrieben, werden soviel Aus. schreitungen begangen wie am Himmelfahrtstage, dem Tage her so- genanntenHerrenpartien". Anstatt sich an der schönen Natur zu erfreuen, fallen die meisten derHerrenpartien", nachdem sie ihr Ziel mit der Bahn, im Kremser oder im Auto erreicht haben, in das nächste Lokal ein, wo gekegelt, geskatet und vor allen Dingen recht reichlich gezecht wird." Oer Polizeipräsident hat nun die Schutzpolizei angewiesen, ihr besonderes Augenmerk am Himmel- fahrtstage aus bei dieser Art Feiertagserholung zutage tretende Auswüchse zu richten und ihnen mit aller Ruhe und Besonnen- hett, aber auch mit aller Energie entgegenzutreten. Es wäre selbst sür alle jene, die den kirchlich-konsessionellen Charakter dieses Feier­tages ablehnen, eine durchaus unwürdige Art, einen schönen Früh- lmgstag durch lächerliche und kindische Moskenumzüge und ähn- lichen Klimbim zu entweihen.

Berliner Werkstätienkleider. Gegen die östlichen und westlichen Einflüsse in der Kleidung der deutschen Frau, nicht aber gegen die Mode, wendet sich der Der- band Deutsche Frauenklcidung und Frauenkultur, der im Rhein- g o l d eine Kleiderschou veranstaltete. Die Zuschauer waren vor- wiegend Frauen, die schon durch ihre eigene Kleidung ihre An- hängerschaft an den Verband betonten. Man muß eingestehen, man bekam durchweg schöne Linien zu sehen Die vorgeführten Werk- stättenkleider zeigten deutlich, daß persönliches Bewußtsein durch einfache und zweckmäßige Kleidung gehoben wird. Keine Berufs- probicrdamen, sondern junge Mädchen, die dem Verband ong»,